Reflexionsbericht zum Thema: Einsatz von Lehr- und Lernvideos im naturwissenschaftlichen Unterricht

Reflexionsbericht zum Thema: Einsatz von Lehr- und Lernvideos im naturwissenschaftlichen Unterricht

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In einer digitalen Gesellschaft, in der nahezu jeder Haushalt über Smartphones, einen Computer oder Laptop und Internetzugang verfügen (mpfs, 2018), ist der Alltag geprägt von der Nutzung digitaler Medien und sollte somit auch ein maßgeblicher Bestandteil der schulischen Ausbildung sein. Nicht nur der Umgang mit digitalen Medien und Aufklärung über die Bewertung von digitalen Inhalten, Filterblasen und Co. sollte ein essenzieller Bestandteil der Ausbildung sein, sondern auch die Einbindung digitaler Medien in die Unterrichtsgestaltung. Die Abhängigkeit dieses Ziels von der Ausbildung der Lehrkräfte auf dem Themengebiet digitaler Medien ist zweifellos eine der wichtigsten Schlüsselrollen. Daher ist es umso wichtiger Seminare in die Lehrkraftausbildung zu integrieren, die diese Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien fördern und Möglichkeiten aufzeigen digitale Medien produktiv als Lernwerkzeuge in den Unterricht einzubinden. Es zeigt sich, dass eine gute Ausbildung der Lehrkräfte für den Einsatz digitaler Medien mit einer positiveren Selbstwirksamkeit und Einstellung zur Nutzung dieser Medien einhergeht. (Krause & Eilks, 2015) Die Kultusministerkonferenz (KMK) entwickelte im Zuge der Digitalisierung eine Strategie zur „Bildung in der digitalen Welt“, in der sie die Anforderungen und nötigen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler im Umgang mit digitalen Medien erläutern. Im Rahmen dieser Strategie werden sechs Bereiche für „Kompetenzen in der digitalen Welt“ formuliert, die in jedem Unterrichtsfach einbezogen werden sollen: Suchen, Verarbeiten und Aufbewahren; Kommunizieren und Kooperieren; Produzieren und Präsentieren; Schützen und sicher Agieren; Problemlösen und Handeln; Analysieren und Reflektieren. (KMK, 2016) Die Wichtigkeit und Relevanz des Themas „Lehr- und Lernvideos“ wird durch die JIM-Studie 2018 verdeutlicht, die innerhalb der Nutzung des Internets durch Jugendliche Videos auf Plattformen wie YouTube als zweite Informationsquelle nach den üblichen Suchmaschinen aufzeigt. Zwischen fünfzehn und zweiundzwanzig Prozent (altersabhängig) nutzen Plattformen wie YouTube täglich oder mehrmals in der Woche für Tutorials. (mpfs, 2018) In diesem Kontext soll der Einsatz von (Lern-)Videos im naturwissenschaftlichen Unterricht näher beleuchtet werden. Er bietet eine vielseitige Gestaltungsmöglichkeit von Unterrichtseinheiten: Von dem Einsatz kleiner Videosequenzen, die das Gelernte unterstützen sollen, bis hin zur Erstellung eigener Videos durch die Schülerinnen und Schüler (SuS) beispielsweise durch StopMotion-Videos oder umfangreichere Erklärvideos. Die Visualisierung biochemischer  Prozesse auf Teilchenebene und die intensive Auseinandersetzung mit den Inhalten bewirkt ein nachhaltigeres Lernen der SuS.

Video. Das Medium „Video“ im didaktischen Kontext profitiert sowohl von Multicodierung als auch von Multimodalität, da die Nutzung von verschiedenen Sinneskanälen die Aufnahmekapazität der SuS erhöht. Die Nutzung von verschiedenen Symbolsystemen bzw. die dynamische Zusammenführung von Bild, Ton, Animationen, Diagrammen u.v.m. wirkt sich vor allem positiv auf die Vernetzung verschiedener Repräsentationsformen aus. (Girwidz & Hoyer, 2018) So können beispielsweise in der Biologie oder in der Chemie bestimmte Prozesse zunächst auf der makroskopischen, phänomenologischen Ebene betrachtet und auf die (sub-) mikroskopische Ebene übertragen werden. Dies lässt sich ebenso für die visuelle Verknüpfung von Naturerscheinungen mit abstrakten Erklärungen beziehen. Der Abstraktionsgrad durch die Betrachtung auf diesen unterschiedlichen Ebenen macht (bio-)chemische Konzepte schwieriger für SuS greifbar, sodass die Förderung von Abstraktionsfähigkeit eine zentrale Rolle spielt. Die Lernwirksamkeit von Lehr- und Lernvideos ist somit abhängig von der Gestaltung: Die kognitive Theorie multimedialen Lernens nach Mayer (2014) beschreibt die voneinander unabhängige Verarbeitung von auditiven und visuellen Erfahrungen, sodass die Gedächtniskapazität „verdoppelt“ wird. Das bedeutet, komplexe Sachverhalte können zusätzlich zur visuellen Darstellung durch eine auditive unterstützt werden, sodass die Informationsinhalte auf die beiden Systeme (visuell und auditiv) aufgeteilt werden können und somit die kognitive Belastung reduzieren. Auch der Bildüberlegenheitseffekt beschreibt die langfristige Verankerung von Wissen durch die duale Encodierung, das heißt eine Kopplung von auditiver und visueller Darstellung. (Hoffmann & Engelkamp, 2013) Weitere Vorteile sind die Förderung der kognitiven Flexibilität hinsichtlich der Verbesserung der Flexibilität für verschiedene Repräsentationsformen und -ebenen und die Förderung der Modellkompetenz bezüglich des Wechsels realitätsnaher Abbildungen und realitätsferner, abstrakter Modelle. (Girwidz & Hoyer, 2018)

SlowMotionVideo. Das Medium „SlowMotion Video“ gibt den SuS die Möglichkeit naturwissenschaftliche Phänomene, die mit dem menschlichen Auge aufgrund der hohen Geschwindigkeit nicht erfassbar sind, sichtbar zu machen. Beispielsweise können die Vorgänge bei chemischen Reaktionen oder biologischen Bewegungsabläufen mithilfe von Bild-für-BildAnalyse detailliert betrachtet werden, wobei die Auswertung differenziert erfolgen kann. Durch die Einbindung in Konzepte wie forschend-entwickelnden Unterricht können so Kompetenzen zum Überprüfen von Hypothesen gefördert werden. (Hilfert-Rüppell & Sieve, 2017)

Erklärvideo. Das Medium „Erklärvideo“ ist insbesondere im Zuge des Angebots für onlineNachhilfe, wie beispielsweise durch „Sofa Tutor“ oder „Khan Academy“ angeboten, in den Fokus didaktischer Einsätze gerückt. Hierbei gibt es jedoch durch die enorme Angebotsvielfalt auch erhebliche qualitative Unterschiede hinsichtlich der Fachkompetenz der Autoren, die durch die einfache und professionell gestaltete Eigenproduktion von Erklärvideos verursacht werden und für den Laien – insbesondere für die Adressaten (SuS) – nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. (Anders, 2019)

StopMotionVideo. Das Medium „StopMotion Video“ bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten für den Einsatz im Unterricht: So können fachliche Prozesse beschrieben und/oder simuliert, Regelwissen angewendet und Experimente dokumentiert werden. Es findet eine intensive Auseinandersetzung mit den Inhalten statt, da das Fachwissen zunächst erarbeitet wird und anschließend die Planung für die Umsetzung des Videos bzw. der Sequenzen und der Videodreh erfolgt. Durch die Arbeit in Kleingruppen wird zusätzlich die Kommunikationskompetenz der SuS durch den Austausch untereinander gefördert. Die Erstellung eigener Videos fördert zudem
die Verständnistiefe und den Umgang mit der Fachsprache. Das Produkt der SuS ist nachhaltig und kann im Nachhinein zur Reaktivierung von Wissen genutzt werden. (Krause & Eilks, 2018) Wirksamkeit. Die Wirksamkeit des Einsatzes digitaler Medien – insbesondere im naturwissenschaftlichen Unterricht (MINT-Fächer) – wird in einer Metastudie des Zentrums für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) und der Technischen Universität München (TUM) in Zusammenarbeit mit der Kultusministerkonferenz (KMK) belegt: Der Einsatz von digitalen Medien im Vergleich zum traditionellen Unterricht geht mit einem gesteigerten Lernerfolg einher. Dies zeigen Ergebnisse von Leistungstest von Klassen die traditionell unterrichtet wurden im direkten Vergleich mit Klassen, die digitalen Medien nutzten. Allerdings sind bestimmte Rahmenbedingungen mit einem positiveren Effekt auf dem Lernerfolg verbunden, wie beispielsweise die Kombination von digitalen und traditionellen Materialien statt dem ausnahmslosen Einsatz digitaler Medien. Die Nutzung in Partner- und Gruppenarbeiten ist ein weiterer fördernder Aspekt, da durch den konstruktiven Austausch der SuS untereinander die Kommunikationskompetenz gefordert wird. Weiterhin sind adaptive Lernprogramme bevorzugter zu nutzen als Hypermediasysteme und die Steuerungsaufgabe der Lehrkräfte nicht zu vernachlässigen. (Hillmayr et al., 2017) Insgesamt ist durch die enorme Vielfalt an digitalen Medien jedoch keine allgemeingültige Aussage über den gewinnbringenden Einsatz digitaler Medien abzuleiten und muss individuell durch praktische Erfahrungen der Lehrkräfte erschlossen werden. Der Einsatz sollte an die individuellen  Voraussetzungen der Lerngruppe angepasst und auf die Lerninhalte abgestimmt werden. Der motivationale Effekt der Arbeit mit digitalen Medien ist anfänglich dem Neuheitseffekt zuzuordnen und die Notwendigkeit für den abwechslungsreichen Einsatz von Medien und Methoden sollte weiterhin im Fokus stehen. Die Erstellung eigener Videos durch die SuS ermöglicht eine Verbindung des Aufbaus individueller Medienkompetenz mit der Vermittlung von bestimmten fachlichen Inhalten. Die SuS gestalten hierbei ihre eigene Lernumgebung und erlernen den sowohl den kooperativen als auch den kritischen Umgang mit digitalen Medien. Darüber hinaus wird ihre Kommunikationskompetenz enorm gefordert und gefördert. (Girwidz & Hoyer, 2018) Allerdings darf die Gefahr der kognitiven Überreizung („cognitive overload“), seitens der SuS, nicht unterschätzt werden. Die Cognitive Load-Theorie beschreibt die Beschränkung der Verarbeitungskapazität des menschlichen Gedächtnisses, wobei sich die kognitive Belastung beim Lernen in eine intrinsische und extrinsische Belastung unterteilt. Die intrinsische Belastung meint den Schwierigkeitsgrad des Lerngegenstandes, während die extrinsische Belastung von der Qualität der Lernumgebung beeinflusst wird. (Sweller, Ayres & Kalyuga, 2011) Eine Überforderung durch zu viele unterschiedliche oder auch unnötige Darstellungsformen, die nicht vernetzt oder zugeordnet werden können, wirken sich somit negativ auf den Lernprozess mit digitalen Medien aus. Des Weiteren sollten die Produkte der SuS durch eine kriteriengeleitete Bewertung, die im Voraus transparent gemacht werden muss, reflektiert werden, um eine Bewertungskompetenz bezüglich von Lernvideos zu erreichen. Die Förderung der Medienkompetenz der Lehrkräfte fördert auch den Einsatz digitaler Medien im Unterricht, da mit steigender Sicherheit der Lehrkräfte in der Thematik (Selbstwirksamkeitserwartung) auch die Einstellung zu ihnen positiv verstärkt wird. (Krause & Eilks, 2015) Dieser Aspekt wird ebenfalls durch die oben erwähnte Metastudie des ZIB und der TUM bestätigt. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass mir Seminare im Bereich Mediendidaktik neue Einblicke zum Einsatz digitaler Medien und eine gewisse Sicherheit für deren Einsatz gegeben haben. Die Erprobung verschiedener Apps und deren Möglichkeiten für den Unterricht schon während der Lehramtsausbildung zu erarbeiten, halte ich somit für sehr sinnvoll und hilfreich. Allerdings würde ich auch sagen, dass der Umfang dieser Angebote an der Universität und auch bezüglich Weiterbildungen für bereits ausgebildete Lehrkräfte durchaus erweitert werden sollte.

Fazit. Die Auseinandersetzung mit den aktuellen Möglichkeiten digitaler Medien ist enorm wichtig und sollte fortlaufend aktualisiert werden. Allerdings sollte man sich auf eine gewissen Auswahl an Medien beschränken, mit denen man sich intensiver befasst und in die man sich gut einarbeitet, welche danach im Unterricht fokussiert genutzt werden können. Findet diese Auswahl nicht statt, so besteht die Gefahr sich im „Ausprobieren“ immer wieder neuer Apps verliert ohne einen Mehrwert aus diesen zu ziehen. Dies könnte sich ebenso in einer Demotivation bezüglich des Einsatzes digitaler Medien seitens der Lehrkräfte als auch der SuS ausdrücken. Somit sollte vor der Anschaffung von Geräten und Programme eine intensive Auseinandersetzung und Abwägung des Mehrwerts durchgeführt werden, um Fehlinvestitionen zu vermeiden und den zur Verfügung stehenden Etat sinnvoll – und falls möglich auch fachübergreifend – zu nutzen. Die Einbindung digitaler Medien zur Neugestaltung von Lehrund Lernprozessen sollte somit sinnvoll strukturiert, didaktisch begründet und unter Berücksichtigung der digitalen Kompetenzen eingesetzt werden, um eine positive Wirksamkeit für den Lernprozess zu erreichen. Folglich sollten digitale Medien eine gewinnbringende Ergänzung für den Unterricht darstellen, statt des Einsatzes um des Mediums Willen. Die Wirksamkeit des Einsatzes digitaler Medien steht somit in direkter Korrelation zur Kompetenz der Lehrkraft im Umgang mit digitalen Medien. Die Betonung der Relevanz und Notwendigkeit von professionellen Schulungen der Lehrkräfte zu diesem Thema ist mir an dieser Stelle enorm wichtig!

Literaturverzeichnis

Anders, P. (2019): Kapitel 18: Erklärvideos. In: Einführung in die Filmdidaktik. Anders/Staiger/Albrecht/Rüsel/Vorst (Hrsg.), J.B. Metzler Verlag, Berlin, S. 255 ff. Girwidz, R. und Hoyer, C. (2018): Didaktische Aspekte zum Einsatz digitaler Medien – Leitlinien zum Lehren mit Multimedia, veranschaulicht an Beispielen. In: Naturwissenschaften digital. Meßinger-Koppelt, J. & Maxton-Küchenmeister, J. (Hrsg.), Joachim Herzt Siftung Verlag, Hamburg, S. 6 ff.

Hilfert-Rüppell, D. & Sieve, B.F. (2017): Entschleunigungen biologischer und chemischer Abläufe durch Zeitlupenaufnahmen, In: J. Meßinger-Koppelt, S. Schanze & J. Groß (Hrsg.), Lernprozesse mit digitalen Werkzeugen unterstützen – Perspektiven aus der Didaktik naturwissenschaftlicher Fächer, Joachim Herz Stiftung Verlag, Hamburg, S. 147 ff.

Hillmayr, D., Reinhold, F., Ziernwald, L., Reiss, K. (2017): Digitale Medien im mathematischnaturwissenschaftlichen Unterricht der Sekundarstufe – Einsatzmöglichkeiten, Umsetzung und Wirksamkeit, Waxmann-Verlag,

Hoffmann, J. und Engelkamp, J. (2013): Lern- und Gedächtnispsychologie, Springer-Verlag, Heidelberg, S. 177 ff.

Krause, M. und Eilks, I. (2015): Lernen über digitale Medien in der Chemielehrerausbildung. Ein Projekt Partizipativer Aktionsforschung. CHEMKON 22, Nr. 4, Wiley VCH Verlag, Weinheim, S. 173 – 178

Krause, M. & Eilks, I. (2018): Wissen in Bewegung setzen – Im naturwissenschaftlichen Unterricht StopMotion-Videos selbst erstellen. Computer + Unterricht 109, S. 18 ff. Kultusministerkonferenz (KMK) (2016): Bildung in der digitalen Welt Strategie der Kultusministerkonferenz, kmk.org

Mayer, R. E. (2014): Cognitive Theory of Multimedia Learning, In: R. E. Mayer (Hrsg.), The Cambridge Handbook of Multimedia Learning, Cambridge University Press, New York, 2. Auflage, S. 43 ff. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2018): JIM-Studie 2018. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger., Stuttgart

Sweller, J., Ayres, P. & Kalyuga, S. (2011): Cognitive Load Theory, Springer-Verlag, New York, S. 57 ff.

 

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CC-BY-NC-SA: Yasmin Seedorf

Reflexionsbericht zum Referat über Inverted Classroom Modell/Gamification

Reflexionsbericht zum Referat über Inverted Classroom Modell/Gamification

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Die Auseinandersetzung mit dem Thema Inverted Classroom Modell hat mich zu vielen neuen Einsichten bezüglich der Form, wie man unterrichten kann gebracht. Vor allem jetzt in der Zeit seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie und der Schließung der Schulen zu Zeiten des Praxissemesters bringt mich mein Wissen zu und um diese Unterrichtsmodelle in meinem Denken weiter und hilft mir, mich auf alternative Methoden der Unterrichtsgestaltung besser einzulassen. Zuallererst möchte ich aber einige andere Gedanken diskutieren, welche ich anfangs bei der Bearbeitung dieses Themas hatte diskutieren und in weiteren Schritten auf die jetzige Situation zu sprechen kommen.
Als Studierende der Fächer Politik und Englisch, habe ich mich schon seit Anfang meines Studiums immer mit dem Gedanken befassen müssen, dass ich als angehende Politiklehrerin nicht nur das Fach Politik unterrichten werde, sondern mit unter auch Geographie und Geschichte. Da ich mich in diesen Fächern fachlich sehr unsicher fühle und auch nicht viel didaktisches Wissen habe, wie man diese Fächer vermitteln soll, bin ich schon von vorn herein immer sehr pessimistisch an diesen Unterricht herangegangen, in der Praxis, aber auch in den didaktischen Kursen an der Universität.
Als sich mir in diesem Seminar das Thema Inverted Classroom Modell (ICM) eröffnete, habe ich zum ersten Mal auch Ideen bekommen, wie dieses leider sehr kaputt gesparte Schulfach, tatsächlich auch zu einem Fach werden könnte, welches den SuS genügend Wissen vermittelt, ohne dass der Kurslehrer genügend ausgebildet ist. Ich habe sofort die Idee bekommen, dass GUP-Unterricht der perfekte Ort im Bremer Schulwesen ist, an welchen ICM angewendet werden kann. So kann die Wissensvermittlung zu den SuS nach Hause gebracht werden und in der Schule das Wissen auf kreative Art und Weise angewendet werden. Dadurch, dass die Wissensvermittlung aus dem Klassenzimmer ausgegliedert wird, steigen die Möglichkeiten im Fach GUP immens. So kann man sich z.B Lehrkraft-Teams bilden, welche aus ausgebildeten Politik-, Geographie-, und Geschichtslehrkräften bestehen und zusammen das Material für die Wissensvermittlung erstellen, damit jeder sein fachlich fundiertes Wissen einbringen kann und die SuS mehr fachlich fundiertes Wissen in dem Fach vermittelt bekommen. Von dem ICM in GUP könnten so meiner Meinung nach, nicht nur die Lehrkräfte profitieren, welche sich in diesem Schulfach oft alleingelassen und nicht genug ausgebildet fühlen, sondern auch die SuS, welche mehr Wissen vermittelt bekommen würden.
Die Hürden, welche ich bei meinen Überlegungen zu dem Thema sehe, sind z.B, dass sehr viel Zeit in die Herstellung solcher Onlinematerialien fließen müsste und diese immer weiter evaluiert werden müssten. Zudem sind alle Lehrgruppen unterschiedlich und somit wäre das Lehrmaterial wahrscheinlich nicht universell einsetzbar. Zudem kommt, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler technische Endgeräte zuhause haben, welche es ihnen ermöglichen an solch einem Unterrichtsvorhaben teilzunehmen. Hinzu kommt auch, dass die Lehrkräfte zuerst wahrscheinlich sehr gut mediendidaktisch ausgebildet werden müssten, damit die Lehrmaterialien auch sinnvoll zum Einsatz kommen könnten. Jedoch denke ich, dass dieser Einsatz in Zukunft nicht verkehrt wäre, da GUP ein wichtiges gesellschafts- und aber auch allgemeinbildendes Fach ist, in welchem den SuS zur Zeit systematisch viel zu viel Bildung verwehrt wird. Die Anwendung des ICM würde somit vielleicht die Möglichkeit geben auch die Bildungslücke zu schließen, welche durch das zusammenlegen der drei Schulfächer bewirkt wird.
Gamification wird zur jetzigen Zeit in der Covid-19 Pandemie zu einem wichtigen Werkzeug in der Trickkiste jeder Lehrkraft. Dadurch, dass durch die Schulschließung bedingt, der Unterricht hier in Bremen auf die Onlineplattform itslearning ausgelagert wurde, müssen sich die Lehrkräfte nun damit befassen, wie man das Unterrichtsmaterial so aufarbeiten kann, sodass es den Schülerinnen und Schülern Spaß macht und zugleich motivierend genug ist weiterzumachen, da Selbstlernen ein Konzept ist, welches viel Eigeninitiative benötigt, um zu funktionieren. Für mich als angehende Lehrkraft bedeutet dies, dass ich mich in meinem weiteren Verlauf des Praxissemesters nun darauf verstärkt konzentrieren werde, die Unterrichtseinheiten anhand der beiden Konzepte Gamification und ICM (ohne Präsenzanteil) und deren Kriterien orientieren werde, um den bestmöglichen Onlineunterricht zu erstellen.

Erklärvideos im Deutschunterricht

Erklärvideos im Deutschunterricht

Reflexionsbericht

Thema: Erklärvideos im Deutschunterricht

Im Rahmen des Seminars „Mediendidaktik und Medienbildung: Reflexion und Bewertung von Einsätzen digitaler Elemente in der Lehre“ haben wir uns mit verschiedenen Möglichkeiten und Programmen, aber auch Grundlagen des Einsatzes digitaler Medien in der Schule, auseinandergesetzt. Dabei sind sowohl strukturelle als auch organisatorische Umstände zu bedenken. Die Medienkompetenz seitens der Lehrkräfte muss dabei ebenfalls geschult, mindestens aber besprochen werden, damit die Mängel deutlich werden. In den kritischen Diskussionen stach vor allem immer ein Thema hervor: Wie kann mit den einzelnen Medien umgegangen werden, sodass das Urheberrecht bestehen bleibt und auch die Quellenlage, welche bei multimedialen Onlinequellen schwieriger sein kann als bei herausgegebener schriftlicher Literatur, in kompetenter Form im oder vor dem Unterricht behandelt wird?

Eben jene Frage stand auch bei der Diskussion von Videos im Unterricht im Raum und hat sich bei mir unter verschiedenen Aspekten eingeprägt. Dementsprechend widmet sich dieser Reflexionsbericht diesem Thema. Dazu wird zuerst kurz der Einsatz von Videos im Unterricht erläutert. Dies geschieht am Beispiel des Erklärvideos, da diese momentan sehr populär sind. Nicht nur ich habe allein in diesem Semester schon zwei Seminare zu Erklärvideos erleben müssen, wobei die kritische Formulierung von ‚müssen‘ bewusst gewählt ist, wie ich später darstellen werde. Auch zeigt eine Statistik, wie die Vortragsgruppe des Themas Erklärvideos am 12.12.2019 aufzeigte, dass 60 % der Jugendlichen bereits 2012 Erklärvideos auf Plattformen wie YouTube nutzen, um sich auf die Schule vorzubereiten[1]. Dieser Trend muss als steigend angenommen werden. Nach der Einführung in das Thema der Erklärvideos wird dann am konkreten Beispiel des Deutschunterrichts herausgearbeitet, wie und ob Erklärvideos produktiv eingesetzt werden können. Der Deutschunterricht ist dabei aus persönlichem Bezug gewählt worden, aber auch, weil dieser sehr gut zur zweiten Frage des Reflexionsberichts passt. Darüber hinaus habe ich mich nämlich gefragt, inwiefern die (Umgangs-) Sprache in Erklärvideos förderlich oder nicht förderlich für den Gebrauch in der Schule ist und möchte dies mit Hilfe einer Forschung aus dem Bereich der Sprachwissenschaft reflektieren.

Welchen Vorteil bietet der Einsatz von Erklärvideos im Unterricht? Welche didaktischen Vorüberlegungen sollten getroffen werden?[2] Zum einen bieten Erklärvideos die Möglichkeit, an das Vorwissen der SchülerInnen anzuknüpfen. Die Lebenswelt der SchülerInnen kann mit einbezogen werden und die vermuteten privaten Rezeptionsgewohnheiten der SchülerInnen können genutzt werden. Dabei muss allerdings an dieser Stelle auch bedacht werden, dass private und institutionelle Rezeption von Medien, also, was die Kinder Zuhause schauen und welche Videos im Unterricht geeignet sind, unterschiedlicher Art und Weise sind. Der Bildungsanspruch darf über den Einsatz medialer interessanter und Neugierde weckender Videos nicht vergessen werden. Zum anderen haben Erklärvideos inklusiven Charakter. Dies meint, dass die thematische und gestalterische Vielfalt es ebenfalls einer heterogenen Klasse möglich machen sollte, Zugang zu einem Thema zu finden. Dies meint natürlich aber auch, dass man sowohl in Ort, Zeit als auch Sprache flexibel bleibt, denn Erklärvideos sind Jedem und Jederzeit zugänglich. Hierbei sollte allerdings nicht vergessen werden, dass obwohl gerade Jugendliche medial sehr aktiv sind, nicht immer vorausgesetzt werden darf, dass alle SuS Zugang zu Computern, Pads oder dem Internet schlechthin haben. Ebenfalls kann die Qualität der Geräte und Zugriffsmöglichkeiten, die die Kinder Zuhause haben, differieren, sodass eine sehr sensible soziale Dimension unterminiert wird. Zu guter Letzt sind zwei Dimensionen beim Einsatz von Erklärvideos dringend zu bearbeiten, wenn man diese im Unterricht einsetzen möchte, nämlich die Medienkritik und die Medienreflexion. Beides sind überfachliche Kompetenzentwicklungen, die erst im Laufe der schulischen Arbeit erlernt werden müssen. Es geht dabei darum, über die Spezifika der einzelnen Medien in Form einer Medienanalyse nachzudenken, also unter anderem die Quellenfrage zu stellen. Welche Qualität hat das Video? Wer hat es warum und für wen erstellt? Wie verändert die darstellerische Aufbereitung den Inhalt und die Auffassung der Rezipienten? Die Medienkritik handelt davon auch alters- oder genderspezifische Aspekte zu bedenken. Dabei müssen die SuS mit einbezogen werden und es darf kein Be- oder Verurteilen durch die Lehrperson stattfinden.  Gerade der inhaltliche Aspekt sowie der Aspekt der Quellenfrage sind schwierige Anliegen, die genauer reflektiert werden müssen. Dabei möchte ich nochmal Rückbezug nehmen zu den einleitenden Worten dieses Reflexionsberichtes und dem eher ernüchternd wirkenden Statement zu Seminaren in der Uni die uns beibringen, Erklärvideos umzusetzen. Der Inhalt von Erklärvideos ist entscheidend für die Frage, ob Videos eingesetzt werden sollten oder nicht. In beiden Seminaren aus zwei verschiedenen fachlichen Instituten habe ich hingegen allerdings nur mitgenommen, dass komplexe Inhalte in 3 Minuten gepresst werden müssen und Informationen dabei oft vernachlässigt werden. Es wurde hingegen viel besprochen, wie zum Beispiel I-Motion funktioniert und, dass unsere Erklärvideos durch die Anwendung verschiedener Techniken besonders medial auffällig werden. Natürlich muss eine interessante Aufbereitung der Themen stattfinden, damit das Interesse der SuS später geweckt wird. Dennoch finde ich es schade, dass selbst auf universitärer Ebene nicht gelehrt wird, die entscheidenden Informationen bewusst zu filtern und didaktisch sinnvoll zu kürzen oder aufzubereiten. Vielmehr geht es darum, technisch begabt zu wirken und SuS zu beeindrucken. Videos sollten ein Unterrichtsmittel bleiben, aber auf keinen Fall die inhaltliche Dimension ersetzen.

Auch der Bildungsplan im Land Bremen greift sehr kurz, was den Einsatz von Medien im Unterricht angeht. Unter ‚Medien verstehen und nutzen‘[3] wird für die 6.Klasse festgehalten, dass folgende überfachliche Kompetenzen erreicht werden sollen:

– medienspezifische Formen unterscheiden und Vermutungen über ihre Wirkung Anstellen

– Medien zum Erarbeiten und Üben spezifischer Fertigkeiten nutzen

– Medien zur Präsentation ihrer Arbeitsergebnisse und zur ästhetischen Produktion Nutzen

– die Informationsmöglichkeiten unterschiedlicher Medien mit Hilfestellungen Nutzen

 

Dies entspricht den verschiedenen Dimensionen und didaktischen Vorüberlegungen, die zu Erklärvideos und Medien im Unterricht erläutert wurden. Die Medienkritik findet sich in dem ersten Punkt wieder, wenn die medienspezifischen Formen unterschiedenen und deren Wirkung abgemessen und verstanden werden können soll.  Die Informationsmöglichkeiten von Medien überhaupt erst zu nutzen entspricht wiederum mehr dem Lernen über Medien aber auch dem Bereich der Anwendung von Medien.

Im Bereich des Verwendens von Medien und in Fall dieses Reflexionsberichtes dem Verwenden von Erklärvideo soll an dieser Stelle vor allem für eine Art des Einsatzes von Video Partei ergriffen werden, nämlich der Produktionsorientierung. Diese entspricht zum Beispiel auch den Punkten des Bildungsplanes Medien zum Erarbeiten und Üben spezifischer Fähigkeiten oder zur Präsentation von Arbeitsergebnissen und ästhetischer Produktion zu nutzen. Im Rahmen des Seminars wurde immer wieder angesprochen, dass Produktionsorientierung sehr zeitintensiv ist und dies ein großer Nachteil sei. Dem Argument ist natürlich zuzustimmen. Dennoch sollte abgewogen werden, ob die vermeintliche Angst vor Mehraufwand und das Investieren von ‚zu viel‘ Zeit ein guter Grund ist, den SchülerInnen die Möglichkeit zu nehmen, Medienkompetenz an Unterrichtsinhalte gebunden zu erlernen. Auch denke ich, dass das Entwickeln eines eigenen Erklärvideos in Gruppen noch deutlich mehr Kompetenzen schult, als das bloße Benutzen von Videos im Unterricht. Die Produktion und Präsentation von Erklärvideos[4] vereint in sich nämlich eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema des Erklärvideos, da die SchülerInnen einen fachgebundenen und oft sehr komplexen Inhalt so reduzieren müssen, dass er in einem Erklärvideo präsentiert werden kann, aber dennoch die inhaltliche Komplexität nicht vollständig verloren geht. Jeder, der bereits selbst versucht hat ein Erklärvideo zu drehen oder in schulischen/universitären Seminaren Erklärvideos begegnet ist, weiß um die Schwierigkeit dessen. Darüber hinaus wird die soziale Ebene geschult, denn es muss eine interaktive Gruppenarbeit stattfinden. SchülerInnen können kein Video alleine drehen, sondern es macht Sinn, sie in Gruppen von 3-5 SchülerInnen gemeinsam ein Video erstellen zu lassen. Natürlich kann man argumentieren, dass Gruppenarbeit auch ohne Erklärvideo möglich ist. Dennoch bleibt die Produktion eines Erklärvideos ein besonders kreativ-exploratives Lernen, welches durch die Sozialform der Gruppenarbeit nur hervorgehoben wird. Zusätzlich wird durch die Produktionsorientierung auch das Prinzip „Lernen durch Lehren“ angewendet. Dies heißt also, dass der Unterricht Lehrerdezentriert stattfindet. Damit sind viele Möglichkeiten geboten, dass die SchülerInnen neben der Medienkompetenzen und der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Thema auch lernen, Verantwortung zu übernehmen und für ihre Ergebnisse einzustehen beziehungsweise sie präsentieren zu können. Neben all den überfachlichen Kompetenzen, die die Produktionsorientierung unterstützt, wird auch ganz grundlegend das Bedienen und Anwenden von Geräten und Programmen der Videoproduktion erlernt. Auch dies ist eine Medienkompetenz, die bereits vielen LeherInnen fehlt und welche wesentlich zu erlernen ist.

 

Konkret bezogen auf den Deutschunterricht sind zusätzliche Kompetenzen, die geschult werden können: Informieren (Beispiel: Informationen adressatenbezogen weitergeben und dabei einfache Präsentations- und Visualisierungsformen nutzen) oder Erzählen/Berichten/Beschreiben (Beispiel: über Sachverhalte in geordneter und verständlicher Form berichten). Ich denke, dass deutlich ist, dass Erklärvideos in verschiedener Form im Deutschunterricht eingesetzt werden können. Tatsächlich können Erklärvideos durchaus auch als mediale Weiterentwicklung von Vorgangsbeschreibungen verstanden werden. Ein Tutorial zum Flicken eines Fahrradschlauches zum Beispiel ist im Prinzip die Visualisierung und mediale Aufarbeitung eines Textes einer Vorgangsbeschreibung. Ein besonders schönes Beispiel hat dazu die Anton-Weilmaier-Schule geliefert. Sie haben folgende Unterrichtssequenz durchgeführt und damit anschaulich gemacht, wie produktionsorientierte Arbeit mit Erklärvideos im Unterricht funktionieren kann[5]:

  1. Erarbeitung von Struktur und Stilmitteln einer Vorgangsbeschreibung am konkreten Beispiel Rezept (Bananenmilch).
  1. Erstellen eines E-Books zu einem vorgegebenen Rezept (Müsli)
  2. Drehen eines eigenen Erklärvideos zu einem persönlichen Lieblingsrezept.

Präsentieren der Videos vor der Klasse

Feedback der Mitschüler zu Aufbau, Umsetzung und Inhalt.

  1. Festhalten vereinzelter Videos in schriftlicher Form.

Rückmeldung durch die Lehrkraft.

  1. Dokumentation des Lernzuwachses durch das Verschriftlichen eines selbstgedrehten Erklärvideos.

Sie sind also über die klassische Vorgangsbeschreibung zu einer medialen Dimension gewechselt und haben somit Medienkompetenz am Beispiel eines Erklärvideos in den klassischen Deutschunterricht integriert.

Nun ist also deutlich, inwiefern Erklärvideos generell als mediale Komponente zum Unterricht beitragen können und, dass man sein Vorgehen kritisch reflektieren sollte bevor der Einsatz von Videos die Überhand nimmt und die inhaltliche Dimension abschwächt. Auch ist deutlich, dass ich eher für die Produktionsorientierung als für die Rezeption von Erklärvideos votiere. Am Beispiel der Anton-Weilmaier-Schule wird deutlich, wie dies konkret im Deutschunterricht erfolgen kann. In einem letzten Schritt wird eine weitere Diskussionsfrage des Seminars aufgegriffen, nämlich die sprachliche Komponente.

In der Seminardiskussion wurde angesprochen, dass in Erklärvideos oft Umgangs- und Jugendsprache verwendet werden würde, welche im Unterricht keinen Platz haben dürfte, da zum Beispiel Beleidigungen enthalten sein können. Diese Feststellung ist durchaus richtig. Dieses Phänomen ist allerdings keines, welches nur bei Erklärvideos auftritt. Generell hat sich die Sprache verändert. Und das, was in der Forschung als ‚Jugendsprache‘ verstanden wird, wirkt oft auf ältere RezipientInnen als unhöflich und beleidigend. Dennoch ist die Sprachforschung schon so weit, anzuerkennen, dass jugendsprachliche Umgangsformen nicht beleidigend oder unhöflich sind[6]. Sie sind lediglich ‚anders‘. Der Konflikt entsteht, da die Auffassungen zu Anstandsnormen differieren. Was den ZuhörerInnen entgeht, ist, dass Jugendliche über ihre eigene Jugendsprache reflektieren. Ihnen mag nicht zu jeder Zeit und bei jeder Äußerung bewusst sein, dass sie Einflüssen, wie Interkulturalität und sozialen Medien, unterliegen. Dennoch können sie verschiedene Höflichkeitsstile entwickeln und diese kontextsensitiv, sowie adressatenorientiert einsetzen. Ein Beispiel aus der Forschung von Eva Neuland zeigt dies. Auf die Frage, wie SchülerInnen andere Personen begrüßen, geben die verschiedene Antworten. Sie begrüßen in institutionellen Kontexten unter anderem so[7]:

(8) freundliche Begrüßung (Hauptschule, Jgst. 7)

(9) Ich sage Menschen die ich treffe sage ich Guten Tag (Hauptschule, Jgst. 7)

(10) Einen wunderschönen Guten Tag (Hauptschule, Jgst. 7)

(11) Guten Morgen Frau X, wie geht es ihnen heute? (Hauptschule, Jgst. 9)

(12) Hallo und Tschüss sagen (Gymnasium, Jgst. 7)

(13) Neue Leute höflich begrüßen (Gymnasium, Jgst. 9)

 

Im Umgang mit ihrer Peer-Group hingegen würden Sie sich folgendermaßen äußern:

(26)Hey, was geht (Hauptschule, Jgst. 7)

(27) Was geht ab Bruder (Hauptschule, Jgst. 7)

(28)Ich spreche manchmal nicht höflich mit den Freunden (Hauptschule, Jgst. 7)

(29) Wir benutzen das Wort Opfer oder Dödel aber nur zum Spaß (Realschule, Jgst. 8)

(30)Hallo (Hauptschule, Jgst. 9)

(31) Du, Hallo (Gymnasium, Jgst. 7)

Es ist also deutlich, dass die Jugendlichen zu unterscheiden wissen. In der Forschung von Neuland antworten sie auch eindrucksvoll und reflektiert darauf, wieso dem so sein könnte.

„Manche nutzen ja auch die Pause, also im Unterricht muss man ja höflich und respektvoll sein, das is ja wie so ne Regel halt. Manche nutzen aber auch die Pause aus, um halt da halt, ein bisschen Dampf abzulassen und da halt unhöflich oder respektvoll sein. Aber nicht gegen den Lehrer. Vielleicht mit Freunden halt, dass man so extra so aus Spaß so sagt, um den anderen halt zu erleichtern. […] In der Öffentlichkeit ist das ja so, dass es so wie eine Pflicht ist, höflich zu sein zu anderen, weil das jetzt ähm, man will sein Bild halt nicht ruinieren. Aber halt mit Freunden ist das ja so, so nen sicherer Bereich, wo man tun und lassen kann, was man will. Ich glaub die einzige Grenze ist vielleicht ein Geheimnis oder so ähm sozusagen halt, wo der andere naja, nicht will, dass es gesagt wird, aber so von der Redensart haben wir eigentlich kaum Grenzen (lacht). (Murat, RG 01, 12. Klasse)“[8]

Es geht also bei der Jugendsprache nicht darum, unhöflich oder respektlos zu sein. Vielmehr ist diese Dichotomie aufgehoben. Es hat sich ein Spannungsfeld zwischen Ernst- und Scherzhaftigkeit entwickelt. Das Stichwort ist nicht mehr ‚Höflichkeit‘ sondern eher ‚Respekt‘. Dass dieser Respekt erhalten bleibt, auch bei einer für uns unüblichen Äußerungsform, zeigt das Ausbleiben aggressiver Gegenreaktionen anderer SchülerInnen. Dementsprechend finde ich auch, dass in Erklärvideos, sofern sie als Medium von SchülerInnen für SchülerInnen verstanden werden, der Freiraum gegeben werden sollte, eine sprachliche Vielfältigkeit und begründete Authentizität zuzulassen. Wenn die Erklärvideos in der Produktion und bei der Auseinandersetzung mit der eigenen Sprach- und Wortwahl dann noch erzeugen, dass diese Kontextsensitivität weiter geschult wird, ist sogar eine weitere Kompetenz neben der Medienkompetenz geschult worden.

Neben aller Kritik erscheinen mir Erklärvideos, gerade in der Produktionsorientierung, als eine geeignete Herangehensweise, um den Deutschunterricht medial zu unterstützen.

 

 

Literaturverzeichnis:

Anders/Staiger/Albrecht/Rüsel/Vorst (2019): Einführung in die Filmdidaktik. Kapitel 18: Erklärvideos. J.B. Metzler, Berlin.

Eva Neuland (2018): ‚Höflichkeit? Respekt!‘ Jugendtypische Umgangsformen mit sprachlicher Höflichkeit. In: Ziegler, Arne (2018): Jugendsprachen. Aktuelle Perspektiven internationaler Forschung. Berlin: De Gruyter.

Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2018): JIM-Studie 2018: Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Stuttgart.

Online Quellen:

https://sfz-hausham.de/aktuelles/aktionen/

www.filmundschule.nrw.de

https://www.lis.bremen.de/schulqualitaet/curriculumentwicklung/bildungsplaene/sekundarbereich_i-15226

 

 

[1]Vgl.: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2018): JIM-Studie 2018: Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Stuttgart.

[2] Vgl.: Anders/Staiger/Albrecht/Rüsel/Vorst (2019): Einführung in die Filmdidaktik. Kapitel 18: Erklärvideos. J.B. Metzler, Berlin.

[3] Vgl.: https://www.lis.bremen.de/schulqualitaet/curriculumentwicklung/bildungsplaene/sekundarbereich_i-15226

[4] Vgl. auch: www.filmundschule.nrw.de

[5] Vgl.: https://sfz-hausham.de/aktuelles/aktionen/

[6] Vgl.: Eva Neuland (2018): ‚Höflichkeit? Respekt!‘ Jugendtypische Umgangsformen mit sprachlicher Höflichkeit. In: Ziegler, Arne (2018): Jugendsprachen. Aktuelle Perspektiven internationaler Forschung. Berlin: De Gruyter, 211-229.

[7] Neuland: 219

[8] Neuland: 225

Inverted Classroom – Reflexionsbericht zur Gestaltung einer Sitzung

Inverted Classroom – Reflexionsbericht zur Gestaltung einer Sitzung

Photo by Nadine Shaabana on Unsplash

Im Rahmen des Seminars „Mediendidaktik & Medienbildung. Reflexion und Bewertung von
Einsätzen digitaler Elemente in die Lehre“ im Wintersemester 19/20 hat meine Gruppe sich
näher mit dem „Inverted Classroom Model“ (ICM) beschäftigt. In dieser Gestaltung haben wir
versucht, mit Hilfe eines Informationsvideos die Teilnehmer*innen des Seminars auf das
Thema vorzubereiten, sowie die Essenz des ICM in den Ablauf unserer Gestaltung mit
einzubauen. In der Präsentation selbst haben wir zunächst den Ablauf einer Unterrichtsstunde
in der traditionellen Lehre mit dem Ablauf einer Unterrichtsstunde nach dem ICM verglichen,
um den Seminarteilnehmer*innen den Unterschied graphisch näherzubringen. Bevor mehr in
die Theorie des Modells eingegangen wurde, fanden wir es sinnvoll, dessen geschichtlichen
Hintergrund zu recherchieren und vorzustellen, damit die Intentionen der Begründer, sowie
das ursprüngliche Umfeld des Modells zu erläutern. Als Basis der Theorie wurde Benjamin
Blooms „Taxonomie der Lernziele“ herangezogen (vgl. Sams 2017, S. 15), welche laut den
Begründern Bergmann und Sams nicht Bottom- up, sondern Top- down durchlaufen werden
sollen (vgl. ibid., S. 16-17). Nachdem wir darauf eingegangen sind, stellten wir verschiedene
Probleme dar, die aufkommen könnten, Anreizsysteme um einigen davon entgegenzuwirken,
sowie Vor- und Nachteile der Einbindung des ICM in den eigenen Unterricht.
Bevor ich mich mit diesem Thema im Rahmen des Seminars beschäftigt habe, wusste ich nicht
viel darüber. Die Vorgehensweise war mir jedoch schon unterbewusst bekannt, da es in
meiner eigenen Schulzeit nicht unüblich war, dass man zur Vorbereitung auf den Unterricht
schon ein Video über das Thema bei Youtube schauen sollte. Dies war allerdings nicht in einer
größeren Einheit inmitten anderer, ähnlicher Videos eingebettet und von der Lehrkraft selbst
erstellt, sondern so wie in unsere Gestaltung von einer anderen Person erstellt und losgelöst
von dem Aufbau der Einheit vorgeschoben. Auch die Struktur mancher Seminare bzw.
Blockseminare ist ähnlich aufgebaut, wenn Student*innen das Material vor der Veranstaltung
lesen sollen, damit im Seminar die Inhalte besprochen, vertieft und aufgebaut werden
können.
Nachdem ich den schon vorhandenen Alltagsbezug erkannt habe, stieg mein Interesse für das
Thema. Denn bei der Wahl der Themen überließ ich meinen Gruppenmitgliedern die
Entscheidung, da ich alle Themen gleichwertig unbekannt und gleichzeitig interessant fand.
Besonders interessant fand ich jedoch, was für Möglichkeiten sich auftun, wenn die Lehrkraft
einen Großteil der Unterrichtszeit für produktiven und aktiven Unterricht MIT den SuS nutzen
kann, und nicht für Frontalunterricht nutzen muss. So bleibt im Idealfall Zeit für größere
Projekte oder Gruppenarbeiten, welche sonst den Rahmen einer Unterrichtseinheit
übersteigen würden. Dennoch dürfen auch die Risiken der Methode nicht unterschätzt
werden, da ein gewisses Maß an Selbstdisziplin von Lehrer- wie auch Schüler*innenseite
benötigt wird. Zum einen müssen die Materialien zeit- und ortsunabhängig zu jeder
Unterrichtsstunde vorbereitet und allen SuS zur Verfügung gestellt werden, aber auch die SuS
müssen die Motivation und die Disziplin aufbringen, die Materialien zuverlässig vor den
Stunden zu schauen oder zu bearbeiten. Dieses Aufbringen von Motivation von beiden Seiten
kann, je nach Lehrkraft und Lerngruppe, zu einem unproduktiven Unterricht führen.
Besonders verwundert war ich über die verschiedenen Anreizsysteme, welche SuS dazu
motivieren sollen, das bereitgestellte Material gewissenhaft und zuverlässig vor dem
Unterricht zu bearbeiten. Als wir uns über das Thema informiert haben, ist uns sofort die feine
Grenze zwischen Motivationsanreiz und belastender Kontrolle aufgefallen, die eine Lehrkraft
mit der Implementierung verschiedener Anreizsysteme balancieren muss. Besonders bei
traditionellen Kontrollsystemen wie KPIs (Key Performance Indicator) oder frei zugänglichen
Ranglisten der erbrachten Leistungen der SuS unterstützen die soziale
Bezugsnormorientierung und somit eine Form von, meiner Meinung nach, nicht unbedingt
motivierendem Leistungsdruck unter den SuS. Integrierte Übungsfragen ohne Konsequenzen
und Vergleiche mit den Ergebnissen Anderer, oder Belohnungssysteme für erreichte
Leistungen ohne Konsequenzen für nicht erreichte Leistungen empfinde ich als motivierender.
Damit ist nicht die Leistung im Unterricht selbst gemeint, sondern die
Leistung in kleinen Abfragungen in den Lernvideos selbst, um ein aufmerksames Zuschauen
zu fördern.
Zuletzt gingen wir auf ein paar Vor- und Nachteile des ICM ein. Da die Methode von der
Lehrkraft idealerweise erwartet, dass für jede Lerngruppe spezielles Lernmaterial in Form von
Lernvideos erstellt wird, ist dies ein enormer Zeitaufwand. Wohingegen es große Pools bei
traditionellem Material gibt, die der Lehrkraft die Unterrichtsplanung bzw. die
Materialbeschaffung oder -erstellung erleichtern, gibt es bei Erklärvideos eine hohe rechtliche
Barriere was das Copyright und die Nutzungsrechte angeht, dass dies den Pool der
verfügbaren Materialien erheblich einschränkt. Zudem wären diese Videos nicht von der
Lehrkraft selbst erstellt, sondern von Außenstehenden, die die Lerngruppe nicht kennen.
Anders als bei traditionellem Material, können Lernvideos nicht so leicht angepasst werden.
Wenn die Lehrkraft jedoch diesen Einsatz zeigt und alle Materialien eigens für die individuellen
Lerngruppen erstellt, kann aktives Lernen und Individualisierung von Lerntempo und Lernweg
gefördert werden. Lernerzentriertere Materialien könnten somit die Problematik des
homogenen Lehrkörpers (Lehrkraft), die einem heterogenen Lernkörper (die SuS) gerecht
werden soll, entgegenkommen.
Abschließend lässt sich sagen, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich das ICM in meinen eigenen
Unterricht integrieren werde. Auf der einen Seite scheint der Arbeitsaufwand relativ groß zu
sein, auf der anderen Seite scheinen die Individualisierungsmöglichkeiten endlos. Ich kann mir
sehr gut vorstellen, diese Methode bei längeren Projektarbeiten im Fach Geographie zum
Beispiel einzusetzen, wenn die Projektarbeit an sich sinnvoller wäre, im Klassenverband zu
erarbeiten und das nötige Theoriewissen vor den Unterricht ausgelagert werden kann.
Allgemein fand ich die Gruppenarbeit für dieses Thema sehr angenehm und problemlos, was
auch daran lag, dass uns so viele Freiheiten bei der Gestaltung gegeben wurden. Auch die
anderen Seminarthemen fand ich weitestgehend sehr interessant, da ich mich zuvor noch
nicht viel mit dem Thema „Medien in der Lehre“ beschäftigt hatte. Zukünftig möchte ich mich
auf jeden Fall tiefer mit dem Thema der Rechtsgrundlagen beschäftigen, aber auch
Gamification finde ich sehr interessant, da es einen Lebensweltbezug für die SuS darstellen
kann.

Bibliographie:
Sams, Aaron. Der „Flipped” Classroom. In: Das Inverted Classroom Model. Begleitband zur
ersten deutschen ICM-Konferenz. Handke, Jürgen und Alexander Sperl (Hrsg.). München:
Oldenbourg, 2012. S. 13-23.