(SL) Ein kleines Portemonnaie und wieso ich nicht mehr trinken sollte…

09-50-M1-T2: Tutorium 2 zu „Einführung in die Ethnologie“ | Tutor: Ben Baumgarten | WiSe 2023/2024 | 6298972 | Emma Rose | Kurztext

 

Ich bin grade auf dem Heimweg. Es ist fünf Uhr morgens, ich bin immer noch leicht betrunken und meine Füße tun weh vom Tanzen. Beim Laufen trete ich fast auf einen kleinen schwarzen Gegenstand der auf dem Bürgersteig liegt. Ich bleibe stehen und schaue ihn mir genauer an. 

Es liegt eine kleine schwarze Tasche vor mir. Sie ist aus Leder und an ein paar Stellen sind die Nähte etwas ausgefranzt.  Ich nehme die kleine Tasche in die Hand und setze mich auf die Bordsteinkante. Sie ist geformt wie ein kleiner Briefumschlag. Es gibt zwei Möglichkeiten den Umschlag zu öffnen, zwei Stücke des Leders überlappen sich. Ich öffne den unteren Lappen. Eine kleine Tasche öffnet sich in welcher man wahrscheinlich Münzen verstauen kann. Ich glaube es wäre dort ungefähr Platz für eine halbe Kassette. Ich schließe die Tasche wieder und öffne den oberen Lappen, die Tasche klappt auf. Es verbirgt sich dort ein weiteres Fach, in das wahrscheinlich geradeso ein Schein hineinpasst. Beide Taschen sind leer. Von der kleinen Tasche die wahrscheinlich die Funktion eines Portemonnaies erfüllen soll, geht ein etwas strenger Geruch aus.  Ich glaube das so altes Leder riecht.  Es fühlt sich sehr weich an. Als ob schon ganz viele Menschen das Portemonnaie berührt haben und das Leder so an Stärke und Griff verloren hat. Aber gar nicht abgenutzt, sondern als hätten die Benutzungen gemacht, dass es sich jetzt richtig anfühlt.

Ich starre das Portemonnaie müde an. Eine Weile bleibe ich so sitzen und mir fallen fast die Augen zu. Dann stehe ich auf um endlich Nachhause ins Bett zu kommen. Ich packe das Portemonnaie in meine Jackentasche und laufe los. Es wird schon langsam heller und alles was ich höre ist Vögelzwitschern und manchmal entfernte Motorengeräusche von irgendwelchen Autos. Irgendwann gesellen sich zu diesen Geräuschen Schritte. Leise und zaghafte Schritte direkt hinter mir. Ich habe Angst und laufe schneller. Ich traue mich nicht mich umzudrehen. Die Schritte werden schneller und ich fange an zu rennen. Ich bin deutlich schneller als die Person. Im Laufen drehe ich mich also doch um und bleibe abrupt stehen. Hinter mir läuft eine alte Frau. Sie winkt mir und ist völlig außer Atem. Ich laufe ihr langsam entgegen. Ich nehme sie am Arm und schweigend führe ich sie zu einer Parkbank die ein paar Meter weiter steht. Ich setze mich neben sie und warte bis sie wieder normal atmet. Ich schaue sie mir genauer an. Sie trägt einen langen, Gift grünen Rock und einen knallroten Pullover. Auf dem Kopf trägt sie einen Braunen runden Hut der mit einer Feder geschmückt ist. Irgendwie sieht sie ziemlich cool aus. Sie sieht sehr alt aus. Ich würde sie auf Ende 80 schätzen. Sie schaut mich an, hebt ihre Hand und deutet auf meine Jackentasche. Ich fasse hinein und hole das Portemonnaie heraus. Sie öffnet ihre Handfläche und ich lege es hinein. Sie nimmt es, öffnet es und holt etwas heraus. Ich kann nicht erkennen was es ist und wundere mich das sie überhaupt etwas herausholt. Ich hätte schwören können das es leer war. Sie hält mir die Hand hin und zeigt mir was sie herausgeholt hat. Es ist ein winzig kleiner Eimer. Der Eimer ist bestimmt nur zwei Zentimeter tief. Sie lacht und stellt den Eimer neben uns auf die Bank. Jetzt holt sie noch einen Gegenstand aus dem Portemonnaie. Diesmal ist es eine winzig kleine Wasserflasche. Auch diese stellt sie auf die Bank zum Eimer. Sie greift erneut in die Tasche. Diesmal ist es ein kleines Legomännchen, welches so aussieht als würde es sitzen und schlafen. Auch das Männchen legt sie auf die Bank. Sie schaut mich an und lacht wieder. Sie nimmt die kleine Flasche und füllt das Wasser in den kleinen Eimer. Jetzt schaut sie mich an und gibt mir mit ihren Augen zu verstehen den Eimer zu nehmen. Ich nehme den Eimer und schaue sie an. Sie zeigt auf das kleine Männchen und gibt mir zu verstehen den Inhalt des Eimers auf das Männchen zu schütten. Nach kurzem Zögern schütte ich also den Inhalt auf das Figürchen.

Ein kalter Schauer läuft mir über Kopf und Rücken. Meine Haare kleben mir im Gesicht und ich schließe die Augen. Als ich sie wieder öffne und meine Haare aus dem Gesicht wische, sitze ich immer noch auf dem Bordstein, auf den ich mich vorhin gesetzt habe als ich das Portemonnaie fand, nur jetzt bin ich von oben bis unten nass. Verwirrt setze ich mich auf und schaue mich um. Das Portemonnaie ist weg. Etwas entfernt sehe ich jedoch jemanden gerade um eine Ecke verschwinden.  Ich hätte schwören können aus dem Augenwinkel noch einen Hut mit Feder verschwinden zu sehen. Ich stehe auf und mache mich diesmal wirklich auf den Heimweg. Als ich mich wenig später ins Bett lege denke ich noch, dass ich am besten erstmal auf Alkohol verzichten sollte.

2 comments

  1. Xiying says:

    Es klingt wie ein Märchen! Deine Beschreibung ist wie ein Gedicht, gib mir das Gefühl, mit dir in der Szene zu sein. Es ist eine sehr erstaunliche Geschichte. Ich weiß nicht, ob die Leute wirklich eine Fantasie sehen können, wenn er betrunken ist, weil ich das noch nie zuvor versucht habe. Vielleicht sollte ich es eines Tages versuchen!

  2. Sammer says:

    Es kam mir so vor als würde ich durch ein Bilderbuch blättern. Man konnte sich die Szenerie sehr gut vorstellen. Die Worte sind sehr gut gewählt und die Geschichte ist ne schöne Erzählung für zwischendurch👍🏼

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