Schluss mit Tierversuchen an der Uni Bremen?
Alle Jahre wieder wird das Thema „Tierversuche“ in Bremen hitzig diskutiert. Die letzten Jahrzehnte ging es dabei in der Regel um die Hirnforschung des Neurowissenschaftlers Prof. Andreas Kreiter an Rhesusaffen, welche im Cognium der Universität Bremen stattfindet. Hierzu berichteten wir bereits und auch, warum die Forschung damals wieder genehmigt wurde.
Doch dieses Mal geht es um mehr als die Forschung eines einzelnen Wissenschaftlers der Uni Bremen – es geht um viele Studierende der Naturwissenschaften und explizit um die Studierenden der Biologie.
Die „Lehre des Lebendigen“ beschäftigt sich natürlich nicht nur mit Pflanzen, sondern eben auch mit Tieren, welche genau verstanden werden sollen. Um das Verständnis über die Strukturen und Funktionen einzelner Organismen zu erhalten, werden seit Jahren verschiedene Methoden angewandt. So gehören neben der Literaturrecherche, Bildmaterial und aufwendigen Bleistiftzeichnungen auch das Sezieren und Kennenlernen des Innenlebens auf der Tagesordnung von Biolog:innen. Entsprechend der Vielfalt der Organismen unseres Planeten gibt es hier eine große Spannbreite vom Regenwurm über den Goldfisch bis hin zur Maus, um nur ein paar zu nennen.
Im März letzten Jahres wurde das Bremer Hochschulgesetz in dieser Richtung verändert. Nun heißt es neuerdings:
„In Studium und Lehre ist auf die Verwendung von eigens hierfür getöteten Tieren und die mit Belastungen verbundene Verwendung von lebenden Tieren zur Einübung von Fertigkeiten und zur Veranschaulichung von biologischen, chemischen und physikalischen Vorgängen zu verzichten. Das gilt nicht, wenn andere gleichwertige Lehrmethoden und Lehrmaterialien nachweislich nicht zur Verfügung stehen. […]“
Hierdurch soll die Uni Bremen dazu verpflichtet werden, auf eigens für die Lehre getötete Tiere zu verzichten, was laut Uni jedoch im Widerspruch zum Bundesrecht stehe. Vielmehr sei es laut Tierschutzgesetz zulässig, Tiere für den Zweck der universitären Ausbildung zu töten.
Aktuell herrscht also Klärungsbedarf zwischen der Uni Bremen, dem Land Bremen und dem Bundesverfassungsgericht bezüglich der Frage, ob die landesweit eingeführte Hochschulnovelle Regelungen verschärfen kann, die bereits vorher bundesweit geklärt waren und mit diesen im Widerspruch stehen. Bis zu dieser Klärung gilt vorerst die Hochschulnovelle für die Uni Bremen inklusive der neuen Beschränkungen.
Mit der Frage, warum das Töten von Tieren für die Lehre wichtig sei, habe ich mich als Studentin der Biologie sowie als ehemalige Tutorin eines Biologiepraktikums häufig auseinandersetzen müssen: Ist es wirklich in Ordnung, dass ein Tier stirbt, damit ich etwas lernen kann? Geht es Tieren, die für die Fleischproduktion gehalten werden, nicht viel schlechter als den Labortieren? Und wir versuchen ja auch wirklich nur so wenige Tiere wie möglich hierfür zu nutzen… oder? All das sind Gedanken, die bestimmt jede:r reflektierte:r Biologiestudierende schon einmal hatte.
Der Neurobiologe und Tierschutzbeauftragte der Uni Bremen, Detlef Wegener, sagt dazu: „Ein Biologe muss wissen, wie der Körper eines Organismus aufgebaut ist, wo welche Organe liegen.“ Hierzu müsse er im Laufe seines Studiums auch leibhaftige Körper von innen gesehen haben, nicht nur Schaubilder. „Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass unsere Studierenden die nötige Sachkunde erwerben, die sie für die Arbeit in verschiedenen Forschungseinrichtungen auch außerhalb Bremens qualifiziert. Auch das Tierschutzgesetz fordert diese Sachkunde“, so Wegener.
Ich will an dieser Stelle nicht urteilen und auch nicht meine Meinung in den Vordergrund stellen. Das Thema ist (in gewisser Weise wohl zurecht) brisant genug. Jedoch möchte ich meine Erfahrungen in Bezug hierauf schildern.
In den ersten Semestern des Biologiestudiums wird man eigentlich nur mit lebenden Tieren für Beobachtungen und Zeichnungen konfrontiert; seziert werden nur bereits getötete Exemplare, wobei mit kleineren Tieren wie Regenwürmern oder Nacktschnecken begonnen wird. Hierbei wird mindestens in Gruppen von zwei bis mehreren Studierenden gearbeitet. Es kam auch schon vor, dass sechs Studierende an einem Tier saßen.
Tier ist Tier und tot ist tot – das ist mir sehr bewusst. Ich möchte nur veranschaulichen, dass die Lehrenden der Uni Bremen darauf bedacht sind, den entstehenden Schaden so klein wie möglich zu halten und gleichzeitig ihren Studierenden eine vollwertige Ausbildung zu bieten.
Für die Ausbildung sämtlicher Biologiestudierender der Uni Bremen müssten laut Wegener pro Jahr etwa 25 Exemplare der invasiven nordamerikanischen Ochsenfrösche ihr Leben lassen. Hinzu kämen rund zwanzig Goldfische und etwa 50 Ratten. Für die Forschung sei die Zahl zum Teil deutlich höher, dies hänge aber von den aktuellen Forschungsprojekten ab.
Von der Neuerung sind aktuell bereits Studierende des Masterstudiengangs Neurosciences betroffen und dürfen bis auf Weiteres nicht wie vorher mit Labortieren arbeiten. Im kommenden Sommersemester könnte es auch zu weiteren Folgen für Biologiestudierende und deren Praktika kommen, sollte noch kein Eilentscheid vorliegen, der die Lehre mit Labortieren an der Uni Bremen wieder befürwortet. Und auch in allen weiteren Semestern würde dies Auswirkungen auf die Biologiestudierenden haben, da das neue Gesetz den Begriff „Tiere“ nicht genauer eingegrenzt hat und somit auch Lebewesen wie Mückenlarven, Schnecken oder Fruchtfliegen eingeschlossen sind.
Da während der Pandemie für eine gewisse Zeit das Betreten der Labore für Studierende nicht zulässig war, wurde auf sehr alternative Arten gelehrt, sodass ich diese Methoden mit der klassischen Laborarbeit vergleichen kann. Hierbei standen virtuelle Laborarbeit, Videos und Online-Sezierungen auf der Tagesordnung. Natürlich war der Lerneffekt nicht mit dem vor Ort vergleichbar und ich könnte vermutlich bis heute nicht sagen, wie genau die Organe eines Goldfisches platziert sind. Ob mir das für meinen weiteren Werdegang schadet? Ich bezweifle es.
Meines Wissens nach, muss niemand an der Uni Bremen gegen den eigenen Willen ein Tier töten. Auch nicht als Student:in der Biologie. Es gibt immer Alternativen, wenn die Studierenden diese wünschen und dies darf auch keine negativen Konsequenzen bezüglich der Benotung haben.
Wie steht ihr zu dem Thema? Lässt sich ein gleichwertiger Lernerfolg unter weniger realistischen Bedingungen erzielen? Diskutiert gerne konstruktiv in den Kommentaren hierüber.
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