Das deutsche Bildungssystem ist stark nationalstaatlich orientiert, das heißt Deutschland und Europa stehen im Mittelpunkt vieler Schulfächer und vermitteln somit bestimmte Werte und Erkenntnisse an Schüler*innen deutscher Schulen. Dies lässt sich an vielen Beispielen in unserem Schulsystem festmachen. Einerseits lässt sich dieses bereits daran sehen, dass die Hauptsprache an unseren Schulen deutsch ist (mit Ausnahme von internationalen oder bilingualen Schulen), andererseits lässt sich diese nationalstaatliche Orientierung auch in vielen Schulfächern wiederfinden. Deutschland steht im Mittelpunkt des Geschichts- und Politiksunterricht, was daran zu sehen ist, dass hauptsächlich die deutsche und europäische Geschichte und das deutsche Politiksystem gelehrt werden, mit wenigen Ausnahmen und Exkursen zu anderen Themengebieten. Außerdem vermitteln die Naturwissenschaften größtenteils europäische Erkenntnisse und im Musikunterricht werden nur deutsche oder europäische Musikstücke behandelt und gelehrt. Mir persönlich war diese starke nationale Orientierung bis zum heutigen Zeitpunkt, vor allem in den Naturwissenschaften und dem Musikunterricht, nicht bewusst, da ich mich wenig mit den Ursprüngen der Erkenntnisse, welche mir vermittelt wurden, beschäftigt hatte. Im Geschichtsunterricht ist mir in meiner eigenen Schulzeit schnell aufgefallen, dass wir hauptsächlich über die geschichtliche Entwicklung Deutschlands und seiner Nachbarländer redeten. Ich empfand dies immer als sehr schade, da ich gerne mehr über internationale Entwicklungen und Geschichte erfahren hätte.

Diese nationale Ausrichtung des Schulsystems geht von Anfang an davon aus, dass alle Schüler*innen das selbe Bildungssystem ohne zeitliche Unterbrechungen und das des Landes, in dem sie geboren wurden, durchlaufen. Dies ist jedoch nicht die Realität Deutschlands, da ein großer Teil unserer Bevölkerung einen sogenannten „Migrationshintergrund“ hat, was bedeutet, dass ein Elternteil oder Großelternteil eines Kindes in einem anderen Land geboren wurde und somit meist familiäre Beziehungen in andere Länder und somit in andere Kulturen bestehen. Die Bezeichnung des Migrationshintergrundes ist oft negativ konnotiert und mit einem geringeren Status/Wert verknüpft. Aus diesem Grund existieren schnell Benachteiligungen in weiten Bereichen des Alltags. Aus diesem Grund lehne ich diese Bezeichnung ab, da viele solcher Kinder mit „Migrationshintergrund“ meist in Deutschland geboren und sich demnach oft selbst als deutsch, bzw. europäisch, bezeichnen und mir mit dieser Bezeichnung eine Verallgemeinerung vornehmen.

Aus der Vorlesung nehme ich viele neue Erkenntnisse und Eindrücke mit, da sie mich zum nachdenken angeregt hat. Mir ist klar geworden, dass es natürlich einerseits wichtig ist, deutsche Geschichte, Werte, Systeme, Methoden und Erkenntnisse zu vermitteln, jedoch ist die nationale Orientierung unseres Schulsystems meiner Meinung nach zu stark. Ich würde es als sinnvoll empfinden, mehr über diese Themengebiete im Kontext anderer Länder, Kulturen oder Kontinente zu erfahren. Auch im Hinblick auf den hohen Anteil von Kindern mit dem Hintergrund anderer Kulturen bzw. dem Hintergrund zweier Kulturen in unseren Schulen, sehe ich es als informativ und lehrreich an, die Lehrinhalte internationaler zu gestalten. Ich sehe die Migration als Herausforderung an, welche jedoch viele positive Veränderungen mit sich bringt. Gerade weil die Migration sehr stark und ein aktuelles Thema ist, ist es meiner Meinung nach umso wichtiger Heterogenität im Schulsystem als Normalität anzusehen. Ich sehe Kinder und Jugendliche mit Wurzeln in anderen Kulturen oder der deutschen und einer anderen Kultur als Chance für unser Schulsystem, um andere Blickwinkel und Meinungen nachvollziehen zu können und interkulturelle Bindungen aufzubauen.

„Doing culture“ beschreibt für mich, dass immer Kultur konstruiert und mit Vorurteilen geprägt ist. Dies lässt sich sehr gut an dem Fallbeispiel der Schülerin Birgül verstehen. Die Deutschlehrerin geht durch den kulturellen Hintergrund davon aus, dass die Schülerin ein türkisches Gedankengut mit sich trägt, obwohl Birgül sie selbst von sich sagt, sie denke europäisch und nicht türkisch. Das Handeln der Lehrerin bringt ‚Doing culture“ zum Ausdruck, da sie übersieht, dass nicht alle Menschen in Deutschland mit türkischen Hintergründen das selbe Gedankengut besitzen wie in der Türkei Lebende. Sie geht einfach davon aus, dass Birgül auf gleicher Weise wie „alle Türken“ denkt, obwohl diese in Deutschland aufgewachsen und somit nicht klar ist inwieweit sie welche Kultur lebt. Die Lehrerin kulturalisiert somit die Schülerin bzw. alle türkisch stämmigen Menschen, da sie ihnen verallgemeinerte Werte zuordnet. Ich denke, dieses Beispiel zeigt gut, wie schnell die Verallgemeinerung und Zuschreibung einer bestimmten Kultur stattfinden kann. Aus diesem Grund müssen alle Lehrkräfte und zukünftige Lehrkräfte sich der Individualität jedes/r Schülers/in bewusst sein und nicht dem Stereotyp der Homogenität nachgeben um die Herausforderung heterogen zu denken zu meiden.


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