Denn sie wissen ja, was sie tun – Autonomes Sprachenlernen mit Beratung im Tutorenprogramm am FZHB

von Astrid Buschmann-Göbels

“It is important to begin by insisting that language learner autonomy […] is real. It is not a distant goal that shimmers beguilingly like a mirage in the desert but a pedagogical achievement […]”.  

David Little (2011)

Universitäre Sprachenzentren haben sich in den letzten Jahren neuen Anforderungen stellen müssen. Rasch wachsende Internationalisierung, straffe Stundenpläne sowie zunehmende Heterogenität in den Lehrveranstaltungen erfordern die Aufmerksamkeit von Lernenden und Lehrenden wie auch von Leitungen an Sprachenzentren und Hochschulen. Dieser Herausforderung stellt sich das Fremdsprachenzentrum der Hochschulen im Land Bremen (FZHB) mit verschiedenen Angebotsformaten (www.fremdsprachenzentrum-bremen.de). Dabei steht das autonome Lernen seit gut einem Jahrzehnt im Fokus. Das Tutorenprogramm zum begleiteten Selbstlernen startete 2008 und ist seitdem stetig gewachsen – sowohl personell als auch konzeptionell, um den stets wechselnden Teilnehmenden eine optimale und passgenaue Lernbegleitung und (Sprach-)Lernberatung anzubieten.

Ziele des Programms

Das Bremer Tutorenprogramm „Selbstlernen mit Beratung“ gibt es als ständiges Kursprogramm sprachübergreifend seit 2008. Es wird seitdem aus Studienkontenmitteln gefördert. Die Teilnehmenden lernen eigenverantwortlich und selbstorganisiert eine Sprache, haben freien Zugang zu den Lernmaterialien und nehmen einmal wöchentlich eine individuelle Lernberatung von studentischen Tutor*innen wahr. Diese werden für ihre beratende Rolle vom Pädagogischen Team (Dr. Astrid Buschmann-Göbels – Projektkoordination, Christine Rodewald, M.A.) professionell in mehrtägigen Workshops geschult. Fortlaufende, einmal wöchentlich stattfindende einstündige Supervisionstreffen liefern einen kontinuierlichen Austausch und tragen neben Programmevaluationen zur Qualitätssicherung des Tutorenprogramms bei.

Aufgabe der Tutor*innen ist es vorrangig, Hilfestellungen zum Selbstlernen zu geben. Konkret bedeutet dies Unterstützung in folgenden Bereichen:

  • Lernzielsetzung
  • Lernwegsplanung
  • Materialauswahl
  • Zeitmanagement
  • Self-Assessment
  • Projektlernen
  • Peerlernen

In seiner Art einmalig, war das FZHB-Tutorenprogramm das erste Programm, das Selbstlernen mit ECTS-Punkten kreditiert hat. Basis für das Erreichen von Kreditpunkten ist die regelmäßige Dokumentation des Lernprozesses in einem online-Portfolio, der Besuch der wöchentlichen face-to-face Lernberatungstreffen sowie die Erstellung einer kleinen Projektarbeit, eng angelehnt an das zu Beginn formulierte individuelle Lernziel.

Die Projektarbeit erfolgt in der Regel in Peer-Gruppen von 2-3 Lernenden und ist ab Niveau B1 oft fachsprachlich orientiert. Lernende aller Sprachen präsentieren ihre Projekte zum Programmabschluss auf einer Präsentationmesse der interessierten Öffentlichkeit. Muttersprachliche Lehrkräfte geben den Vortragenden ein kurzes Feedback zu ihren Präsentationen.

„Autonomous Learners are by definition motivated learners“ (Ushioda 1996:2). Dies ist sicherlich zu Lernbeginn so, doch diese Motivation muss erhalten bleiben. Autonom zu lernen, bedeutet nicht, allein zu lernen, sondern verantwortlich für seinen Lernprozess zu sein (vgl. Holec 1981). Lernberatung und -begleitung ist hier ein ganz wichtiger Baustein. Diese Lernberatung folgt im Tutorenprogramm dem nicht-direktiven Ansatz nach Carl Rogers (Rogers 1985) und der lösungsorientierten Beratung (vgl. z.B. Bamberger 2010, De Jong & Berg 2010). So bedeutet, Hilfestellungen zu geben, für die Tutor*innen auch das Aufzeigen von Lernorten (physikalische Orte wie das Selbstlernzentrum oder virtuelle Lernorte wie soziale Netzwerke oder Lernplattformen), von sozialen Lernformen (z.B. Peer-Gruppen, heterogene Gruppen) und von möglichen Formen des Assessments (z.B. Art des Supports/Feedbacks, Evaluation der Ergebnisse). Die folgende Grafik veranschaulicht die Multidimensionalität von heterogenen Lerngruppen:

Abbildung 1: Heterogenität im Tutorenprogramm

Lernberatung und Lernbegleitung geschieht im Tutorenprogramm individuell in eins-zu-eins Beratungstreffen. Darüber hinaus gibt es ein über die Jahre gewachsenes und sich stetig weiter entwickelndes flankierendes Unterstützungsangebot für die Teilnehmenden in Form von Strategieworkshops, Sprachcafés, Testvorbereitungs-Workshops und Schreibberatung.

Die Strategieworkshops werden sprachübergreifend angeboten und widmen sich allgemeinen Themenbereichen, die eine hohe Relevanz beim autonomem Lernen und Sprachenlernen besitzen, z.B. Lernzielsetzung, Zeitmanagement, effektive Portfolionutzung bis hin zu alternativen Methoden des Wortschatzlernens, des Hörverstehenstrainings oder der Frage, wie man für sich geeignetes Lernmaterial entdeckt. Konzipiert und durchgeführt werden diese Workshops von engagierten und als Lernberater*innen geschulten Tutor*innen in enger Absprache mit der Projektkoordinatorin. In Zusammenarbeit mit dem ZMML sind über das „Win-a-tutor-Projekt“ auch kleine Erklärvideos entstanden, die auf unserer Homepage veröffentlicht sind. Ein Beispiel findet sich hier: https://www.fremdsprachenzentrum-bremen.de/3026.0.html.

In den Sprachcafés, die ebenfalls von Tutor*innen durchgeführt werden, haben Lernende im Tutorenprogramm die Möglichkeit, in informeller Runde ihre Zielsprache zu sprechen und so die mündliche Kommunikation zu trainieren. Diese Sprachcafés gibt es im Semester in der Regel für die Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch, je nach Nachfrage auch für andere Sprachen. Die Schreibberatung wird im Rahmen des Tutorenprogramms für die Sprachen Deutsch und Englisch angeboten. Englischlernende können darüber hinaus auch die regelmäßig stattfindende Schreibberatung von professionellen Schreibberater*innen im Selbstlernzentrum (GW2, A3070) nutzen. Dieses Angebot steht allen Angehörigen der Universität zur Verfügung.

Die Lernorte haben sich in den letzten Jahren extrem gewandelt. Es gibt nicht mehr nur die Lernorte „Zuhause“ und „Universität“, sondern sie sind vielfältiger Natur. So gibt es physikalische Lernorte, wie Lernräume, Selbstlernzentren, etc. und virtuelle Lernorte wie soziale Netzwerke oder Lernplattformen, die über das WWW von nahezu überall erreichbar sind. Studierende nutzen einerseits bewusst Online-Sprachlernangebote (z.B. Tandembörsen, Sprachlernblogs, Sprachlernapps, Wikis, etc.), andererseits verwenden sie eine Fremdsprache bei der Nutzung von nicht-didaktisierten Online-Angeboten wie Chats/Blogs, tun dies aber nicht reflektiert unter dem Aspekt des Sprachenlernes. Genau hier setzt das Tutorenprogramm des FZHB an und zeigt eine Fülle an Möglichkeiten auf, wie sich Sprachenlernen in den Alltag integrieren lässt.

Abbildung 2: Angebote im Tutorenprogramm

Ein Praxisbeispiel

Neben Englisch ist die Sprache Deutsch die am häufigsten angewählte Sprache im Tutorenprogramm. Die Gruppe der Deutschlernenden kann unterteilt werden in internationale Studierende/ Austauschstudierende (mit Deutsch als Fremdsprache) sowie Studierende, die Deutsch als Herkunftssprache/Zweitsprache mitbringen und ihre Sprachkenntnisse vor allem im akademischen Bereich weiter ausbauen möchten. Neben studienvorbereitenden und studienbegleitenden Deutschkursen, die im Semester und in der vorlesungsfreien Zeit angeboten werden, haben beide Gruppen die Möglichkeit, individuelle Stärken und Schwächen im Bereich Deutsch gezielt im Tutorenprogramm zu bearbeiten. Die Lernenden arbeiten in der Regel in niveauübergreifenden, mehrsprachigen kleinen Lerngruppen an einem gemeinsamen, frei wählbaren Sprachlernprojekt. Die gemeinsame Basis für die Lerngruppe ist hier das Lernziel bzw. der Schwerpunkt in einem der Fertigkeitsbereiche Sprechen, Schreiben, Hören und Lesen sowie die persönliche Relevanz des Themas für alle Beteiligten. Eine geschulte Tutorin betreut die Lerngruppe als Gruppe und bietet auch individuelle Projektberatung an. Die Lerngruppe handelt die unterschiedlichen Handlungsrollen der Gruppenmitglieder aus, setzt sich Ziele und verteilt Aufgaben. Die Heterogenität ist gleichermaßen Herausforderung wie Bereicherung. Lernende profitierend vom Feedback ihrer Peers (Mitlernende und Tutor*in). Dieses Feedback ist nicht nur sprachlicher Art, sondern bezieht sich auch auf metasprachliche Aspekte wie Strategie- und Materialtipps, Planung des Lernens sowie Selbstevaluierung. Eine qualitative Studie unter Deutschlernenden zu einem möglichen Mehrwert des Tutorenprogramms in Bezug auf (1) die Verbesserung der Sprachfertigkeiten und (2) die Fähigkeiten, den eigenen Lernprozess planen, steuern und evaluieren zu können, zeigt deutlich, dass Begleitung von autonomen Sprachlernenden essenziell ist (vgl. Buschmann-Göbels et al. 2015, Little 2011). Selbstmanagement ist eine Kompetenz, die gelernt und auch ständig neu gelernt werden muss.

2.1 Beispiel-Projekt „Klimawandel“

Vier Studierende unterschiedlicher Herkunftssprachen (Chinesisch, Spanisch, Italienisch) des Studienganges „B.A. Geowissenschaften“ der Universität Bremen erstellten im Wintersemester 2017/18 im Rahmen ihrer Projektarbeit eine „Radiosendung zum Klimawandel“. Das sprachliche Niveau, welches die vier Gruppenteilnehmer*innen in der Fremdsprache Deutsch zu Beginn der Projektarbeit aufwiesen, lag bei allen zwischen B1 und B2.

Die individuell ermittelten Lernziele der vier Studierenden (Verbesserung der mündlichen Kommunikationsfähigkeit, eigene Produktion von Texten, Einüben von Grammatik, Anwendung von Fachvokabular) wurde mit dem gemeinsamen Ziel eines fachorientierten Projektes verknüpft. Die Projektgruppe einigte sich darauf, eine kleine Radiosendung zum Thema „Klimawandel“ auszuarbeiten. Dieses Projektthema verknüpfte die Lernziele aller Gruppenmitglieder miteinander und machte den Teilnehmenden darüber hinaus sehr viel Spaß. In regelmäßigen Projekttreffen der Lerngruppe wurde dieses Projekt geplant, durchgeführt und jederzeit von den Teilnehmenden wie auch von den studentischen Lernberater*innen reflektiert und evaluiert.

In einem ersten Schritt einigte sich die Gruppe auf das Format einer „Radiosendung“. Dies bot allen Teilnehmenden der Gruppe die Möglichkeit, sich aktiv mit ihren Lernzielen einzubringen: Recherchieren von Sachverhalten und Fachvokabular, Formulierung entsprechender Texte unter Anwendung des Vokabulars sowie gängiger Redewendungen, Einüben von Grammatik, Training der mündlichen Ausdrucksfähigkeit durch das Sprechen der Texte sowie die Diskussionen in der Gruppe. Die kontinuierliche Selbst- und Peerevaluierung wurde sowohl online im elektronischen Sprachenportfolio wie auch face-to-face vorgenommen. Die Projekt- wie auch die Lernberatungstreffen wurden auf Deutsch abgehalten. Bei den Lernberatungstreffen agierten die beratenden studentischen Tutor*innen im Sinne einer nicht-direktiven Beratung nach Rogers eher im Hintergrund. Die Lerner*innen waren auch hier die Agierenden, berichteten über ihren Lernprozess, reflektierten alleine oder mit ihren Peers und Tutor*innen ihren Lernfortschritt und erhielten Tipps zu Lernstrategien und möglichen Materialien. Jedes Lernberatungstreffen endete mit einer Art Vereinbarung, die die Lerner*innen für die nächste Phase ihres Lernprojekts trafen. Die Tutor*innen führten diese Entscheidungen also herbei, gaben sie aber nicht vor.

Im konkreten Fall präsentierten die Lerner*innen ihre „Radiosendung“ live im Selbstlernzentrum auf der sogenannten Präsentationsmesse den anderen Teilnehmer*innen wie auch der interessierten Öffentlichkeit. Es wurde in verteilten Rollen vorgetragen (Sprecher, Experte, Zuhörer am Telefon). Zusätzlich präsentierte die Gruppe ein Video, in dem sie Auszüge aus den einzelnen Projekttreffen vorstellte (inklusive vereinzelter „Pannen“) und so die Entstehung des Projekts zugleich dokumentierte.

Das Tutorenprogramm auf dem Campus und beyond

Das Tutorenprogramm am FZHB hat auch Zugang zu anderen Fachbereichen und Einrichtungen der Universität Bremen gefunden.

So ist das Tutorenprogramm von Anfang an im Projekt speakING involviert. Internationale Studierende kommen häufig mit Deutschkenntnissen an die Universität, die die Teilnahme an einem Masterstudiengang zunächst einmal nicht ermöglichen. Zugleich wird aber eine Internationalisierung von Studiengängen angestrebt. Im Projekt „SpeakING“, einer Kooperation von FB 4, dem International Office und dem FZHB, sollen künftige internationale Masterstudierende im Fach Produktionstechnik im FB 4 auf das Masterstudium sprachlich und fachlich vorbereitet werden.  Tutor*innen vom FB 4 liefern fachliche Inhalte, die über Tutor*innen des FZHB didaktisch aufbereitet und für Selbstlerneinheiten nutzbar gemacht werden (regelmäßige Lernberatung, Entwicklung von kleinen Lernszenarien, um die fachlichen Inhalte möglichst authentisch einzuüben, etc.). Seitens des FZHB werden die Tutor*innen von der Projektkoordinatorin des Tutorenprogramms geschult und supervidiert. Diese individualisierte Lernform erlaubt es, optimal auf die heterogenen Ausgangskenntnisse und angestrebten Studienschwerpunkte einzugehen. Individuelle Lernbedürfnisse können auf diese Weise ermittelt und berücksichtigt werden.

NEU ab dem Sommersemester 2018: Entwicklung von e-Learning-Inhalten zum fachsprachlichen Tutorium in Kooperation mit dem FB 4.

Die langjährige Expertise im Tutorenprogramm führte zu einem weiteren Projekt: „Deutschförderung für Lehrkräfte aus aller Welt“. 2016 erfolgte in Zusammenarbeit des FZHB mit der senatorischen Bildungsbehörde Bremen, dem ZFL, dem LIS und dem IQ-Netzwerk (Integration durch Qualifizierung; Ansprechpartnerin Frau Dr. Sonya Dase) des BMAS der Start des o.g. Programms. Vorausgegangen ist die gemeinsame Entwicklung eines Konzepts für die Sprachförderung zum Erwerb der Voraussetzungen für ausländische Lehrkräfte, in Bremen eine Ausgleichsmaßnahme beginnen zu können und im Bremer Schuldienst eingestellt werden zu können. Die Teilnehmenden besuchen Deutsch-Kurse und studieren Teile ihrer bereits in den Heimatländern absolvierten Fächer nach. Zusätzlich dazu erhalten sie individuelle tutorielle Betreuung im Bereich ‚Bildungssprache Deutsch‘ und haben die Gelegenheit, eine Veranstaltung aus dem Bereich „Bildungswissenschaften“ zu besuchen. Ziel für die ausländischen Lehrkräfte ist es, berufsbezogene Sprachkompetenz auf dem Niveau C2 nachzuweisen, um im Bremer Schuldienst eingestellt werden zu können. Ab dem Wintersemester 2017/18 ist der Einstieg in das Projekt ab dem Sprachniveau B1 möglich (vormals B2). Die inhaltliche Expertise des Tutorenprogramms bildet die Grundlage dieses Projekts. Das IQ-Netzwerk finanziert eine 0,25%-Stelle der Projektkoordinatorin sowie die Honorare für die beteiligten studentischen Tutor*innen bis Ende 2018.

Die Erfahrungen aus dem Tutorenprogramm am FZHB sind auch maßgeblich in das INTEGRA-Tutorenprogramm eingeflossen. Das Programm ist Bestandteil der HERE-Studies, die vom HERE-Büro, dem Goethe-Institut und dem FZHB für Studienbewerber*innen mit Fluchthintergrund angeboten werden.

Darüber hinaus ist das FZHB mit dem Tutorenprogramm in Kooperation mit der SuUB der Universität Bremen unter Nutzung des Portals „Macmillan English Campus“ in der Beratung und Begleitung von Englischlernenden involviert, vom Niveau A2 bis hin zur Vorbereitung auf internationale Tests wie z.B. den TOEFL, der ab Mai am FZHB abgelegt werden kann.

Das Tutorenprogramm ist seit seinem Bestehen bereits auf vielen Tagungen im In- und Ausland vorgestellt worden. Ebenso gibt es kontinuierliche Nachfrage von universitären Sprachenzentren verbunden mit dem Wunsch, an den jeweiligen Einrichtungen Fortbildungsworkshops für Mitarbeiter*innen im Bereich „Förderung autonomen Sprachenlernens“ zu erteilen.

Fazit

„Everyone is my teacher. Some I seek. Some I subconsciously attract. Often I learn simply by observing others. Some may be completely unaware that I’m learning from them, yet I bow deeply in gratitude.“
(Eric Allen)

Das Tutorenprogramm am FZHB hat sich als Serviceeinrichtung etabliert. Die stetige Nachfrage aus den Fachbereichen sowie die Einbindung in verschiedenste Projekte zeigt, dass autonomes Lernen mit tutorieller Beratung und Begleitung ein funktionierendes Konzept ist. Die Beratungspraxis verdeutlicht, dass die ständige Reflexion des Lernprozesses auf Lernendenseite und des Beratungsprozesses auf Tutor*innenseite ein sich bedingendes Kontinuum ist, welches einmal mehr ein Plädoyer dafür ist, dass autonomes Lernen begleitet werden sollte.

Das folgende Zitat von Reinders verdeutlicht, dass autonomes Lernen nicht von außen vorgegeben werden bzw. verpflichtend durchgeführt werden kann, sondern von den Lernenden selbst ausgehen muss:

„Autonomy, then, is an intimately personal affair. It is about your life, about what you want to achieve, and what you enjoy. In this way, it is the only way to learn successfully in the long term. […] Becoming autonomous is a process of discovery. Because autonomy is about you and starts from within you, it cannot be forced upon you. You, and you alone, can make the decision to start this journey. But just as good travelers listen to others and learn from their experiences, good learners are not islands. They rely on others to offer insights, and occasionally, show them the way.“ (Reinders, o.J.).

Die Gestaltung offener Lernumgebungen erfordert von Koordinator*innen, Lehrenden und Lernenden vielfältige Kompetenzen. Dieses gilt es bei der Planung und Umsetzung von autonomen (Sprach)-Lernangeboten zu berücksichtigen. Vorbereitende und flankierende Unterstützungsangebote für alle Beteiligten sind da unabdingbar. Nachhaltiges Lernen und eine tragfähige Kompetenzentwicklung können sich dann entfalten, wenn Lernende wie auch Lehrende und Koordinator*innen den Rahmen  und den didaktischen Raum erhalten, sich autonom, produktiv und aktiv im sozialen Austausch und selbständig mit der Sprache auseinanderzusetzen. Am FZHB wurden auf der institutionellen Ebene der Universität Bremen autonomisierende Lernangebote im Sinne des informellen Lernens anerkannt und in das General Studies-Programm integriert. Diese Maßnahme steht in Einklang mit der Empfehlung des Europarats, informelles, lebenslanges Lernen institutionell zu verankern. Studentische Tutor*innen wie auch Lehrkräfte sollen kontinuierlich geschult werden, um sich die zur Begleitung von autonomen Lernprozessen notwendigen Strategien und Beratungstechniken aneignen zu können.

Lernräume zu eröffnen, erfordert auch größere Entscheidungsspielräume sowie die Nutzung vorhandener Kompetenzen von Lehrenden, Koordinator*innen und Lernenden. Offene Lernräume, seien sie physisch (Selbstlernzentrum, Lernraum, Bibliothek, Sprachcafé, etc.) oder virtuell (Lernplattformen, social media, etc.) stellen nicht per se Alternativen zu unterrichtlichem Lernen dar, sondern sind vielmehr als Komplementärangebot zu klassischen Unterrichts-/Selbstlernszenarien zu verstehen.

Neugierig geworden? Das Tutorenprogramm startet im Wintersemester 2018/19 mit einer Einführungsveranstaltung am 18.10.2018. Die Teilnahme ist für Studierende der Universität Bremen kostenfrei. Die Anmeldung ist möglich für jede Sprache unter: https://www.fremdsprachenzentrum-bremen.de/2033.0.html?&L=0.

Literatur:

  • Bamberger, Günter (2010): Lösungsorientierte Beratung. Weinheim, Basel: Beltz.
  • Buschmann-Göbels, Astrid / Rodewald, Christine (2018): Interkulturelles Lernen für die Schule: Deutschförderung für Lehrkräfte aus aller Welt – Der Bremer Weg. In: Brandt / Buschmann-Göbels / Harsch (Hrsg.): Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen und seine Adaption im Hochschulkontext. Erträge des 6. Bremer Symposions. Fremdsprachen in Lehre und Forschung Bd. 51. Bochum: AKS, 333-344.
  • Buschmann-Göbels, Astrid /Jahnke, Annette (2017):  „Meet the Needs – Lernberatung heterogener Lerngruppen zwischen individuellen Bedürfnissen und fachlichen Anforderungen“, in: Böcker / Saunders / Langner (Hrsg.): Beratung und Coaching zum Fremdsprachenlernen. Giessener Fremdsprachendidaktik online 9. Online: http://geb.uni-giessen.de/geb/frontdoor.php?source_opus=12596&la=de (22.08.2018).
  • Buschmann-Göbels, Astrid /Bornickel, Marie-Christin / Nijnikova, Marina (2015): „Meet the Needs – Lernberatung und tutorielle Lernbegleitung heterogener Lerngruppen zwischen individuellen Bedürfnissen und fachlichen Anforderungen“, in: ZiF 20 (1). Online: http://tujournals.ulb.tu-darmstadt.de/index.php/zif/index (22.08.2018).
  • Buschmann-Göbels, Astrid (2015): „Individuelles Sprachenlernen mit Beratung – Förderung von Mehrsprachigkeit im Tutorenprogramm am Fremdsprachenzentrum der Hochschulen im Land Bremen (FZHB)“, in: Fremdsprachen und Hochschule FuH 88. Bochum: AKS-Verlag 49-57.
  • DeJong, Peter & Berg, Insoo Kom (2008): Lösungen (er-)finden. Das Werkstattbuch der lösungsorientierten Kurztherapie. Dortmund: Verlag Modernes Lernen.
  • Holec, Henri (1981): Autonomy and Foreign Language Learning. Oxford: Pergamon.
  • Little, David (2011): Language learner autonomy: what, why and how? Online: https://de.scribd.com/document/370496586/Language-Learner-Autonomy-WhatWhyHow-pdf (22.08.2018).
  • Reinders, Hayo (o.J.): Innovation in teaching. Online: http://innovationinteaching.org/autonomy/practical-tips/ (22.08.2018).
  • Rogers, Carl (1985): Die nicht-direktive Beratung. Frankfurt: Fischer.
  • Ushioda, Ema (1996). Developing a dynamic concept of motivation. In T. Hickey& J. Williams (Eds.), Language, education and society in a changing world (pp. 239-245). Clevedon: Multilingual Matters.
  • Ushioda, E., Smith, R., Mann, S. & Brown, P. (2011). Promoting teacher-learner autonomy through and beyond initial language teacher education. Language Teaching, 44(1), 118-21.

Über die Autorin:

Dr. Astrid Buschmann-Göbels ist stellvertretende Leiterin am FZHB. Sie ist Koordinatorin des Tutorenprogramms und des Sprachangebots (außer Englisch). Zu den Forschungsinteressen zählen autonomes (Sprachen-)Lernen und Assessment, e-learning sowie Didaktisierung von authentischen Materialien.

Bildnachweise:

  • Foto der Autorin sowie Abbildungen 1 und 2: Astrid Buschmann-Göbels

 

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