Glaswerkstatt Uni Bremen – Über das Reagenzglas hinaus!

Als ich diese Woche die Glaswerkstatt betrete, läuft der Brenner und ein altes Radio spielt Musik. Roswitha Krebs-Goldbecker, die leitende Instanz, kommt im weißen Kittel gekleidet auf mich zu, um mich zu begrüßen. Gemeinsam mit ihrem Kollegen arbeiten die beiden ausgebildeten Glasapparatebauer im NW2 an verschiedensten Glaskonstruktionen. Mit Diamanten besetzte Schleifplatten und Brillen mit Spezialgläsern kommen hier zum Einsatz.

Das Glas in der Flamme des Brenners.

Die Werkstatt ist nicht sonderlich groß und die vielen Glasröhrchen, die sich überall türmen, verstärken diesen Eindruck zusätzlich. An der Uni Bochum hat Roswitha gelernt und so berichtet sie mir von der großen Glaswerkstatt, die es damals in den 80ern dort gab. Eine handwerkliche Ausbildung ist das betont sie. An der Uni Bremen arbeitet sie seit 1990 und mittlerweile ist sie eine Meisterin des Handwerks. Als ich schlussfolgere, dass Roswitha quasi eine Expertin für Glas ist, lacht sie und sagt: „Ja, das könnte man so sagen“.

Das Ausbilden macht für sie selbst keinen Sinn, weil sie nur eine Teilzeitstelle hat. In den anderen handwerklichen Servicestellen ist das aber möglich. Als ich sie frage, worin die Aufgabe der Glasbläserei besteht, antwortet sie mir:

„Die Hauptaufgabe, der Glasbläserei, sind Sonderanfertigungen. Für die Forschung. Und zwar, überlegen die Wissenschaftler sich immer wieder neues, woran sie forschen wollen und wie sie daran forschen wollen. Und diese neuen Ideen, wenn sie dafür Glasgeräte brauchen, das dann umzusetzen. Das ist eigentlich meine Aufgabe. Und dann mache ich auch noch Reparaturen.“ – Roswitha Krebs-Goldbecker

Roswitha reicht mir eine alte Brille mit getönten Gläsern und erklärt mir, dass sie zum Schutz meiner Augen dient und ich durch sie auch genau erkennen kann an welchen Stellen das Glas unter den Hitze-Einwirkungen der Flammen heiß wird. Als ich sie aufsetze, setzt bei mir ein Aha-Moment ein.

Roswitha Krebs-Goldbecker beim Glas blasen.

Während ich sie so bei ihrer Arbeit beobachte, bin ich erst etwas bestürzt, als ich sehe, wie sie ohne Handschuhe das Glas in die Flamme des Brenners hält. Aber ihre flinken Handgriffe sind gezielt und ihre Erfahrung diktiert ihr genau, bis zu welchem Punkt sie das Glas berühren kann, ohne sich zu verbrennen. Als Nächstes zeigt sie mir wie unterschiedlich Quarz-Glas im Vergleich zu herkömmlichen Laborglas auf die Hitze reagiert. Das Glasröhrchen wird an derselben Stelle, wie zuvor unter die Flamme gehalten, aber leitet die Hitze weiter bis an das eine Ende. Diese Glas Art wird besonders von Physikern zum Einsatz gebracht. Diese benötigen bestimmte optische Eigenschaften oder sollen auch sehr hohe Temperaturen aushalten.

Gerade für den chemischen Bereich oder fürs Praktikum werden viele Glasapparaturen gebraucht. Sobald bei diesen mal eine Reparatur nötig ist, weil beispielsweise ein Hahn abbricht, sind die Mitarbeiter der Glaswerkstatt zur Stelle. Zum einen ist eine solche Reparatur günstiger als die simple Neuanschaffung von Geräten, aber auch nachhaltiger.

Die Arbeit in der Glaswerkstatt birgt für Roswitha Spannendes, sie sagt:

„Vor allem die Abwechslung, hier an der Uni. Das ich jetzt nicht in Serie tausend Stück von einer Apparatur oder einem Gerät mache, sondern das ich viele Einzelanfertigungen mache und so immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt werde. Das macht es hier so spannend, das Arbeiten. Glas blasen ist einfach faszinierend. Das heiße Glas in einer Flamme zu verformen ist nach wie vor spannend. Und was man damit alles machen kann, ist nach wie vor faszinierend.“ – Roswitha Krebs-Goldbecker

Es kommen regelmäßig Gruppen von Studierenden bei der Glaswerkstatt vorbei und gucken sich die Arbeit vor Ort an. Auch an bekannten Zukunftstagen oder beruflichen Orientierungstagen, wie dem Girls- oder Boys Days kommen auch Schüler zur Uni, um sich einen Eindruck über den handwerklichen Beruf der Glasbläserei zu verschaffen. Gemeinsam arbeiten sie dann am Brenner mit niedrig-schmelzendem Glas.

Roswitha Krebs-Goldbecker zeigt uns das Lager

Nicht selten fragen Wissenschaftler*innen bei Roswitha um Rat für die Umsetzung ihrer Projekte. Die Glassorten und Möglichkeiten wirken unendlich. Als ich mich in dem angrenzenden Lager umsehe, erklärt mir Roswitha das Sortierungssystem und zeigt mir alle möglichen Glasröhrchen. Von super dünn, bis übermäßig groß. Vor allem bei der Arbeit in größeren Einheiten stoßen sie hier an ihre Grenzen, meint sie. Aber es gibt auch herausfordernde Aufträge in kleinen Formaten. „Bei diesem Auftrag versuchen wir ein Maß von 0,1-0,2 mm zu erreichen und einen Hohlraum zu schaffen“ erklärt Roswitha mir und hält ein Röhrchen mit einem unfassbar dünnen Ende in ihrer Hand. Beinahe wie ein Faden wirkt es.

Roswitha Krebs-Goldbecker zieht ein Glasröhrchen in eine neue Form

Bis vor Kurzen boten sie auch einen Minikurs „Glas blasen“ in Form eines Praktikums für die Erstsemester des Studiengangs Chemie an. Dort konnten Studierende Grundtechniken aus der Chemie kennenlernen, aber auch die Arbeit am Brenner selbst. Übers Glas blasen, Pipetten oder Röhrchen ziehen oder biegen. Kleine Übungen mit Glas in der Flamme. Auch Studierende von der Hfk kommen öfters vorbei und erhoffen sich Hilfe bei komplizierten Design-Projekten. Doch viele dieser Projekte lassen sich rein zeitlich nicht umsetzen. „Allerdings stellen die meisten sich das viel einfacher vor, als es eigentlich ist. Es sieht so einfach aus, es fließt halt einfach in die richtige Richtung“ sagt Roswitha und lacht. Auch wenn ihre Arbeit primär mit den Laboren verbunden ist, arbeitet sie an Aufträgen für die gesamte Uni. Für den Fallturm baute sie beispielsweise dick-randige Röhren, welche zur Ummantelung der dortigen Versuche dienten.

Für das Interview haben wir uns mit Roswitha Krebs-Goldbecker unterhalten (Werkstattleiterin).

Auch Chemielaborant*innen schauen während ihrer Ausbildung in der Glaswerkstatt vorbei und machen sich einen Eindruck über die Herstellung und Reparaturmöglichkeiten von Glasgeräten aus klassischen Laborglas, mit welchen sie auch in ihrem Beruf arbeiten werden. Die Rückmeldungen seien sehr positiv, viele wollten gar nicht mehr gehen. Dieser Effekt stellt sich auch bei mir ein, als ich schließlich die Glaswerkstatt wieder verlassen muss. Wer hätte schon vermutet, dass ausgerechnet geschmolzenes Glas so eine fesselnde Wirkung haben kann?

Weiterführende Links:

Website: https://www.uni-bremen.de/fb2/serviceeinrichtungen/glastechnische-werkstatt/

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