Was ist ein Bewegungsbild?

Was ist ein Bewegungsbild?

Was sind die Eigenschaften des Films? Wie lassen sich diese analysieren? Wie sprechen Filme die Zuschauer*innen an? Und wie ist Film entstanden? Bettina Henzler widmet sich diesen Fragen anhand von Beispielen aus der Filmgeschichte und der frühen Filmtheorie: darunter das erste Homemovie der Geschichte Repas de Bébé von den Brüdern Lumière (1895), der für General Motors produzierte Experimentalfilm Rhythm von Len Lye (1957) und das sozialpolitische Drama L‘enfant von den Brüdern Dardenne (2005). Wie in der Vorlesung von ⇒Christiane Keim steht auch hier Frage der Familiendarstellung am Anfang – die sich im Film auf kunstgeschichtliche Ikonografien bezieht und doch auch andere Formen findet. Die Onlinepräsentation ist im Rahmen der jährlichen Ringvorlesung Einführung in Kunst–Medien–Ästhetische Bildung des IKFK entstanden. 

Bildquelle: Eadweard Muybridge: Pferdegalopp (1878)

Was ist Ästhetische Bildung?

Was ist Ästhetische Bildung?

Anhand zahlreicher Beispiele aus Radiokunst, Malerei, Graphik und Installationskunst erläutert Maria Peters in ihrer Onlinepräsentation im Rahmen der jährlichen Ringvorlesung des IKFK die Grundlagen der Ästhetischen Bildung: Welche Rolle spielt die Wahrnehmung? Wie kann Ästhetische Erfahrung im Sprechen und Schreiben bearbeitet werden? Wie lege ich Kunstwerke aus? Wie verhalte ich mich zu ihnen? Die frühen Kunstvermittlung von Alfred Lichtwark mit Kindern im Museum, Gunter Ottos Ansätze der Bildauslegung im Kunstunterricht, Carmen Mörschs Analyse der Diskurse zur Kunstvermittlung ebenso wie die künstlerische Forschung von Studierenden zu der Installation never odd or even von Barbara Bloom (2007) erschließen grundlegende Fragen der Vermittlung.

Bildquelle: Barbara Bloom: Never Odd or Even (1992)

Gemeinschaft durch Disziplin, Disziplin durch Gemeinschaft

Gemeinschaft durch Disziplin, Disziplin durch Gemeinschaft

Der Film „Gemeinschaft durch Disziplin, Disziplin durch Gemeinschaft“ von Steven Keller entstand als Studienarbeit im Rahmen des Seminars „Kunst, Gesellschaft und Kritik“ bei PD Viktor Kittlausz im Sommersemester 2017 an der Universität Bremen. Er analysiert am Beispiel des Films „Paradies: Hoffnung“ (Ulrich Seidl, 2013) die filmische Darstellung von Displinierungsmaßnahmen und befragt sie in Hinblick auf historische und zeitgenössische Kontexte.

Gemeinschaft durch Disziplin, Disziplin durch Gemeinschaft
Videoessay von Steven Keller

Was ist ein Bild?

Was ist ein Bild?

In ihrer Onlinepräsentation im Rahmen der jährlichen Ringvorlesung des IKFK fragt Christiane Keim: „Was ist ein Bild?“ Sie beantwortet diese Frage sogleich damit, dass wir eher von Bildlichkeiten, als von Bildern sprechen sollten, da jedes Bild ein vielfältiges Szenario der Produktion und Rezeption ermögliche. Am Beispiel eines Familienbildes der britischen Royals Catherine und William mit Sohn George und Hund Lupo erläutert sie verschiedene Bildtraditionen, -funktionen und -medien, die diese Fotografie transportiert und zitiert. Hierbei wird deutlich, dass für das Verstehen der bildlichen Codes ein kulturell erlerntes Verständnis vonnöten ist. Die Rezeption eines Bilder unterscheidet sich demnach je nachdem, wer das Bild anschaut, in welchem kulturellen Zusammenhang es rezipiert wird, welchem Gender sich die betrachtende Person zugehörig fühlt, wie alt sie ist, an welchem Ort sie rezipiert und in welcher historischen Zeit sie sich befindet.

Bildquelle: Michael Middleton: Kate Middleton, Prince William, and Prince George with dogs Tilly (Middleton family pet) and Lupo (© WPA Pool/Getty Images)

Dokumentarische Methode der Bildinterpretation

Welche Aussage lässt die formale Gestaltung über die ‚Botschaft‘ eines Bildes oder die Haltung der Produzent*innen (Fotografierte und Fotografierende) zu? Die dokumentarische Methode der Bildinterpretation setzt Ralf Bohnsack ein, um Fotografien und Videoaufnahmen als Dokumente des Rollenverständnisses und der Weltanschauung sozialer Akteur*innen zu deuten. Zur genaueren Erläuterung des Begriffs siehe die Seite zu ⇒Analysieren. An der Universität Bremen wurde das ⇒BOOC-Tool entwickelt, mit dessen Hilfe Bilder und Fotografien im Sinne Bohnsacks untersucht werden können. Im Folgenden wir das ein privat aufgenommenes Familienbild mithilfe des Tools untersucht und interpretiert.

Marc-Oliver Pahl: Einschulungsfoto (1994)

Zum Einstieg: Betrachten Sie das Bild einer Kleinfamilie. Was fällt Ihnen daran auf? Welche kompositorischen, perspektivischen und choreographischen Gestaltungen fallen Ihnen ins Auge? Welchen Eindruck hinterlassen diese? Wie wird der Blick gelenkt?

Planimetrische Komposition:

Die Bildkomposition wird von horizontalen und vertikalen Linien dominiert. Diese sind von der Architektur vorgegeben – den Wänden der Garage und des Hauses, den Fenstern, dem Zaun und dem Auto. Aber auch die Personen – der Mann/Vater und die Kinder – stehen kerzengerade da. Nur die Frau/Mutter, die sich leicht zu den Kindern herunterbeugt, bringt Bewegung in das Bild. Sie ist in der Mitte platziert, sie und die Kinder sind von dem Tor der Garage gerahmt.

Durch diese planimetrische Anordnung wird ein besonderer Fokus auf die Frau gelegt, die nicht nur die Größte im Vordergrund ist, genau im Zentrum des Bildes steht und von der Garage gerahmt wird, sondern auch durch ihre Bewegung herausfällt. Die anderen scheinen in ihren geraden Haltungen ein Teil ihrer Umgebung zu sein – auch der Mann/Vater, der zwar im Hintergrund, aber neben dem Garagenpfosten steht, wird so mit den anderen verbunden.

Perspektive

Der Fluchtpunkt, wenn er an den Bodenplatten, dem Zaun rechts und den Deckenlinien der Garage orientiert wird, liegt schräg hinter der Frau. Sie lehnt sich in Richtung des Fluchtpunktes und berührt ihn leicht mit ihrer Schulter und ihren Haaren. Tatsächlich sieht es so aus, als ob er auf bzw. hinter dem Dach des Autos liege. Das heißt, auch die Perspektive lenkt den Blick des Betrachters*der Betrachterin auf den Oberkörper und das Gesicht der Frau, die versucht, sich ins Zentrum des Bildes zu lehnen, es aber am Ende doch nicht ganz schafft. Das Autodach bleibt der Mittelpunkt.

Szenische Choreographie

Wenn man die Personen in Beziehung zueinander setzt, dann lassen sich zwei Zentren feststellen: ein engerer Kreis, der nur die Frau/Mutter und die Kinder umschließt und durch die gebeugte Haltung der Frau/Mutter betont wird, ein weiterer Kreis, der den Mann/Vater links einschließt, aber zugleich rechts auch das Auto.

Der Mann/Vater steht also auch hier außerhalb. Der prominente Platz des Autos an seiner Seite fällt hier besonders auf, beide rahmen die Frau/Mutter im Zentrum.

Dies lädt zu einer Reihe von weiterführenden Fragen ein:

Knüpft das Foto möglicherweise an die christliche Ikonografie der heiligen Familie an und falls ja, was für ein Bild der Familie, gerade auch der Rollen von Vater und Mutter, wird dadurch etabliert?

Vemittelt sich auf dem Bild die Bedeutung des Autos als Statussymbol der Familie im Deutschland des späten 20. Jahrhunderts? Auch hierbei stellt sich die Frage nach den Geschlechterrollen, da Auto und Garage bildlich dem Mann/Vater zugeordnet werden, der die Familie rahmt. Er scheint dadurch mehr ‚Gewicht‘ zu haben, als die Platzierung im Hintergrund auf den ersten Blick nahelegt.

Diese Fragen könnten durch Vergleiche mit anderen Bildern und Fotografien und durch eine genauere Kontextualisierung weiter verfolgt werden: In welchem Zusammenhang ist dieses Foto entstanden? Wer hat fotografiert, wer stellt sich dar? Ähnelt das Foto anderen Einschulungsbildern der Zeit? Vermitteln uns diese Bilder etwas darüber, wie sich Familien darstellen – wie sie sich als Familie verstehen und an welchen Vorstellungen und Bildern der Familie sie sich orientieren?

Fotografien können so als Teil einer Sozial- und Kulturgeschichte der Familie erforscht werden.

Schlussfolgerungen:

Die Bildkomposition etabliert einen ‚Kern‘ der Familie, der von der Mutter mit ihren Kindern gebildet wird. Sie erinnert an die Tradition der christlichen Ikonografie, in Ier die Muttergottes und Kind als Einheit abgebildet sind.

Dieser ‚Kern‘ ist gerahmt durch die Architektur. Sie bindet den Vater ein, der im Hintergrund am Pfosten der Garage steht, und dessen gerade Haltung, wie auch die seiner Kinder, den geraden Linien der Architektur entspricht. Zudem ist der Vater auch in einem weiteren Kreis mit der Familie verbunden, allerdings schließt dieser auch das Auto ein: Vater und Auto flankieren die Kernfamilie aus Mutter und Kindern. Das Kind mit der Schultüte, das anlässlich der Einschulung eigentlich die Hauptperson sein sollte, scheint dabei eher unbedeutend, selbst wenn es mit der Mutter im Zentrum des Bildes steht.