Transkript Stadtwahrnehmungsspaziergang

Der folgende Text entspricht der Transkription der Audiodatei mit Korrekturen, die allein der Rechtschreibung und Verständlichkeit dienen.

„Ich stehe vor meiner Haustür, es ist ein Mittwoch nachmittag. Ich schaue nach links und rechts, es sind relativ wenige Menschen unterwegs, es ist eine Parallelstraße zu einer größeren Straße in der Neustadt, Wohngebiet, viele Parkplätze, wovon ungefähr die Hälfte belegt sind. Gegenüber von mir ist eine Reihe sich von der Fassade her ähnelnde Häuser. Mehrere Wohnhäuser mit Balkon, mehr davon ohne Balkon als mit. Ich fühle mich hier wohl, ich habe keinen Stress, ich habe keine Angst, ich höre viele mir vertraute Geräusche, ich höre Baugeräusche, ich höre Autos. Auf meiner Haut spüre ich eine leichte Briese, die mir an diesem heißen Tag gut tut. Nun gehe ich auf die andere Straßenseite, um zu gucken wie mein Haus eigentlich genau von außen aussieht und was ich sonst nicht wahrnehme, da ich ausnahmslos immer auf der Straßenseite meines Hauses entlanggehe. Ein in Grundfarbe grau gestrichenes Haus mit weißen Tür- und Fensterbögen, bei mir sind die Gardinen halb vorgezogen, aber die Plissees ganz hochgezogen, weil die Wohnung sich im Erdgeschoss auf Bürgersteigniveau befindet. Und ich bin eigentlich relativ glücklich mit dem äußeren Erscheinungsbild des Hauses und dass ich in diesem Haus wohne und nicht in dem links daneben, weil es nicht so schön ist. Also empfinde ich so etwas wie Stolz, obwohl mir das Haus oder die Wohnung gar nicht gehört. Andererseits auch etwas Neid, weil ich nicht in den oberen Etagen wohne, weil diese Wohnungen alle Balkone zum grünen Innenhof haben, was für mich ein deutlicher Fortschritt ist, wenn man von einer Wohnung ohne Balkon in eine mit zieht. Andererseits heizen sich Dachgeschosswohnungen in der Regel sehr auf, es würde unerträglich warm werden und mich unter Stress setzen.

Jetzt gehe ich in die Richtung einer Straße mit S-Bahn, weil diese Richtung für mich momentan interessanter aussieht und nicht in die andere Richtung, weil dort weniger passiert. Es fliegen Pollen durch die Luft, links eine Straße, die in 10m abgesperrt ist, weil dort 15 moderne Mietwohnungen entstehen, eine Baustelle, auf der gerade keiner ist, man kann trotzdem nicht durchfahren, eine Frau fährt auf einem Rennrad vorbei. Hier sind jetzt einige Läden, ein Beauty-Salon und ein Laden, von dem ich noch nicht weiß, was daraus wird, weil er gerade erst umgebaut wird. Dort waren vorher Wohnungen drin, eine Kunstgalerie, ein Paketlieferant fährt in einem großen Auto vorbei, mit dem ich nicht so gute Erinnerungen verbinde, weil ich das letzte mal als ich ein Paket bekommen sollte, der Lieferant nicht geklingelt hat und ich dem Wagen hinterherlaufen musste. Eine Souterrain Wohnung, die offen steht und aus der Arbeitsgeräusche herausklingen. Im Vorgarten stehen viele Kartons und zusammengefaltete Verpackungen. Daraus schließe ich, dass hier gerade ein Umzug stattfindet. Ich kann mich aber auch täuschen. Obwohl ich mir jetzt doch recht sicher bin, weil hier noch zusätzlich zwei Farbeimer mit Pinsel und Farbpalette stehen und etwas Müll, der dabei produziert wurde.

Ich gehe weiter, laufe über die Straße, und an einer Bar vorbei, die angeblich alle Werder Bremen Fußballspiele übertragen soll. Auf der Fensterscheibe ist ein großes Markenlogo geklebt. Ich war noch nie in dieser Bar, obwohl sie eigentlich die nächste Anlaufstelle wäre, um etwas trinken zu gehen. Aber da ich mich nicht dem Fußballmilieu zuordne, ist dieses nicht interessant für mich. Außerdem habe ich keine Freunde hier in direkter Nähe, die fußballvernarrt sind, wodurch ich bisher auch nicht dazu gekommen bin die Bar zu besuchen.

Ich bin in eine andere Straße abgebogen, laufe diese nun entlang, weil ich sie sehr schön finde, weil jedes Haus auf der rechten Seite verschiedene farbliche Anstriche hat: Apricot, violett, gelb, weiß mit blauen Fensterrahmen, beige, rot, blau, gelb, grau, rosé, orange, hellblau mit einer dunkelblauen Tür. Auf der linken Seite sind die Häuser mehr in Pastellfarben gehalten, aber auch schön. Immer mit einem kleinen Vorgarten, in dem ich, wenn ich dort wohnen würde, vermutlich oft sitzen würde. Viele Fahrräder und Mülltonnen stehen im Vorgarten, ein Dixiklo, ein Haus von Baugerüsten umgeben ist. 103, 110, 112, 106, 101, 97 sind die Hausnummern, in der Reihenfolge, in der sie erblicke. Das System verstehe ich nicht ganz, ich habe mich allerdings auch noch nicht wirklich damit beschäftigt, nach welchem Prinzip Hausnummern tatsächlich vergeben werden. Ein weinendes Kind. Eine Frau mit Kopftuch, eine zweite Frau ebenso mit Kopftuch und dazu ein Mann, und ein zweiter Mann mit Hut. Vermutlich die Mutter des weinenden Kindes versucht es zu beruhigen, ein zweites Kind sitzt im Kinderwagen, aber die Mutter scheint ganz ruhig zu bleiben, sie scheint sich wohlzufühlen in dieser Straße. Dazu weiß ich, dass am Wochenende oft an den Enden der Straße, wo sich jeweils größere Straßen mit mehr Verkehr befinden, Absperrgitter aufgebaut werden, damit die Kinder auf der Straße spielen können, ohne, dass die Eltern Angst haben müssen.

Ich erreiche nun die Gastfeldstraße, hier laufen viel mehr Menschen rum, es fahren wesentlich mehr Autos, es gibt sehr viele Restaurants, kleine Cafés, Textilpflegeläden, Schuhläden, viele Busse fahren vorbei, ein anscheinend neu eröffnetes Fitnessstudio, dass mit viel Werbung an den Schaufenstern, Luftballons, Werbeaufstellern und Hinweisen mit Kreide auf dem Bürgersteig geschrieben wirbt, ein leerstehender Laden, daneben ein Lokal.

Jetzt bleibe ich stehen und schaue in beide Richtungen: In der einen Richtung spielt sich wesentlich mehr ab, weil mehr Menschen von dort kommen, eine Straßenkreuzung mit Ampel, und wenn ich weiter gucke, scheint immer mehr zu passieren, vermutlich, weil dort die Pappelstraße beginnt, in der sich sehr sehr viele Läden befinden. Von Eiscafé bis zu Blumenläden bis zu Drogeriemärkten bis zu Sparkasse und Apotheken – alles, was man braucht, scheinbar. Man fühlt sich ganz anders als in einer der Straßen gerade eben, wo man fast alleine war und nur alle fünf Minuten jemand getroffen hat. Jetzt trifft man alle fünf Sekunden jemanden, wodurch ich auch das Gefühl habe, dass mein Stresslevel etwas ansteigt. Andererseits fühlt man sich auch nicht allein, das ist auch ein gutes Gefühl.

Jetzt stehe ich an der Kreuzung und ich gucke in Richtung Innenstadt, sehe die Türme des Doms und davor das Theater am Leibnizplatz. Es kommen viele Fahrradfahrer und man muss aufpassen, dass man nicht auf dem Radweg steht, damit man nicht angeklingelt wird. Das ist für mich unangenehm, weil ich als Radfahrer selber weiß wie es ist, wenn man mit dem Fahrrad unterwegs ist und schnell irgendwie hin möchte und jemand im Weg steht, vor allem, wenn bspw. gerade die S-Bahn anhält und die ganzen Personen aus der Bahn aussteigen, über den Fahrradweg auf den Fußgängerweg gehen und es dadurch vor allem in der Rushhour zu einem Fahrradstau kommt. Es passiert aber auch manchmal, dass jemand jemanden ganz leicht anfährt. Aber da habe ich zum Glück bisher nichts Schlimmes gesehen.

Ich stehe jetzt vor einem Blumenladen, der sehr viele verschiedene Blumen, Pflanzen und kleine Bäumchen draußen stehen hat von 1,99€ bis 43,50€ ist hier alles dabei und ich finde, dass sehr viele schöne Pflanzen dabei sind, die ich gerne kaufen würde, allerdings habe ich nicht so viel Platz. Gegenüber ein Lebensmittelmarkt in rot, in dem ich hauptsächlich einkaufe. Davor steht eine Frau auf einem Fahrrad mit einem Kind im Kindersitz hinten drauf und an der gegenüberliegenden Ampel steht eine weitere Frau mit einer Tüte Äpfel in der Hand.

Ich habe das Gefühl ich kenne diese Kreuzung in und auswendig. An der anderen Ecke befindet sich eine Bäckerei, auf der anderen ein Optiker und 100m weiter hinten in Richtung Flughafen folgt eine zweite Bäckerei/Konditorei, von der ich weiß, dass sie die Brötchen und Brote noch selber backen, weshalb ich dort in der letzten Zeit sehr oft eingekauft habe und mich auch wohlgefühlt habe, da die Verkäuferinnen alle sehr freundlich waren und man das Gefühl hatte, dass sie in einer gewissen Art und Weise dankbar sind. Ich vermute, dass dort weniger Leute einkaufen als in der Bäckerei an der großen Kreuzung, von welcher ich weiß, dass es eine Filiale einer Kette ist, weil es noch einige weitere in Bremen gibt, u.a. wurde an der Domsheide eine neue Filiale eröffnet und ich habe das Gefühl sie sind mir dankbar, weil ich ein junger Kunde bin, der relativ oft dort einkauft, aber ich bin auch zufrieden, weil die Preise für die Brote nicht hoch sind, die Gebäckstücke sehen nicht so perfekt aus wie in der Bäckereikettenfiliale, dafür kostet es etwas weniger. Deswegen unterstütze ich das gerne und ich habe auch einmal recherchiert im Internet, weil ich wissen wollte, wo man bei Bäckern einkaufen kann, die ihre Brötchen, Brote und Gebäcke wirklich komplett selber backen und sich diese Sachen nicht liefern lassen, zwei Minuten in den Ofen packen und im Grunde nur wieder aus dem Schockfrost aufwecken und dann als frische Brötchen verkaufen.

Ich warte bis die Ampel grün wird und gehe dann über die Straße. Mir kommen drei Personen entgegen, der Ton der Ampel erklingt, ich kann über die Straße gehen und laufe nun die Pappelstraße entlang. Am Anfang der Pappelstraße gibt es ein Kleidungsgeschäft für Frauen, ein Mobilfunkanbieter, ein kleiner Lebensmittelhändler, ein Friseursalon, die Sparkasse. Hier findet man auf kürzester Distanz viele Läden, die man häufig besucht und die in der Regel ausreichen, um alles zu kaufen, was man braucht. Neben mir befindet sich nun ein Rohmilchkäse-Spezialitäten Laden, der unter anderem damit wirbt, dass er Käseplatten nach Wunsch erstellt und sie haben noch einen Aussteller vor dem Laden stehen, der für verschiedene Käsespezialitäten wirbt. Ich war noch nie in diesem Laden drin, aber er erweckt mein Interesse, weil ich immer mehr auf den Geschmack von anderen Käsesorten als nur Gouda gekommen bin. Auf der anderen Straßenseite befindet sind ein portugiesisches-spanisches-lateinamerikanisches Restaurant, wo ich auch noch nicht war, aber dass auch sehr einladend aussieht. Daneben ein Textilreinigungsladen, diesen Laden werde ich evtl bald besuchen, um meine Arbeitskleidung reinigen zu lassen. Ich gehe weiter und erreiche eine Konfisserie, einen Laden, wo es sehr viel Schokolade gibt, ein Puppen-Bären-Haus, ein Fotografie-Laden, einen weiteren Bäcker, von dem ich auch weiß, dass er zu einer Kette gehört, weil sie auch zwei Filialen am Hauptbahnhof hat.

Jetzt biege ich ab, gehe nach rechts, weil mich diese Straße irgendwie anzieht, weil sie sehr schöne Häuser hat und auch sehr grün ist. In den Vorgärten befinden sich viele Rosen, rechts steht eine Birke, die wie ein Schirm vor der Sonne und vielleicht auch Regen schützen könnte. Es entsteht ein Gefühl von Geborgenheit, weil die Sonne durchscheint und man immer noch durch den halbdurchlässigen Schirm durchschauen kann. Die Blätter gehen nur bis Kopfhöhe. Auf der anderen Seite befindet sich ein Wintergarten vor einem Haus, weiß angestrichen mit rotem Holz zwischen den Fenstern. Dort würde ich auch gerne drin sitzen. Ich gehe weiter, vier offene Fenster, ein Paketlieferant, dem gerade die Tür aufgemacht wurden ist und eine Unterschrift bekommt. Ein weiteres Haus, vor dem ganz viele Sachen stehen und aus dem Haus kommen ganze viel Hammergeräusche, zwei große Behälter in denen ganz viel Baumüll liegt, deswegen vermute ich wieder eine Renovierung oder einen Aus-/Umzug. Eine wirklich sehr schöne Straße mit verschiedenen Häusern. Mir wurde mal erzählt, dass der Bremer Stil so ist, dass immer zwei Häuser wie gespiegelt aneinander stehen, zumindest der obere Bereich: Der Dachgiebel ist mal flach, mal spitz, mal mit Fensteraufsatz, mal komplett flach, mal eine kleine Luke. In dieser Straße würde ich sehr gerne wohnen.

Auf der rechten Seite befindet sich ein Haus mit 12 großen Fenstern, die ungefähr zwei mal drei Meter sind und es sieht ein bisschen abgewrackt aus, weil dort halb abgerissene Plakate hängen. In dem Gebäude steht nichts mehr, es sieht verlassen aus oder wie ein Rohbau, der noch nicht vollendet wurde. Aber wenn ich mir vorstelle, dass man diese Gebäude wieder etwas herrichtet, könnte es wieder einige coole Wohnungen und Bewohner beherbergen oder einen Laden oder Ateliers oder Büros, weil es sehr große Fenster hat. Dadurch könnte es in den Räumen aber auch unangenehm warm werden, wenn so wie jetzt die Sonne hereinscheint.

Ich bin am Ende der Straße, der Wind bläst etwas stärker und ich gehe nach rechts. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich ein Haus mit blauem Anstrich. Die Fassade ist nicht glatt, sondern wird gesprengt durch zwei längs hohe Hausvorsprünge, die den dazugehörigen Wohnungen noch mehr Platz schenkt. In den Hausvorsprüngen und auf den Balkonen sehe ich sehr viele Pflanzen (Bananen, Palmen, Tomaten, usw.), wodurch es fast etwas urig aussieht. Aber sie sehen sehr schlapp aus, vermutlich lässt die Sonne die Pflanzen schwitzen.

Ich gehe in die nächste Straße links, wo scheinbar auch sehr coole Wohnungen sind. Ein Haus, wo unten ein Fahrradabstellkeller ist und ein „handgemachte Accessoires“ Laden und ab der ersten Etage sind immer Balkone mit vielen großen Pflanzentöpfen, die durch eine Holz-Metallseil-konstruktion gehalten werden. Das Haus selber hat einen roten Anstrich. Wenn ich dort wohnen würde, würde ich niemals ausziehen. Rechts daneben ein weiteres Haus mit zwei runden Fenstern, die waagrecht in der Mitte geteilt sind und der obere Teil geöffnet ist. Auf der rechten Seite ein Haus mit einer schönen Wendeltreppe als Aufgang, noch eins, wo eine edel geschwungene Treppe unter ein Vordach zur Haustür führt. Mittlerweile ist es ein anderes Gefühl, weil ich in dieser Straße noch nicht war, aber es ist momentan auch nicht so schön von den Häusern her, weshalb ich am liebsten noch schneller gehen würde, um das Ende der Straße zu erreichen und in ein Gebiet zum kommen, in dem ich mich wieder besser auskenne. Auch die folgende Straße kenne ich nicht, doch die Straße, die diese kreuzt ist die, die am Rande der Neustadtswallanlagen liegt, wo ein Park beginnt und nun erreiche ich wieder ein mir bekanntes Gebiet. 30 Meter rechts von mir verläuft die Friedrich-Ebert-Straße, vor mir liegt ein kleiner Teil des Parks.

Ich gehe in den Park hinein, auf der linken Seite sind zwei Figuren aus vermutlich Gusseisen, die bereits im Hellen gruselig aussehen, im Dunkeln gehe ich hier nicht gerne entlang, aber momentan sind hier einige Menschen unterwegs und ich bin nicht allein, wodurch es wieder eine angenehmere Situation wird. Ich wage mich also näher heran und schaue mir die Skulpturen aus der direkten Nähe an. Sie wirken immer noch etwas beirrend auf mich, weil sie sehr groß und dünn sind. Am Rande dieser Parkeinheit steht ein sehr großer Baum, der einen griffigen Schatten wirft und den ich als sehr ästhetisch empfinde, weil der Stamm sehr dick, auch etwas schief und vermutlich schon sehr alt ist. Ich hoffe, dass dieser Baum nicht gefällt wird, weil er nicht nur größenmäßig einen besonderen Teil dieses Parks ausmacht.

Außerdem ist entlang dieses Weges, den ich gerade entlang gehe, ein kleines Rosenbeet. Klein ist es eigentlich nicht, es sind alle möglichen Farben vertreten von rosa und violett über rot bis zu gelb usw.; unten sind Lavendelpflanzen, kleines Kraut. Ich entscheide mich ein kleines Stück zurückzugehen, um auf einem kleinen Pfad durch das Beet hindurchzugehen, weil es sehr gut duftet. Gerüche habe ich bisher ehrlich gesagt gar nicht beachtet, aber es gab bisher auch nicht wirklich besondere Gerüche, obwohl ich an Restaurants und Feinkostläden vorbeigegangen bin, die mich hätten stehen lassen können oder in eine bestimmte Richtung hätten locken können. Hier wiederum riecht es sehr gut, ich könnte mich hier auf diese Bank setzen, die sehr einladend wird, aber ich tue es nicht, deshalb gehe ich weiter. Links von mir ein von Zäunen umgebener Platz, wo Kinder Fußball spielen, Tischtennis, zwei Männer sitzen daneben auf einer Bank und rauchen. Hier sind wieder mehr Menschen unterwegs, ca. alle zehn Sekunden fährt ein Fahrrad vorbei und Fußgänger kommen mir entgegen, junge Menschen, vermutlich Studenten, aber auch ältere Menschen mit weißen Haaren, aufgrund der Temperatur eher leicht bekleidet mit kurzen oder auch luftigen Hosen, wenn sie lang sind. Dazu von Top mit weitem Ausschnitt bis zu Hemden und Blusen. Eine S-Bahn kommt angefahren und fährt weiter, aber nicht in Richtung meines Hauses.

Ich stehe jetzt unter dem Portal des Theaters und stelle mich in den Schatten, weil die Sonne auf meinem Nacken gebrannt hat. Ein Kind auf einem Fahrrad fährt vorbei, die Mutter schlendert daneben mit einem zweiten Kind im Kinderwagen, mehrere Menschen warten an der Straße auf das Grünschalten der Ampel. Ich frage mich seitdem ich hierher gezogen bin, warum diese Portal direkt an der Kreuzung gelegen nicht auch der Eingang ist, weil es für mich sehr mächtig wirkt und eine gute Repräsentation dieses Theaters betreiben würde, aber der Eingang liegt tatsächlich auf der anderen Seite auf dem Innenhof der Schule, zu der das Theater auch dazu gehört, die beiden Institutionen teilen sich das Gebäude. Ich gehe weiter in Richtung Wilhelm-Kaisen-Brücke, es fährt ein Feuerwehrwagen vorbei und viele Autos. Wenn ich jetzt weiter gehen würde, würde ich Richtung Innenstadt gehen, aber ich beende den Weg jetzt hier. Und werde weiter reflektieren, aber dies wird weiter im schriftlichen passieren.“

Einleitung Stadtwahrnehmungsspaziergang

Die Methode des Stadtwahrnehmungsspazierganges begegnete mir das erste mal im Wintersemester 2015/16 in einem Seminar namens „Ethnografische Stadtforschung“. Dort beschäftige ich mich aus mehreren theoretischen Perspektiven mit Stadtethnologie und untersuchte urbane Räume unter anderem auf Auswirkungen von Globalisierung und Transnationalisierung. Anhand von exemplarischen Stadtethnografien behandelte ich außerdem Themen wie urbane Popular-, Sub- und Konsumkulturen. Um über die theoretischen Ansätze hinaus zu blicken, unternahmen wir eine Exkursion und sprachen mit der Leitung eines Bremer Ortsteiles. Dieser Ausflug hat mich sehr beeindruckt.

Eine Aufgabe in dem Seminar lautete einen Stadtwahrnehmungsspaziergang auszuführen, den ich nun wieder  unternehme. Ich werde von meiner Haustür starten, eine halbe Stunde aufmerksam durch die Straßen Bremens gehen und meine Eindrücke dabei mit einem Aufnahmegerät dokumentieren. Start ist dementsprechend die Neustadt, das Ende wird sich im Laufe des Spazierganges ergeben. Während diesem Spaziergang versuche ich durch Sehen, Hören, Riechen und Fühlen möglichst viel meiner Umgebung wahrzunehmen und allen äußeren Reizen bewusst zu werden (hilfreich sind hier die Anweisungen von John O. Stevens auf Seite 18 und 19). Dabei werde ich auch beachten, wie sich die Reize auf mein körperliches Befinden auswirken. Natürlich ist es unmöglich alles auf einmal wahrzunehmen, aber es ist mein Anspruch bzw. der Anspruch der Methode des Stadtwahrnemungspazierganges aufmerksamer durch die Straßen zu gehen als im Alltag ohne Augen für seine Umgebung auf dem Weg zu einem bestimmten Ort zu sein. Das einfache Sehen erreicht damit eine nächste Stufe und wird bei reiner Konzentration auf das Wahrnehmen zum Erkennen. Folgende Unterpunkte helfen bei der Orientierung:

  • Soziale Interaktion auf der Straße: Wen sehe ich? Was tun die Menschen? Welche Aktivitäten?
  • Materielle Umwelt/ Raumnutzung: Geschäfte, Wohngebiete, Dreck, Graffiti, Straßenkunst, etc.
  • Sinnliche Wahrnehmung: Welche Geräusche, welche Gerüche?
  • Veränderungen von Ort zu Ort?
  • Eigene Gefühle und Irritationen

Dementsprechend ist der im Anschluss erscheinende Beitrag sehr subjektiv und gibt allein meine Wahrnehmung wider. Ich betreibe diesen Spaziergang, um mir selber wieder möglichst vieler Bestandteile des urbanen Raumes bewusst zu werden und im Anschluss mit Äußerungen der Befragten vergleichen zu können.

Inspiration oder Liebesode an Stockholm

Wie ich bereits im Vorhaben erwähnt habe, verbrachte ich das fünfte Semester meines Bachelor Studiums im Ausland. Dafür nahm ich am Erasmus Programm teil und flog im August 2016 für ein Auslandssemester nach Stockholm. Woher das Interesse für diese nordische Metropole im Land der Elche? Meine Familie fuhr mit mir mehrere Jahre nach Schweden, als ich noch kleiner war. So war mir das Land und die Kultur zumindest schemenhaft bekannt und ich konnte mit Schweden etwas anfangen. Mit Stockholm hatte mich aber noch nicht wirklich beschäftigt, weil menschengefüllte Städte an sich für mich zu der Zeit tendenziell eher uninteressant waren und Schweden wenn dann eher durch seine vielfältige Natur bekannt ist.

Generell bin ich nach der Schulzeit direkt in das Studium gestartet, wodurch ich kein sogenanntes Gap Year absolviert habe, in dem Abiturienten für Programme wie „Au pair“ oder „Work und Travel“ für eine längere Zeit ins Ausland gehen. Das Auslandssemester erschien mir nun jedoch eine Möglichkeit zu sein, eine solche Erfahrung nachzuholen, wenn auch kürzer und in einem akademischen Rahmen.

Das Stadtleben in Bremen gefiel mir nach den ersten zwei Studienjahren sehr gut, vor allem, da ich eher auf dem Land aufgewachsen bin und die städtischen Vorzüge danach umso mehr genossen habe. Deshalb informierte ich mich im Internet über Stockholm und was diese Stadt zu bieten hat. Und so schaffte sie es trotz anfänglicher Hemmungen, mich nach einiger Zeit in ihren Bann zu ziehen, weshalb ich mich auf einen der Studienplätze begeistert bewarb und letztendlich auch bekam und somit in den hohen Norden flog. Sich allein in einer komplett neuen Umgebung mit anderen Menschen, Strukturen und Witterungsverhältnissen zurechtzufinden, gestaltet sich zu Beginn nicht einfach. Raus aus meiner bekannten Umgebung habe ich mich somit in das Wirrwarr einer anderen Stadt geworfen, in dem in keine Person kannte und alles neu entdecken musste. Dazu kam die fremde Sprache, die ich in Bremen bisher nur in einem Anfängerkurs bruchstückhaft für grundlegende Kommunikation gelernt hatte. Das alles war aufregend und teilweise beängstigend, macht aber zugleich auch den Reiz eines solchen Abenteuers aus.

Mein Entdeckungsdrang, diesen neuen geografischen und sozialen Bereich zu ergründen, wuchs von Tag zu Tag. Zu Beginn galt es, die öffentlichen Verkehrsmittel kennenzulernen, um sich überhaupt flexibel bewegen zu können. Stockholm ist Bremen sowohl mit seinem weit ausgebauten (und künstlerischen) U-Bahn- als auch Schiffsverkehr-Netzwerk voraus. Wenn man sich erstmal im Zentrum befindet, ist alles sehr gut zu Fuß zu erlaufen. Ich begab mich nach meinen Seminaren, meist Nachmittags in die Stadt und ging selten zu den gleichen Orten spazieren (außer zu meinen Lieblingsorten). Selbst wenn ich zu Orten wiederholt ging, nutzte ich dabei unterschiedliche Routen, was meine räumliche Vorstellungskraft erweiterte und mich fit hielt, sodass ich immer seltener meine Stadtkarte oder Google Maps brauchte, um mich weiter zu orientieren. Außerdem bietet jeder Stadtteil, jede Straßenecke eine neue Überraschung in den unterschiedlichsten Formen und Farben! Der südlichen Stadtteil Södermalm gilt als „Hipster“-viertel, möglicherweise vergleichbar mit dem Viertel in Bremen. Die Teile Östermalm (Osten) und Vasastan (Nordwesten) gelten als „Reichenviertel“, welche mit Schwachhausen vergleichbar sind. Stockholm liegt wie Bremen auch direkt am Wasser und wird auch durch es getrennt: In Bremen ist es die Weser, in Stockholm sind es von Osten kommend die Ostsee und von Westen kommend der Ausläufer Riddarfjärden des Sees Mälaren. Außerdem gibt es in beiden Städten auch Inseln, in Stockholm sind es nur etwas mehr (14). Je weiter ich die Stadt kenngelernte und entdeckte, desto wohler fühlte ich mich in ihr und erkannte diverse Unterschiede, aber auch jede Menge Gemeinsamkeiten mit Bremen. Am Ende meiner Zeit in Stockholm hatte ich das Gefühl, dass ich bald ein Touristenführer sein könnte – so viel wie ich über diese schöne Stadt wusste.

Nun wisst ihr, woher mein konkretes Interesse und die Inspiration kommt, einen Blog über Stadt als Lebens- und Bedeutungsraum rührt: Das halbe Jahr im Ausland, raus aus meiner gewohnten Lebensumwelt, hat mich nun dazu bewegt, mehr über den Menschen in der Großstadt herauszufinden.