Forschendes Lehren und Lernen als Team-Play – Gemeinsamer Bericht von Studierenden und Lehrenden über den Tag der Lehre 2014

von Kiana Ghaffarizad, Margrit E. Kaufmann, Henning Koch, Bartosz Kurzawski, Alexander Reuter, Philip Seufert

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Am 4. Juni 2014 fand der universitätsweite Tag der Lehre statt. Am Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaft (IFEK) stand dieser Tag unter dem Motto „Teamplay – Gemeinsam Forschend Lehren und Lernen“. In dem Sinne konzipierten drei studentische Teams Workshops, in denen ein reger Austausch unter Studierenden und Lehrenden rund um die Erfahrungen mit Forschendem Lehren und Lernen (kurz: FL) stattfand. In diesem Artikel stellen wir nun dar, wie das Konzept des FL am IFEK momentan wahrgenommen wird: Macht es Freude forschend zu lernen und zu lehren? Wo findet das Konzept seine Grenzen, wo kann es noch weiterentwickelt werden? Welche Erwartungen haben Studierende und Lehrende an die Umsetzung bei dieser didaktischen Herangehensweise?Mit diesen Fragen dockte der Tag der Lehre 2014 inhaltlich an das ForstA-Projekt zur Strukturierung der Studieneingangsphase und zur Diversität im BA Kulturwissenschaft an, das seit August 2013 am IFEK durchgeführt wird und ebenfalls das FL und den wertschätzenden Umgang mit Heterogenität unter Lehrenden und Lernenden vorantreibt (vgl. Koch 2014, Kaufmann/Koch 2015). Darüber hinaus setzte das IFEK im Sommersemester 2014 einen Schwerpunkt auf die Themen Flucht und Asyl und organisierte die Veranstaltungsreihe „Gegen Grenzen denken“. Als Weiterführung nahmen wir die Frage, wie wir uns diese Themen durch FL erschließen können, mit in den Tag der Lehre. Eröffnet und inhaltlich eingeleitet wurde der Tag von der geschäftsführenden Institutsleitung Prof. Dr. Michi Knecht und Dr. Margrit E. Kaufmann als Mitglied im ForstA-Expert_innenkreis.

Um den Tag von außen begleiten und kommentieren zu lassen, luden wir Prof. Dr. Peter Tremp als Experten für Hochschuldidaktik und Forschendes Lernen von der PH Zürich ein (vgl. Tremp/Hildbrand 2012, Tremp 2014). Er nahm die Einladung mit den Worten an: „Wobei ich ja noch nicht genau weiß, worauf ich mich einlasse.“ Tatsächlich stand an dem Tag in gewisser Weise ein Rollenwechsel für ihn an: So schlüpfte er in die uns eigene Rolle der teilnehmend-beobachtenden Kulturforscher_in und begleitete drei unterschiedliche Diskussionssettings über sein eigentliches Fachgebiet, das des Forschenden Lernens:

» Setting 1: WO findet Forschendes Lernen statt?
Alexander Reuter

Als erstes besuchte Peter Tremp den Workshop, der von den Studentinnen Verena Strebinger und Johanna Schwarz geleitet wurde. Hier wurde gemeinsam evaluiert, in welchen Lehr- und Lernsituationen des BA Kulturwissenschaft FL eine besondere Rolle spielt und in welchen Formen es stattfindet.

Abbildung 1: Der Tag der Lehre am Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaft. In der Bildmitte: Unser Gast Prof. Dr. Peter Tremp von der PH Zürich.

Abb. 1: Der Tag der Lehre am Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaft. In der Bildmitte: Unser Gast Prof. Dr. Peter Tremp von der PH Zürich.

Die Studierenden nannten als gutes Beispiel das Modul 5, in dem es darum geht, in eigenständigen Gruppen eine ethnologische Forschung in einem selbst gewählten Forschungs- und Themengebiet durchzuführen und die Ergebnisse in einem Bericht festzuhalten (vgl. Kaufmann 2013). Dort spürten sie am stärksten, wie sich der individuelle Lernprozess mit dem jeweiligen Forschungstand verändert. Im kleineren Rahmen sei dieser Prozess auch schon im Einstiegsmodul zu spüren gewesen. Dort wurden bereits die ersten teilnehmenden Beobachtungen und Präsentationen von Ergebnissen durchgeführt.

Eine Lehrperson nannte als grundlegenden Faktor für erfolgreiches FL, dass die  Studierenden eine möglichst große Selbstständigkeit mitbringen oder erlernen sollten. Darauf würden sie als Lehrende hinarbeiten. Genau planbar sei das aber nicht, da die Gruppendynamiken in jeder Seminarrunde unterschiedlich seien. Sich auf diese Dynamiken stets neu einzustellen, kann den Beginn des FL auf Seiten der Lehrenden darstellen.

Anschließend wurde diskutiert, wo Studierende Raum finden, um sich mit ihren Interessen aktiv einzubringen. Dieser Raum wird von den meisten als eher beschränkt empfunden. Das wurde mit den allgemeinen universitären Strukturen und der Modularisierung des Studiums, begründet. Das thematische Interesse sei zwar nicht nebensächlich, müsse aber manchmal hinter diesen organisatorischen und strukturellen Bedingungen zurücktreten. Dies schlägt sich dann auf die Motivation der Studierenden nieder: Das Gefühl, zu viel auf einmal tun zu müssen, weil es durch die Modularisierung zu einer „Pflicht“ wird, vermindere das „Genießen der Seminare“.

Von Seiten der Lehrenden wird beklagt, dass die Anzahl der Anwesenden in den Seminaren häufig sehr gering sei und dass viele Studierende unvorbereitet erscheinen würden. Daraufhin wurde diskutiert, welche Möglichkeiten Studierende unter den gegebenen Bedingungen haben, ihre intrinsische Motivation zu bewahren. Ein Vorschlag an die Lehrenden war es, aussagekräftigere Modulbeschreibungen zu veröffentlichen und gleichzeitig offener gegenüber Themen zu sein, die von Studierenden eingebracht werden. Ein anderer war, den Studierenden möglichst früh im Studienverlauf die Bedeutung der zu lesenden Texte für ihr Studium zu vermitteln. Hier herrscht oftmals Unklarheit, warum genau die ausgewählten Texte gelesen werden sollen.

» Setting 2: WIE wird Forschendes Lernen wahrgenommen?
Bartosz Kurzawski & Philip Seufert

Anschließend gesellte sich Peter Tremp zu dem Workshop, in dem wir, Studierende  unterschiedlicher Semester, unsere Erfahrungen mit dem FL und dessen praktischer Umsetzung aus unterschiedlichen Perspektiven darstellten. So nahmen sowohl Studierende teil, die bereits mehrere (Feld-)Forschungsprozesse durchlaufen hatten, als auch jene, die erst am Anfang ihres Studiums stehen. An der Diskussion beteiligten sich auch Lehrende, die erste Lehrkenntnisse sammeln oder solche, die von Erfahrungen aus vergangenen Semestern und inzwischen vollzogenen Veränderungen zu berichten wussten.

Zu Beginn fanden sich Studierende und Lehrende für eine tiefere Diskussion zu zweit  zusammen. Durch diesen Austausch war es möglich, gemeinsam Veränderungen zu reflektieren und Verbesserungsvorschläge zu entwickeln. Diese Ideen wurden anschließend in der Gruppe beleuchtet. Einen zentralen Aspekt nahmen dabei die Fragen ein, welche Bedeutung den selbstentwickelten Forschungsthemen zukommt und wie studentische Forschungsarbeiten stärker wahrgenommen werden können, so dass sie Lust machen aufs Weiterforschen.

Abbildung 2: Philip Seufert (links) und Bartosz Kurzawski (rechts) stellen den Ablauf ihres Workshops vor.

Abb. 2: Philip Seufert (links) und Bartosz Kurzawski (rechts) stellen den Ablauf ihres Workshops vor.

Im Anschluss ging es um die Zusammenfassung von positiven und negativen Erfahrungen mit dem FL. Dabei stellte sich heraus, dass das FL-Konzept sehr positiv wahrgenommen wird und geäußerte Kritikpunkte entweder ein positives Äquivalent fanden oder schnell in zukunftsweisende Vorschläge umformuliert werden konnten. So wurde kritisiert, dass viele der Themen nach Abschluss des Moduls nicht länger relevant wären. Daraufhin gab es die Idee, Themengebiete modulübergreifend zu bearbeiten oder längerfristige Projekte über mehrere Semester zu ermöglichen. So könnten Studierende ihre Interessenschwerpunkte weiter verfolgen und gleichzeitig neue wissenschaftliche Arbeitsschritte kennenlernen, wie etwa das erfolgreiche Publizieren. Weitestgehend positiv wurden die freien Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb der forschenden Gruppen bewertet. Lediglich wird von den Studierenden eine fundiertere Beratung beim Abstecken ihrer  Themenfelder gewünscht. Im gemeinsamen Plenum stellten wir die erarbeiteten Punkte vor und erhielten, neben weiteren Ergänzungen aus dem Plenum, allgemeine Zustimmung. Inwiefern diese Ergebnisse Einzug in den Lehrplan halten, liegt nun an den Lehrenden, die bereits am Tag der Lehre ankündigten, dass dies zwar ein recht umfassendes Unterfangen darstelle, die Beiträge der Studierenden aber auf jeden Fall berücksichtigt würden. Nach dieser angeregten Diskussion verabschiedete sich Peter Tremp und besuchte den nächsten Workshop.

» Setting 3: Lernend Forschen zu Flucht & Asyl
Kiana Ghaffarizad

Zu welchem Zweck, für wen und aus welcher Position heraus wenden wir uns dem Forschungsbereich „Flucht und Asyl“ zu? Welche Vorannahmen sind damit verbunden? Mit welchen Herausforderungen werden wir Forscher*innen uns möglicherweise auseinandersetzen müssen? Und nicht zuletzt – welche Möglichkeiten haben wir, unsere Forschungsarbeiten über einen gegenwärtigen Hype um dieses Thema hinaus konstruktiv und nachhaltig in universitäre und gesellschaftliche Diskurse einzubringen und diese mit zu verändern? Dies waren die Fragen des dritten Workshops, den Peter Tremp schließlich aufsuchte. Auf Wunsch der Studierenden diskutierten sie mit Absolvent*innen, und Lehrenden, in welcher Form bereits zu Flucht und Asyl geforscht wurde und weiterhin geforscht werden kann und sollte. Einiges von diesem Gedankenaustausch der direkt anschließt an die Veranstaltungsreihe „Gegen Grenzen denken“, möchte ich im Folgenden umreißen:

Legitimationsordnungen hinterfragen – Motivation und Forschungsinhalte

„Es geht mir auch darum Ohnmachtsgefühle zu überwinden! – Ohnmachtsgefühle, die täglich aufs neue genährt werden von Berichten über Flüchtende, die an den europäischen Außengrenzen ums Leben gebracht werden, über Hungerstreiks von Geflüchteten,  verzweifelte Suizidakte in Abschiebegefängnissen und und und“. Dies war die Reaktion einer Studentin auf die Frage nach der Motivation, mit der wir uns als kritische Kulturforschende dem Themengebiet widmen. Daran anknüpfend diskutierten wir die herrschenden Legitimationsordnungen, auf denen die jahrelangen politischen Ausschluss- und Abschiebepraxen basieren und konstatierten die dringende Notwendigkeit, Gegenbilder und Gegendiskurse zu entwerfen, die die absolute Bewegungsfreiheit aller Menschen uneingeschränkt anerkennen: Deutungshoheiten nicht Flüchtlings- und Grenzregimen überlassen – das ist unsere Forschungsmotivation. Dies lässt sich nicht zuletzt nur durch lernendes Forschen erreichen.

Abbildung 3: Im Workshop von Kiana Ghaffarizad (3. von rechts) wurde diskutiert, wie man über die Themen Flucht und Asyl lernend forschen kann.

Abb. 3: Im Workshop von Kiana Ghaffarizad (3. von rechts) wurde diskutiert, wie man über die Themen Flucht und Asyl lernend forschen kann.

Qualitative Forschungen, schilderte eine andere Studentin aus ihren Erfahrungen, sind zudem eine Möglichkeit, persönliche und tiefergehende Begegnungen zu und mit Geflüchteten herzustellen, um ihre Narrationen, jenseits von massenmedialer Inszenierung und neoliberaler Konstruktion der Kategorie „Flüchtling“, erfahrbar zu machen.

Zudem kann Forschung einen Beitrag leisten, um alltägliche Grenzproduktionen, Bedrohungsszenarien und Handlungslogiken mit den damit einhergehenden Dispositiven zu hinterfragen, kritische Evaluationen zur Unterstützung von Aktivist*innen durchzuführen, eigene verinnerlichte Rassismen zu erkennen und zu bearbeiten und so fort.

Kritische Forschung …

Forschungsprozesse sind oft geprägt von ungleichen Sprech- und  Repräsentationsautoritäten. Auf diese asymmetrischen Machtkonstellationen wiesen bereits feministische Forscher*innen und Vertreter*innen der Writing-Culture-Debatte hin (vgl. u. a. Ekinsmyth 2001; Fabian 1983). Der Umgang damit sollte jedoch insbesondere in Forschungsbeziehungen mit Geflüchteten stets neu ausgehandelt werden. „Zu Flucht und Asyl forschen“, thematisierten die Teilnehmenden, „heißt auch, sich im Spannungsfeld von Paternalismus und Solidarität, von Othering und Ermächtigung zu bewegen.“ Aus dem Grund sollten wir uns dazu herausfordern, Repräsentationsformen zu finden, mit denen wir weniger über Menschen schreiben, sondern mit denen wir Räume öffnen für individuelle Repräsentationen der Subjektpositionen. Darüber hinaus müssen wir uns bewusst bleiben, dass Wissensproduktion nie wertneutral sein kann, sondern immer partiell und situativ gebunden ist sowie von der soziokulturellen, politischen und ökonomischen Position der Forschenden mit geprägt wird. In dem Sinne betonte eine Workshopteilnehmerin die Notwendigkeit, auch den hiesigen Wissenschaftsbetrieb als einen weiß-dominierten Raum zu thematisieren.

…und kritische Lehre

Die Frage „Wer spricht über wen?“ lässt sich in Hinblick auf universitäre Lehre umformulieren zu „Wer lehrt wem über wen?“. In der Diskussion um emanzipatorische Forschung konstatierten wir den Bedarf nach einer Lehre, die einerseits gängige Veranstaltungsformate herausfordert und anderseits den Fokus wieder mehr auf gesellschaftliche Prozesse richtet. Ansätze hierfür könnten sein:

1. mehr Verknüpfungen zwischen Seminaren und zwischen Studiengängen zu schaffen, mehr Raum und Zeit geben, um Themen über mehrere Semester zu bearbeiten und mehr partizipative und selbstreflexive Formate in den Stundenplan zu integrieren. Ein Beispiel wäre die von Nadig entwickelte ethnopsychoanalytische Deutungswerkstatt (vgl. Krueger 2008).

2. dem Wunsch der Studierenden zu entsprechen,ihren sozialpolitischen Aktivitäten eine stärkere Anerkennung seitens der Uni zukommen zu lassen. Entsprechend des General Studies Konzept des FB 9 könnten beispielsweise Aktivist*innen nach Bedarf Credit Points erhalten, um ihr Engagement nicht zwecks Hausarbeiten und Klausuren einschränken zu müssen.

3. und gerade in Bezug auf den Schwerpunkt Flucht und Asyl sollten wir – Lernende, Lehrende und Forschende – uns verstärkt um die Ermöglichung einer kollaborativen und solidarischen Wissensproduktion bemühen.

Seien wir kollaborativ, seien wir solidarisch!

Kollaborative und solidarische Wissensproduktion ist mehr als eine wissenschaftliche Methode. Sie ist eine Grundhaltung. Das war ein Fazit der Abschlussdiskussion. Im Zusammenhang mit unserem Forschungsfokus kann sich diese Grundhaltung in der Herstellung eines langfristigen reziproken Austausch mit außeruniversitären Institutionen, Initiativen, Gruppen und Menschen äußern – nicht der eigenen Selbstoptimierung willen; sondern zur Etablierung solidarischer und empathischer Netzwerke. Konkret soll das  heißen, Seminare mit Aktivist*innen und Betroffenen zu entwickeln und zu gestalten. Das Gleiche gilt für die Entwicklung von Forschungsfragen: Statt einer Logik der bloßen Wissensakkumulation zu folgen oder sich nach dem Top-Down-Prinzip mit vorformulierten Forschungsideen in das Feld zu begeben, sollten wir mit verschiedenen Akteur*innen gemeinsam aushandeln, in welchen Bereichen ein dringender Forschungsbedarf besteht. Damit geht zugleich die Herausforderung einher, sich nicht von vorgegebenen und prekärer werdenden ökonomischen und institutionellen Strukturen an den Unis einschüchtern zu lassen, sondern nach Widerstandspunkten und Freiräumen innerhalb dieser Strukturen zu suchen.

„Eigentlich beginnt kollaborative Wissensproduktion im eigenen Institut“, bemerkte eine  Studentin während des anschließenden Mittagessens. Anders ausgedrückt geht mit dem Ansatz der kollaborativen und solidarischen Wissensproduktion einher, die Umstände der Wissensproduktion in den eigenen akademischen Häusern zu hinterfragen. Denn, strukturell asymmetrische Macht- und Ressourcenordnungen werden wir nicht aufbrechen, indem wir weiterhin eine Ellenbogenatmosphäre in den eigenen Institutionen etablieren oder als Gegeben hinnehmen. Auch nicht, indem wir theoretische, methodische Traditionslinien außer Acht lassen oder vorhandene Wissensbestände ignorieren. Wir würden diese Asymmetrien lediglich auf einen anderen Bereich verlagern. „Kollaborative Wissensproduktion beginnt im eigenen Institut“: Ob wir nun Studierende sind, Promovend*innen, wissenschaftliche Mitarbeiter*innen, Professor*innen – diesen Anspruch sollten wir alle in unseren vielfältigen Forschungsprojekten nicht aus den Augen verlieren.

Epilog

Angeregt von seinen teilnehmenden Beobachtungen moderierte Peter Tremp eine rege Abschlussdiskussion. Hier benannten alle Workshopleitenden zentrale Ergebnisse der Diskussionen. Von seinen Impressionen und Gedanken möchten wir Folgendes festhalten:

» Freiheiten im Studium

Im einen Workshop war die Frage nach Freiheiten im Studium zentral. Doch wollen Studierende selbst Themen einbringen und mitgestalten? Hierzu scheinen die Bedürfnisse unterschiedlich zu sein, was zum Teil mit der Studienphase zu tun hat und zum Teil mit Zeit und Ressourcen. Vielleicht auch damit, dass viele noch nicht so genau wissen, was sie möchten. FL braucht seitens der Studierenden Informationen über Möglichkeiten, Zeit und Ressourcen. Da das Zeitmanagement für das Studium schwierig ist, wünschen sich Studierende mehr Anleitung dazu.

» Forschendes Lernen ist nicht nur dort zu finden, wo „Forschung drüber steht“

Es bestehen unter Lehrenden und Studierenden unterschiedliche Vorstellungen von FL. Darauf verweist zum Beispiel, dass die Frage: „Kann ein einführendes Seminar zu Foucault als FL konzipiert werden?“ mit Lachern kommentiert wurde. Doch geht es beim FL nicht darum, diese Frage anders herum zu stellen, nämlich: Wie lässt sich ein Einführungsseminar zu Foucault als Forschendes Lernen konzipieren? Auch die Aufarbeitung von Theorien und Wissenschaftsdiskursen sind als Teil der Forschung zu begreifen. Im Sinne des „Zürcher Frameworks“ (vgl. Vortrag des Gastredners Tremp) ist Theoriearbeit wichtig zur Aufarbeitung des Forschungsstands und zur Einordnung von Forschungsergebnissen. Es geht beim Forschen auch um Kenntnisse der Theorie- und Forschungstraditionen und das Ansetzen am bestehenden Wissen.

» Forschendes Lernen braucht gemeinsame Verständigung

Als zentrales Moment für Forschendes Lernen wurde seitens der Lehrenden selbst, die Kommunikation unter den Lehrenden hervorgehoben. Vorlesungen können Themen bündeln und Teams zusammenhalten. Die Lehrenden möchten mehr Spielräume für ihr Team-Play. Ihre Arbeitszeiten sind auf Lehrstunden ausgerichtet, Zeit für das Zusammenspiel müssen sie sich „freischaufeln“. Wer forschend lehren möchte, braucht Zeit für Kommunikation.

» Forschendes Lernen und wissenschaftliches Schreiben

Schreiben und der Umgang mit Texten ist ein wichtiger Bereich der Forschung, um Forschung einem Publikum zugänglich zu machen. Studierende und Lehrende brauchen dafür ausreichend Zeit und Unterstützung. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme und Ausbildung von Schreibcoaches sollte als wichtige Maßnahme zum FL verstetigt werden.

» Die Weiterführung des Schwerpunktes Flucht und Asyl wird von den Teilnehmenden befürwortet

Die angeschlossenen und laufenden Forschungsarbeiten von Studierenden und Kolleg*innen zu diesem Schwerpunkt verweisen auf besondere Schwierigkeiten, wie zum Beispiel: „Wie lässt sich ethisch vertretbar dazu forschen?“, „Welche Anleitungen geben uns neuere Ethnographien?“, „Inwiefern hilft es den Flüchtlingen, wenn wir mit ihnen forschen?“

Herr Tremp hat als teilnehmender Beobachter am Tag der Lehre vieles von uns  mitbekommen, doch auch einiges nicht verstehen können, da wir eine fremdkulturelle Sprache sprechen. Da war zum Beispiel von M1, M4, M5 die Rede. Ihm fiel zudem auf, dass wir im Institut unterschiedliche Vorstellungen vom FL haben. Was er als Außenstehender an unserer Fachkultur besonders wahrnahm und was ihm gut gefiel, ist unsere Diskussionsweise. Die Studierenden und Lehrenden tauschen sich wirklich zu Lehre und Studium aus und die Studierenden trauen sich in Diskussionsrunden offen Kritik zu üben. Verbesserungsvorschläge werden von den Lehrenden aufgegriffen und nach Möglichkeit umzusetzen versucht.

Die souveräne Diskussionsleitung von Peter Tremp sowie die reflektierten Beiträge von  Studierenden und Lehrenden konnten die bereits erlangten Ergebnisse abrunden und in einen größeren Kontext stellen.

Über die AutorInnen:

Kiana Ghaffarizad studierte im M.A.Transkulturelle Studien mit Schwerpunkt kritische Sozialanthropologie und promoviert derzeit zur Lebenssituation unbegleiteter minderjähriger Flüchtender in Bremen.

Margrit E. Kaufmann ist Bremen Senior Researcher und Lektorin am Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaft (IFEK) und Bremer Institut für Kulturforschung (bik). Als Expertin für Intersektionalität und Diversity ist sie Mitglied im ForstA Expert_innenkreis.

Henning Koch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt ForstA – Säule 2. Er promoviert zu juristischen Fachkulturen und deren Wahrnehmung durch unterschiedliche Studierendengruppen.

Bartosz Kurzawski studiert im 5. Semester den BA Kulturwissenschaft und co-gestaltete das Setting 2.

Alexander Reuter nahm am Workshop zum Forschenden Lernen im BA  Kulturwissenschaft (Setting 1) teil.

Philip Seufert studiert Kulturwissenschaft und Kommunikations- und Medienwissenschaft im 5. Semester und co-gestaltete ebenfalls das Setting 2.

 

 

Bildnachweis:

  • AutorInnenfotos: Kiana Ghaffarizad (privat); Margit E. Kaufmann (privat); Hennig Koch (privat); Bartosz Kurzawski (privat); Alexander Reuter (privat); Philip Seufert (privat)
  • Foto 1/2/3: Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaften (IFEK)

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