Die Lehrkraft der Zukunft

Die Lehrkraft der Zukunft

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Träumen Androiden von guten Schülern oder bleibt die Lehrkraft menschlich?

Szenario I: Es ist ungefähr das Jahr 2223 der Kelvin Zeitlinie des Star Trek Universums. Ort des Geschehens ist das Learning-Center auf Vulcan, in dem sich Spock befindet. Spock ist zu dieser Zeit ca. 8 – 10 Jahre alt und befindet sich alleine in einem sogenannten Learning-Pod oder Skill-Dome, von denen sich mindestens 30 in diesem Learning-Center befinden, und jeder ist mit nur einem Schüler*in besetzt. Die Schüler*innen betreten ihre individuelle Kapsel über eine Reihe von Stufen, und um sie herum werden Reihen von Bildern, mathematische Formeln, philosophische Texte, etc. projiziert. Hierbei handelt es sich um eine Standardform der Ausbildung auf Vulcan, die holografische Bilder und Klänge erzeugt und dazu Fragen stellt. Programmiert wurden diese von vulcanischen Lehrer*innen und eine selbständige Weiterentwicklung der Programme ist nicht erwünscht oder erstrebenswert. Änderungen werden, falls nötig, durch die Lehrkräfte vorgenommen. Im Film „Star Trek“ von 2009 ist in dieser Szene nicht ganz nachzuvollziehen, ob es sich hierbei um eine Testsituation für die Schüler*innen oder ob es sich um die alltägliche Form des Schulunterrichts handelt.
Szenario II: Eine Schulklasse mit 30 Schüler*innen und eine Lehrperson, die alle geforderten Fächer unterrichten kann. Ein Android oder Gynoid, im Folgenden zur Vereinfachung das männliche Android („dem Manne ähnlich“), steht vor der Klasse – rein optisch somit nicht von einem ‚richtigen‘ Menschen zu vergleichen. Dieses Mal handelt es sich um eine richtige KI – eine ‚künstliche Intelligenz‘ – die in der Lage dazu ist, zunächst durch Mimikry, danach durch Imitation und abschließend durch Mimesis menschliches Verhalten nachzuahmen. Donald beschreibt jedoch die ‚mimetische Kultur‘ als entscheidende Phase und somit Bestandteil der Entwicklung von Bewusstsein und Kultur und differenziert konsequent diese Begrifflichkeiten. Mimikry kommt bei vielen Tieren vor, Imitation bei Affen und Menschenaffen und Mimesis ausschließlich bei Menschen.
Mimikry ist der Versuch, ein so genaues Duplikat wie möglich zu erschaffen. Wenn der Gesichtsausdruck eines Menschen von einem anderen exakt reproduziert oder der Gesang eines Vogels von einem Papagei exakt nachgebildet wird, handelt es sich folglich um eine Form der Mimikry…Imitation ist nicht so exakt wie Mimikry; das Kind, dass das Verhalten eines Elternteils kopiert, imitiert, aber liefert keine exakte Reproduktion des elterlichen Verhaltens…Mimesis fügt der Imitation eine darstellerische Komponente hinzu. Dabei werden sowohl Mimikry als auch Imitation für ein höheres Ziel eingesetzt: und zwar der nachträglichen Darbietung oder Wiedergabe eines Ereignisses oder einer Beziehung. (Donald, 1993:168-169)

Die Frage, die sich hierbei unweigerlich stellt, ist, ob der Androide die Mimesis tatsächlich gemeistert hat oder ob es ausschließlich bei der Anwendung von Mimikry oder eventuell noch Imitation bleibt? Fühlt diese KI? –Kann sie das? Wird sie es jemals können? Geht man davon aus, dass die Fähigkeit, Emotionen zu haben, niemals für künstliches Leben erreichbar sein wird – wäre es nicht ein viel objektiverer Unterricht, den dieser Androide erteilen würde? Grundsätzlich ist es ja nicht negativ zu bewerten, wenn die Lehrperson objektiv ihre Schüler*innen beurteilt. Andererseits ist ein gewisses Maß an Empathie und Abwägen der Situation und die dementsprechende Interaktion ausschlaggebend für eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung. Aufgrund der Tatsache, dass Menschen dazu neigen, bei der Verwendung der Worte künstliche Intelligenz Schreckensvisionen à la ‚Matrix‘ oder ‚Blade Runner‘ heraufzubeschwören und dadurch zum einen das große Potential dieser Technologie – auch für das Bildungssystem – nicht begreifen wollen oder können und zum anderen dadurch ausbremsen und der einfachen Tatsache, dass die Forschung zwar weit, jedoch noch nicht SO weit ist, soll an dieser Stelle ein Zitat von Fabian Zehner die Verbindung und den Übergang zwischen KI, Digitalisierung und Medien im Bildungsbereich herstellen.
Daher plädiere ich an dieser Stelle dafür, den wenig hilfreichen Begriff der künstlichen Intelligenz für den Bildungsbereich zumindest mal für die nächsten zwei Jahrzehnte während des aktuell vorherrschenden Paradigmas noch hintanzustellen, wenn es darum geht, welche modernen Technologien den innovationsbedürftigen Sektor voranbringen könnten. Selbst wenn die Technologien Maschinenlernen oder natürliche Sprachverarbeitung beinhalten, und daher mit der Forschung zu künstlicher Intelligenz assoziiert sind, stellen sie lediglich Methoden dar, deren Einsatz in Bildungsforschung und ihrer Praxis rational und nicht emotional auf ihre Sinnhaftigkeit geprüft werden sollten. (Zehner, 2019: 2)

Obwohl die zu Beginn geschilderten Szenarien in den Bereich der Science-Fiction gehören, ist jedoch das erste Szenario gar nicht so unwahrscheinlich und undenkbar, wie es zunächst den Anschein hat. Man muss von den futuristischen learning–pods einige Schritte zurück in unsere Gegenwart gehen und sich die rasante Entwicklung des digitalen Unterrichts während der Corona Pandemie vor Augen führen. Plötzlich sind Möglichkeiten geschaffen worden, Schüler*innen digital, zu Hause, zu unterrichten, – fast wie in einem learning–pod. Dieses Essay hat, trotz der Einleitung, keine futuristischen Unterrichtsmodelle zum Thema, sondern soll sich mit Medienkompetenzen von Schüler*innen und Lehrkräften sowie dem Erlangen dieser beschäftigen, um jetzt und in Zukunft, mit den neuesten digitalen und technologischen Entwicklungen, standhalten zu können. Zunächst soll an dieser Stelle der Begriff Medienkompetenz erläutert werden: Durch Medienkompetenz werden Schüler*innen in die Lage versetzt, Medien verantwortungsvoll zu nutzen, diese aber auch kritisch zu hinterfragen, Gefahren zu erkennen (z.B. Social Media) und erfolgreich an der Gesellschaft teil zu haben. Durch die Fähigkeit, digitale Medien kompetent zu nutzen, aber auch zu hinterfragen, werden sie befähigt, diese zu bewerten und ihre Funktionsweisen zu verstehen. Zusätzlich bietet Medienkompetenz die Fähigkeit der Informationsbeschaffung sowie Wissen darüber, von welchen Internetseiten man seriöse Informationen bekommt und woran diese zu erkennen sind. Zusätzlich weiß man, dass man zur Recherche die Informationen immer aus mehrere Quellen bezieht. Medienkompetenz beinhaltet aber auch ein Minimum an rudimentären Wissen bezüglich der technischen Komponenten und deren Funktionsweisen innerhalb eines Computers, Tablets, Smartphones etc., dem Wissen über den stetigen Wandel bzw. Verbesserungen, Erneuerungen und die Aufrechterhaltung eigener Aufgeschlossenheit den Medien gegenüber. Zusammengefasst: Fähigkeit, in die Welt aktiv aneignender Weise auch alle Arten von Medien für das Kommunikations- und Handlungsrepertoire von Menschen einzusetzen (Baacke 1996b:8). Darüber hinaus ist die Medienbildung von entscheidender Bedeutung und kann als Erweiterung der Medienkompetenz angesehen werden oder anders ausgedrückt: Medienbildung setzt zwar Medienkompetenz voraus, berücksichtigt aber darüber hinaus die Fähigkeit, die Bedeutung der Medien für die eigene Person zu reflektieren und sich auf unbekannte medienbezogene Situationen einstellen zu können (vgl. Moser 2006: 287). Man kann demnach erst aus der Perspektive der Medienbildung ableiten, welche Kompetenzen erweitert und/oder verbessert werden müssen. Medienbildung beginnt demzufolge dort, wo die Vermittlung von Informationen aus subjektunabhängigen Datennetzen und Informationssystemen aufhört, und wo es um deren Verarbeitung und Integration in den eigenen Lebens- und Erfahrungskontext geht. Somit wird hier auch jene Betrachtungsweise aufgehoben, die aus konstruktivistischer Sicht dadurch markiert ist, dass die Menschen ihr Ich und die Welt, in der sie sich bewegen, letztlich selbst erzeugen. Somit werden sie in die Lage versetzt, sich darüber reflektierend zu verständigen (vgl. ebd.: 287). Medienkompetenz sowie Medienbildung sind fächerübergreifende Kompetenzen, die über verschiedene Unterrichtseinheiten aufgebaut werden und sich nicht ausschließlich auf, beispielsweise, den Deutschunterricht beschränken. Referate und Präsentationen bieten sich dafür in allen Unterrichtsfächern an, da das Erlernen der richtigen Recherche und somit dem Erlernen, welche Quellen als vertrauenswürdig gelten und welche nicht, als Grundlage dient.
Der Akzent verschiebt sich von der Frage, ob Schule sich dem Thema Digitalisierung stellen soll und digitale Medien für sich nutzen möchte, hin zu der Frage, wie Schule die Anforderungen einer Gesellschaft im digitalen Wandel aufgreift und gestaltet. Während der Fokus der Diskussion bislang um „Medienkompetenz“ kreiste, geht es nun um die Implikationen der Digitalisierung für alle Fächer, für alle Schulformen und -stufen, für den Unterricht, die Schule und das Bildungswesen im Ganzen. (vgl. Heinen & Kerres, 2017: 129)

Damit Schüler*innen Medienkompetenzen und Medienbildung entwickeln und weiterentwickeln können, ist es jedoch unerlässlich, dass auch die Lehrkräfte immer up to date und, bezüglich der Anwendungsmöglichkeiten digitaler Medien für den Unterricht, kompetent und professionell sind. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten die Weiterbildungsangebote bezüglich digitaler Medien und deren Anwendungsmöglichkeiten für Lehrende verpflichtend sein. Aus der Studie „Quelle Internet“? der „Stiftung Neue Verantwortung“, von März 2021, geht deutlich hervor, dass die meisten Befragten in fast allen Kompetenz-Bereichen schlecht abschneiden und es ihnen oft an Kenntnissen und Fähigkeiten mangelt. In dieser Studie ging es darum zu eruieren, inwieweit Bürger*innen in der Lage sind, den derzeitigen Wandel unseres Mediensystems zu bewältigen, und wo Menschen unterschiedlicher Altersgruppen Stärken oder Schwächen haben. Wie gut gelingt es der Bevölkerung, abseits der traditionellen Zeitung im Netz die Zuverlässigkeit von Quellen zu beurteilen oder Informationen überhaupt zu erkennen, einzuordnen und zu verifizieren? Wie gut können PR-Inhalte, Desinformationen oder Meinungsbeiträge erkannt und unterschieden werden? Und wie kompetent sind Menschen darin, unvollständige Nachrichten oder Interessenskonflikte bei Quellen und Autor*innen als solche zu identifizieren (vgl. Meßmer&Sängerlaub&Schulz,2021: 3)? Auch hier wurde abschließend formuliert, dass es in Deutschland eine bessere digitale Schul- und Erwachsenenbildung geben muss, da sich besonders dort die Vernachlässigung digitaler Fähigkeiten zeigt.
Nach wie vor sind digitale Nachrichten- und Informationskompetenzen nicht systematischer Bestandteil der Lehrpläne. Gerade in den Haupt- und Mittelschulen wurden Dimensionen von Medienkompetenz, die mit politischer Bildung und Vertrauensbildung in journalistisches Arbeiten zusammenhängen, in den vergangenen Jahrzehnten offenbar weitgehend vernachlässigt. Dies ist besonders gefährlich, da junge Menschen mit niedriger Schulbildung nach den vorliegenden Daten die soziodemografische Gruppe bilden, die die niedrigsten Kompetenzwerte aufweist und zugleich auch ein besonders geringes Vertrauen in Politik und Medien zeigt. Hier können wir noch gar nicht absehen, welche weiteren gesellschaftlichen Konfliktlagen diese Polarisierung nach sich ziehen kann. (vgl. ebd. 2021: 7)

Mittlerweile werden zwar im LIS-Bremen viele Weiterbildungsseminare für digitale Medien angeboten, aber ohne die Corona Pandemie, die daraufhin folgenden Schulschließungen und den Unterricht via Zoom, wäre es vermutlich nicht dazu gekommen. Befunde der dritten Lehrer*innenphase zeigen, dass im Jahr 2016 gerade mal zwei Fünftel (41.9%) der befragten Lehrkräfte angaben, eine Fortbildung zur fachspezifischen Unterrichtsentwicklung mit digitalen Medien oder zur aktiven Medienarbeit mit Schülerinnen und Schülern (41.1%) besucht zu haben (Eickelmann&Drossel,2018: 339-341). Seit 2019 eine gibt es KMK-Standards für Lehrer*innenbildung, um die komplexe Lehrer*innenbildung an die digitalen Entwicklungen anzupassen. Als zentraler Ansatz ist die modellhafte Abbildung digital gestützter Lehr-Lernszenarien in allen Phasen der Lehrer*innenbildung (KMK, 2016) zu nennen.
Mit diesen ergibt sich der Vorteil, dass durch die konkreten modellhaften Erfahrungen der Mehrwert digital gestützter Lehr-Lernsettings mit den sich ergebenden spezifischen Einschränkungen für Lehrpersonen deutlich gemacht werden kann. Besonderes Potenzial kann den von den verschiedenen Landesinstituten mittlerweile auch in länderübergreifenden Kooperationen angebotenen Webinaren zu zentralen Themen (z.B. https://fortbildung-online.lernnetz.de/) oder Media Laps zugesprochen werden. (Grafe & Bucher, 2018)
Der Fokus soll hierbei nicht auf ein ‚Ersetzen‘ des normalen Unterrichts in der Schule durch eine Lehrkraft gelegt werde. Würde ein solcher Fokus bestehen, wäre man recht nahe an Szenario I, welches – in Anbetracht der zuvor formulierten Mängel der Lehrkräfte im Umgang mit den derzeit gängigen digitalen Medien – undurchführbar wäre. In der heutigen Zeit geht es um eine sinnvolle Ergänzung und Erweiterung des normalen Schulunterrichts durch digitale Medien, welche somit in einem Verbund mit herkömmlichen Medien zu sehen sind (vgl. Florio-Hansen, 2020:109). Beispielsweise durch den Inverted Classroom – dabei werden die Grundlagen (Theorien und Einführung von Phänomenen) in Form von Erklärvideos zu Hause erarbeitet, im Unterricht erfolgen dann Übungen und abschließend die Vertiefung. Um das o.g. zu präzisieren: man verlagert das Erklären, welches normalerweise zu Beginn einer (neuen) Unterrichtseinheit erfolgt, auf zu Hause. Hierfür bieten sich verschiedene Medienformen an, zum Beispiel Lehrvideos in denen Screencasts mit Audiokommentaren kombiniert werden, Podcasts, Animationen, Simulationen, Texte, Audiobeiträge sowie ihre Kombination, welche unterschiedliche Lerntypen ansprechen und somit fördern. Dadurch bietet sich für Schüler*innen die Möglichkeit, sich das (neue) Thema so oft wie nötig erklären zu lassen. Für die Inhalte dieser Selbstlernphase ist jede Lehrperson selbstverantwortlich. Um den Schüler*innen die Möglichkeit zu geben, den eigenen Wissensstand zu überprüfen und eventuelle Wissenslücken zu schließen, werden Selbstlerntests und Übungen eingebunden. Diese Art des Unterrichts soll die Motivation der Schüler*innen steigern eigenverantwortlich zu lernen und sich zeit- und ortsungebunden auf die kommende Präsenzphase vorzubereiten. Das Flipped Classroom Modell eignet sich auch sehr gut für fremdsprachige Schüler*innen, da diese somit die Möglichkeit haben, Sprachbarrieren durch wiederholtes Ansehen des Erklärvideos abzubauen.

Die KMK veröffentlichte 2016 ein Papier mit dem Titel Strategie der Kultusministerkonferenz – Bildung in der digitalen Welt, welches die Grundlagen für die Ausbildung von Medienkompetenz und Medienbildung beim Lehren und Lernen in Schulen, in der beruflichen Bildung sowie in Hochschulen bildet und das die Bedeutung der digitalen Medien, im schulischen Kontext, hervorhebt.
In der Präambel stellen die KMK-Expertinnen und -Experten klar, dass digitale Medien nicht länger als Anhängsel pädagogischer Praktiken betrachtet werden dürfen. Die Digitalisierung hat derart rasche Veränderungen in jedem Lebensbereich bewirkt und treibt sie weiter voran, dass es unverantwortlich wäre, Lehren und Lernen in Schulen und Universitäten von einer adäquaten Integration digitaler Medien auszuschließen. Mit anderen Worten: Fertigkeiten, Fähigkeiten und Haltungen, die alle Formen der Digitalisierung betreffen, sind für effektives Lehren und erfolgreiches Lernen unerlässlich. (vgl. KMK, 2016: 9)

Als übergeordnete Ziele werden folgende Punkte formuliert:
1. Die Länder beziehen in ihren Lehr- und Bildungsplänen sowie Rahmenplänen beginnend mit der Primarschule, die Kompetenzen ein, die für eine aktive, selbstbestimmte Teilhabe in einer digitalen Welt erforderlich sind. Dies wird nicht über ein eigenes Curriculum für ein eigenes Fach umgesetzt, sondern wird integrativer Teil der Fachcurricula aller Fächer. […] und 2. Bei der Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen werden digitale Lernumgebungen entsprechend curricularer Vorgaben dem Primat des Pädagogischen folgend systematisch eingesetzt. Durch eine an die neu zur Verfügung stehenden Möglichkeiten angepasste Unterrichtsgestaltung werden die Individualisierungsmöglichkeit und die Übernahme von Eigenverantwortung bei den Lernprozessen gestärkt. (KMK 2016, 11f.)

Hiermit wird deutlich die Wichtigkeit der kritisch-konstruktiven Haltung betont (vgl. de Florio-Hansen, 2020: S.96). Demzufolge hat die KMK schon früh die Bedeutung von Medienkompetenz und Medienbildung erkannt und auf das Erreichen und Erweitern dieser Fähig- und Fertigkeiten fokussiert und auf umfassende Weiterbildungsmaßnahmen der Lehrkräfte hingewiesen.
Obwohl bereits seit 2005/2006 Medienbildung Bestandteil des Lehramtstudiums ist, hat eine grundlegende Veränderung bzw. hat eine stärkere Einbindung digitaler Medien im Unterricht, erst durch die Corona Pandemie stattgefunden (vgl. Uni-Kiel, 2022). Digitale Koordinatorinnen und Koordinatoren werden seit ca. 2 Jahren eingesetzt, um die Lehrkräfte an allen Schulen bei der Implementierung weiterführender Aktivitäten im Bereich der neuen elektronischen Technologien (vgl.de Florio-Hansen, 2020: S.96) zu unterstützen. In einigen Bundesländern werden bereits KI und Robotik für den Unterricht erprobt und stellenweise aktiv verwendet.
Das Projekt Coding Detectives, das in Kooperation mit dem Frauenhofer-Institut für Intelligente Analyse und Informationssysteme IAIS sowie der Calliope gGmbH durchgeführt wird, ermöglicht es den Kindern und Jugendlichen, ein tieferes Verständnis für die Zusammenhänge in der digitalen Welt zu entwickeln. (vgl. Ministerium für Bildung, 2018)

An dieser Stelle soll kurz erneut über den Nutzen von KIs eingegangen werden, da sich die Anwendung im Unterricht – über den Informatikunterricht hinaus – bereits im (fortgeschrittenen) Entstehungsprozess befindet. Als fundamentaler Bestandteil der Thematisierung des Komplexes Künstliche Intelligenz im Unterricht, bedarf es in frühen Stationen einer Bildungslaufbahn bereits einer spielerischen Annäherung an das algorithmische Denken (Landtag Rheinland-Pfalz, 2019). Daraus lässt sich folgern, dass eine frühe Beschäftigung mit Algorithmen dazu führt, logisch zu denken, Kausalketten aufzubauen und schließlich in die Lage versetzt zu werden, durch präzise formulierte Anweisungen, digitale Anwendungen in Form selbst entwickelter Programme zu entwickeln und zu testen (vgl. ebd. 2019) . Daraus lässt sich folgern, dass KIs keine ‚Monster aus der Zukunft sind, die die Menschheit unterjochen wollen‘, sondern es sich hier um eine verantwortungsvolle Wissenschaft handelt, die auch im Bildungssystem eine bedeutende Rolle spielt und noch eine Größere spielen wird.
Es ist anzunehmen, dass alle Schüler*innen in der heutigen Zeit als digital-natives zu bezeichnen sind und sich ihnen daher der generelle Zugang zu digitalen Medien als ein natürlicher – quasi intuitiv erlernter – Vorgang zu verstehen ist. Auf der anderen Seite des intuitiven Zugangs befinden sich, meistens, ältere Lehrkräfte oder – in selten Fällen – die Technikverweigerer. Letztere wollen schlichtweg nichts mit den neuen digitalen Medien ‚zu tun‘ haben und für die ältere Generation – so scheint es – handelt es sich um ein digitales Fabergé-Ei . Dabei sind die Weiterbildungsmaßnahmen, die beispielsweise das LIS-Bremen anbietet, zahlreich und vielfältig und könnten dabei hilfreich sein, die Hemmungen, bezüglich der Einbindung digitaler Medien in den Unterricht, schrittweise abzubauen. Eine verpflichtende Teilnahme wurde auch bereits erwähnt, sollte jedoch in seiner Ausführung verfeinert und den jeweiligen Schulen angepasst werden. Im besten Falle finden diese in der Schule selbst statt, da sie dort am effektivsten und bezogen auf den Aktionsrahmen gestaltet werden (Zylka, 2018: 14).
Bei dem Einsatz technischer Geräte im schulischen Alltag bedarf es umfassender technischer wie auch pädagogisch-didaktischer Beratungen […] Vernachlässigen Sie eine dieser beiden Beratungsebenen, wird die Integration eher schleppend verlaufen“ (ebd., 14). Schließlich geht es darum, die Nutzung der technischen Ausstattung angemessen zu reflektieren. Wichtig ist es, eine offene Lernatmosphäre für die Lehrerinnen und Lehrer zu schaffen, bei der Fehler nicht nur akzeptiert, sondern als Ausgangspunkt für die gemeinsame Weiterentwicklung genutzt werden (ebd., 15).

Im Großen und Ganzen kulminieren somit der Erwerb von Medienkompetenz sowie der der Medienbildung (besonders im Hinblick auf die Lehrkräfte) in der Bereitschaft, sich diesen – mehr oder weniger – neuen, jedoch definitiv ergänzenden Möglichkeiten, nicht zu verweigern, sondern jede Möglichkeit der Fort- und Weiterbildung zu nutzen. Um jedoch Ängste wie beispielsweise: ‚man könne etwas kaputt machen‘ oder ‚man könne sich vor der Klasse blamieren‘, etc. abzubauen, ist es essentiell, gerade diese Lehrkräfte, mit viel Geduld und Verständnis, zu unterstützen und niedrigschwellige Zugänge zu schaffen. Digitale Medien und KIs sind, von Menschen programmierte Programme, die Aufgaben übernehmen (können), die dem Menschen das Leben erleichtern und verbessern und den Schulunterricht in zukunftsorientierte Richtung lenken sollen. Medienkompetenz und Medienbildung müssen von allen Beteiligten erlangt werden. Möglich wird dies aber durch individuelles Lernen und motivierende Lernsituationen, die eine Lehrkraft mit Hilfe digitaler Medien gestalten kann.

Schule soll zur Entwicklung mündiger und sozial verantwortlicher Persönlichkeiten beitragen und gesellschaftlich wünschenswerte Wertorientierungen und Verhaltensbereitschaften vermitteln, was gemeinhin als „Erziehungsauftrag” der Schule verstanden wird. (Fend 2006)

Der Schule fällt somit die Aufgabe zu, die kulturelle und soziale Identität, welche mit kultureller und politischer Teilnahme verknüpft ist, auszubilden. In der Schule haben die Schüler*innen die Möglichkeit, sich innerhalb Gleichaltriger zu bewegen, ihre Rolle zu finden und sich generell in ein bestehendes System einzufügen. Die peer-group hat vielfältige Funktionen und ist für die soziale Entwicklung des Individuums von entscheidender Bedeutung, da hier die Möglichkeit besteht, sich mit anderen zu vergleichen, Zugehörigkeit zu erleben, Freundschaften einzugehen, gemeinsam zu arbeiten und zu spielen, Auseinandersetzungen zu bestehen usw. (vgl. Petillon 1991; Jerusalem &Klein-Heßling 2002). Zusammenfassend betrachtet ist die ‚echte‘ Lehrkraft nicht zu ersetzen, aber zu ergänzen. Neben der unbestreitbaren Tatsache, dass hier große Potenziale für den Bildungsbereich auszuschöpfen sind, bleibt zu guter Letzt noch festzuhalten, dass die Auseinandersetzung mit künstlicher Intelligenz im Schulunterricht alleine deshalb wichtig ist, um unsere Gesellschaft mündig für den Umgang mit künstlicher Intelligenz zu machen (Zehner, 2019 :27). Die diffizilen Gedanken, Gefühle und Handlungsweisen des Menschen sind nicht einfach durch die Entwicklung eines Algorithmus‘ in eine KI umzuwandeln. Emotionalität, Menschlichkeit sowie Professionalität und Kompetenz sind wichtige Bestandteile von Schule und Unterricht. Sozialisation erlernt man bzw. findet statt und ist ein, in Phasen eingeteilter, lebenslanger Prozess und von zentraler Bedeutung. Der Sozialisationsprozess dauert so lange an, wie neue Motive und Verhaltenserwartungen erlernt werden müssen (vgl. Rolff, 1997). Die sinnvolle und motivierende Verbindung digitaler Medien mit dem Unterricht ist der entscheidende Punkt, an dem sich Analoges und Digitales zusammenfügen können bzw. ineinandergreifen. Ein wichtiger Punkt ist zusätzlich, die Schüler*innen mit der Art und Weise des ‚wissenschaftlichen Arbeitens‘ vertraut zu machen, was in vielen Schulen kaum bis völlig unbeachtet bleibt. Quellenrecherche, das Verfassen wissenschaftlicher Texte, etc. werden nicht unterrichtet und sobald aus dem Schüler oder aus der Schülerin ein Studierender oder eine Studierende wird, zeigt sich exakt an dieser Stelle, dass die Schulen mehr Wert auf diese Fertigkeiten hätte legen sollen. Um zukünftig erfolgreich an der Gesellschaft teilzuhaben und eigenverantwortlich leben zu können, ist es für alle Schüler*innen notwendig, Medienkompetenz zu erwerben. Durch die Fähigkeit, digitale Medien kompetent zu nutzen, aber auch zu hinterfragen, werden sie in die Lage versetzt, diese zu bewerten und ihre Funktionsweisen zu verstehen. „Schulische Medienbildung umfasst die Aufgaben der Schule, den Bildungs- und Erziehungsauftrag im Rahmen der, mit den Möglichkeiten der Medien einhergehenden, Kompetenzanforderungen für Schülerinnen und Schüler in Einklang zu bringen und entsprechend sinnvolle und lernfördernde Szenarien des Medieneinsatztes im Unterricht zu ermöglichen (vgl. Tulodziecki, et al 2010: 6). Vergleicht man die heutigen digitalen Medien und Möglichkeiten mit denen in den 1980er Jahren, scheint es – stellenweise – nachvollziehbar zu sein, dass gerade die älteren Lehrer*innen sich mit den Neuerungen nicht arrangieren können und/oder wollen. Es entwickelt sich alles immer schneller und immer weiter. Seit der Erfindung des mobilephones scheint es so, als ob sich Entwicklungsgeschwindigkeit exponentiell gesteigert habe und dem Menschen dadurch das Gefühl nicht mehr ‚hinterher zu kommen‘ bliebe. In den 1980er Jahren war die Medienlandschaft noch eine ganz andere und ist mit wenig Worten präzise zu formulieren: wenige Geräte, einfache und seltene Anwendung. Ab 1978 gab es zwar bereits VHS Videorekorder in Deutschland, doch lagen die Kosten – je nach Anbieter – für den Erwerb eines Gerätes bei ca. 3200,- DM (Hainke, 2005-2022). Es ist anzunehmen, dass die finanziellen Mittel der einzelnen Bundesländer nicht ausgereicht hätten, jede Schule mit Videorekordern auszustatten, und dass der Nutzen für die Schulbildung – aufgrund mangelnder Filmformate – zunächst marginal erschien. Ab Mitte der 1980er Jahre wurden in den meisten Schulen Videorecorder angeschafft. Dieser war immer in einem rollbaren Schrank, inklusive TV-Gerät, welcher vor die Klasse gestellt wurde. Die Lehrkraft hatte selten die nötigen Kompetenzen, den Videofilm zum ‚laufen‘ zu bringen und wurde schließlich von einem Schüler oder einer Schülerin erlöst. Es war für die Lehrkraft zusätzlich unerlässlich, sich rechtzeitig für die Nutzung des ‚TV-Video-Schranks‘ in eine Liste einzutragen, da an einer Schule immer nur wenige zur Verfügung standen. Dementsprechend war es für die gesamte Klasse immer ein besonderes Ereignis, wenn der ‚TV-Wagen‘ in die Klasse geschoben wurde und man einen Film sehen durfte. Zunächst beschränkten sich die Filme jedoch hauptsächlich auf ‚Filme vor den Ferien‘ oder Lehrfilme für Biologie, Chemie und Physik. Aufgabe der Schüler*innen war es, den Inhalt des Lehrfilms auf bereits Gelerntes anzuwenden oder den Lehrfilm als anschauliche Grundlage für den weiterführenden naturwissenschaftlichen Unterricht zu verwenden. Als Zirkelschluss lässt zusammenfassend sagen, dass nicht selten das rollbare Zerstreuungsgerät nur der Zeittotschlagung und kurzen Pause einer überforderten, medieninkompetenten Lehrkraft diente.

 

Literaturverzeichnis

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Summatives vs. formatives Assessment im digitalen Raum

Summatives vs. formatives Assessment im digitalen Raum

In meinem Reflexionsessay für das Seminar „Mediendidaktik & Medienbildung. Digitale Elemente in der Lehre und in der Gesellschaft“ möchte ich mich auf das Thema „digitale Prüfungen“ beziehen und erörtern, ob ich digitale Prüfungen auch im Bereich der Sekundarbildung, also an den Oberschulen und Gymnasien für sinnvoll halte und was für mich eine gute Onlineprüfung ausmacht. Grundlage hierfür sind meine eigenen Erfahrungen und Vorwissen, sowie der Inhalt der dazugehörigen Einheit im Seminar. Zur Klassifizierung der Prüfungsarten verwende ich die Klassifizierungen von Schmees, Krüger und Schaper (Schmees 2013, 21).

Besonders in den zwei vergangenen „Pandemiejahren“ haben digitale Prüfungen, zumindest im Hochschulbereich, offenkundig stark an Bedeutung gewonnen. Ich selbst habe natürlich auch Erfahrungen mit digitalen Prüfungsleistungen gemacht. Bei diesen Prüfungen handelte es sich immer um summative Assessments, also Prüfungen, auf die eine Bewertung folgt. Hier habe ich in der Qualität der Prüfungen deutliche Unterschiede feststellen können. Eigentlich scheint es selbstverständlich, dass reine Wissensabfragen in Form von Single- oder Multiple Choice Fragebögen nicht tauglich sind, um summative Onlineprüfungen durchzuführen. Bei solchen Onlineprüfungen kann offenkundig sehr einfach betrogen werden, da die Antworten auf die Fragen einfach im Internet oder in einem Buch nebenbei recherchiert werden können. Dennoch führen einige Universitäten in Deutschland genau solche Onlineprüfungen durch. Um die Student:innen zu kontrollieren und Täuschungsversuche zu unterbinden, werden diese dazu verpflichtet, ihre Webcams einzuschalten und sich bei der Durchführung der Klausur überwachen zu lassen. Hier ist die Rechtslage fragwürdig (FAZ 2021). Außerdem zeigen Dozent:innen, die auf diese Art und Weise Onlineprüfungen durchführen, meiner Meinung nach nur, dass sie nicht motiviert sind sinnvolle online Assessments durchzuführen, oder nicht die Kompetenzen besitzen, gute Onlineprüfungen zu erstellen. Solche Prüfungen, die nur die Reproduktion von Wissen fordern, sind meiner Meinung nach in keiner Weise als Onlineprüfungen tauglich. Ob diese Art von Prüfung als summative Assessments überhaupt sinnvoll sind ist ebenfalls diskutabel. Dieses offensichtliche Problem der Kontrollierbarkeit gilt natürlich auch bei Prüfungen in der Schule. Ich sehe ausschließlich Nachteile summative single-choice oder multiple-choice Prüfungen online durchzuführen.

Ich finde, dass summative Onlineprüfungen über den Bereich der Reproduktion hinausgehen müssen. Das geht einher mit alternativen Prüfungsformen, die nicht nur aus reinen Wissensabfragen bestehen, sondern Transferwissen und problemlösendes Denken fordern. Hier möchte ich ein positives Beispiel aus meinem Geographiestudium nennen. Im Seminar zur Einführung in die Paläoklimatologie musste die Klausur am Semesterende pandemiebedingt online stattfinden. Hier hat der Dozent eine Onlineklausur entworfen, in der alle Inhalte (Folien etc.) des Seminars als Hilfsmittel genutzt werden durften. Da es aber in der Klausur so gut wie keine reine Reproduktionsaufgabe gab, waren diese nur nützlich als Nachschlagewerke für einzelne Daten wie zum Beispiel Beginn und Ende einer bestimmten Eiszeit. Diese hätte man in einer konventionellen Reproduktionsklausur auswendig lernen müssen und danach sowieso wieder nach kurzer Zeit vergessen. In der Onlineprüfung jedoch, musste dieses Faktenwissen angewandt werden. Dies bedurfte ein Verständnis der in der Paläoklimatologie wichtigen Prozesse. Bestehen konnte die Klausur also nur jemand, der diese Prozesse verstanden hat und diese Wissen in der Klausur anwenden kann und die in der Klausur dargestellten Probleme mithilfe dieses Verständnisses lösen kann. Meiner Meinung nach bieten solche Prüfungen, online wie offline, viel mehr Vorteile als die bereits genannten Reproduktionsprüfungen. Zum einen müssen die geprüften nicht Unmengen an Daten und Fakten auswendig lernen. Zum anderen zeigen sie, dass sie die Kompetenz besitzen diese Daten und Fakten selbst nachzuschlagen und, noch wichtiger, diese dann im richtigen Kontext anzuwenden. Hier hat die Pandemie und der damit verbundene Zwang zu Onlineprüfungen ein Umdenken bei der Prüfungserstellung bewirkt, an welchem hoffentlich festgehalten wird.

Doch sind solche Onlineprüfungen auch für den Einsatz in Oberschulen und Gymnasien geeignet? Meiner Meinung nach bedarf es bei solchen Onlineprüfungen, bei denen der Wissenstransfer und die Problemlösung im Vordergrund stehen, ein Thema, welches komplex genug ist, dass selbst wenn die Prüflinge auf das Internet zurückgreifen, um die Fragen in der Prüfung zu beantworten, sie diese nur lösen können, wenn sie die zugrundeliegenden Prozesse verstehen und die Recherche im Internet zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde, um die Fragen  vor der Abgabezeit zu beantworten. Diese Voraussetzung sehe ich in der Schule in den meisten Fällen nicht gegeben. Hier sind die Themen meist nicht komplex oder speziell genug, um eine Internetrecherche zu zeitaufwendig zu machen. Bestimmt gibt es hier auch Ausnahmen. Gerade in Leistungskursen der Q2 könnten solche Onlineprüfungen eventuell durchgeführt werden. Wenn dies möglich ist, denke ich, dass diese Prüfungen einen großen Mehrwert besitzen. Zum einen wird die Transferkompetenz der Schüler:innen gefördert, zum anderen erhält die Lehrkraft ein eindeutiges Feedback darüber, ob die Schüler:innen die wichtigen Prozesse kennen und nicht, ob diese Fakten und Daten gut auswendig lernen können.

Bei allen Überlegungen über Onlineprüfungen in den Schulen muss selbstverständlich immer die Frage nach deren Mehrwert gestellt werden. Denn selbst in den Pandemiejahren fanden die Prüfungen an den Schulen so gut wie immer in Präsenz statt. Haben Onlineprüfungen überhaupt einen Platz in der Schule, oder sind Präsenzprüfungen immer vorzuziehen? Meiner Meinung nach kann und wird auch in guten Präsenzklausuren Transferwissen gefordert und Reproduktionsprüfungen sind nur in Präsenz wirklich sinnvoll. Ich denke, dass das Prinzip Onlineprüfungen in den Schulen fernab von summativen, also Prüfungen des Lernergebnisses, einen Platz finden können. Hier halte ich vor allem formative Portfolioprüfungen für sinnvoll. Bei diesen Assessments können die Schüler:innen Zwischenschritte hin zum Lernziel dokumentieren und ihr eigenes Portfolio letztendlich der Klasse vorstellen. Dies kann natürlich auch wieder eine benotete Prüfung sein. Bei der Erstellung eines E-Portfolios kann selbstverständlich auch auf den Schüler:innen wahrscheinlich bekannte Medien zurückgegriffen werden. Sie können z.B. eine eigene Instagram-Seite managen und moderieren und auf dieser ihre Portfolios verwalten. So könnte ein Realitätsbezug zu den Leben der Schüler:innen hergestellt werden, der für Motivation sorgen kann.

Die vorangehenden Überlegungen bringen mich zu dem Schluss, dass summative Onlineprüfungen, meiner Meinung nach, keine Zukunft an den Schulen haben werden und weiterhin hauptsächlich an den Universitäten und Hochschulen zum Einsatz kommen werden. Formative Assessmentformen wie z.B. ein E-Portfolio können im Unterricht für Abwechslung sorgen und eine Grundlage für summative Leistungsbewertung bilden.

 

 

Literatur

(FAZ 2021) https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/hoersaal/duerfen-studenten-bei-online-pruefungen-per-video-ueberwacht-werden-17234467.html

Schmees, Markus, Marc Krüger, and Elisabeth Schaper. E-Assessments an Hochschulen: Ein vielschichtiges Thema. 2013.

 

 

 

 

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Hate Speech

Hate Speech

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Die Mediendidaktik im schulischen Kontext aktiv zu nutzen, um den Schüler*innen auf der visuellen Ebene etwas beizubringen ist die eine Seite. Die andere Seite ist, ihnen zu vermitteln, wie sie sich innerhalb der Medien, und im speziellen der sozialen Medien, sicher bewegen. Die Thematik der Reflexion von sozialen Medien spielt sich sehr nah an der Realität der Schüler*innen ab. Die allermeisten der Kinder und Jugendlichen verbringen einen Großteil ihrer Freizeit im Internet und den vielfältigen sozialen Medien. Diese sozialen Medien können hierbei als didaktisches Instrument oder eben als Reflexionsgegenstand dienen (Beißwenger/Knopp 2019).

Die Gründe für die Nutzung von sozialen Medien sind hierbei sehr vielfältig. Es geht auf der einen Seite um Selbstdarstellung, Vernetzung oder Beziehungspflege. Auf der anderen Seite bieten die Plattformen vielen Schüler*innen auch Platz für Partizipation oder politische Teilhabe (Raufelder 2009). Diese vielfältigen Gründe führen zu einer vermehrten Aktivität innerhalb der sozialen Medien und zu einer Seriosität und Abgrenzung gegenüber der Wirklichkeit. Vermehrt erleben Menschen durch die Nutzung von digitalen Netzwerken psychische Beeinträchtigungen, die nun ganz und gar nicht mehr unwirklich wirken. Es kommt an Schulen häufig zu Mobbing, welches sich aus dem Cyper-Mobbing in die Wirklichkeit übertragen hat. Einen nicht unwesentlichen Anteil haben hieran die sogenannten Hasskommentare (Hate-Speech). „Hate-Speech wird […] als öffentliche Kommunikation bewusster und/oder intentionaler Botschaften mit diskriminierenden Inhalten verstanden. […] Im Kern handelt es sich bei Hate Speech um einer Form der kommunikativen Herstellung menschlicher Minderwertigkeit. Dabei werden bewusst und/oder intentional Antinomien aktiviert, in denen unterschiedliche Gruppen von Menschen als ungleichwertige und exklusive Gegensätze definiert werden“ (Sponholz 2018: 48). Diese Art der Kommentare verbreitet sich im Internet sehr schnell und führt bei den Betroffenen zu vielseitigen Schäden. Die Opfer erfahren durch Hate Speech Rassismus, Antisemitismus, Sexismus oder andere furchtbare Formen des Hasses. Viele Menschen nutzen dabei die Anonymität des Internets, um andere zu beleidigen oder sogar Straftaten zu planen und zu begehen.

Es ist durchaus denkbar, dass viele Kinder und Jugendliche, die das Internet nutzen, ähnliche Gedanken verspüren und die sozialen Medien als eine Art rechtsfreien Raum betrachten. Innerhalb dieser Thematik erfordert es viel Aufklärung und die Medienbildung, unter anderem in der Schule, kann dabei hilfreich sein.

Thematisch hat die Problematik sowohl eine große Relevanz für die Schüler*innen als auch für die Lehrkräfte. Die Schüler*innen befinden sich in einer Phase der Kommunikations- und Konfliktbearbeitung. Sie nutzen dabei vielfach das Internet und die sozialen Netzwerke als Weg der Kommunikation. Konflikte über und durch die sozialen Medien werden offen ausgetragen. Die Wahrnehmung von derartigen Hasskommentaren kann im realen Leben zu negativen Einstellungen und Vorurteilen führen. Bedeutsam ist die Problematik allerdings auch für die Lehrkräfte und die Institution Schule. Es ist in ihrem Interesse, dass die Diskriminierung aus dem Netz nicht den Weg auf den Schulhof findet. Zudem können bei der Thematisierung bestimmte demokratische Werte vermittelt und Konfliktlösungen sowie Streitkulturen etabliert werden. Mit Hilfe dieser Werte und Konzepte findet zeitgleich eine partizipative Schulkultur statt, die von möglichen externen Beratungsstellen unterstützt werden kann. Dies wird besonders wichtig, wenn tatsächlich offen rassistische oder andere stark verletzende Äußerungen getätigt werden.

Um das explizite Thema Hate Speech in den Unterricht zu integrieren, ist es durchaus sinnvoll, die Problematik in verschiedenen Fächern zu besprechen. Grundlegend sollte es darum gehen, eine Sensibilisierung für die Thematik stattfinden zu lassen und das eigene Verhalten im Internet kritisch zu beobachten und zu hinterfragen. Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet vielfach kostenloses Material zu u.a. diesem Thema an. Es können Unterrichtseinheiten gestalten werden, in denen Hasskommentare als solche erkannt und eingeordnet werden. Bedeutsam hierbei wäre zudem, dass die Schüler*innen ein Repertoire an Handlungsoptionen erarbeiten. Hierzu gehört z.B. die sogenannte Counter Speech. Dieser Beitrag als Antwort auf eine Hate Speech ist ein wichtiger Beitrag für die Demokratie und zeigt Solidarität mit den Opfern. Diese Kommentare richten sich zumeist nicht nur an die Diskriminierenden und die Opfer, sondern vor allem an die stillen Mitleser*innen, die sich im Netz nicht einbringen, sondern vor allem mitlesen (Baldauf et al. 2017). Diese und viele andere Möglichkeiten bietet eine präventive Arbeit, die dazu dient Hate Speech und ihre Folgen zu vermeiden. Die mögliche Umsetzung dieser Thematik kann vielseitig und durch externe Stellen unterstützt werden. Viel Material bieten hier u.a. die Bundeszentrale für politische Bildung oder die Amadeu-Antonio-Stiftung.

Dass eine Reflexion der sozialen Medien in der heutigen Zeit, besonders bei jungen Schüler*innen, sehr wichtig ist, wird durch die Betrachtung der Problematik Hate Speech, deutlich. Die Schule kann dabei als unterstützende Akteurin fungieren, um den Schüler*innen bestimmte Kompetenzen mit an die Hand zu geben. Diese können von bestimmten Fachkompetenzen aus den verschiedenen Fächern bis hin zu Sozialkompetenzen reichen. Zu den Fachkompetenzen können z.B. im Fach Deutsch die Analyse der Wortwahl und des sprachlichen Ausdrucks sowie die Sensibilität für Sprache genannt werden. Zu den methodologischen Kompetenzen können hierbei das bewusste Steuern und Reflektieren der eigenen Mediennutzung beachtet werden. Die wohl aussagekräftigsten Kompetenzen bilden allerdings die Sozialkompetenzen. Die Schüler*innen steigern ihre Empathiefähigkeit, sie bringen sich ein und formulieren eine Feedback- bzw. Konfliktkultur, sie stärken die Zivilcourage und bilden politische sowie demokratische Teilhabe aus.

Im Zusammenhang mit der Reflexion der sozialen Medien und ihrer Nutzung ist auch die Medienkritik nicht zu vernachlässigen. Informationen oder Quellen sollten immer kritisch betrachtet und die Vertrauenswürdigkeit hinterfragt werden. Diese Kompetenz sollte in der Schule erlernt und angeboten werden, da es den Schüler*innen nicht nur im Umgang mit Medien weiterhilft, sondern auch im späteren Studium oder Beruf von Vorteil sein wird. Die Kausalität zum Thema Hate Speech wird dann deutlich, wenn bedacht wird, dass solche Kommentare häufig von Falschinformationen gespickt sind, um die Adressat*innen gezielt zu verunsichern. Besonders gefährlich wird es, wenn sogenannte Trolle für die Verbreitung solcher Kommentare zuständig sind. Trolle sind Menschen, denen es nicht um Inhalte geht. Sie agieren häufig aus Geltungssucht, Freude an der Provokation oder Langeweile. Die eigentliche Kommunikation wird dabei gezielt zerstört und ein Fokus auf Unsachlichkeit gelegt. Dadurch entsteht kaum ein Raum für Argumentation. Immer häufiger kommt es im Internet auch zu gezieltem Trolling, bei dem Menschen dafür bezahlt werden, bestimmte Diskurse zu zerstören oder Inhalte zu verbreiten. Dieses gezielte Trolling findet auch immer häufiger in politischen Diskursen statt, und hat somit eine direkte Auswirkung auf die tatsächliche Politik (Hemmelmann 2015, Rieger/Dippold/Appel 2020).

Zu einem reflexiven Umgang mit sozialen Medien sollte auch die Auseinandersetzung mit solch Problematiken gehören. Es wäre durchaus denkbar, dass innerhalb des Unterrichtes, Raum geschaffen wird, um auf das Thema aufmerksam zu machen und mögliche Strategien zu entwickeln. Eventuell haben einige Schüler*innen noch keine Informationen über diese Art der Kommunikation im Internet und können somit nicht nachvollziehen, wann es sich um einen Troll handelt und wann nicht. Auch hierbei bieten einige Organisationen Möglichkeiten und Arbeitsmaterial an, die im Unterricht genutzt werden können.

 

Dass eine ausgiebige Reflexion der eigenen Nutzung von sozialen Medien unumgänglich ist, zeigt nicht nur diese kurze Ausführung. Verschiedene Untersuchungen und Studien zeigen, dass viele Kinder und Jugendliche, die tagtäglich das Angebot im Netz nutzen, sich häufig in der Beurteilung von ihren Medienkompetenzen falsch einschätzen (Harnischmacher et al. 2020).

Dabei kann eine wirksame Reflexion und Betrachtung der sozialen Medien dazu führen, dass Phänomene wie Hate Speech oder Trolle früh erkannt und darauf reagiert werde kann. Diese Kompetenzen sollten früh und intensiv in der Schule vermittelt werden.

 

Literatur

 

Baldauf, J. et al. (2017): Umgang mit Hate Speech und Kommentaren im Internet. In: Broschüre der Amadeus-Antonio-Stiftung.

 

Beißwenger, M./Knopp, M. (2019): Soziale Medien in Schule und Hochschule. Zur Einführung. In: Beißwenger, M./Knopp, M. (Hrsg.): Soziale Medien in Schule und Hochschule: Linguistische, sprach- und mediendidaktische Perspektiven. Forum angewandte Linguistik, Band 63. Berlin: Internationaler Verlag der Wissenschaft, S. 9-22.

 

Harnischmacher, M. et al. (2020): Fake News und Desinformationen. Herausforderungen für die vernetzte Gesellschaft und die empirische Forschung. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft.

 

Hemmelmann, P. (2015): Ironie statt Ignoranz. Immer mehr Medien wehren sich gegen Trolle im Internet. In: Communicatio Socialis. Zeitschrift für Medienethik und Kommunikation in Kirche und Gesellschaft. 48. J. 2015, Heft 2, S. 170-175.

 

Raufelder, D. et al. (2009): Reflexive Internetnutzung und mediale Kompetenzstrukturen im frühen Jugendalter: Wie reflektieren Jugendliche ihre Internetnutzung und welche Rolle spielen dabei Familie und Peers? In: Diskurs Kindheits- und Jugendforschung, 4(1), S. 41-55.

 

Rieger, D/Dippold, J/Appel M. (2020): Trolle gibt es nicht nur im Märchen- Das Phänomen Trolling im Internet. In: Appel, M. (Hrsg): Die Psychologie des Postfaktischen: Über Fake-News, „Lügenpresse“, Clickbait & Co. Wiesbaden: Springer-Verlag, S. 45-58.

 

Sponholz, L. (2018): Hate Speech in den Massenmedien. Theoretische Grundlagen und empirische Umsetzung. Wiesbaden: Springer-Verlag.

 

 

 

Meinungsfreiheit im Internet und auf sozialen Netzwerken: Im Zweifel immer für die Meinungsfreiheit

Meinungsfreiheit im Internet und auf sozialen Netzwerken: Im Zweifel immer für die Meinungsfreiheit

Im Zweifel immer für die Meinungsfreiheit

Schon bevor ich mich mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt habe, stand für mich normativ eindeutig fest: Im Zweifel immer für die Meinungsfreiheit! Sie ist eins der höchsten Güter jedweder liberalen Gesellschaftsordnung. Demokratische Institutionen, und in der Tat die Demokratie als solche, können nur in einem Klima existieren, in dem die Meinungsfreiheit gedeiht. Ohne Bürgerinnen und Bürger, welche sich für die Demokratie engagieren, indem sie sich mit verschiedenen Konzeptionen und Ideen auseinandersetzen, welche am Ende entscheiden wohin das Staatsschiff segelt, kann keine Demokratie existieren. Es gibt mehrere Grundsäulen einer funktionierenden liberalen Gesellschaftsordnung. Eine wesentliche davon ist die Garantie eines freien und unzensierten Diskurses innerhalb des Volkes. Die Bürgerinnen und Bürger eines demokratischen Staates haben das Recht, manche würden sogar argumentieren die Pflicht, sich ohne Vorbehalt verschiedenster Quellen zu bedienen und den Inhalt dieser frei auszudiskutieren. Im englischen Sprachraum hat sich der Begriff Marketplace of Ideas etabliert, welcher als Synonym zur Meinungsfreiheit fungieren kann und welcher anschaulich das Konzept von Freedom of Speech wiedergibt. Manch einem mögen die Meinungen an Stand A oder B auf diesem Marktplatz nicht gefallen, jedoch steht es jedem Menschen frei jeden der einzelnen Stände zu besuchen und die dort angebotene Ware, nämlich die verschiedenen Meinungen, zu konsumieren und frei über diese zu reflektieren und zu deliberieren. Oder mit den Worten des Grundgesetzes: Eine Zensur findet nicht statt.

Soweit würden mir die meisten Menschen wahrscheinlich zustimmen, doch wie man im englischen sagt: The devil is in the details. Wie sieht tatsächlich gelebte Meinungsfreiheit und ein freier Diskurs in den Zeiten des Internets aus? Sind soziale Medien ein Teil des Marketplace of Ideas? Als Donald Trump von Twitter gesperrt wurde, nachdem bereits mehrere seiner Tweets zensiert wurden, hat ein sehr gefährlicher Präzedenzfall stattgefunden. In meiner Umgebung, sowohl an der Uni, als auch im privaten oder familiären Umfeld, stieß dies oftmals auf heitere Zustimmung. Denn Donald Trump ist ein Arschloch. Wie ein Elefant im Porzellanladen, stieß er auf der internationalen politischen Bühne einiges an teurem Geschirr um. Den Klimawandel leugnend, mit fremdenfeindlichen Konnotationen gespickten Reden und kriegerischer Rhetorik lenkte er das Staatsschiff des mächtigsten Landes der Welt. Trump düpierte Freund und Feind, während die Welt über seine selbstherrliche Arroganz lachte. Also amüsierten sich aus meinem Umfeld viele Leute über den Umstand, dass Trump auf Twitter nun seine geistigen Ausdünstungen nicht mehr verbreiten konnte. Ich jedoch war in Mark und Bein erschüttert. Ich war bisher der Überzeugung, die Meinungsfreiheit gelte auch für Menschen, die ich als politische Gegner wahrnahm. Manch einer würde sogar so weit gehen, sie gelte auch für Arschlöcher. Rosa Luxemburgs Zitat Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden klingt in meinem Kopf, sobald ich an die Zensur anderer Menschen mit anderer Auffassung denke. In den Köpfen vieler Menschen ist der derzeitige US-Amerikanische Präsident immer der derzeit mächtigste Mensch auf dem Planeten. Doch all diese Macht prallte an Twitter ergebnislos ab, als es den gerade amtierenden Präsidenten von seiner Plattform warf.

Dies wirft für mich viele unangenehme Fragen auf. In welchem Rahmen darf bzw. muss der Marketplace of Ideas existieren? In welche gesellschaftliche Sphären darf er vordringen? Welche dürfen ihm den Einlass verwehren? Niemand käme auf die Idee, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorzuwerfen, mehr linke Positionen auf ihrer Plattform zu veröffentlichen oder gar der TAZ vorzuschreiben, sie müsse mehr rechte Positionen abdrucken. Gefällt den Verlegern ein Journalist oder ein Redakteur nicht, so steht es ihnen frei, für Änderungen in ihrem Unternehmen zu sorgen. In der Sphäre der Printmedien etabliert sich der Marketplace of Ideas, indem die Meinungsvielfalt ihren Ausdruck in der Diversität der Publikationen findet. Wer eher konservativ ist, liest FAZ, wer eher links ist, liest TAZ, und wer zum Frühstück bereits Bier trinkt, bevor es zum Stammtisch geht, liest BILD. So besucht jede Person ihren individuellen Stand auf dem Marketplace, welcher die Diversität an Meinungen und Informationen relativ adäquat wiedergibt. Die Frage ist jedoch, ob sich diese Sichtweise nahtlos auf soziale Medien übertragen lässt. Bei näherem Hinsehen muss ich leider feststellen, dass das Gegenteil der Fall ist und dass meine initiale Sorge durchaus berechtigt war.

Während Printmedien größtenteils ein Medium sind, über das Informationen und Meinungen transportiert werden, so können diese ebenfalls einen Diskurs über verschiedene Inhalte anstoßen oder sogar transportieren, jedoch findet dieser Diskurs größtenteils auf der gesellschaftlichen Ebene statt und nicht in den Publikationen der hiesigen Zeitungen der jeweiligen Republik. Zeitungen sind somit ein Informationsmedium, welches Fakten und Meinungen transportiert. Diskutiert wurde über diese Ideen in der Vergangenheit auf dem tatsächlichen Marktplatz, auf der Straße, in der Kneipe, oder bei Feiern oder sonstigen sozialen Veranstaltungen. Obschon dieser Umstand immer noch den Tatsachen entspricht, hat sich ein nicht zu unterschätzender Teil des Diskurses auf das Internet verlagert. Diskutieren kann man über die verschiedenen Messenger Apps oder aber auch über soziale Medien. Facebook, Twitter, Instagram, und Youtube, um nur einige zu nennen, sind Plattformen des öffentlichen Lebens geworden, auf denen die Konflikte unseres politischen Alltages ausgetragen werden. Es gibt keine Unterteilung in ein konservatives oder linkes Twitter, kein konservatives oder linkes Youtube. Verschiedene Meinungen und Ideen, die zu den verschiedenen Ideengruppen der Gesellschaft zugehörig sind, finden auf all diesen Plattformen ein argumentatives Zuhause. Der Diskurs im öffentlichen Raum hat sich verlagert, weil sich der öffentliche Raum von der Straße ins Internet verlagert hat. Der Marketplace of Ideas kann in diesem Rahmen nur funktionieren, wenn eine Diskursbeschränkung seitens der verschiedenen Akteure, wie Google, Facebook oder Twitter ausbleibt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Während Trump durch Twitter gesperrt wurde, durften die Taliban weiterhin tweeten. Wer twittert schlimmere Sachen? Und wenn Twitter wirklich niemanden sperren darf, heißt das im Umkehrschluss, dass diese Unternehmen die Kontrolle über ihre eigenen Plattformen verlieren? Dürfen sie Nutzern und Nutzerinnen keinen Zugang versperren? Müssen Facebook und Co jedwede Äußerung zulassen?

Vor einiger Zeit gab es in den USA einen Shitstorm und einen sehr hart geführten Diskurs über eine ähnliche Problematik, jedoch in einem komplett anderen Umfeld. Eine Bäckerei hatte sich geweigert, für ein homosexuelles Paar eine Hochzeitstorte zu backen. Die konservative Position besagte, dass ein Unternehmen nicht gezwungen werden darf, mit jeder Person Geschäfte zu machen. Unternehmen können sich also frei aussuchen, wie und mit wem sie ihr Geld verdienen wollen. Die linke Position besagte, dass Menschen nicht aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, oder irgendwelcher anderer Charakteristika diskriminiert werden dürfen, und dass jede Person ein Anrecht darauf hätte, die Dienstleistungen von Unternehmen in Anspruch zu nehmen. Ich habe meine Meinung deutlich in der letzteren Position gespiegelt gefunden und war erstaunt darüber, als ich merkte, dass in dem Konflikt zwischen Donald Trump und Twitter nun beide Lager plötzlich gegenteilige Positionen einnahmen. Die konservative Meinung war nun, dass Donald Trump ein Anrecht darauf hatte seine geistigen Ergüsse bei Twitter kundzutun und er nicht aufgrund seiner politischen Positionen hätte gesperrt werden dürfen, während die linke Position plötzlich besagte, dass ein Unternehmen ja nicht gezwungen werden könne, mit einem Menschen Geschäfte zu machen. Was denn nun?

Um die Frage zu erörtern, ob Facebook und Co jedwede Äußerung zulassen müssen und ob sie jeden Menschen auf ihrer jeweiligen Plattformen gestatten müssen sich zu artikulieren, muss auch eine andere Frage gestellt werden. Dürfen Unternehmen wie Facebook oder Twitter Plattformen besitzen, die ein Medium des öffentlichen Diskurses darstellen? Dürfen Unternehmen den Marketplace of Ideas käuflich erwerben und dann kontrollieren? Man stelle sich einmal vor, große Unternehmen hätten in der Vergangenheit versucht, den Marktplatz, die Straße und die Kneipen zu erwerben, und hätten daraus folgend das Recht erworben, den Rahmen des öffentlichen Diskurses einzuschränken. Man stelle sich einmal vor, diese Unternehmen hätten Einzelpersonen verboten, den Marktplatz oder die Kneipe zu besuchen, bzw. diese oder jene Straße zu benutzen, ganz zu schweigen von dem amtierenden Präsidenten der Vereinigten Staaten. In einem Rechtsstaat gibt es eine Vielzahl von Rechten und Prinzipien die sich diametral entgegengesetzt stehen. Dieses Spannungsverhältnis kann nur durch eine Normenhierarchie gelöst werden. Welches Prinzip wiegt schwerer? Vor diesem Hintergrund betrachte ich die Lage, und vor diesem Hintergrund fällt meine Entscheidung innerhalb der Normenhierarchie eindeutig zugunsten der Meinungsfreiheit.

Unternehmen, welche die Gier nach Profit, dem Erwerb von immer und immer mehr Geld, als Handlungsgrundlage haben, überschreiten massiv ihre Kompetenzbereiche, wenn sie anfangen in den öffentlichen Diskurs einzugreifen, indem sie diesen aktiv zu steuern versuchen. Die Meinungsfreiheit Donald Trumps, ist auch meine Meinungsfreiheit und die jeder anderen Person. Hat der Staat, oder ein Unternehmen, die Macht die Meinungsfreiheit von Arschlöchern einzuschränken, die Unsinn von sich geben, dann ist jedwede freie Meinungsäußerung in Gefahr. Bereits geltende Gesetze sind vollkommen ausreichend. Man darf in einem vollen Kino nicht unberechtigterweise Feuer rufen und eine Massenpanik auslösen. Man darf nicht beleidigend werden. Aussagen zu verbieten, die nicht von diesen Faktoren betroffen sind, ist kategorisch abzulehnen. Meinungsfreiheit ist eine Kette in der alle Bürgerinnen und Bürger eingespannt sind und in gleichem Maße der Schlüssel zur Freiheit. Bricht die Kette an einer Stelle, droht sie überall zu fallen. Eine Bedrohung für die Meinungsfreiheit an einer Stelle ist eine Bedrohung der Meinungsfreiheit insgesamt. Ich sage: Im Zweifel immer für die Meinungsfreiheit.

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz. CC-BY: Jonas Wermelt

Das Urheberrecht in Schulen: Stand, Alternativen, Anregungen – Ein Gedankenexperiment

Das Urheberrecht in Schulen: Stand, Alternativen, Anregungen – Ein Gedankenexperiment

Unterricht in der Schule setzt sich aus sehr vielen Unterschiedlichen Materialien zusammen. Lehrer und Lehrerinnen sind angehalten ihren Unterricht immer perfekt auf die Lerngruppe zuzuschneiden. Dafür müssen die Lehrkräfte selbst zugeschnittenes Unterrichtsmaterial erstellen. In der Realität ist es oft so, dass den Lehrern und Lehrerinnen an vielen Stellen die Zeit fehlt für jede Stunde alle Unterrichtsmaterialien selbst zu erstellen. Außerdem fehlen ihnen dafür auch technische Kompetenzen, wenn es beispielsweise darum geht Prozesse zu visualisieren, um die Möglichkeiten in einem sich immer weiterentwickelnden digitalen Unterricht voll auszuschöpfen. Daher greifen Lehrerinnen und Lehrer gerne auf bestehende Materialien zurück, sei es in Form von Schulbüchern oder Artikeln, Bilder, Animationen, Aufgaben und ganzen Arbeitsblättern oder Unterrichtseinheiten aus fremden Quellen. In einem gewissen Rahmen ist dies sogar gestattet, jedoch gibt es Einschränkungen bei der Verwendung von Schulbüchern im Unterricht. Im nachfolgenden soll kurz erläutert werden, was Lehrkräfte aktuell dürfen und was nicht. Wo hierbei Hürden Liegen und welche Alternativen es gibt.

Was ist erlaubt, was nicht – Aktuelle Rechtslage

Das Urheberrecht in Deutschland wird durch das Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, auch als Urheberrechtsgesetz bezeichnet, geregelt. Demnach sind Werke mit einer gewissen Schöpfungshöhe urheberrechtlich geschützt. Mit Schöpfungshöhe ist ein Mindestmaß an Individualität gemeint. Das bedeutet, dass diese Werke nicht einfach so genutzt, zum Beispiel kopiert, verändert oder veröffentlicht werden dürfen (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2020, S. 6–7). Die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken ist nur gestattet, wenn hierzu eine Erlaubnis vorliegt oder die Nutzung erlaubt ist. Eine Erlaubnis lässt sich über drei verschiedene Arten einholen. Zum einen, wenn der Nutzer mit dem Urheber eines geschützten Werkes einen Lizenzvertrag aushandelt, darf der Nutzer das Werk im Rahmen dieses vereinbarten Vertrages nutzen (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2020, S. 8). Einige Werke werden vom Urheber unter eine offene Lizenz gestellt. Dabei gestattet der Urheber die allgemeine und unentgeltliche Nutzung des Werkes unter bestimmten Bedingungen. Damit der Urheber nicht jedes Mal eine offene Lizenz aufsetzen muss, gibt es Standardlizenzen, wie beispielsweise Creative Commons Lizenzen (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2020, S. 9). Außerdem können urheberrechtlich geschützte Werke auch auf der Basis von gesetzlichen Erlaubnissen genutzt werden. Der Gesetzgeber hat bestimmte Nutzungshandlungen privilegiert, da bei diesen die Zugänglichkeit und die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke von einem allgemeinen Interesse ist (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2020, S. 11). Dabei ist zwischen vergütungspflichtiger und vergütungsfreier gesetzlicher Erlaubnis zu unterscheiden. Im Schulbereich besteht eine Vergütungspflicht. Jedoch müssen die Lehrerinnen und Lehrer bei der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke nicht selbst zahlen. Die Vergütung haben die Länder in Gesamtverträgen mit Verwertungsgesellschaften, die die Urheber vertreten, geregelt (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2020, S. 12).

Die erlaubnisfreie Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken in der Schule ist im § 60a des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz (UrhWissG oder UrhG) geregelt, das zum 01.03.2018 in Kraft getreten ist. § 60a UrhG begünstigt Nutzungen urheberrechtlich geschützter Werke an Bildungseinrichtungen. Dies sind Einrichtungen, die zur Bildung der Menschen dienen und keinen kommerziellen Zweck verfolgen. Dabei ist es unerheblich, ob beispielsweise ein Schulgeld gezahlt wird (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2020, S. 14–15). Nach § 60a UrhG dürfen bestimmte Werke im Unterricht vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden. Urheberrechtlich geschützte Werke dürfen dabei aber nur genutzt werden, wenn sie den Unterricht veranschaulichen, ergänzen oder vertiefen. Sie dürfen nicht zur Unterhaltung genutzt werden. Dabei dürfen diese Werke nur einem bestimmten Empfängerkreis zugänglich gemacht werden, dazu zählen Lehrende, Teilnehmende derselben Veranstaltung, bspw. Schüler oder Schülerinnen eines Kurses oder Projektes und prüfende Personen, auch wenn diese nicht aus dem Bildungsbereich kommen (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2020, S. 16–17). Dabei dürfen grundsätzlich nur bis zu 15% eines Werkes erlaubnisfrei genutzt werden. Es gibt hierbei aber Ausnahmen, bei denen eine vollständige Nutzung erlaubt ist. Hierzu zählen vergriffene Werke, einzelne Beiträge in wissenschaftlichen Zeitschriften, dies sind Zeitschriften die sich an ein Fachpublikum richten, und Werke mit geringem Umfang, bei denen die 15% Beschränkung keinen Sinn macht (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2020, S. 17–18). Nach § 60a UrhG dürfen bestimmte Werke nicht erlaubnisfrei genutzt werden, hierzu zählen Schulbücher, Musiknoten und Aufzeichnung von Liveveranstaltungen. Jedoch haben die Bundesländer mit den Verwertungsgesellschaften einen Vertrag geschlossen, dass aus Schulbüchern bis zu 15% kopiert werden darf. In digitaler Form nur für Werke, die ab dem Jahr 2005 veröffentlicht wurden (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2020, S. 18–19). § 47 UrhG erlaubt die Nutzung von ausdrücklich gekennzeichneten Schulfunksendungen. Diese müssen aber zum Ende des Schuljahren indem die Kopie erstellt wurde gelöscht werden (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2020, 21, 23). § 49 UrhG regelt Nutzung von Zeitungsartikeln und Rundfunkkommentaren. Diese dürfen im Unterricht zustimmungsfrei genutzt werden. Wobei nur Beiträge genutzt werden dürfen, die politische, wirtschaftliche oder religiöse tagesaktuelle Themen betreffen. Dabei dürfen einzelne Beiträge vollkommen übernommen werden (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2020, S. 24–25).

Was wäre wenn Schulbücher in Schulen erlaubnisfrei komplett genutzt werden dürften

Der geschlossene Rahmenvertrag erlaubt in einem eingeschränkten Maße die Nutzung von Schulbüchern im Unterricht. Jedoch ist nicht jedes Schulbuch in allen Themen perfekt, oder die Lerngruppe im nächsten Jahr kann besser mit einem anderen Buch arbeiten. Für einen abwechslungsreichen und abgepassten Unterricht kann es notwendig sein mehrere Schulbücher zu nutzen und zwar auch in einem größeren Umfang, als nur die erlaubten 15%. Es ist den Schulen ja schlecht zuzumuten von verschiedenen Schulbüchern mehrere Klassensätze parat zu haben. Eine erlaubte vollständige Nutzung könnte den Unterricht bereichern. Nur wäre es vermutlich so, dass sich jede Schule eine Handvoll verschiedener Schulbücher zulegen würde und die Lehrkräfte aus diesen dann fleißig kopieren. Wahrscheinlich würde dann ein Verlag nach dem anderen pleitegehen, da sie kaum mehr Exemplare verkaufen würden oder sie würden weniger Anstrengung und Geld in die Weiterentwicklung von Schulbüchern investieren, da sie weniger Ertrag bringen. Dies würde dazu führen, dass es kaum noch Schulbücher geben würde oder deren Qualität nachließe. Daher ist eine ausreichende Vergütung der Verlage notwendig. Wenn dies der Fall ist, könnten die Länder ihre pauschalen Zahlungen an die Verwertungsgesellschaften einfach erhöhen und die Verlage würden nicht pleitegehen. In diesem Fall würde es zwischen den Verlagen jedoch keinen Konkurrenzdruck mehr geben und es gäbe weniger den Anreiz besseres Material als die Konkurrenz zu liefern, worunter die Qualität der Schulbücher leiden würde. Nach dieser Diskussion hätte eine erlaubnisfreie Komplettnutzung von Schulbüchern negative Auswirkungen auf die Materialqualität und damit auf die Qualität des Unterrichts. Daher scheint die bisherige 15%-Regel ein guter Kompromiss zu sein, um zwar in einem beschränken Rahmen hochwertiges Material erlaubnisfrei im Unterricht nutzen zu können.

Offene Lizenzen im Bildungsbereich in Deutschland

Um das Bildungsangebot zu bereichern gibt es seit einigen Jahren Open-Bewegungen, die den Gedanken haben, urheberrechtlich geschützte Werke der Allgemeinheit frei zugänglich zu machen. Im Bildungsbereich wird sie als „Open Educational Resources“ bezeichnet. Neben den im Seminar bekanntgemachten Open Educational Resources Seiten gibt es im deutschsprachigen Raum noch drei weitere große fächerübergreifende Anbieter: Elixier https://www.bildungsserver.de/elixier/ ein Angebot des Leibniz Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation (Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation 2022), Wikis auf zum.de https://www.zum.de/portal/wikis des Vereins Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet (Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet e. V. 2022) und Serlo https://de.serlo.org/ von Serlo Education (Serlo Education 2022).

Literaturverzeichnis

Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg.) (2020): Urheberrecht in der Schule. Ein Überblick für Schulen und (angehende) Lehrkräfte. Berlin. Online verfügbar unter https://www.bildung-forschung.digital/digitalezukunft/shareddocs/Downloads/files/201211_urhschule_broschu-re-barrierefrei.pdf;jsessionid=8D8BFFC447E822D2AF7663412613CB05.live472?__blob=publicationFile&v=1, zuletzt geprüft am 21.01.2022.

Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (2022): ELIXIER. Online verfügbar unter https://www.bildungsserver.de/elixier/, zuletzt aktualisiert am 27.01.2022, zuletzt geprüft am 27.01.2022.

Serlo Education (2022): Serlo – Impressum. Online verfügbar unter https://de.serlo.org/imprint, zuletzt aktualisiert am 27.01.2022, zuletzt geprüft am 27.01.2022.

Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet e. V. (2022): Wikis auf ZUM.de. Online verfügbar unter https://www.zum.de/portal/wikis, zuletzt aktualisiert am 27.01.2022, zuletzt geprüft am 27.01.2022

Der Einsatz (digitaler) Medien im Schulunterricht

Der Einsatz (digitaler) Medien im Schulunterricht

Der folgende Reflexionsbericht bezieht sich auf das vierte Arbeitspaket aus dem Seminar „Mediendidaktik & Medienbildung. Reflexion und Evaluation digitaler Elemente in der Lehre und Gesellschaft“ von Till Rümenapp. Zu Beginn des Arbeitspakets sollten die Studierenden eine eigene Unterrichtsstunde skizzieren und sich auf den Einsatz von Medien im Ablaufplan fokussieren. Anschließend wurde ihnen ein YouTube-Video und ein Text zum Thema Inverted Classroom Model (ICM) zur Verfügung gestellt. Sie sollten sich mit dem Modell auseinander setzten und daraufhin negative Aspekte des Modells raussuchen.

 

Dieses Arbeitspaket hat mich am meisten interessiert, da ich zuvor noch nie etwas über das ICM gehört habe. Nachdem ich mich mit dem Modell auseinandergesetzt habe, ist mit aufgefallen, wie hilfreich es für Personen mit meinem Lerntyp ist. Der Fokus des ICM ist es, die Selbstdisziplin der Schüler*innen zu fördern (Zickwolf und Kauffeld 2019). Diese Kompetenz ist nicht nur während der Schullaufbahn ganz wichtig, sondern hilft auch später im Berufsleben. Das Ziel der Selbstlernphase im ICM ist es, sich eigenständig Wissen anzueignen. Den Schüler*innen werden von ihren Lehrkräften Lernmaterialien zur Verfügung gestellt, die sie Zuhause bearbeiten. Diese Materialien bestehen aus Lernvideos, die seitens der Lehrkraft aufgenommen wurden, Podcasts, Lesetexten und  Tests zur Wissensabfrage (Zickwolf und Kauffeld 2019). Mit diesen Aufgaben können sie ihre Lernerfolge sehen. Diese Phase ist sehr interessant aufgebaut, da die Schüler*innen sich ihre Lernzeit selbst aussuchen. Das ist ganz wichtig, da nicht jede Umgebung die beste Lernatmosphäre bietet und jeder Mensch individuelle Zeiten hat, in der er produktiv arbeiten kann. Ich kann beispielsweise nur abends lernen, weil es ruhiger ist. Zudem kann man tagsüber wichtigen Terminen nachgehen, oder Haushaltsarbeiten erledigen. Die Lernvideos geben den Schüler*innen die Option den Sachinhalt im eigenen Lerntempo zu schauen. Sie können gestoppt und auch zurückgespult werden. Das führt dazu, dass die Notizen ausführlicher niedergeschrieben werden können. Zudem können sie sehr hilfreich zu Klausurvorbereitung sein, indem die Erklärungen erneut angeschaut werden. Außerdem können die Schüler*innen Videos überspringen, wenn die Themen ihnen bekannt sind und auch bei bedarf Lerninhalte vorarbeiten (Schäfer 2012).

Die Lehrkräfte können diese Videos sehr kreativ gestalten. Hier muss drauf geachtet werden, wie die Videos aufgebaut sind. Zu lange Videos können die Schüler*innen schon vor dem anklicken demotivieren und zu kurze Videos können nicht ausführlich genug sein. Des Weiteren muss drauf geachtet werden, dass bei der Erklärung von Sachinhalten sehr deutlich und nicht monoton gesprochen wird. Sie sollen den Lernenden helfen und keine weiteren Probleme schaffen. Zudem kann mit dem Medium sehr gut differenziert werden. Sie bietet den Lehrenden viele Optionen die Videos der Lerngruppe mit den unterschiedlichen Lerntypen anzupassen. Das kann ein sehr großer Aufwand für die Lehrkräfte sein, die ganzen unterschiedlichen Erklärvideos zu erstellen. Jedoch können diese danach mehrmals genutzt werden.

Zur Absicherung der gelernten Sachinhalte dienen Übungen oder Tests mit dem die Schüler*innen ihre Lernziele überprüfen können. In der Präsenzzeit, die im Unterricht stattfindet, werden Verständnisfragen geklärt und die Sachinhalte mit weiteren Übungen vertieft (Zickwolf und Kauffeld 2019). Die Unterrichtsstunde zum Klären von Fragen zu nutzen, finde ich sehr gut, da die Lernenden zusammen sind und über die Lerninhalte diskutieren können. Zudem können die Mitschüler*innen Fragen stellen, die einem persönlich nicht eingefallen sind. Die Lehrkraft kann diese Fragen ausführlich beantworten und auf Folgefragen eingehen. Zu meiner Schulzeit hatten wir nicht genug Zeit Fragen zu beantworten. Dies führte dazu, dass die letzte Stunde vor der Klausur als „Fragestunde“ genutzt werden musste, um Sachinhalte erneut zu erklären. Auch diese Zeit reichte nicht, da die Fragen zu vielfältig waren und diese nicht in 90 Minuten beantwortet werden konnten. Das ICM löst dieses Problem sehr gut, da den Schüler*innen eine ganze Unterrichtsstunde zum vertiefen eines einzelnen Themas zur Verfügung gestellt wird. Die Lerninhalte können auch vertieft werden, in dem sich die Schüler*innen gegenseitig helfen und die Probleme ihrer Mitschüler*innen lösen und ihre Fragen beantworten. Natürlich kann man mit diesem System nicht sicher gehen, dass die Lernenden sich die Mühe machen die Materialien vor der nächsten Unterrichtsstunde anzugucken oder zu bearbeiten. Jedoch kann man dies auch im normalen Unterricht nicht. Deswegen sollten kleine Belohnungen gefunden werden, die die Schüler*innen zum Weiterlernen motivieren, wenn sie ihre Lernziele erreichen.

Das ICM kann ich mir sehr gut im naturwissenschaftlichen Unterricht vorstellen. Fächer wie Biologie haben sehr viele Strukturen und Funktionen, die ausführlich erklärt werden müssen. Deswegen sind Unterrichtskonzepte in der die Präsenzzeit genutzt wird, um Fragen zu beantworten, sehr vorteilhaft. Zudem kann die Lehrkraft mehr Zeit für praktische Übungen einplanen, die wiederum die Schüler*innen motivieren. Außerdem sind digitale Medien wie Erklärvideos im Biologieunterricht unentbehrlich, da sie die Sachinhalte visualisieren und die Schüler*innen sich ein Bild von den einzelnen Strukturen im Verhältnis zueinander machen können. Natürlich müssen sie darauf hingewiesen werden, dass es Modelle sind und die Originale anders aussehen.

 

Ich bin vom Inverted Classroom Model sehr überzeugt, weil die gemeinsame Zeit genutzt wird, um die Sachinhalte einfacher zu vertiefen. Außerdem haben die Schüler*innen mit dem Model viel länger Zeit sich mit dem Material auseinanderzusetzen. Im normalen Unterricht hat man normalerweise nur bis zu 15 Minuten Zeit einen Fachtext durchzulesen und diesen zu verarbeiten. Daraufhin müssen die Schüler*innen sofort die Aufgaben bearbeiten. Das kann dazu führen, dass lernschwache Schüler*innen unter Druck stehen, weil sie den Unterricht nicht aufhalten wollen, wenn sie mehr Bearbeitungszeit benötigen, während ihre lernstärkeren Mitschüler*innen schon fertig sind. Außerdem bleibt am Ende der Stunde nicht genug Zeit die Aufgaben ausführlich zu besprechen und Verständnisfragen zu klären. Ich würde das ICM liebend gern in meinem eigenen Unterricht einbauen. Natürlich wäre das Erstellen der ganzen Videos ein sehr großer Aufwand, aber es würde sich lohnen, wenn es den Schüler*innen beim Lernen hilft. Zudem können differenzierte Materialien erstellt werden und diese können immer wieder verwendet werden. Auch die Lernenden können diese Materialien wiederholt nutzen.

Das Problem bei dem Modell ist, dass die Materialien zeit- und ortsunabhängig gestaltet werden müssen, sodass die Lernenden immer Zugriff drauf haben. Hier muss jedoch auch bedacht werden, dass nicht jeder Hauhalt die passenden Ressourcen hat, die Videos online abzuspielen. Vorteilhaft wäre es, die Materialien auf einen Schulserver für jede*n zum Download zur Verfügung zu stellen, oder den Schüler*innen andere Möglichkeiten geben diese auf einen USB-Stick oder auch auf die Smartphones zu ziehen. So können die Materialien zur jeder Zeit angeschaut und bearbeitet werden. Abschließend kann gesagt werden, dass das Unterrichtsmodell zu Pandemiezeiten sehr praktisch ist, weil alles online stattfindet und viele Schulen ihre Ressourcen der Situation anpassen.

 

Neben diesem Thema hat mich auch das Arbeitspaket zu den Bildlizenzen interessiert, weil Bilder notwendig in Arbeitsmaterialien sind. Sie machen diese nämlich viel anschaulicher und helfen beim Textverständnis. Dies ist mir in einer Gruppenarbeit in meinem Biologiedidaktikseminar aufgefallen. Unsere Aufgabe war es Forscher*innenhefte für die Schüler*innen zu erstellen. Die Bilder, die wir nutzten waren aus den Schulbüchern, aus denen wir die Informationen entnommen haben. Beim besprechen dieser Hefte hat uns unsere Dozentin darauf hingewiesen, dass die Bilder in Schulbüchern nicht lizenzfrei sind und wir diese nicht benutzten dürfen. Nachdem wir in diesem Seminar das Arbeitspaket zu den Lizenzen bearbeitet haben, konnten wird die Forscher*innenhefte mit passenden Bildern aktualisieren. Es ist wichtig diese Thematik in den Didaktiken aufzugreifen, da wir in unseren Fächern lernen Arbeitsmaterialien zu erstellen und Bilder sind in der Biologie sehr wichtig. Deswegen finde ich es gut, dass wir dieses Thema bearbeitet haben und uns Seiten mit lizenzfreien Bildern empfohlen wurden.

 

  1. Literatur

 

Schäfer, Anna Maria (2012): Das Inverted Classroom Model. In: Handke, Jürgen; Sperl, Alexander (Hrsg.): Das Inverted Classroom Model. Begleitband zur ersten deutschen ICM-Konferenz. Oldenbourg Verlag München.

Zickwolf, Katharina; Kauffeld, Simone (2019): Inverted Classroom In: Kauffeld, Simone; Othmer, Julius (Hrsg.): Handbuch Innovative Lehre. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. S.46-50.

 

 

Dieses Werk ist durch die Autorin Dalmaz, Fatma unter Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz lizenziert.