Vom Staatsarchiv Bremen haben wir die Information bekommen, dass Lucien Delanghe ab dem 19. September 1943 bis zum 16. Mai 1945 im Bremer Barackenlager Achterstraße gemeldet war.  Das Lager wurde im Zweiten Weltkrieg und bis in die 1960er Jahre als Unterkunft für Zwangsarbeiter:innen genutzt, die in Bremer Betrieben arbeiten mussten. Viele von ihnen waren in der Rüstungsindustrie tätig. Heutzutage befindet sich die Re­cy­cling-Sta­ti­on Horn der Bremer Entsorgungsbetriebe auf dem Gelände (vgl. Spurensuche Bremen, 2010). Um herauszufinden was von dem Barackenlager und der Geschichte dieses Ortes noch übrig geblieben ist, habe ich mich auf Erkundungstour in die Achterstraße in Bremen begeben.

 

Auf dem Weg zum Gelände treten schon die ersten Schwierigkeiten auf. Ich komme aus Richtung der Universitätsallee auf die Achterstraße zu gelaufen und sehe schon aus der Entfernung eine riesige Baustelle. Angekommen an der Baustelle der Straße muss ich feststellen, dass es kein Durchkommen gibt, da direkt hinter ihr ein Bahnübergang und die Kleine Wümme sind, die es mir auch unmöglich macht die Baustelle durch das Gebüsch zu umgehen. Das ist erstmal eine Enttäuschung, trotzdem will ich nun unbedingt zum Recyclinghof. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es gar keinen Zugang zur Straße gibt wie es auf einer Karte im Internet beschrieben ist, da in der Straße auch Häuser zusehen sind. Deshalb beschließe ich einen anderen Weg auszuprobieren. Und tatsächlich führt mich ein Weg durch ein kleines Parkgebiet direkt auf die andere Seite der Baustelle. Ich bin mir nicht sicher, auf welcher Höhe der Hof genau liegt und gehe die Straße daher einfach ein Stück weiter runter. Auf meiner rechten Straßen Seite sehe ich dann endlich das Gelände. Ich bin im ersten Moment überwältigt. Es ist ein komisches Gefühl zu wissen, dass Davids Großvater hier einmal gelebt hat und das vermutlich noch unter schlechten Bedingungen. Ich schaue mich ein wenig um und suche nach etwas wie einer Infotafel oder ähnlichem, was die Geschichte von diesem Ort aufgreift. Diese Suche bleibt allerdings erfolglos und ich habe das Gefühl, dass ich etwas übersehen habe, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass die Stadt Bremen unkommentiert  einen Recyclinghof auf ein solches Gelände baut. Schließlich traue ich mich auch nah an die Einfahrt heran, denn laut den Öffnungszeiten soll das Gelände offen sein, das Tor ist aber durch ein Gitter verschlossen. In der Einfahrt sind mehrere Schilder, die ich mir anschaue, aber auch dort steht nichts über die Vergangenheit des Geländes. Hinter dem Tor ist ein Schild aufgestellt, wo drauf steht, dass der Hof heute geschlossen hat. Das ist natürlich sehr schade, weil ich mich auch gerne näher auf dem Gelände selber umgeschaut hätte und nicht nur von außen durch Zäune alles begutachten müsste. Dabei fühle ich mich übrigens sehr komisch oder fast schon kriminell, weil ich die ganze Zeit vor dem Gelände rumlaufe und auf andere Menschen ziemlich suspekt wirken muss. Als ich eine Überwachungskamera sehe, verstärkt sich in mir das Gefühl, etwas verbotenes zu tun. Ich habe das Gefühl hier nicht „rumschnüffeln“ zu dürfen, was mir zeigt, wie wenig aufgeklärt über den Ort und das Thema allgemein ich oder meine Mitmenschen sind. Mein Glück ist trotzdem, dass die Müllstation unerwartet geschlossen hat, weil daher ständig Leute zur Einfahrt kommen, die ihren Abfall eigentlich wegbringen möchten und ich deshalb mit einem älteren Mann aus Bremen, der schätzungsweise um die 70 Jahre alt ist, ins Gespräch komme. Ich frage ihn, ob er glaubt, dass die Häuser auf dem Hof noch dieselben wie in dem Lager der Zwangsarbeiter:innen sind. Ich formuliere meine Frage so, dass sie bereits voraussetzt, dass er die Historie des Ortes kennt. Es stellt sich aber raus, dass er davon nichts weiß, obwohl er aus Bremen kommt und den Recyclinghof kennt. Das macht mich nachdenklich und führt mir vor Augen, dass vielen dieses Thema wirklich nicht bekannt ist oder sie sich zumindest nie richtig damit auseinander gesetzt haben. Er bezweifelt sogar, dass das Lager dort früher war, bis ich ihm nochmal deutlich sage, dass es keine wage Vermutung oder Behauptung von mir ist, sondern der Wahrheit entspricht. Trotzdem wird in dem Gespräch auch mir klar, dass die Gebäudehallen auf dem Gelände auf jeden Fall nicht die alten sein können, da sie viel zu neu aussehen und in einem super Zustand sind. Der Herr vermutet, dass dort Fahrzeuge der Entsorgungsbetriebe stehen könnten. Später als ich mir ein Luftbild des damaligen Lagers anschaue, fällt mir auch auf, dass die Baracken an einer anderen Stelle standen. Ich finde es trotzdem nach wie vor merkwürdig eine Recycling-Station auf ein ehemaliges Barackenlager von Zwangsarbeiter:innen zu bauen und dann auch noch Baracken ähnliche Hallen aufzustellen. Der Mann gibt mir noch den Tipp, das Gelände durch den Park noch von der anderen Seite  anzuschauen. Diesen Rat befolge ich nach dem Gespräch. Dort habe ich einen viel besseren Einblick. Ich kann etwas heruntergekommene Gebäude sehen, die aber auch zu neu auf mich wirken. Alles wirkt auf mich eher unspektakulär, eben wie ein Recyclinghof. Ich habe weiterhin das Gefühl, dass der Ort seiner Geschichte nicht gerecht wird.