ForstA digital: Blended Learning zielgerichtet in der Lehre einsetzen

von Christiane Bottke und Franziska Richter

Mit der fortschreitenden Digitalisierung stehen Lehre und Forschung, Studierende und Lehrende vor großen Veränderungen und steigenden Anforderungen. Die damit verbundenen Möglichkeiten und Erwartungen, insbesondere in Bezug auf die Gestaltung des Studiums, sind hoch. Wie lassen sich die Möglichkeiten in der Lehre zielführend nutzen? Wie können wir den Herausforderungen erfolgreich begegnen? Mit ForstA digital wird diesen und weiteren Fragen in Form von unterschiedlichen Blended Learning Projekten in der Praxis nachgegangen.

Die Universität Bremen hat als „Universität des Forschenden Lernens“ das übergeordnete Ziel, die Qualität von Lehre und Studium nachhaltig zu verbessern. Im Fokus steht dabei die konsequente didaktische Ausrichtung auf einen forschenden Ansatz des selbständigen, akademischen Arbeitens. Gleichzeitig gilt es, in diesem Zuge die Anforderungen und Möglichkeiten der Digitalisierung mitzudenken und zu berücksichtigen, um die Anforderungen und Möglichkeiten einer modernen Universität hinsichtlich Attraktivität nach innen und außen zu erfüllen und die Universität Bremen für zukünftige Herausforderungen im Bildungsbereich erfolgreich zu positionieren.

Vor diesem Hintergrund unterstützt die Universität Bremen seit dem WiSe 2017/18 mit dem Maßnahmenpaket „ForstA digital“ im Rahmen von ForstAintegriert Lehrende, die ihre Veranstaltung nachhaltig verändern wollen.

Abbildung 1: Einbindung von ForstA digital in ForstAintegriert

ForstA digital wird vom Zentrum für Multimedia in der Lehre (ZMML) umgesetzt und zielt primär auf die Anwendung von Blended Learning- und Inverted Classroom-Ansätzen im Rahmen von Projektausschreibungen. Das ZMML ist die zentrale E-Learning-Einrichtung der Universität Bremen, um Lehren, Lernen, Betreuen, Bewerten sowie Selbststudium zu unterstützen und Qualität, Flexibilität und Effizienz in diesen Bereichen zu steigern. E-Learning dient dabei gleichzeitig der Unterstützung zentraler strategischer Ziele der Universität Bremen, zu denen insbesondere das Forschende Studieren zählt. Im Rahmen von ForstA digital rückt dabei eine besondere Form des E-Learnings in den Fokus: das Inverted Classroom Modell.

Das Inverted Classroom Modell

Bei dem Inverted Classroom Modell (ICM) werden die bisher in Präsenzveranstaltungen angebotenen Inhalte den Studierenden vorab online (z.B. per Video) zur Verfügung gestellt. Dabei handelt es sich nicht um reine Aufnahmen der bisherigen Vorlesungen, sondern um didaktisch aufbereitete Videosequenzen, die mit den zur späteren Aufarbeitung genutzten Präsenzphasen sinnvoll verknüpft sind. Die Grundidee des ICM ist also nicht neu. Auch in traditionellen Veranstaltungsformaten sollen Studierende Inhalte vor der Veranstaltung vorbereiten. Das ICM-Modell bringt diesen Ansatz allerdings auf eine neue Stufe, indem konsequent Inhaltsvermittlung – traditionell im Hörsaal – und Übungs- und Vertiefungsphase – traditionell die Selbstlernphase – getauscht werden. Eine reine Wiederholung der Inhalte findet in der Präsenzphase nicht statt, da in dieser Phase die aktive Rolle der Lernenden gefördert wird. Die Studierenden werden angeregt, mehr Verantwortung für ihren Lernprozess zu übernehmen und erarbeiten sich die Inhalte in der Onlinephase zeit- und ortsunabhängig in ihrem individuellen Lerntempo. Die Inhaltsvertiefung – Diskussion, Übung, Transfer – erfolgt anschließend gemeinsam und studierendenzentriert in der Präsenzphase an der Universität. Hier ist Zeit und Raum, um Verständnisfragen und Schwierigkeiten zu klären und Studierende kooperativ arbeiten zu lassen; die Lehrenden moderieren diesen Prozess. Inverted Classroom ist eine Spezialform des Blended Learning, bei dem eine variable Mischung von traditioneller Präsenzlehre und Online-Lernphasen kombiniert und so die Vorteile beider Lehr- und Lernformen genutzt wird.

Blended Learning – ein Integrationskonzept

Sieht man sich mögliche Szenarien netzbasierter Lehre an, lassen sich je nach Einbindung der Onlinephasen drei Konzepte definieren: das Anreicherungs-, das Integrations- und das Virtualisierungskonzept (vgl. Bremer o.J.). Während das Anreicherungskonzept die Onlinephasen als optionales Zusatzangebot versteht (an der Universität Bremen z.B. im Rahmen von „Win a Tutor“ gefördert), werden im Integrationskonzept Präsenz- und digital unterstützte Selbstlern-Phasen didaktisch sinnvoll miteinander verknüpft, wobei die Onlinephasen fester Bestandteil der Veranstaltung sind – wie beim ICM. Blended Learning zielt dabei auf einen nachhaltigen Lernerfolg ab, berücksichtigt unterschiedliche Lernvoraussetzungen sowie Lernwege und ermöglicht Studierenden zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten. Dadurch werden gezielt Flexibilität und Heterogenitätsaspekte der Studierenden und zugleich weitere mit ForstAintegriert verfolgte Ziele berücksichtigt: Die Studierenden werden auf das aktivierende Lernformat des forschenden Studierens vorbereitet, Kompetenzen für das eigenverantwortliche Lernen und Studieren werden gefördert und Schlüsselqualifikationen gestärkt, wie z.B. Zeitmanagement, Reflexionsfähigkeit und der aktive Umgang mit digitalen Medien. So nutzt dieses Format die zielgerichtete Integration digitaler Elemente in die Lehre und setzt gleichzeitig auf die nachhaltige Verbesserung der Qualität von Lehre und Studium.

Unterstützung und Begleitung durch das ZMML

Lehrende unterstützen, ihre Konzepte umzusetzen – das ist die Aufgabe des ZMML im Rahmen von ForstA digital. Bereits in der Phase der Antragstellung nutzten zahlreiche Lehrende das mediendidaktische Beratungsangebot. Mehr als 10 Lehrende reichten Projektanträge zur Förderung ein, die die umfassende Unterstützung für die Entwicklung und Umsetzung der Inverted Classroom Konzepte beinhaltet. So erfolgte zunächst eine individuelle und intensive mediendidaktische Beratung, und – wenn gewünscht – Qualifizierung der Lehrenden, die u.a. die lernzielorientierte Konzeption und Entwicklung geeigneter Lernmaterialien, die Gestaltung und Abbildung der Lernprozesse im Lernmanagementsystem StudIP bzw. über die Blogfarm der Universität Bremen beinhaltet. Die Unterstützung durch den Mediaservice des ZMML bei der Konzeption, Erstellung und Hosting des Videomaterials sowie die Möglichkeit zur Integration von e-Assessment-Lösungen sind neben der Begleitung und Qualifizierung der studentischen E-TutorInnen, die die Projekte zur Umsetzung Ihrer Ideen zusätzlich einsetzen können, weitere Leistungen des ZMML. „Wie können wir unsere internen Prozesse noch besser an die Bedürfnisse der Lehrenden und den Erfordernissen und Möglichkeiten der Digitalisierung ausrichten? Welche Unterstützungsformate werden von Lehrenden angenommen und funktionieren? Wie muss sich die Lernplattform weiterentwickeln?“ nennt Dr. Yildiray Ogurol, Geschäftsführer des ZMML, strategische Fragen, die seine Einrichtung mit dem Projekt beantworten möchte.

Konkret beschäftigen sich die ForstA digital Projekte derzeit mit der Produktion von Videos und dem Lernen mit Videos: In welchen Formen, mit welchen ergänzenden Materialien und in welcher Kombination wird Lernen am besten unterstützt? Dazu werden die verschiedenen Möglichkeiten, Videos zu produzieren, genutzt und miteinander verbunden:

  • Die Aufzeichnung der Vorlesung
  • Die Aufnahme von Lehrvideos im Filmstudio des ZMML
  • Die Aufnahme von eigenen Videos als Screencast, d.h. Aufnahmen von Bildschirmaktivitäten in Verbindung mit Audio-Kommentaren
  • Aufnahme von Videos mit Legetechnik, Trickfilm usw.

Ein entscheidender Aspekt aller Maßnahmenpakete von ForstAintegriert ist die Sicherung der Nachhaltigkeit. Hier zeigt sich ein zusätzlicher Vorteil der Einbindung digitaler Elemente in die Lehre: die im Rahmen von ForstA digital entstandenen Materialien lassen sich erneut nutzen oder in veränderten Settings erneut einbinden, so dass ein nachhaltiger Nutzen aller Projekte zu erwarten ist.

Die Materialien aus den Veranstaltungen als Open Educational Resources (OER) zur Verfügung zu stellen, ist ein weiteres Ziel der geförderten Projekte. OER-Materialien sind Lehr-/Lernmaterialien, z.B. Videos, Audio, Skripte, Bücher, Quizzes die durch eine offene Lizenz eine vor allem digitale Verbreitung, Nutzung und Veränderung ermöglichen. Die Urhebenden entscheiden durch die Vergabe von Lizenzen – häufig Creative Commons Lizenzen – wie die weitere Nutzung durch andere Lehrende/Studierende möglich ist. Das ZMML unterstützt bei allen Fragen zu OER, beispielsweise bei der Lizenzierung der Werke oder bei der Recherche und Integration von Fremdmaterial, z.B. von Lehrenden anderer Hochschulen (www.oer.uni-bremen.de).

Die nachhaltige, curriculare Verankerung der ForstA digital Projekte hängt von zahlreichen Faktoren ab. Um sich dieser Komplexität – u.a. der Auseinandersetzung mit individuellen Lernprozessen der Studierenden – zu stellen, werden die Projekte „design based“ in Phasen umgesetzt (vgl. Reinmann 2005). Der Designphase (Konzeption, Entwicklung und Erstellung des Lernangebots) folgt eine erste Durchführung der Veranstaltung im neuen Konzept. Von der begleitenden Evaluation werden Impulse zu Veränderungsbedarfen erwartet, die in das Redesign (Weiterentwicklung und zweite Durchführung) münden (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2: Designprozess in ForstA digital

Dieses inkrementelle Vorgehen bietet für die Beteiligten einen Experimentierraum und dient der nachhaltigen Entwicklung und Umsetzung ebenso wie der intensiven Auseinandersetzung mit den Konzepten und Erfahrungen durch die Projektteilnehmenden.

Die ForstA ditial ProjektteilnehmerInnen

Ein Schwerpunkt der ForstA digital Projekte liegt einerseits in der Entwicklung und Gestaltung der onlinebasierten Phase der Inhaltsvermittlung. Alle Projekte wollen eine Kombination aus Video- und ergänzendem Material entwickeln, um die jeweilige Präsenzphasen zur Auseinandersetzung, Übung und zum Transfer des Gelernten bestmöglich vorzubereiten. Andererseits wird die Gestaltung der Präsenzphase, teils als Hackathons bzw. Labs geplant, mit aktivierenden, digital unterstützten Methoden entwickelt. Die neukonzipierte Blended Learning Lehrveranstaltung soll im Rahmen von mindestens zwei Semestern umgesetzt werden mit dem langfristigen Ziel der curricularen Verankerung.

Nach sorgfältiger Sichtung und Bewertung aller Anträge wurden im November 2017 folgende sechs Projekte aus fünf Fachbereichen zur Förderung ausgewählt:

  1. Projekt 1: Grundlagen der Informatik (Prof. Dr. Anna Förster, FB1)
  2. Projekt 2: Grundlagen der Mathematik (Dr. Tim Haga, FB3)
  3. Projekt 3: Arbeitswissenschaften (Dr. Till Becker, FB4)
  4. Projekt 4: KuWi Capacities (Prof. Dr. Dorle Dracklé, Dr. Oliver Hinkelbein, Dr. Martin Gruber, FB9)
  5. Projekt 5: path2: Individuelle Lernpfade inklusiver Bildung (Prof. Dr. Frank J. Müller, FB12)
  6. Projekt 6: Forschungsmethoden und Forschungsdesign (Prof. Dr. Florian Schmidt-Borcherding, FB12)

Abbildung 3: ForstA digital ProjektteilnehmerInnen von links nach rechts: Dr. Alexander Förster, Prof. Dr. Anna Förster (FB1), Prof. Dr. Till Becker (FB 4), Prof. Dr. Florian Schmidt-Borcherding (FB 12), Prof. Dr. Frank J. Müller (FB 12), Dr. Martin Gruber (FB 9), Dr. Oliver Hinkelbein (FB 9), Dr. Tim Haga (FB 3)

Auftaktveranstaltung

Am 7. März 2018 fand die ForstA digital Auftaktveranstaltung statt: In seiner Begrüßung unterstrich der Konrektor für Lehre und Studium, Prof. Dr. Thomas Hoffmeister, die Relevanz der Auseinandersetzung mit und Entwicklung von innovativen Lehr- und Lernformaten mit digitalen Elementen sowie das Bemühen der Universitätsleitung zur Verbesserung der Anerkennung der Leistung der Lehrenden auf diesem Gebiet. Der Geschäftsführer des ZMML, Dr. Yildiray Ogurol, betonte die Notwendigkeit von Gestaltungsräumen wie ForstA digital, um einerseits die Digitalisierung in der Lehre mit den Lehrenden voranzubringen und andererseits die Unterstützungsprozesse des ZMML weiter zu entwickeln und zu optimieren.

Abbildung 4: Prof. Dr. Thomas Hoffmeister, Dr. Yildiray Ogurol

In seinem anschließenden Impulsvortrag nahm Prof. Dr. Karsten Morisse von der Hochschule Osnabrück das Inverted Classroom Modell genauer unter die Lupe. Seit über 10 Jahren setzt er im Rahmen seiner Lehre ICM erfolgreich ein und so folgte auch sein Vortrag konsequent der Idee des Inverted Classroom: Die Teilnehmenden wurden im Vorfeld der Auftaktveranstaltung gebeten, sich die Inhalte vorab selbst anzueignen; die Videos und Arbeitsblätter standen den Teilnehmenden im Rahmen einer Studiengruppe bei Stud.IP direkt zur Verfügung. In der Auftaktveranstaltung selbst konnten somit die dort vermittelten Inhalte vertiefend diskutiert und erweitert und die „Präsenzzeit“ bestmöglich genutzt werden.

Abbildung 5: Prof. Dr. Karsten Morisse bei der Auftaktveranstaltung zu ForstA digital

In seinem Vortrag nutzte Morisse auch ein Audience Response System: Mit Laptop oder Smartphone ausgestattet, konnten die Teilnehmenden Fragen direkt beantworten und das anonymisierte Antwortverhalten sowie Ergebnisse sofort einsehen. Je nach Einsatz dient dieses interaktive Lernwerkzeug der Aufmerksamkeitssteigerung, ermöglicht sofortiges Feedback – oder zeigt schonungslos, ob die Teilnehmenden im Vorfeld ihre Aufgaben gemacht haben …

Abbildung 6: ICM – Smartphone und Tablet ausdrücklich erwünscht

Abbildung 7: Audience Response System im Einsatz

Die anschließende Vorstellung der sechs geförderten ForstA digital Projekte bot den Teilnehmenden Gelegenheit zur Diskussion ihrer Vorhaben. Die Vernetzung der Lehrenden wird durch regelmäßige Projekttreffen im ZMML unterstützt, für die die Beteiligten abschließend erste Themenschwerpunkte aus ihren Projekten erarbeiteten. Im weiteren Verlauf von ForstA digital wird dann ausführlich über die einzelnen Projekte berichtet – wir freuen uns auf die Umsetzungen!

Kontakt: forsta-digital@uni-bremen.de

Weiterführende Literatur:

        http://www.netzwerk-digitale-bildung.de/methoden/videos-im-unterricht-und-in-der-lehre/

         http://www.bimsev.de/n/userfiles/downloads/gute-lernvideos.pdf

Über die Autorinnen:

Christiane Bottke ist Mitarbeiterin im ZMML im Bereich Netzbasierte Lehre. Im Rahmen von ForstA digital unterstützt sie stellvertretend bei der Projektkoordination.

Franziska Richter ist Mitarbeiterin im ZMML im Bereich Mediendidaktik. Im Rahmen von ForstA digital unterstützt Sie die Lehrenden bei der Konzeption und Umsetzung der Projekte und in Fragen zu OER.

Stefanie Wiechers (bis Mitte August 2018 in Elternzeit) ist Mitarbeiterin im ZMML und im Rahmen von ForstA digital zuständig für die Koordination und Evaluation der geförderten Projekte.

Bildnachweis:

  • Abbildungen und Autorinnenfotos: Universität Bremen; ZMML

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