Monat: Oktober 2023

Bremengefühle

Ich habe schon lang nicht mehr so viel in nur zwei Wochen unternommen und irgendwie hat alles spaß gemacht. Selbst einkaufen, putzen und die Bahn verpassen. Jeden Tag realisiere ich aufs neue wie frei ich grade bin. Ich hab das Gefühl mir stehen grade alle Türen offen, obwohl das wahrscheinlich gar nicht so ist und ich einfach dauerhaft überdreht und viel zu glücklich bin.

Vor meinem Umzug nach Bremen habe ich die ganze Zeit auf die Aufregung gewartet.Ich habe darauf gewartet meine Entscheidung hier hin zu ziehen zu bereuen. Ich weiß noch wie ich dachte, dass ich diesen Umzug sowieso nicht durchziehen würde. Nach 2 Jahren in welchen ich mir nie wirklich klar darüber war, was ich will, wo und wieso. Keine Ahnung was mein Ziel ist. Aber irgendwie bin ich jetzt hier. Keine Rückzieher, keine Angst, keine Reue. Ich muss sagen, Bremen fühlt sich richtig gut an.

Bremen ist irgendwie warm und herzlich auf eine ganz ungezwungene Art und Weise. An meinem ersten Abend saß ich in einer Pommes Bude und wartete alleine auf meine Bestellung. Irgendwann hat sich dann eine Gruppe Frauen zu mir gesetzt und mich angesprochen. Sie waren super nett und euphorisch als ich meinte das es mein erster Abend hier ist. Sie haben mich willkommen geheißen und mir viele Tipps zu Bremen gegeben. Mit einem guten Gefühl bin ich dann alleine Heim gegangen, habe mich aber keineswegs alleine gefühlt.

Ich glaube das ist, was Bremen für mich so angenehm macht. Ich war schon viel alleine unterwegs, habe jedoch kein bisschen Einsamkeit verspürt. Bremen fühlt sich an wie eine sehr unaufdringliche aber herzliche Umarmung.

Vielleicht gründe ich morgen eine Schaf-Farm

Letzte Woche haben wir in einer Vorlesung über Fremde gesprochen, und ob wir uns fremd fühlen würden. Ich habe vorher nie so darüber nachgedacht, weil ich es glaube ich als selbstverständlich angesehen habe, dass alles hier fremd sein wird. Nicht unbedingt auf eine negative Art und Weise,  sondern einfach…als neutraler Zustand. Am Anfang war es etwas überwältigend alles neu kennen lernen zu müssen und vorallem auch, so viele neue Leute zu treffen, aber es ist auf eine gewisse Art und Weise auch sehr aufregend. Neue Freunde finden, neue Hobbys ausprobieren, vielleicht ein neues Lieblingscafé finden (ich bin immernoch auf der Suche, also nehme ich gerne Empfehlungen entgegen)! Allerdings ist es gleichzeitig manchmal auch sehr demotivierend, wenn bestimmte Dinge nicht so klappen oder sind, wie man es sich vielleicht gedacht hat. Und auch, wenn sich einige Dinge schon seltsam vertraut anfühlen – der Supermarkt um die Ecke, meine Bushaltestelle, oder meine WG-Küche – brauche ich morgens doch immer noch einen kurzen Moment um zu wissen wo ich bin.

Vor ein paar Tagen, hatte ich einen sehr merkwürdigen out-of-body Moment mit der Realisation, dass mein Leben wirklich meins ist. Dass ich alles entschieden kann, egal ob gut oder schlecht, das machen kann was ich möchte – oder auch nicht was ich nicht möchte. Und dass ich die Verantwortung dafür habe (kann man es glauben, für mein ganzes eigenes Leben!?). Denn am Ende betrifft es in den meisten Fällen doch dann nur mich.

Ich könnte zum Beispiel morgen entscheiden, nach Neuseeland auszuwandern. Oder eine Hütte in einem Wald zu bauen und ein Einsiedler Leben führen (zumindest wenn ich wüsste, wie man eine Hütte baut, aber dieses Detail ignorieren wir bitte einmal kurz). Und selbst, wenn ich morgen nicht entscheiden sollte einer Sekte beizutreten oder eine Schaf-Farm zu gründen, sondern vielleicht einfach nur, ob ich an meinem freien Nachmittag lieber einen Kuchen backen, oder dieses eine Buch lese, oder einen online Kurs zum Hütten bauen mache, fühlt es sich schon manchmal wie eine große Aufgabe an sich zu überlegen, was man mit seinem Leben oder zumindest seiner Freizeit erstmal anfangen möchte, was einem wichtig ist, oder mit welchen Menschen man seine Zeit verbringen will.

Denn ich habe festgestellt, dass es zwar gar nicht so schwer ist, sich wie bei einer kleinen Pflanze um all seine Grundbedürfnisse zu kümmern, aber alles drum herum sich manchmal sehr groß anfühlen kann – für so eine kleine Pflanze.

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