Bereits während der Hospitation fiel mir in meinen Fächern flächendeckend ein eher lapidarer Umgang mit dem Medium Internet auf. Zum einen fehlten bei Rechercheaufgaben jegliche Verweise auf die Quellseiten und zum anderen wurden scheinbar vertrauenswürdige Quellen absolut gesetzt – Wikipedia war in dieser Hinsicht nur die gar nicht mal so wackelige Spitze des Eisbergs…
Das e-teacher-Seminar im Hinterkopf wurde mir schnell klar, dass ich während meiner Einheit im Fach Religion zum Thema Religionskritik auch Medienkritik in irgendeiner Form einfließen lassen muss.
Wenngleich dies fächerübergreifend passieren sollte, so bin ich der festen Überzeugung, dass gerade ein Religionsunterricht, in dem es oftmals um Rezeption und Quellenkritik gehen soll, sich auch in Richtung einer „neumedialen Hermeneutik“ bewegen muss.
Aus der Idee eines Anschneidens besagter Thematik, wurde schnell ein kontinuierliches Sensibilisieren der SuS hin zu einem kritischen Umgang mit dem Medium Internet. Besonders spannend wurde es, als seitens der SuS mehr und mehr Youtube-Videos einbezogen wurden, in denen Themen scheinbar elementarisiert und massentauglich präsentiert werden. Ich nahm dieses Phänomen also zum Anlass – neben den sich
wiederholenden Predigten, die verwendeten Internetseiten und Videos jeweils auf ihren Hintergrund hin zu prüfen – und versuchte mit den SuS einen Kriterienkatalog für einen kritischen Umgang mit Onlinemedien zu entwickeln:
Es ergab sich relativ schnell der Konsens, dass auch dieses Raster nicht absolut zu setzen sei. Nichtsdestotrotz wurde im nachfolgend geschilderten Anwendungsbeispiel immer wieder auf die zuvor diskutierten Kriterien verwiesen:
Ein besonders brisantes und vor allem medial kontrovers aufgegriffenes Thema bietet alles rund um das Stichwort Islamismus, da der Begriff oft kontextuell falsch verwendet wird und nur selten zwischen beispielsweise Extremismus, Islamismus, Salafismus, Djihadismus etc. differenziert wird. Für den Unterrichtseinstieg plante ich ein möglichst neutral, wissenschaftlich fundiertes Einführungsvideo zur Begriffsklärung zu zeigen. Da ich in der Vergangenheit relativ gute Erfahrungen mit der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) gemacht hatte – auch hier gilt jedoch kein qualitativer Absolutheitsanspruch – machte ich mich auf dem Youtube-Channel der bpb auf die Suche nach Material. Das Einführungsvideo zum Thema Extremismus jedoch wurde vom Betreiber mit dem Hinweis es befände sich in Überarbeitung gelöscht. Nach weiterer Recherche fand ich das gelöschte Video jedoch wieder und es ergaben sich praktischerweise zwei Gesichtspunkte unter denen es betrachtet werden konnte. Einerseits manifestiert sich in dem Video ein spezifisch-thematischer Umgang mit dem Thema, der kritisch zu betrachten ist und andererseits bat das gelöschte Video Anlass über die Hintergründe der Überarbeitung – im Sinne eines kritischen Umgangs mit Quellen, die den Anspruch erheben im weitesten Sinne „objektiv“ Bericht zu erstatten –
zu diskutieren. Die resultierende Diskussion war sehr konstruktiv und brachte die Quintessenz hervor, dass bei jeglicher Form von Quellen eine differenzierte und kritische Herangehensweise wichtig sei. Für die SuS stand hierbei besonders die Intention der Verfasserin oder des Verfassers im Vordergrund.
Trotz all dieser Gesichtspunkte ist es wichtig, gerade aufgrund des Potenzials von „Erklärvideos“, diesen ihre Legitimität nicht von vorne herein abzusprechen. Was ist verwerflich daran, einen Inhalt kurz und prägnant zu visualisieren? Im Grunde zunächst einmal gar nichts, sofern der Inhalt diese Komprimierung zulässt und nicht, wie im Fall des gezeigten Videos, zu einer einseitigen Darstellung führt. Auch ich suche für komplizierte Theorien zunächst einmal eine Art der Darstellung, die mich grundlegend an das Thema heranführt, ohne dass ich 400 Seiten lesen muss. Visualisierungen sind nicht nur im Sinne von gesamt-ästhetischer Wahrnehmung förderlich, sondern können zudem auch dabei helfen, verschiedene SuS-Typen besser anzusprechen.
Es bleibt lediglich die Problematik bestehen, dass „Broadcast-Yourself-Plattformen“ aufgrund ihres Grundkonzept nach dem Motto von jedem für jeden, eine Flut an nur partiell gefilterten Inhalten mit sich bringen. Dies muss nicht zwangsläufig ein Zeichen von mangelnder Qualität der Beiträge sein, sollte aber bei der Suche nach differenzierten und perspektivreichen Informationen stets im Hinterkopf bleiben.
Analysiertes Video:
https://www.youtube.com/watch?v=5PdHHiUq-1Y (Zugriff 06.07.2015)