Betrachtung von Gender-Stereotypen

Die Vorlesung mit dem Fokus Gender wurde durch eine Präsentation der Theatergruppe zu Gender-Stereotypen eingeleitet. Das Setting war ein Management-Seminar, das von einem Mann geleitet und von zwei Männern und drei Frauen besucht wurde. Die Teilnehmer verkörperten hierbei jeweils verschiedene Typen von Männern und Frauen, die sehr überspitzt dargestellt wurden.

Bei den teilnehmenden Männern gab es zwei sehr gegensätzliche Typen: Einerseits den sehr extrovertierten, von sich überzeugten Mann, der sofort wie ein Anführer wirkt, andererseits den eher introvertierten, eingeschüchterten Mann, der sich lieber zurückzieht und kaum den Mut hat, vor anderen zu sprechen. Abgesehen von diesen beiden Teilnehmern hat auch der Leiter des Seminars einen Typ verkörpert, nämlich einen zunächst ruhig und höflich wirkenden, aber dennoch stets die Kontrolle habenden Mann.

Bei den Frauen konnten drei Typen unterschieden werden: Einmal eine grundsätzlich fröhlich, gleichzeitig aber auch etwas unsicher wirkende Frau, die offensichtlich um die Anerkennung der anderen Teilnehmer und des Publikums bemüht ist, zweitens eine Frau, die besonders viel Wert auf ihr Aussehen und ihre Ausstrahlung zu legen scheint und drittens eine sehr karriereorientierte, recht arrogant und männerfeindlich wirkende Frau.

Im Laufe der Präsentation wurden die Teilnehmer auf unterschiedliche Art und Weise von dem Leiter angesprochen und aufgefordert, sich zu präsentieren. Dabei kam es zu verschiedenen Situationen; der eher schüchterne Mann wurde beispielsweise recht neutral bis freundlich angesprochen und, als er bei der ersten Ansprache eine erschreckte Reaktion zeigte, bei der Vorstellungsrunde zunächst übergangen, während der anfangs sehr selbstbewusste Mann vom Leiter zum Ende hin offen gedemütigt wurde, bis er wutentbrannt den Raum verließ.

Auch bei der Interaktion untereinander gab es Auffälligkeiten. Die fröhliche Frau schien mit dem eher schüchternen Mann mitzufühlen, die beiden lächelten einander beispielsweise immer wieder an. Die eher arrogante Frau feindete die anderen Teilnehmer dagegen regelrecht an und machte sich keine Mühe, ihre Verachtung zu verbergen.

Beim Zuschauen sind mir besonders zwei Sachen aufgefallen. Eine ist der immense Einfluss, den das Verhalten des Leiters auf die Teilnehmer hatte. Er ging, wie oben bereits beschrieben, sehr unterschiedlich auf die Personen ein und beeinflusste sie damit in gewisser Weise. Im Falle des selbstbewussten Mannes demütigte er diesen mit lächerlichen Anweisungen so lange, bis er sich in seiner Selbstachtung ernsthaft angegriffen fühlte und die Sitzung abbrach. Dies zeigt, wie viel Einfluss eine Person in einer Macht- oder Führungsposition auf die Menschen hat, für die er verantwortlich ist. Je nachdem, wie er ihnen begegnet, kann er ihre Selbstwahrnehmung positiv oder negativ beeinflussen. Es ist daher von essentieller Wichtigkeit, dass sich Lehrer bewusst sind, was für Unterschiede zwischen ihren Schülern bestehen und in der Lage sind, auf diese Unterschiede auf konstruktive Weise einzugehen (und nicht, wie es hier geschehen ist, die Schüler vorzuführen).

Die zweite Sache ist, dass es in der Realität kaum möglich ist, Menschen in die Kategorien einzuordnen, die von der Theatergruppe präsentiert wurden. Man kann dementsprechend auch nicht pauschal sagen, wie man mit einer Person umgehen muss, nur weil sie auf den ersten Blick in die Gender-Stereotypen eingeordnet werden kann. Es muss also dringend vermieden werden, die Schüler auf diese Weise in Schubladen zu stecken, sondern trotz scheinbar starker Ähnlichkeiten immer noch auf die einzelnen Personen eingegangen werden. Ein solches Schubladendenken könnte andernfalls dazu führen, dass man den Schülern nicht mehr gerecht wird, weil man sie nur noch als ein bestimmter Typ Mann bzw. Junge oder Frau bzw. Mädchen wahrnimmt. Zudem muss man die Schüler nach Möglichkeit ebenfalls dafür sensibilisieren, dass man Menschen nicht auf ihr Geschlecht oder eine bestimmte Wahrnehmung ihres Geschlechts reduzieren sollte.