von Jan Ulrich Büttner, Thekla Keuck, Sarah Lentz und Julia Timpe
Am Anfang war das Bedauern. Darüber, dass studentische Arbeiten in der Regel sang- und klanglos in der Versenkung verschwinden. Exzellente Haus-, Bachelor- oder auch Masterarbeiten verdienen eine Weiterverbreitung und breitere Bekanntheit. Gleichzeitig gab es vor etwa 10 Jahren, als die Idee zu BonjourGeschichte entstand, kaum Zugänge für diese Texte zu seriösen wissenschaftlichen Zeitschriften. Hier setzt das „Bremer Online Journal Geschichte“ an. Seit seinen Anfängen versteht es sich als eine geschichtswissenschaftliche Fachzeitschrift aus studentischer Redaktion.
Die Idee wurde von Eva Schöck-Quinteros (Institut für Geschichtswissenschaft), Joachim Drews (Fachreferent der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen) und Nils Steffen (damals Studierender der Geschichte) im Wintersemester 2008/09 entwickelt. BonjourGeschichte sollte aus dem Institut für Geschichtswissenschaft heraus entstehen. Unter der Betreuung von Dozent*innen des Instituts sind es Studierende der Geschichtswissenschaft, die die Redaktion stellen, eingehende Texte bewerten und für die Veröffentlichung redaktionell bearbeiten. Sie sind für die Kommunikation mit den Autor*innen und auch die Akquise neuer Texte verantwortlich. Dazu kommt das Verfassen eigener Texte. Inhaltlich ist BonjourGeschichte keineswegs auf Themen der bremischen Vergangenheit beschränkt, sondern steht allen Epochen und Regionen offen und auch Autor*innen, die nicht aus dem Institut oder aus Bremen stammen.
Im Kontakt mit der Öffentlichkeit
BonjourGeschichte ist ein großes Experiment, das immer wieder neu aufgebaut wird und dessen jeweilige Ergebnisse durchaus unterschiedlich sind. In den ersten Jahren fand die Arbeit im Rahmen eines General Studies Kurses statt; seit dem Wintersemester 2016/17 wird BonjourGeschichte als Modul im Schwerpunkt „Geschichte in der Öffentlichkeit“ wöchentlich in einer Doppelsitzung (4 SWS) angeboten. Für die Studierenden und die jeweils Lehrenden bedeutet BonjourGeschichte eine Zuspitzung der im geisteswissenschaftlichen Studium grundlegenden Fähigkeiten: dem Umgang mit Sprache. Erstmals sind die Studierenden damit konfrontiert, daß ihre Arbeit mit Texten zugleich bedeutet, mit einem oder mehreren Autor*innen umzugehen. Sie haben die einmalige Gelegenheit, bereits als Studierende mit der Öffentlichkeit in Kontakt zu treten. Dabei werden die Ergebnisse ihrer Arbeit mit den Maßstäben einer wissenschaftlichen Zeitschrift gemessen. Für die Studierenden bündeln sich damit bei der redaktionellen Arbeit für BonjourGeschichte mehrere Aufgaben, die zu bewältigen nicht immer einfach und in der Zusammenführung um so herausfordernder sind. Der Praxisbezug ist also mit Händen zu greifen. Dies gilt besonders für die Teilnehmer*innen des Moduls, aber auch für die Autor*innen, die aus ihren als Leistungsnachweis verfaßten Hausarbeiten oder Abschlußarbeiten des BA- oder MA-Studiums Artikel formen müssen.
Die redaktionellen Aufgaben
Wenn ein Text eingereicht wird, lesen ihn alle Teilnehmer*innen des Moduls, damit er in der Gesamtredaktion besprochen werden kann. Zunächst geht es darum, an Hand von aus dem Text gewonnen Argumenten über seine Qualität zu entscheiden: Ist er grundsätzlich für Bonjour geeignet oder nicht? Wird ein Text angenommen, kümmern sich mehrere Redaktionsgruppen um seine Bearbeitung. Diese Gruppen bestehen aus drei oder vier Studierenden, die den Text Wort für Wort, Satz für Satz mehrmals durchgehen – mit jeweils anderen Schwerpunkten: Auf der inhaltlichen Ebene geht es um Fragen wie: Ist der Text schlüssig? Ist die Argumentation klar und stringent? Bleibt die Fragestellung durchgehend der rote Faden der Darstellung? Sprachlich gilt es, auf Rechtschreibung, Interpunktion und Grammatik zu achten. Die Texte werden im Bearbeitungsmodus des Schreibprogrammes kommentiert. Alle Anmerkungen und Korrekturen bleiben zunächst sichtbar, um sie mit den Autor*innen absprechen zu können. Ist ein Text redigiert, wird er zusammen mit einem Anschreiben wieder an die Autor*innen gesandt. Die Aufgaben für die studentischen Redakteur*innen sind also vielfältig. Eine Studentin, die das Modul zwei Semester lang besuchte, schildert ihre Eindrücke folgendermaßen: „Die Teilnahme bei Bonjour verbinde ich vor allem mit der Möglichkeit, erste Einblicke in redaktionelle Arbeitsprozesse gewinnen zu können. Als besonders positiv empfinde ich hierbei die Diskussionen an den zu publizierenden Texten, die eine Reflexion über das eigene Schreiben anregen und einem somit helfen, seine Schwächen klar zu erkennen und Kompetenzen auszubauen.“
Eine nicht zu unterschätzende Aufgabe ist die Kommunikation mit den Verfasser*innen der Artikel: Unabhängig vom eigenen Eindruck und der eigenen Meinung sind über den Text in wertschätzendem Ton die Kommentare zu schreiben und die Korrespondenz zu verfassen. Denn auch wenn ein Text für Bonjour angenommen wurde, sind in der Regel noch umfangreichere Änderungen oder Anpassungen nötig, die den Autor*innen vermittelt werden müssen. Je nach den Reaktionen der Verfasser*innen kann es zu längeren Aushandlungsprozessen kommen, bei denen auch auf Seiten der Redaktion Kompromißbereitschaft gefordert ist. Allerdings muss dabei klar sein, welche Änderungen unabdingbar sind, um den Standards von BonjourGeschichte gerecht zu werden.
Ist ein Text schließlich fertiggestellt und von Seiten der Autor*innen und der Redaktionsgruppe angenommen, wird er typographisch in das Layout der Zeitschrift überführt und kann als PDF veröffentlicht werden. Alle bei Bonjour publizierten Texte werden über die Staats- und Universitätsbibliothek Bremen für die Langzeitarchivierung verzeichnet und auf einem Server der Bibliothek abgelegt. Damit sind sie dauerhaft im Onlineangebot der Deutschen Nationalbibliothek abrufbar.
Ein Grundgedanke war von Anfang an, die Anfang des Jahrhunderts noch recht junge Bewegung für Open Access-Publikationen im Wissenschaftsbereich zu stärken. Nach wie vor sind alle publizierten Texte frei zugänglich und für die Autor*innen entstehen keine Kosten für die Veröffentlichung. Da seit einiger Zeit sogenannte Predatory Publishings sich als betrügerisches Geschäftsmodell vermeintlich als Open Access-Verlage etabliert haben, bietet BonjourGeschichte als Gegenpol gerade in Bremen eine seriöse Alternative.
Ständige Herausforderungen
Die Zeitschrift sieht sich allerdings anderen Herausforderungen gegenüber. Seit ihrem Entstehen hat sich die Gewährleistung der Kontinuität als eine der Hauptaufgaben erwiesen. Von Semester zu Semester braucht es genügend Studierende, die das Modul besuchen, und Lehrende, die es anbieten. Auch die Technik erledigt sich nicht von selbst: So wird das Redaktionsteam durchgängig von engagierten Studentischen Hilfskräften unterstützt, die sicherstellen, dass Bonjour auch in dieser Hinsicht professionell aufgestellt ist.
Im Sommersemester 2009 wurde das erste Seminar angeboten. Die Website der Zeitschrift ging im September 2011 online. Schnell wurden etliche Artikel veröffentlicht. Nachdem sich das Team um Eva Schöck-Quinteros neuen Vorhaben zugewandt hatte, ruhte das ambitionierte Projekt. Seine Wiederbelebung initiierte Benedikt Eckhardt 2016. Seither wurde die Internetpräsenz komplett neu aufgebaut und gestaltet. Die Artikel der „ersten Generation“ sind in die neue Seite übernommen und somit weiterhin verfügbar. Derzeit kümmern sich Jan Ulrich Büttner, Thekla Keuck und Sarah Lentz auf Seiten der Lehrenden um Bonjour. Diese bilden zur Zeit zusammen mit Julia Timpe (Jacobs University Bremen) das Editorial Board.
So reizvoll und gewinnbringend dieses Projekt auch für alle Beteiligten ist, es gewinnt seinen Sinn vor allem in der Dauer seines Bestehens. Es bleibt also zu hoffen, daß sich auch in Zukunft genügend Angehörige des Instituts für Geschichtswissenschaft finden, die das Modul BonjourGeschichte nicht nur anbieten, sondern es auch besuchen wollen.
Wer sich ein Bild von den Ergebnissen unsere Arbeit machen möchte, schaue auf www.bonjour-geschichte.de vorbei. Hier ist die Breite der Themen, Epochen und Regionen eindrucksvoll zu sehen!
Über die Autor*innen:
Dr. Jan Ulrich Büttner kam nach dem Studium der mittleren und neueren Geschichte und der Germanistik in Tübingen und Groningen nach Bremen, wo er 2002 promovierte und ab 2010 als Senior Lecturer am Institut für Geschichtswissenschaft das Mittelalter erforscht und lehrt. Seit ihrer Wiederbelebung ist er Mitglied des Editorial Board von Bonjour und hat es auch drei Semester lang als Modul mit wechselnden Dozentinnen angeboten.
Dr. Thekla Keuck ist seit April 2018 Lektorin für „Geschichte in der Öffentlichkeit“ am Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bremen, seitdem unterrichtet sie u.a. das Modul Bonjour Geschichte und ist Mitglied des Editorial Boards. Zuvor hat sie als Projektleiterin für eine Dienstleistungsagentur im Bereich History Communication gearbeitet und war Lehrbeauftragte für Public History an den Universitäten Heidelberg und Köln.
Dr. Sarah Lentz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe Frühe Neuzeit am Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bremen. Nach einem Studium der Geschichtswissenschaft, Neueren deutschen Literatur und Medienkultur an der Universität Hamburg und einem Zusatzabschluss in American Studies vom Smith College in Massachusetts hat sie sich 2018 in Bremen promoviert. Seit dem Neustart von Bonjour Geschichte begleitet sie das Projekt als Dozentin sowie als Mitglied des Editorial Boards.
Dr. Julia Timpe lehrt an der Jacobs University Bremen als University Lecturer in Contemporary History. Zuvor war sie als Lektorin für Neuere und Neueste Geschichte am Institut für Geschichtswissenschaften der Universität Bremen (von September 2013 bis August 2016) und als Lecturer on History an der Harvard Universität tätig (Schwerpunkt jeweils Deutsche Geschichte und Geschichte des Nationalsozialismus). Sie betreute BonjourGeschichte vom Sommersemester 2016 bis Wintersemester 2016/17 als Dozentin und ist seitdem Mitglied des Editorial Boards.
Bildnachweise:
- AutorInnenfotos: Jan Ulrich Büttner; Thekla Keuck; Geschichtsbüro; Sarah Lentz; Julia Timpe
- Abbildungen 1 bis 3: BonjourGeschichte