„Wir müssen immer wieder eigenständig Probleme lösen“

Interview mit Andreas Stolpmann, Felix Thielke und Tim Laue vom Robocup-Team „B-Human“

Interviewpartner

Das Team B-Human besteht aktuell aus zehn Studierenden der Universität Bremen sowie den Betreuern Dr. Thomas Röfer vom DFKIForschungsbereich Cyber-Physical Systems und Tim Laue von der Universität Bremen. B-Human tritt seit 2009 bei den RoboCup German Open und der Weltmeisterschaft in der Standard Platform League an und hat siebenmal die deutschen Meisterschaften gewonnen und viermal den Weltmeistertitel errungen.

Kurz nach der Rückkehr aus China sprach Resonanz mit Tim Laue und den beiden studentischen Vizeweltmeistern Felix Thielke und Andreas Stolpmann. Thielke ist seit Herbst 2014 im Team und schreibt in diesem Kontext an seiner Bachelor-Arbeit. Andreas Stolpmann ist seit Herbst 2011 dabei und gehört damit zu den alten RoboCup-Hasen. Er bereitet seine Master-Arbeit vor.

Resonanz: Was hat euch in China am meisten beeindruckt?

Stolpmann: Zunächst das subtropische Klima mit viel Regen und wenig Sonne. Dazu jede Menge Menschen, von denen kaum jemand englisch spricht.

Thielke: Die Orientierung in der chinesischen Umgebung war nicht einfach. Deshalb haben wir nur in Restaurants gegessen, deren Speisekarte bebildert war.

Resonanz: Wie habt ihr Euch auf den Besuch im Reich der Mitte vorbereitet?

Stolpmann: Ehrlich gesagt: Wir waren bis zur letzten Minute mit unseren Spielern beschäftigt. Unser Ziel war es, bei der Weltmeisterschaft gut abzuschneiden. Da war an die kulturelle Vorbereitung auf China nicht zu denken. Und beim RoboCup, das haben uns die Erfahrungen vor einem Jahr in Brasilien gezeigt, befindet man sich mit den anderen Teams in einer Art Blase. Für Tourismus ist da keine Zeit.

Resonanz: Warum seid ihr nicht Weltmeister geworden?

Stolpmann: Tatsächlich waren die anderen, also das australische Team besser. Wir haben nicht so gut gespielt wie bei den German Open in Magdeburg. Da haben wir ja gewonnen.

Resonanz: Woran lag es, dass ihr diesmal nicht so gut wart?

Thielke: Die Geschwindigkeit unserer Roboter war nicht optimal. Das Problem haben wir nicht in den Griff bekommen.

Stolpmann: Ein bisschen lag es auch an den Robotern selbst. Wenn die einige Jahre im Einsatz sind, leiern die Gelenke aus und die Roboter gehen dann auch mal kaputt.

Laue: Die meisten unserer Roboter sind drei Jahre alt und haben sich entsprechend verschlissen. Das bedeutet, wir können sie im Spiel nicht mit Höchstgeschwindigkeit laufen lassen. In Hefei standen wir vor der Wahl: Laufe schnell und falle häufig hin oder laufe langsamer und bleibe aufrecht stehen. Wir haben uns für die zweite Option entschieden. Das war richtig, weil wir letztlich nur im Endspiel unterlegen waren. Die australischen Gegner haben die Möglichkeit, jedes Jahr einige neue Roboter anzuschaffen, so dass mehrere ihrer Spieler mit Höchstgeschwindigkeit gelaufen sind. Für uns reichte es dann leider nicht zum Titelgewinn.

Resonanz: Vizeweltmeister ist ja auch eindrucksvoll. Ihr gehört seit vielen Jahren zur absoluten Weltspitze im RoboCup. Wie lässt sich das erklären?

Laue: Das Stichwort ist Kontinuität. Und zwar einmal bei den betreuenden Personen, also Thomas Röfer und mir. Wir sind tatsächlich schon 15 Jahre dabei, ich damals noch als Student. Auch viele Studierende sind mehrere Jahre beim RoboCup-Projekt mit dabei, im Bachelor- und Masterstudium und mit den Abschlussarbeiten. So wird Wissen weitergegeben. Diese Kontinuität ist schon eine Bremer Besonderheit.

Resonanz: Wie seid ihr auf die Fußball-Roboter aufmerksam geworden?

Stolpmann: Thomas Röfer bietet die Vorlesung „Praktische Informatik“ an. Er zeigte uns ein Video von einer RoboCup-WM – und in dem Moment wusste ich, das ist mein Projekt. Ich habe mich dann um einen Projektplatz beworben, den Zuschlag bekommen und bin seit vier Jahren im Team.

Thielke: Bei mir war es ähnlich. Der letzte Motivationsschub kam auch durch die Vorlesung von Thomas Röfer. Allerdings hatte ich die Roboter bereits beim feierlichen Studienauftakt spielen sehen und mir gleich gedacht: Da möchtest du mitmachen.

Felix Thielke, Andreas Stolpman und Tim Laue (v.l.) mit dem Roboter des Teams "B-Human"

Felix Thielke, Andreas Stolpman und Tim Laue (v.l.) mit dem Roboter des Teams „B-Human“

Resonanz: Wie ist das Projekt ins Studium integriert?

Laue: In der Informatik müssen die Studierenden im Bachelor- und Masterstudium jeweils ein einjähriges Projekt belegen, für das es viele „credit points“ gibt und das einen großen Teil der Note ausmacht. Zum Projektangebot in der Informatik gehört auch der RoboCup. Um diese Integration ins Studium beneiden uns viele Universitäten. Viele RoboCup-Teams machen das zusätzlich in ihrer Freizeit.

Stolpmann: Bei uns gibt es für Projekte sehr viel Raum im Lehrplan, wir können viel Zeit investieren, viel ausprobieren und selbstständig lernen. Im Bachelorstudium hat man die Möglichkeit, sich erst mal an die Materie heranzutasten. Die intensive Projektarbeit geht dann meistens im Master los, wenn man schon mehr Ahnung hat.

Laue: Damit die Theorie nicht zu kurz kommt, empfehlen wir Querveranstaltungen, die zum Projekt passen und in denen Kenntnisse vermittelt werden, die man im Projekt anwenden kann.

Resonanz: Wie sieht die Projektarbeit konkret aus?

Stolpmann: Wir stehen im Projekt immer wieder vor Problemen, die wir eigenständig lösen müssen. Dazu schauen wir nach, was andere bereits gemacht haben, lesen Paper und versuchen so, das Problem in den Griff zu bekommen. Insofern handelt es sich um selbständiges Arbeiten und forschendes Lernen.

Thielke: Auch im Bachelor wird faktisch Forschungsarbeit betrieben. Ich behandle in meiner Bachelor-Arbeit das Thema Bildverarbeitung, konkret geht es um Ballerkennung. Bei meiner Arbeit beziehe ich mich auf die Kategorie Technical Challenges bei der Robo-Cup-WM. Dabei geht es darum, dass ein Spieler innerhalb von drei Minuten mehrere beliebige Bälle ins Tor schießt. Für die Erkennung der Bälle habe ich einen Algorithmus geschrieben.

Resonanz: Wie bist du dabei vorgegangen?

Thielke: Ich habe die entsprechende Fachliteratur durchgearbeitet und dann versucht, diese Erkenntnisse auf unser System zu übertragen. Das ist für mich wissenschaftliches Arbeiten. Und die Anwendung passiert im Team. Da muss man zusammenarbeiten und dafür sorgen, dass ein Rädchen ins andere passt. Weil das gut klappt, sind wir Vizeweltmeister geworden.

Laue: Man muss vielleicht noch darauf hinweisen,dass sich die Regeln beim RoboCup ständig ändern. Das Feld wird größer, die Tore sind nicht mehr farbig, sondern weiß. Früher waren sie knallgelb oder blau und konnten auch durch weniger intelligente Software erkannt werden. Die Anforderungen an die Programmierung sind heute viel höher.

Thielke: Auch die Bälle waren bisher orange und damit gut erkennbar. Demnächst werden die Bälle wohl größer und sind wahrscheinlich weiß. Meine Arbeit bestand nun darin, die Roboter so zu programmieren, dass sie die Bälle schnell erkennen. Zunächst stellt sich mir die Frage: Wie gehst Du vor, um das Problem zu lösen? Die Schritte zur Lösung musste ich mir selbstständig erarbeiten und im Team rückkoppeln. Aber genau die eigenständige Lösungssuche, manchmal auch mit Irrwegen ist das Spannende. Dadurch unterscheidet sich das Projekt von anderen Lehrveranstaltungen, bei denen die Lernziele festliegen.

Laue: Es stellen sich also für jedes Jahr neue Herausforderungen, die die Studierenden meistern müssen. Wie gehe ich das Problem an? Was könnte eine Lösung sein? Lösungsoptionen müssen geprüft und oft genug auch verworfen werden – kurz: forschendes Lernen.

Resonanz: Was ist das Thema deiner Masterarbeit?

Stolpmann: Bei meiner Masterarbeit soll es voraussichtlich um das Erkennen von gegnerischen Robotern mit den Methoden der Künstlichen Intelligenz gehen. Ich hoffe, dass meine Erkenntnisse dazu beitragen, dass das Bremer Team auch im kommenden Jahr bei der Robo-Cup-WM wieder ganz vorne mitmischt.

Resonanz: Die ist ja dann in Deutschland…

Laue: …ja, die RoboCup-WM 2016 findet in Leipzig statt. Wenn wir wieder bestehen wollen, müssen wir uns voraussichtlich neue Roboter kaufen. Dafür benötigen wir die Unterstützung der Universität, des DFKI und natürlich von Sponsoren aus Bremen und umzu.

 

Das Interview führte Eberhard Scholz.

 

 

Bildnachweis:

  • Fotos: Harald Rehling

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