Dieses Semester ist alles anders.
Nächstes Semester wird alles anders sein.
Für alle Student*innen und Lehrkräfte wurden durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehende Umstellung auf ein zum größten Teil digitales Semester viele neue Herausforderungen geschaffen. Während einige Kurse und Semesterangebote noch nicht so gut funktioniert haben, oder in der Kürze der Zeit nicht vernünftig umzusetzen waren, hat die Vortragsreihe der Ringvorlesung „Umgang mit Heterogenität in der Schule 2020“ eine positive Ausnahme gebildet. Das Format mit Gastdozenten zu verschiedenen Themen in Bezug auf Heterogenität in der Schule hat online | digital | als Nicht-Präsenz-Vorlesung sehr gut funktioniert.
Die Themen dabei waren durchweg interessant, sinnvoll und nicht zu weit weg von der uns bevorstehenden Praxis. Auch der wechselnde Vortragsstil war angenehm und die Vorlesung hatte insgesamt den Charakter einer spannenden Anthologie-Serie und nicht eines vierstunden Epos. So haben die unterschiedlichen Beiträge für jeden etwas mit mehr oder weniger persönlichem Bezug geboten, die Materie mehr als nur oberflächlich behandelt und einen interessanten Anreiz geboten, sich mit dem einen oder anderen Thema intensiver auseinanderzusetzen.
Lediglich der „feedbackr-Teil“ mit seiner Verpflichtung bzw. Aufgabenstellung, bestimmte Themen zu kommentieren oder einen Beitrag dazu verfassen zu müssen, sollte meiner Meinung nach geöffnet werden. Man sollte selber frei auswählen können, zu welchen Vorträgen man einen Blogbeitrag oder Kommentar verfassen möchte und nicht gezwungen sein, zu Thema X jetzt nur kommentieren zu dürfen, um den Kurs zu bestehen.
Die Anzahl der zu verfassenden Kommentare und Blogbeiträge inkl. Abschlussreflexion ist dabei aber vollkommen in Ordnung. __________________________________________________________
- Benennen Sie die für Sie zentralsten (mindestens zwei verschiedene) theoretischen Erkenntnisse, die Sie aus den Vorträgen der Ringvorlesung für sich als besonders prägnant mitgenommen haben. Nehmen Sie dabei konkret sowohl Bezug auf:
a.) die unterschiedlichen, fachdidaktischen Aspekte und übertragen Sie diese in der Ringvorlesung gewonnenen Erkenntnisse auf die Didaktiken der von Ihnen studierten Fächer. Beziehen Sie sich hierbei auch auf didaktische Erkenntnisse mindestens eines Fachs, das Sie nicht selbst studieren.
b.) generelle erziehungswissenschaftliche Erkenntnisse zu Schule und Unterricht.
Bitte benennen Sie für diesen Aufgabenteil dabei konkret mindestens zwei relevante Literaturquellen (Autor*innen, Jahr, Titel).
&:
- Welche Faktoren zum schulischen Umgang mit Heterogenität (z.B. Unterrichtsformen, Schulformen, schulstrukturelle Fragen, schulkulturelle Aspekte, Lehrer*innenhandeln)), die Sie in der Vorlesung kennengelernt haben, prägen im Rückblick auf ihre eigenen Praxiserfahrungen (eigene Schulzeit, Berichte aus der Praxis, ggf. auch schon eigene Praxiserfahrungen) den Schulalltag besonders stark – und warum? Hier können Sie aus Ihrer Sicht besonders gelungene oder auch weniger gelungene Beispiele geben. Inwiefern helfen Ihnen die Inhalte der Vorlesung, eine solche Einschätzung vorzunehmen? Nehmen Sie konkret Bezug auf entsprechende Begriffe, Theorien, Konzepte, die Sie jetzt kennengelernt haben.
„Konnte man vielleicht in der Vergangenheit davon ausgehen, dass der überwiegende Teil der Schüler den Anforderungen der Schule gewachsen ist, so finden sich heute massiv viele Kinder in den Klassenzimmern, die in diesem Rahmen eigentlich nicht beschulbar sind. Sei es, dass Kind A von klein auf Stunde um Stunde vor der Playstation verbracht und keinerlei Lust auf den ‚anstrengenden‘ Unterricht hat, weil sein Gehirn, sein Belohnungszentrum bereits auf Videospiel-Niveau konditioniert ist. Sei es, weil Kind B zu Hause keine Zuneigung und Strukturen erfahren hat und dementsprechend in einem Sozialverbund, der Rücksichtnahme und Empathie erfordert, gänzlich verloren ist. Sei es, dass Kind C mit Eltern aufwächst, die nur vor dem Smartphone hängen – aus welchen Gründen auch immer – was beim Kind in einer extremen Sprachentwicklungsstörung resultiert. Hinzu kommen dann noch die Kinder, die – weil Erziehen nun durchaus eine anstrengende Sache ist – überhaupt keine Grenzen kennen und alles dürfen, die gar nicht gelernt haben, sich auch einmal zurückzunehmen. Diese Herausforderung wird nun in vielen Fällen auf die Schule übertragen und an die Lehrkraft übergeben, denn diese werde es schon richten, in der Schule werde das Kind schon Anstand lernen.“
(Aus: Deutschlandfunk Kultur v. 09.03.2020, Interview: Julia Petry im Gespräch mit Dieter Kassel, Grundschule: Viele Kinder sind eigentlich nicht beschulbar“)
„Kinder und Jugendliche unterscheiden sich in ihren Lernvoraussetzungen. Vielfalt besteht zum Beispiel hinsichtlich Alter und Geschlecht, ethnischer, kultureller und sozialer Herkunft, aber auch Interessen, Motivation und Leistungsfähigkeit. Heterogenität ist beides: Realität in Schulen und Klassenzimmern sowie Herausforderung für das schulische Lernen, die Unterrichtsgestaltung und die Organisationsform von Lern- gruppen. Seit jeher ist der möglichst optimale Umgang mit Heterogenität Kernauftrag unseres Bildungssystems, jeder Bildungseinrichtung und damit insbesondere Kernauftrag jeder Schule.“
(Vock, Gronostaj, 2017)
Der Begriff Heterogenität ist für uns Studierende seit dem
1. Semester omnipräsent. Und es braucht sicherlich auch ein bis zwei Semester, ergänzt durch das Orientierungspraktikum, um den Begriff richtig einordnen zu können. Das die Ringvorlesung „Umgang mit Heterogenität in der Schule“ erst im 4. Semester Bestandteil des Semesterplans ist, mag auf den ersten Blick verwundern, macht auf den zweiten Blick aber Sinn, weil sie in ihren diversen Unterthemen und Richtungen, ein gewisses Vorwissen zum Verständnis und Verarbeitung voraussetzt.
Das Thema Heterogenität wurde dieses Semester somit ausführlich behandelt und ich konnte für mich und meinen weiteren Berufsweg viel mitnehmen.
Hervorheben möchte ich noch einmal folgende Beiträge:
RV11 – Englischunterricht zwischen Selektion und Inklusion von Dr. Tim Giesler
Auch wenn ich das Fach Englisch | Anglistik nicht studiere, ist doch eine gewisse Nähe zu meinem „großen“ Fach Deutsch gegeben.
Mir hat sehr gefallen wie hier auf die funktionalen und formalen Aspekte, ihre Verbindung | Abhängigkeit zueinander und die Anforderungen für gute Englischlehrkräfte eingegangen wurde. Wenn man nach einer interessanten Vorlesung seine eigene Zeit | Erfahrungen reflektiert, ergeben sich Sichtweisen, die man sonst wahrscheinlich niemals in Verbindung gesetzt hätte. Gerade in der Reflektion habe ich für mich noch einmal herausarbeiten können, worauf es später für mich als (Sprach-) Lehrkraft auch ankommen sollte und was ich mit in meinen Unterricht nehmen muss. (vgl. Doff, Giesler, 2014)
„Während die Fremdsprachenlehrer meiner Schulzeit sicherlich eine Ausbildung und Sprachliche-Fähigkeit auf möglichst „Native-Speaker“-Niveau, gepaart mit der Adoption des Grammatik-Regel-Teils einer Sprache, mitbringen mussten, sollte der/die Fremdsprachenlehrer*inn von heute, auch andere Skills miteinbringen.
… Es geht hier um das Kennenlernen, das Gefühl bekommen. Nicht nur darum, der Reihe nach, einen Satz vorzulesen und alles im britischen Akzent auszusprechen. Kommunikation ist gerade in der heutigen Zeit, mit den heterogenen Klassenzusammensetzungen auch bedingt durch Migration und Globalisierung immer wichtiger. Es ist dann egal ob diese auf Englisch, Deutsch oder sonst wie stattfindet, ob immer grammatikalisch korrekt gesprochen wird, solange sie denn überhaupt stattfindet.“
…Fremdsprachenlehrer*innen müssen mehr denn je, die Anleiter, Vermittler und Dirigenten sein, um einen tollen Bezug zur ersten, zweiten Fremdsprache herzustellen, so dass es Spaß macht sich auszutauschen und auszuprobieren. Der Rest kommt dann von ganz alleine.“
(aus: Uni-Blog Tiepner IP / Heterogenität, RV11 – Englischunterricht zwischen Selektion und Inklusion)
…und:
RV09 – Umgang mit Leistungsheterogenität von Sven Trostmann
Sicherlich einer der größten „oha-Momente“ in dieser Vorlesungsreihe war, als mir aufgezeigt wurde wie große der Anteil, nach Studien u.a. von Helmke, Lipowsky, 2007; Hattie, 2009 & Zierer, 2014, der Lehrkräfte an der schulischen Leistung / Lernerfolg ist.
… „In der Schätzfrage der Präsentation habe ich mich selber bei 40-60% eingeordnet und lag damit im Mittelwert der Ergebnisse von 2019. Ich war sehr überrascht, das laut verschiedener Studien (u.a. Helmke, Lipowsky,…2007; Hattie 2009 & Zierer 2014) Der Anteil der Lehrpersonen an der schulischen Leistung / Lernerfolg nur bei ca. 20-25% liegt.“…
(aus: Uni-Blog Tiepner IP / Heterogenität, RV09 – Umgang mit Leistungsheterogenität)
Für mich und meine Rolle als zukünftige Lehrkraft soll das jedoch nicht bedeuten, dass der Einfluss der Lehrer*innen damit nicht sonderlich hoch bzw. wichtig, sondern ganz im Gegenteil: als ein immer noch elementarer Bestandteil der Leistungsheterogenität, in Verbindung mit anderen Faktoren wie z.B. das Elternhaus oder sozio-ökonomische Kriterien, ist.
„Kinder und Jugendliche aus den unteren Statusgruppen scheitern in den Schulen an der Starrheit institutioneller Gegebenheiten und Zwänge, der Borniertheit vieler Curricula sowie an gedankenloser Routine und der Arroganz eines Personals gegenüber nichtbürgerlichen, bildungsfernen Milieus, dessen Attitüden Pierre Bourdieu als „Rassismus der Intelligenz“ (1993) bezeichnet hat.“
(Hiller 2019, S. 148)
„Hillers Aussage ist mir in seiner jetzigen Version zu endgültig. Der „Kampf“ scheint hier bereits verloren, die Schulbildung gescheitert. Aber auch das habe ich in meinen bisherigen, so kurzen, Praxiserfahrungen schon mitbekommen: Es gibt auch immer die, die an Ihren Vorstellungen festhalten, für jeden alles geben. Die immer mehr machen, und nie richtig zufrieden sind. Die außer der Reihe und abseits von Konventionen und Regeln denken.
…Diese Erfahrungen sind dann das, was mich auch weiterhin an meine „romantischen Lehramtsstudenten-Ideologie“ glauben lassen.“
(aus: Uni-Blog Tiepner IP / Heterogenität, RV09 – Umgang mit Leistungsheterogenität)
__________________________________________________________
- Zu welchen zwei erziehungswissenschaftlichen Fragestellungen, die Sie in der Vorlesung kennengelernt haben, würden Sie gerne mehr erfahren im weiteren Studium im Bezug auf das Modulthema UMHET? Welche haben Sie vermisst? Bitte begründen Sie Ihre Wahl.
Auch wenn die Vorlesungsreihe sehr umfangreich war und viele sinnvolle und vor allem praxisorientierte Themen beinhaltet hat, kann sie niemals alles abdecken. Für mich wären folgende weitere Themen sehr interessant in dieser Reihe:
- Heterogenität in Bezug auf Religion:
Sicherlich, auch gerade aktuell, ein interessantes Thema, mit dem wir uns in Bremen und vor dem Hintergrund der Migration und der Flüchtlingsthematik beschäftigen sollten.
- Heterogenität und Mehrsprachigkeit:
Die RV10 – Mehrsprachigkeit als Ausgangspunkt und Ziel von Prof. Dr. Andrea Daase hat das Thema bereits interessant und ansprechend aufgegriffen. Hier würde ich gerne noch weiter in die Tiefe gehen, zumal das Thema ähnlich wie beim Punkt Religion, aktueller ist denn je.
- Mobbing | Ausgrenzung | Schulverweigerung:
Für mich ebenfalls aktuelle und gerade für die Praxis unheimliche wichtige Themen, die wertvolle Tipps und Informationen für uns als zukünftige Lehrkräfte bereithalten könnten. Wahrscheinlich könnte man vom Umfang her, hier eigene Seminare ansetzen. Literatur:
__________________________________________________________
Literatur:
Deutschlandfunk Kultur v. 09.03.2020, Interview: Julia Petry im Gespräch mit Dieter Kassel, Grundschule: Viele Kinder sind eigentlich nicht beschulbar“)
https://www.deutschlandfunkkultur.de/grundschule-viele-kinder-sind-eigentlich-nicht-beschulbar.1008.de.html?dram:article_id=472039
(Zugriff am 31.08.20)
Vock, Miriam; Gronostaj, Anna (2017). Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht, Berlin: Friedrich Ebert Stiftung, 2017
Doff, S. & Giesler, T. (2014). Modern Talking? Möglichkeiten und Grenzen der Vermittlung kommunikativer Kompetenz in offenen Unterrichtsarrangements.
In: Fäcke, C.; Rost-Roth, M. &Thaler, E. (Hrsg.). Sprachenausbildung. Sprachen bilden aus. Bildung aus Sprachen.Hohengehren: Schneider Verlag, 197-204
Hiller, G.-G. (2019): Soziale Benachteiligung und Schulerfolg.In: Sonderpädagogische Förderung heute 64, Ausgabe 2, 2019,Wiesbaden: Beltz Juventa, S. 148-161
Uni-Bremen Blog: Tiepner IP / Heterogenität
RV11 | RV09 | RV10
https://blogs.uni-bremen.de/tiepnerblog/
(Zugriff am 31.08.20)