unvorgesehene Komplikationen (Update)

Durch die steigenden Zahlen in Bremerhaven und dem immer noch bestehenden Lockdown, erschwerte sich die Vorbereitung für ein Interview mit einem Pflege-Altersheim. Das zuvor geplante und schon vereinbarte Interview mit dem Altersheim-Amarita in Bremerhaven, wurde mir kurzfristig doch abgesagt. Der Grund war eine hohe Anzahl an Infizierten unter den Einwohnern und dem Personal. Um ganz ehrlich zu sein, war ich zu dem Zeitpunkt ein wenig zurück geschlagen in meiner Motivation. Ich suchte mir mehrere Pflege- und Altersheime über das Internet und rief persönlich unter den vorgegeben Nummern an, um mich zu erkundigen ob man für eine Interview bereit sei und Interesse bestünde. Mir viel schnell auf, dass ich mit meinem ersten Termin doch mehr Glück hatte als ich vorher gedacht hatte. Viele Pflege- und Altersheime hatten mir absagen müssen. Nicht weil sie kein Interesse an ein Interview hatten, sondern vielmehr weil ihnen dazu die technische Infrastruktur fehlte. Nur wenige Heime besaßen überhaupt einen Computer und wenn dies der Fall war, hatten viele dieser Häuser keine Skype oder Zoom. Mich überraschte diese Erkenntnis. Mir war nicht klar, dass unter den Pflege- und Altersheimen, keine oder nur eine geringe Anzahl an technischen Geräten zur Verfügung stand. Hier zeigte sich mir deutlich, dass nicht nur technisch-infrastrukturelle Probleme innerhalb von Schulen, sondern auch in Altersheimen vorhanden sind und diese mir während der Pandemie deutlich gemacht wurden.

Am Ende hatte ich doch noch Glück und konnte einen Termin mit dem Hansa Marie-von-Segen-Heim vereinbaren. Der Leiter erklärte mir am Telefon, dass auch sie keine Computer besitzen würden, er mir aber ein Interview vor Ort anbieten könnte. Die Bewohner seien alle schon geimpft worden und ich wäre nur verpflichtet einen Schnelltest am Eingang zu machen. Ich willigte ein und vereinbarte ein Termin mit zwei Bewohnern des Hauses.

Beobachtungsprotokoll: Terminvereinbarung im Altersheim (Thees)

Ich entschließe mich schon an der Ampel auszusteigen und direkt zum Altersheim zu laufen. Nachdem ich Mama erklärt habe, was ich überhaupt im Altersheim will, lasse ich sie alleine im Auto und gehe auf das von mir nur 100 Meter entfernten Altersheim zu. Ich hatte im Voraus mit Anna und Merle abgesprochen, dass ich versuchen will einen Termin mit der Leitung zu vereinbaren, um ein Interview mit einer der Senioren zu führen.

Kurz vor dem Eingang kommen mir eine erwachsene Frau und eine ältere Dame entgegen. Die noch junge Frau schiebt einen Rollstuhl vor sich her, in der die ältere Dame sitzt. Sie sprechen Russisch miteinander.  Ich setze mir meine FFP2-Maske auf die ich aus meiner rechten Jackenseitentasche hervorziehe. Direkt am Eingang sitzen drei Senioren auf ihren Rollatoren und rauchen Zigarette. Ich Begrüße sie mit einem lächeln und wünsche Ihnen einen Guten Tag. Sie erwidern meinen Gruß, dennoch kann ich in ihrem Blick einen Fragwürdige Ausdruck erkennen. Während ich durch die automatisch öffnende Schiebetür gehe, denke ich darüber nach, dass die Senioren wohl eher selten junge Erwachsene bei sich hier, in diesem Zuhause zu Gesicht bekommen. Mit dem Eintreten in das Gebäude kommen mir sechs Senioren entgegen, die wohl gerade aus der Cafeteria gekommen sind. Ein älterer Mann berichtet einem der anderen Senioren, wie gut doch das Essen heute geschmeckt hat. Ich laufe an ihnen vorbei, direkt zum Empfang um mich anzumelden. Hinter einer großen Plexiglasscheibe sitzt eine junge Frau, die in Papierunterlagen wühlt und gleichzeitig am telefonieren ist. Auch sie trägt eine Maske und eine weinrote Bluse. Mich verwundert die rote Bluse, da ich immer dachte, es gibt wie im Krankenhaus, auch im Altersheim Arbeitsklamotten. Mit einem kurzen Aufschauen, gibt sie mir zu verstehen, dass sie wohl gleich für mich Zeit hat. Ich schaue mich noch einmal um. Während ich warte fällt mir auf, was doch für ein Betreib auf dem Flur herrscht. Viele Bewohner des Altersheim laufen mit ihren Rollatoren oder zu Fuß in die am Eingang befindenden Fahrstühle oder in die Cafeteria.

Nach kurzer Erklärung, warum ich hier bin, verschwindet die Empfangsdame durch eine Tür in den hinteren Bereich und gibt mir nach kurzen Warten bescheid, ich sollte doch bitte kurz in der Warteecke platz nehmen, bis die Leitung mich abholt für ein Privatgespräch. Von meinem Platz aus habe ich einen guten Blick auf die komplette Eingangshalle. Links von mir ist die Cafeteria, aus der immer noch Senioren raus kommen oder hinein verschwinden.  Direkt vor mir, der Empfang, an der sich die Empfangsdame ihrer Arbeit wieder widmet. Über dem Empfang ist eine Uhr an der Wand angebracht, an der ich mich vergewissere, wie spät es ist. 14:00 Uhr zeigen die Zeiger an. Aus Reflex ziehe ich mein Handy aus meiner Hosentasche, lege es aber direkt wieder zurück. Ich schaue mich um und fange an zu beobachten.

Eine alte Dame taucht auf und stellt sich an den Empfang. Sie und die Empfangsdame müssen sich gegenseitig regelrecht anschreien. Mit wenig Mühe kann ich aus dem Gespräch entnehmen, dass die ältere Dame versucht ihre Telefonrechnung zu bezahlen. Gleichzeitig stellt sich ein älterer Mann hinter die ältere Dame am Empfang an. Mit einer doch eher unfreundlichen Bemerkung gibt er ihr zu verstehen, dass sie doch Platz machen soll. Die Dame ruft laut „WAS“ und der Mann wiederholt seine Bemerkung. Währenddessen der Mann eine Packung Kekse kauft, ist die ältere Dame damit beschäftigt ihr Wechselgeld in ihren Geldbeutel zu verstauen.  Zuerst will sie ihr Restgeld der Empfangsdame schenken, wird aber freundlich zurückgewiesen, auch weil es doch ein hoher Betrag ist.

Ein von mir eingeschätzter, etwa achtzig jähriger Mann kommt aus dem Flur in die Empfangshalle gelaufen. Eine Pflegerin folgt ihm. Der Mann sagt zu der Pflegerin, er möchte doch gerne nach Hause gehen. Die Pflegerin antwortet ihm, dass er doch zu Hause sei, legt ihren Arm um seinen und begleitet ihn wieder zurück in sein Zimmer. Währenddessen ich weiter warte, merke ich nicht viel von der jetzigen Corona Situation innerhalb des Gebäudes. Bis auf die große Plexiglasscheibe am Empfang und den getragenen Masken der Pfleger*innen, fällt mir nichts großartiges auf. Die meisten Senioren*innen selbst, tragen keine Maske und der Mindestabstand wird auch nicht untereinander eingehalten. Vielleicht zählt jeder einzelne der Bewohner*innen als Teil einer Hausgemeinschaft?!

Ich vergewissere mich erneut nach der Uhrzeit. Fünfzehn Minuten sind jetzt vergangen. Ich frage mich, wie lange es wohl noch dauern wird. In diesem Moment öffnet sich neben dem Empfang die Tür und eine etwa ende zwanzig jährige Frau kommt heraus. Sie trägt einen schwarzen Blazer, mit einer dunkelblauen Jeans und schwarzen halbhohen Hackenschuhe. Sie begrüßt mich freundlich und ich begleite sie in Ihr Büro.

Auf dem Schreibtisch der jungen Frau steht eine Weinflasche, mit einer Karte daneben liegend. Sie lächelt mich an und gibt mir mit einer humorvollen Art zu verstehen, dass sie während dieser Zeit ab und zu einen Schluck gebrauchen könnte. Ich lächele zurück und nehme gleichzeitig Platz auf den Stuhl neben ihrem Schreibtisch. Von der Idee, ein Interview mit einer der Senioren zu führen ist sie scheinbar nicht abgeneigt. Dennoch müssen wir das Interview  wohl über Skype führen, erklärt sie mir. Zwar haben sie noch keine Corona Fall gehabt, müssten sich aber auf kommende Situationen vorbereiten. Mit einer Ihrer Visitenkarten in meiner Jackentasche, verabschiede ich mich und bedanke mich für ihre Zeit.

 

Was ist das Forschungstagebuch?

Mit diesen Einträgen möchten wir die Möglichkeit bieten, neben unseren Forschungsergebnissen auch einen Einblick in unsere Arbeitsvorbereitung zu ermöglichen. Mit individuellen Beiträgen ist es uns wichtig Transparenz zu schaffen und in Bezug auf Planung, Zusammenarbeit und Umsetzung ein klares Verständnis zu erarbeiten.