„Hinter die Kulissen“: Interview mit Prof. Dr.-Ing. Nando Kaminski

In dieser neuen Interview-Serie möchten wir Euch die Professor*innen und Lehrenden an unserer Universität Bremen näher vorstellen. Oftmals ist die einzige Begegnung zueinander der Hörsaal, in dem Lehrinhalte vermittelt werden. Allerdings verbergen sich hinter jedem/-r Lehrenden interessante Geschichten, Lebenswege und Visionen. Und genau das möchten wir mit dieser Interview-Serie in den Fokus stellen. Wir hoffen, dass Euch der Einblick „hinter die Kulissen“ genauso viel Spaß macht. 

 

1.     Stellen Sie sich kurz vor und was machen Sie an der Universität Bremen?

Mein Team erforscht Leistungshalbleiterbauelemente, also nicht Halbleiter wie man sie aus Computern kennt, sondern solche aus Lokomotiven, Windenergieanlagen und zunehmend auch Elektrofahrzeugen. Wir sprechen da von Strömen bis über 1000A und Spannungen von bis zu 10.000V. Da wir an der Uni keine eigenen Reinräume zur Herstellung solcher Bauelemente haben, untersuchen wir diese per
Simulation oder charakterisieren Bauelemente, die wir vornehmlich von Industriepartnern bekommen. Dabei haben sich Zuverlässigkeitstests als das interessanteste Gebiet herauskristallisiert. Wir setzen die Bauelemente viel höherem Stress aus als sie im normalen Leben sehen würden und versuchen dann, aus dem resultierenden Verhalten auf die Lebensdauer im normalen Einsatz zu schließen.

2.     Was faziniert Sie an Leistungshalbleiterbauelementen?

Mit einem Chip von nur 1cm² kann man die Maximalleistung eines Elektroautos innerhalb einer Mikrosekunde ein- und ausschalten. Die Chips überstehen dauerhaft 150°C und kurzzeitig sogar 300°C oder mehr. Das Ganze kann man mit sehr geringer Leistung ansteuern und es ist sehr robust. Macht man aber den kleinsten Fehler in der Ansteuerung oder im Design, geht der Chip in den Kurzschluss und es gibt eine riesen Sauerei in der Elektronik. Faszinierend.

3.     Was war ihr Traumberuf als Kind?

Damals waren gerade die IC-Züge der Bundesbahn mit entsprechend schnittigen Lokomotiven eingeführt worden und so war klar, ich will Lokomotivführer werden.

4.     Was war ihr Lieblingsfach in der Schule?

Ganz eindeutig Physik. Da kamen immer sehr spannende Experimente dran, die viele Alltagsphänomene erklärten oder eben Effekte zeigten, die ganz unglaublich waren und die Vorstellungskraft sprengten.

5.     Wie war es, als Sie das erste Mal in einem Vorlesungsaal standen und dozierten? Wie haben Sie sich gefühlt? Was haben Sie gedacht?

Als ich meine Diplomarbeit schrieb, hat mich mein späterer Doktorvater, für den ich schon einige Zeit Übungsstunden in den unteren Semestern gegeben hatte, eine seiner Vorlesungen halten lassen – und hat sich selbst mit ins Auditorium gesetzt. Ich muss einen knallroten Kopf gehabt haben und weiß spätestens seit der Zeit, was ein Fluchtinstinkt ist. Zum Glück hatte ich mich gut vorbereitet und konnte runterspulen. Den ersten klaren Gedanken habe ich wohl nach einer Viertelstunde gefasst. Jahre später bei den ersten eigenverantwortlichen Vorlesungen an den ehrwürdigen Eidgenössischen Technischen Hochschulen in Zürich und Lausanne war es dann nur noch halb so wild. Da habe ich dann meinem Doktorvater jeweils im Stillen gedankt.

6.     Welche Spitznamen geben Ihnen Studierende?

Das ist leider ein trauriges Kapitel. Wie schon in der Schule, im Studium, in der Industrie, so auch bei den Studierenden und in meiner Arbeitsgruppe, es hat nie für einen Spitznamen gereicht. Ich habe schon manchmal gedacht, dass das ein Zeichen mangelnder Wertschätzung ist, aber so konsistent …

7.     Welches ist Ihr Lieblingsplatz an der Uni Bremen?

Das Flachdach des NW1. Da kann man allen Mist unter sich lassen und die platte Weite Norddeutschlands typischerweise bei einem ordentlichen Wind genießen.

8.     Von welchem Mensa-Essen können Sie nicht genug bekommen?

Als Student an der Uni Bremen habe ich noch die alte Mensa erlebt mit Essen direkt auf das Formtablett und dann Essen im dem dunklen Bunker, der die Mensa damals war. Vermutlich musste es dort so dunkel sein, damit man nicht sah, was man aß. Das ist kein Vergleich zu heute, da es ganz viele leckere Gericht gibt. Ich würde mich aber trotzdem für den Klassiker Käse-Lauch-Suppe mit Hackfleischeinlage entscheiden.

9.     Was ist ihr größtes Hobby?

Hobby? Was soll das sein? Ich bin Professor, also immer in Dienst, und wir wohnen auf einem ehemaligen Bauernhof mit entsprechend großem Grundstück …

10.  Warum sind Sie Professor geworden?

Es ist einfach passiert. Lehre hat mir immer Spaß gemacht und so war eine Professur eine Option, die ich mir offen halten wollte, ohne dass ich aktiv danach gestrebt hätte. Als dann mein Vorgänger und Doktorvater pensioniert wurde, habe ich meinen Hut in den Ring geworfen, obwohl mir die 14 Jahre in der Industrie einen riesen Spaß gemacht hatten. Ich wollte mir wohl nicht später vorwerfen, es nicht probiert zu haben. Und dann hatte ich plötzlich den Ruf und meine Frau und ich mussten überlegen, ob wir nachhause zurückkehren oder unser Yuppie-Leben mit guten Jobs in der Schweiz fortsetzen wollen. Am Ende war es wohl eine Bauchentscheidung – und ein finanzielles Desaster.

11.  Was würden Sie machen, wenn Sie nicht Professor geworden wären?

Ich wäre eben in der Industrie geblieben und hätte vermutlich den seinerzeit bereits eingeschlagenen Weg als Produktionsmanager weiter beschritten. Das war sehr spannend und ich konnte viel bewegen, aber die Technik hat mir zunehmend gefehlt. Ob ich aber dabei geblieben wäre oder bei den schnellen Entwicklungen in der Industrie irgendwann vom Personalkarussell geflogen wäre bzw. gesundheitlich nicht mehr gekonnt hätte, ist fraglich. Man kann im Leben halt das Kontrollexperiment mit der Referenzgruppe nicht machen, um zu sehen welche Konsequenzen die eigenen Entscheidungen gehabt hätten bzw. was besser gewesen wäre.

12.  Die größte Herausforderung als Professor ist…?

… auch nach 13 Jahren den Studierenden noch die Eleganz der Zusammenhänge zu vermitteln und zumindest ein wenig Begeisterung mit auf den Weg zu geben, obwohl ich die Themen schon so oft durchgenommen habe und sich zumindest die Grundlagen im Bachelor kaum verändern. Ich vermute, das geht allen Lehrern so oder so ähnlich. Bei den Fortgeschrittenen ist es dann eher, das Nützliche vom Unnützen zu trennen. In manchen Skripten habe ich schon wieder Sachen herausstreichen müssen, die ich erst vor ein paar Jahren eingefügt hatte und die sich dann aber als Sackgasse erwiesen haben.

13.  Wie würden Ihre Kolleg*innen Sie in 3 Worten beschreiben?

Da müssten Sie wohl besser die Kollegierenden fragen … was ich für Sie getan habe. Aus den nicht repräsentativen und möglichweise befangenen Rückmeldungen extrahiere ich: Industriestandard. Direktheit. Humor.

14.  Ein Song der Ihr Leben am besten beschreibt?

Ich weiß nicht. Ich habe meine Mitschülerin geheiratet, sie ist immer mitgezogen und hat sich dabei eher noch besser geschlagen als ich, wir hatten einiges Glück, aber immer, wenn es zu gut wurde, gab es wieder Rückschläge und am Ende sind wir wieder am Ausgangsort zurück. Wer wollte so einen Song machen? Da müsste die Musik wohl schon richtig gut sein.

15.  Welches ist Ihr bester Ratschlag den Sie Studierenden mitgeben wollen?

Ob der Ratschlag der beste ist, müssen die Studierenden selber herausfinden. Denn genau das selber Herausfinden ist das wichtige am Studieren. Sie sollen das Studium nicht möglichst schnell absolvieren – dafür sorgt schon der Bachelor-Master-Mist – sondern auch herausfinden, was sie gut finden und was sie gut können, also auch mal links und rechts gucken. Dafür ist später wenig Zeit und Gelegenheit. Wenn sie das also herausgefunden haben und dann in die Welt hinaus gehen, wissen sie, wo sie sich am besten einbringen können und wie sie Spaß dabei haben, weil es ihnen leicht von der Hand geht. Das war wohl schon der Ratschlag.

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