Auswertung des Mental Mapping

Die Methode soll der Untersuchung der „Beziehung von Menschen zu ihrer unmittelbaren sozialräumlichen Umwelt in biographischer Perspektive“ (Behnken/Zinnecker 2010: 547) dienen. Dementsprechend gehen die Ergebnisse in Form der Karten weiter als nur einfache Übersichtskarten einer Stadt und visualisieren das gesamte persönliche Umfeld der ausgewählten Personen. Werden die Ergebnisse eingehend betrachtet, können viele subjektiven Beziehungen (erweitert durch die verbalen Erläuterungen) gut wahrgenommen werden.

Die befragte Person hat als erstes den Hauptbahnhof eingezeichnet, welcher für sie als genereller Orientierungs, „Dreh- und Angelpunktpunkt“ in der Stadt gilt und von dem alles ausgeht. Außerdem führe der Weg nach Cuxhaven zur Familie über den Bahnhof, auch innerhalb Bremens lässt sich der Weg darüber im Normalfall nicht vermeiden. Als Zweites erwähnt sie ihr Zuhause in Findorff, als Drittes die Uni als Ausbildung- und Lernort, der außerhalb des Zentrums liegt. Danach erwähnt sie die Innenstadt zusammen mit der Domsheide als sekundärer zentraler Ort, das „Viertel“ (Oster- und Steintorviertel) und ergänzend die Schlachte (Restaurantmeile nahe „Am Brill“) als Freizeitorte. Außerdem spricht sie von der Weser als „ausschlaggebend für Bremen“, weil dieser Fluss für sowohl die Bewohner als auch die Stadt selber prägend ist. Anschließend führt sie den Weg in die Neustadt zu alter Wohnung in der Nähe der Haltestelle „Pappelstraße“ an, zu der sie viele negative Erinnerungen hat aufgrund einer misslungenen Nachbarschaft.Weg nach Hastedt zur Arbeit; Bürgerpark; Findorff als zweiter Wohnort in Bremen wie Zufluchtsort, in dem sie sich jetzt bis auf den Weg im Dunkeln sehr wohfühlt, da dort auch viele Freunde aus der Heimat (Cuxhaven) wohnen und deshalb gut zu erreichen sind.

Auf der Skizze hat sie auf Anfrage Grenzen gezogen, die ihre Karte in einzelne Bereiche einteilt: Chronologisch aufgezählt hat sie danach die Teile „Zuhause/mein Viertel“ (Findorff), das „Zentrum als Orientierungspunkt“ (Hauptbahnhof und Stadt), „Freizeit und Spaß“ (Viertel, Schlachte, Weser, Deich, und Werdersee) und „Ausbildung und Job“ (Universität und Arbeit) und den früherer Wohnort in der Neustadt.

Sortiert sie die Orte nach Bedeutung, entsteht folgende Reihenfolge: 1. Zuhause (Findorff), 2. Freunde in Findorff und 3. Hauptbahnhof. Sortiert sie die Orte nach Aufenthaltsdauer, entsteht eine ähnliche Reihenfolge: A) Zuhause, B) Freunde und C) Freizeit und Spaß.

Es gibt andererseits auch Orte, die sie so gut wie es geht vermeidet oder hintenanstellt, weil sie Unwohlsein hervorrufen: Erstens wäre das ein Teil vom Weg vom Bahnhof nach Hause, auf dem sie durch einen Tunnel gehen muss, der vor allem in der Dunkelheit beängstigend sei; zweitens die Neustadt durch die Erinnerung an das ehemalige Wohnverhältnis und drittens der Werdersee, weil sie nur auf Bitte ihrer Freunde anstatt zum Weserdeich zu ersterem geht.

Orte, an denen sie sich noch nie aufgehalten habe, sind Regionen, die sich weiter außerhalb des Stadtgebietes befinden, z.B. Oberneuland oder Tenever. Ein Grund für die Abneigung gegenüber diesen Orten sei ihrer Meinung nach ein schlechter Ruf. Gröpelingen im Vergleich ist auch nicht ihr Lieblingsviertel, allerdings findet sie diesen Stadtteil interessant. Sie würde in diese Viertel nicht fahren, wenn sie nicht muss. Auch zu dem Bereich, der zwischen dem Zentrum und der Uni bzw. der Arbeit liegt, habe sie keinen Bezug (bis auf ein paar Ausnahmen). Sie fährt sonst maximal durch dieses Gebiet, um zu einem bestimmten Ort zu kommen, aber sie würde sich dort nicht explizit aufhalten, wenn es keinen weiteren Grund gäbe. Dies könnte sich jedoch z.B. durch den Zuzug von Freunden oder der Eröffnung einer „coolen Bar oder einem guten Restaurant“ ändern. Als Verbesserungsvorschläge hält sie außerdem den Ausbau der Verkehrsstruktur sowohl in den genannten Stadtvierteln als auch in Findorff für sinnvoll. Eine bessere Verbindung (z.B. durch S-Bahnen) zwischen den Stadtvierteln würde bereits einen großen Beitrag leisten.

Ihre wesentlichen Zeichnungen und eigens angeführten Erzählungen beendet sie mit „Ich glaube ich habe so alle Punkte, die für mich in meinem Leben in Bremen irgendwie ein Rolle spielen aufgemalt und ich glaube das wären auch die Sachen, die ich jemandem zeigen würde, der nicht von hier kommt – außer vielleicht die Arbeit“.

Da das Thema Heimat und zu Zuhause bereits in der anderen Methode von großer Bedeutung war, habe ich es auch hier angesprochen: Das Verhältnis zwischen ihrem Heimatort und Bremen sei aber insofern schwierig, als dass es von verschiedenen Komponenten beeinflusst werde. Was ihren Heimatort (Cuxhaven) angeht, hänge sie sehr daran, weil sie ein Familienmensch sei und sich gerne zu Hause aufhalte, gerne auch mal eine längere Zeit. Aber sie kann dort beruflich nichts machen, weshalb es dort in Richtung Zukunft keine erfolgsversprechenden Aussichten gäbe. Dazu kommt, dass ihre Freunde aus der Jugend auch alle weggezogen sind und sich somit außer ihrer Familie dort niemand mehr dauerhaft aufhält. Der Gegenpol Bremen wird gleichzeitig immer interessanter, weil viele ihrer Langzeitfreunde mittlerweile in Bremen leben sowie neue Freunde, die sie durch das Studium kennengelernt hat. „Ich glaube ich könnte nicht genau sagen, wo ich mich wohler fühle oder wo ich lieber bin.“ Vom Stadtbild her gesehen fände sie Cuxhaven schöner. Bremen biete zwar einige Vorzüge wie durch gut ausgebauten öffentlichen Verkehr, Freizeitangebote, etc., Cuxhaven liege aber wie Bremen auch am Wasser und hat dazu einen schönen Strand und Hafen zu bieten. Im Anschluss berichtet sie, dass sie bereits nach sehr kurzer Zeit an einem neuen Ort den Begriff „Zuhause“ oder „nach hause gehen“ verwendet und dass Bremen für sie auf jeden Fall ein Stück Zuhause sei, weil sie hier nun seit drei Jahren lebe. Ergänzend erzählt sie, dass Heimat für sie „eigentlich da ist, wo man herkommt, wo die Wurzeln liegen“.

Vor und während der gesamten Methode muss durchgehend Acht gegeben werden auf sämtliche Formulierungen, um Suggestivfragen und konkrete Handlungsanweisungen zu vermeiden, um die befragte Person nicht richtungsweisend zu beeinflussen. Dies beginnt bei der Zeichenaufforderung, bei der bereits mit der Nennung des Wortes „Karte“ eine Assoziation zu einer topografischen karte bewirkt werden kann. Möglicherweise hatte die Person eine andere Art und Weise der Skizzierung im Kopf, wodurch letztere verdrängt wird durch die Idee einer einfachen Stadtkarte mit wenig kreativen Eigenanteil. Andererseits ist es z.B. wichtig vor dem Skizzieren ein wenig geografisch einzugrenzen, damit zwischen den beiden Methoden Vergleiche gezogen werden können. Alle Formulierungen beeinflussen den Inhalt und die Qualität des Ergebnisses (Helfferich 2014: 245).

Bei der Karte geht es weiterhin nicht um Ästhetik und dass das Resultat in irgendeiner Art und Weise schön aussieht: Das Ziel ist erreicht, wenn eine möglichst persönliche Darstellung der eigenen Lebenswelt erfolgt ist und die dazugehörigen Erläuterungen die Zeichnung vervollständigen. Dies ist in dem Sinne ein Vorteil, dass zu dem Gesprochenen eine Visualisierung hinzugefügt wird, die das Hineinversetzen erleichtert. Ebendiese kann z.B. bei Forschungen helfen, die Probanden mit vielfältigen Persönlichkeiten befragen wie Kinder, Nicht-Muttersprachler, etc. . Natürlich gibt es Kritik an der Methode, da kognitive Karten ihren Ursprung in der wirklichen Stadt haben, die dreidimensional ist und durch die Zeichnung auf zwei Dimensionen beschränkt wird. Dazu kommt, dass sinnliche Erfahrungen schwierig zeichnerisch zu erfassen sind und dadurch oft außen vor gelassen werden (Ziervogel 2011: 203-204). Dennoch sind Mental Maps meiner Meinung nach ein guter Ansatz, um räumliche Bedeutungen, Zusammenhänge und Handlungen zu erfassen und nachzuvollziehen. Vor allem im Vergleich lässt sich demnach gut feststellen, ob es sich bei dem sichtbar gewordenen Gedankengut um individuelle oder kollektive Ideen handelt.

Zum Vergleich der drei Methoden hier (XXX Link XXX) entlang!