JOMO – die Freude daran, Dinge zu verpassen
Vor kurzem hörte ich das erste Mal in einem Podcast von JOMO – joy of missing out, also quasi die Freude daran, Dinge zu verpassen. Das klang erstmal paradox für mich; je mehr ich aber darüber nachdachte, desto mehr fand ich mich selbst wieder in diesem Gedanken.
Von FOMO – der fear of missing out – hat man mittlerweile ja vermutlich schon öfter gehört. So beschreibt es die Angst, etwas mehr oder weniger Relevantes im Alltagsgeschehen zu verpassen und dies danach eventuell sogar zu bereuen. Eine Angst, die viele von uns im Zeitalter der Digitalisierung, Globalisierung und vermutlich gerade auch in größeren Städten wie Bremen, wo immer was los ist, verständlicherweise begleitet. Und ich muss gestehen, dass auch ich in der Vergangenheit nicht ganz verschont hiervon geblieben bin.
Okay, das ist wohl etwas untertrieben. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich schon einige krasse Fälle von FOMO, sei es nun in Bezug auf Verabredungen mit Freund:innen, an denen ich nicht teilnehmen konnte, Events, die ich verpasst habe oder selbst Vorlesungen, die ich versäumt habe. Es könnte ja etwas passieren, von dem ich dann ausgeschlossen wäre, an dem „alle anderen“ aber teilhaben konnten. Solche Gedanken bieten natürlich einen grandiosen Nährboden für Gefühle wie Selbstmitleid, Trauer und auch mal Wut.
Aber was genau gab beziehungsweise gäbe es denn zu verpassen? Wird nicht sowieso wieder über die gleiche handvoll Themen gequatscht, wie bei jedem Treffen? Ist die dritte Party im Monat wirklich genauso wichtig und spannend, wie die anderen beiden zuvor? Und wird der Vorlesungsstoff nicht eh immer wieder durchgekaut?
Das alles sind Gedanken, die ich erst mit den Jahren weiterdenken konnte. Dabei „geholfen“ hat mir tatsächlich die Zeit des Corona-Lockdowns. Denn wenn alles stillgelegt wird, gibt es auch nichts zu verpassen – ergo keine Chance für FOMO.
Zu Beginn der Schließungen jeglicher kultureller und kulinarischer Einrichtungen überwog selbstredend erst einmal die Verzweiflung und Frustration. Wie, man kann sich nicht mehr auf einen Burger verabreden? Kein Besuch mehr im Kino oder Theater? Feiern nur noch alleine in den eigenen vier Wänden? Ganz schön deprimierend.
Doch mit den Monaten merkte ich, wie mir vieles davon eigentlich gar nicht so, wie zuerst erwartet, fehlte. Die Bars, Restaurants und Museen öffneten wieder, aber ich blieb Zuhause. Nicht aus Angst, mich mit dem Virus zu infizieren (mittlerweile gab es ja gute Schutzmaßnahmen in Form von Impfungen und Masken), sondern, weil ich gemerkt hatte, dass mir viele der Dinge, denen ich vorher hinterher gehetzt war, um ja nichts zu verpassen, gar nicht wichtig waren. Dass sie mir gar keinen Mehrwert in meinem Leben brachten, sondern mich eher noch unter Druck setzten, sie nicht zu verpassen. FOMO eben.
Ich kann total gut verstehen, wenn gerade neue Studis sich erst einmal vollkommen überwältigt fühlen von der breiten Vielfalt an Möglichkeiten und Angeboten auf und um den Campus herum. Viele sind vielleicht auch erst nach Bremen gezogen beziehungsweise wohnen überhaupt das erste Mal in einer „Großstadt“ (sofern man Bremen denn als solche betiteln möchte). Da ist natürlich alles am Anfang spannend und aufregend und das ist ja auch was Schönes.
Doch aus so viel Schönheit und Überwältigung kann schnell auch Überforderung werden, wenn man eben nicht mehr oder noch nicht unterscheiden kann, was man denn wirklich erleben möchte und was man wiederum nur erlebt, um es nicht verpasst zu haben. Und möglicherweise muss man auch erst einiges erleben, um danach getrost darauf verzichten zu können.
Ob es ein Anti-FOMO-Geheimrezept gibt? Ich weiß nicht. Aber ich merke, dass dieses neu entdeckte JOMO mir ganz gut gefällt. Egal, ob gerade Breminale, Osterwiese oder einfach nur Freitagabend ist: Wenn ich lieber Zuhause auf meinem Sofa rumhängen möchte, dann hänge ich Zuhause auf meinem Sofa herum. Und bereue nichts. Vielmehr genieße ich, wie egal es mir geworden ist, möglicherweise etwas zu verpassen.
Wie geht es euch mit dem Thema FOMO versus JOMO? Findet ihr euch hier wieder oder steckt ihr ganz wo anders? Teilt gerne eure Erfahrungen hierzu in den Kommentaren!
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