Studierende organisieren ein Repair Café gegen die Wegwerfgesellschaft

von Sigrid Kannengießer

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In immer mehr Städten und Dörfern in Deutschland finden sogenannte Repair Cafés statt – Veranstaltungen, bei denen Menschen zusammenkommen, um gemeinsam defekte Alltagsgegenstände zu reparieren. Ob Textilien, Fahrräder oder Medientechnologien, viele der Teilnehmenden dieser Veranstaltungen versuchen durch das Reparieren die Nutzungsdauer ihrer Konsumgüter zu verlängern und damit der geplanten Obsoleszenz (der künstlichen Reduzierung der Nutzungsdauer eines Gerätes) entgegen zu treten. Seitdem 2009 die Idee der Repair Cafés in den Niederlanden entwickelt wurde, hat sich das Konzept über verschiedene Länder verbreitet (http://repaircafe.org/about-repair-cafe/). Vor allem in Westeuropa organisieren Menschen zunehmend solche Treffen, um ein Zeichen gegen die Wegwerf- und Konsumgesellschaft zu setzen. In Deutschland will die Stiftungsgemeinschaft Anstiftung & Ertomis die Repair Cafés vernetzen (http://anstiftung-ertomis.de/selbermachen/repair-cafe/termine). In Berlin wurde bereits ein Repair Café mit einem Umweltpreis der Stadt ausgezeichnet (Berlin Online 2013). Auch in Bremen fanden bereits einzelne solcher Initiativen statt: So wurde in Bremen Nord ein Repair Café organisiert und ebenso ein „Repair Café für Elektro-Kleingeräte“ durch die Bremer Umwelt Beratung e.V. in den Weserterrassen. Ein Repair Café zu organisieren, war auch das Ziel eines im Sommersemester 2014 unter der Leitung von Sigrid Kannengießer stattfindenden Praxisseminars des BA-Studiengangs Kommunikations- und Medienwissenschaft.

Das Praxisseminar „Repair Café“

Elf Studierende der Kommunikations- und Medienwissenschaft sowie (über den General Studies-Bereich) der Soziologie und Politikwissenschaft planten, organisierten und führten schließlich zwei Repair Café-Veranstaltungen im Juni und Juli 2014 im Café noon in der Bremer Innenstadt durch. Das Café noon wurde als Ort ausgewählt, da es – durch die Bremer ZwischenZeitZentrale (http://zzz-bremen.de/blog/) vermittelt – Räumlichkeiten des leerstehenden Lloydhofs nutzte und damit, ebenso wie die Repair Cafés, die Idee der Verlängerung der Nutzungsdauer verfolgte (seit September 2014 betreibt das noon die Gastronomie des Kleinen Hauses des Goethetheaters).

Eine der zentralen Aufgaben für die Studierenden war, „ExpertInnen“ zu finden, die als Freiwillige während der Veranstaltung ihre Reparaturhilfe für die mitgebrachten Alltagsgegenstände anbieten würden. Schnell stellte sich heraus, dass viele der SeminarteilnehmerInnen selbst diese Funktion für verschiedene Gegenstände übernehmen konnten. Denn neben der Fahrradreparatur verfügen die Studierenden über Fähigkeiten in der Laptop-, Smartphone- und Radioreparatur sowie dem Nähen von Textilien, die sie sich selbst angeeignet hatten. Dennoch holten sich die Teilnehmenden für die Veranstaltungen Unterstützung bei Bekannten und Freunden sowie bei den MitarbeiterInnen des Second-Hand-Ladens „Wedderbruuk“ und dem Projekt für nachhaltiges Produktdesign „nonesssentials“ (ebenfalls Zwischennutzungsprojekte im Lloydhof), die auch als „ExpertInnen“ fungierten.

Neben dieser „ExpertInnen-Suche“ entwickelten die SeminarteilnehmerInnen ein Logo, entwarfen Flyer und Poster, betreuten eine Veranstaltungsseite auf Facebook (https://www.facebook.com/repairbremen) und führten Presse- und Öffentlichkeitsarbeit durch. So berichtete neben dem Weser Kurier (Bücker 2014) auch das Delmenhorster Kreisblatt (Schnackenburg 2014), die Bremer Touristik-Zentrale (Albig 2014) sowie Radio Bremen in einem Beitrag in der Sendung „buten un binnen“ (2014) über das studentische Projekt. Auch das studentische Online-Magazin KROSSE lud zum Repair Café ein (Makowski/Böhme 2014).

Abbildung 1: Von Studierenden entworfenes Plakat für das Repair Café

Abb. 1: Von Studierenden entworfenes Plakat für das Repair Café

U.a. aufgrund dieser erfolgreichen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit waren beide im Rahmen des Praxisseminars organisierten Repair Café-Veranstaltungen sehr gut besucht: Eine Vielzahl von Menschen brachte unterschiedliche defekte Alltagsgegenstände mit, die sie mit der unentgeltlichen Unterstützung der freiwilligen „ExpertInnen“ (meist erfolgreich) reparierten. Dabei war es wichtig, dass die BesucherInnen ihre Gegenstände mit Unterstützung, aber selbst reparierten. Neben der Reparatur stand der Austausch der Teilnehmenden im Vordergrund: Nicht nur wurde Wissen über Reparaturmöglichkeiten und
-prozesse ausgetauscht, auch wurde über die geplante Obsoleszenz, die Relevanz von Repair Cafés und die Motivation der Teilnehmenden diskutiert.

Die Motivation der SeminarteilnehmerInnen

Die das Repair Café organisierenden Studierenden beschreiben ihre Motivation in den im Anschluss an das Seminar abzugebenden Projektberichten unterschiedlich: So erklärt ein Studierender, er wolle mit dem Repair Café „Menschen einen Raum […] geben, um sich selbstständig und -bestimmt mit Technologie auseinanderzusetzen, sie zu erkunden, zu durchdringen und sich der von ihnen genutzten Technik zu ermächtigen. Eine solche Entwicklung halte ich für notwendig, damit diese Technik nicht nur einigen Spezialisten überlassen bleibt. Ich finde es wichtig, dass eine Demokratisierungsdynamik entsteht, die Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, Geschlecht, Milieu oder Status dazu befähigt, mit zunehmend alltäglicher werdenden Technologien selbstbewusst und kompetent umzugehen.“ Neben dieser Aneignung von Technologien, lag eine weitere Motivation der Teilnahme an dem Praxisseminar auch im Umweltschutz: „Ich habe mir in den letzten Jahren schon oft Gedanken darüber gemacht, wie ich als einzelne Person Kleinigkeiten dazu beitragen kann, die Umwelt zu schützen, nachhaltiger zu leben und zu konsumieren. […] Meiner Meinung nach bieten Veranstaltungen wie diese jedem einzelnen die Möglichkeit einen kleinen Beitrag für die Nachhaltigkeit zu leisten, indem eben kein neues Radio gekauft wird, sondern das alte wieder funktionstüchtig gemacht wird,“ erläutert eine Studentin. Mit dem Repair Café will sie ein Thema setzen: „Ein zusätzlicher Motivationspunkt bildet sich für mich darin, dass durch solche Veranstaltungen wie das Repair Café das Thema Umwelt und Nachhaltigkeit einfach zum Gesprächsthema wird und die Menschen anfangen, sich über diese Themen Gedanken zu machen, wenn sie es vorher nicht schon getan haben.“ Dabei ist sie sich der Wirkungsgrenzen des Repair Cafés bewusst: „Vielleicht kann ein kleines Repair Café keinen signifikanten Unterschied herbeiführen, aber mit dem Gedanken, dass auf der ganzen Welt immer mehr Repair Cafés entstehen, kann man unser Repair Café als etwas Großes sehen, das in der Lage ist, etwas zu bewirken.“

Eine weitere Studentin betont die Bedeutung des Wissensaustauschs im Repair Café: „Es [öffnet] Raum in einer Gesellschaft, die oft von Zeitdruck und Stress geprägt ist, gemeinsam etwas zu lernen, Fähigkeiten zu teilen und sich einfach wieder bewusst zu werden: Was konsumiere ich eigentlich und wie funktioniert das? Wie kann ich es reparieren/mit wem kann ich es reparieren? Und brauche ich das überhaupt?“ Solche und ähnliche Fragen diskutierten die Studierenden wiederholt. Ihre Motivation veranlasst einige der SeminarteilnehmerInnen des Praxisseminars auch zukünftig (jenseits von Studienleistungen und Credit Points) weitere Repair Café-Veranstaltungen zu organisieren (siehe hierzu Informationen auf https://www.facebook.com/repairbremen).

Repair Cafés als Gegenstand der Kommunikations- und Medienwissenschaft

Das Praxisseminar wurde in dem BA-Studiengang Kommunikations- und Medienwissenschaft durchgeführt. Aus medien- und kommunikationswissenschaftlicher Perspektive sind Repair Cafés auf verschiedenen Ebenen interessant: So werden hier (auch) Medientechnologien repariert. Diese sind im Kontext der Repair Cafés besonders relevant, da die Absatzzahlen von Medientechnologien in unserer Gesellschaft rasant steigen (Statistisches Bundesamt 2013, 13ff.). Die beiden im Rahmen des Praxisseminars durchgeführten Veranstaltungen zeigten, dass die Nachfrage nach Reparaturhilfe bei Laptops und Smartphones besonders groß ist. Viele Teilnehmenden dieser Veranstaltungen versuchen, durch das Reparieren ihrer Computer, Smartphones, Fotokameras etc. den Neukauf entsprechender Produkte zu vermeiden, oftmals in dem Bewusstsein, dass diese unter ökologisch und sozial hoch problematischen Bedingungen produziert und entsorgt werden.

Ein solches Bewusstsein ist in der allgemeinen Bevölkerung jedoch noch nicht weit verbreitet. Auch in der Medien- und Kommunikationswissenschaft stehen die Medientechnologien selbst kaum im Fokus (Hartmann/Wimmer 2011, 8) und noch weniger die Problematik der Produktions- und Entsorgungsprozesse dieser Apparate. So werden die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen in Sweat Shops, in denen Medientechnologien produziert werden (s. z. B. Chan/Ho 2008, Maxwell/Miller 2012), die ökologischen Auswirkungen dieser Produktion (s. z. B. Bleischwitz et al. 2012) sowie die Entsorgung der Technologien (s. z. B. Bily 2009, Robinson 2009) eher selten thematisiert.

Über diese ökologischen und sozialen Auswirkungen der Produktion und Entsorgung von Medientechnologien reflektierten auch die Studierenden zu Beginn des Praxisseminars. Anhand von Texten wurden Themen von der Problematik des Coltanabbaus im Kongo bis hin zur Elektroschrottentsorgung in Ghana diskutiert: Während das für die Herstellung von Smartphones, Laptops etc. notwendige Coltan von Personen (oftmals unter Zwang) im Kongo unter unmenschlichen Bedingungen abgebaut wird und Warlords durch den Verkauf dieser Ressource ihren Krieg finanzieren (s. z. B. Dürr 2010), wird der Elektroschrott nach einer kurzen Nutzungsdauer der Medientechnologien u.a. in Ghana (illegal) entsorgt und vergiftet hier Mensch und Umwelt (s. z. B. Böck 2011). Auf dieser Diskussionsbasis reflektierten die Studierenden in ihren Projektberichten nicht nur über die Relevanz der Repair Cafés als Veranstaltung, sondern auch über die Anschlussfähigkeit dieses Phänomens für die Kommunikations- und Medienwissenschaft.

Über die Autorin:

Sigrid Kannengießer ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung.

Literatur:

Albig, Theresa (2014): Repair Café Bremen: Trau dich zu reparieren. Online: http://blog.bremen-tourismus.de/repair-cafe-bremen-trau-dich-reparieren/, zuletzt abgerufen am 1.9.2914.

Berlin Online (2013): Reparaturkultur wieder erweckt – Umweltpreis für Repair Café. Online: http://www.berlinonline.de/nachrichten/pankow/reparaturkultur-wieder-erweckt-umweltpreis-fur-repair-cafe-44295, zuletzt abgerufen am 1.9.2014.

Bily, C. A. (Hrsg.) (2009): What Is The Impact of E-Waste? Detroit.

Bleischwitz, R./Dittrich, M./Pierdicca, C. (2012): Coltan from Central Africa, international trade and implications for any certification. In: Rescources Policy 37/2012, 29-29.

Böck, Hanno (2011): Europa exportiert gefährlichen Müll. Elektroschrott vergiftet Ghana. Online: http://www.taz.de/!80959/, zuletzt abgerufen am 1.9.2014.

Bücker, Saskia (2014): Repair Café in der Innenstadt. Reparieren statt entsorgen. Online: http://www.weser-kurier.de/bremen/vermischtes2_artikel,-Reparieren-statt-entsorgen-_arid,880821.html, zuletzt abgerufen am 1.9.2014.

Chan, J./Ho, C. (2008): The Dark Side of Cyberspace: Inside the Sweatshops of China’s Computer Hardware Production. Berlin. Online: http://goodelectronics.org/publications-en/Publication_2851/ Zuletzt abgerufen am 13.1.2014

Dürr, Benjamin (2010): Umkämpftes Coltan. Der Stoff, aus dem die Handys sind. Online: http://www.stern.de/digital/telefon/umkaempftes-coltan-der-stoff-aus-dem-die-handys-sind-1551021.html, zuletzt abgerufen am 1.9.2014.

Hartmann, Maren/Wimmer, Jeffrey (2011): Einleitung. In dies. (Hrsg.): Digitale Medientechnologien: Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft. Wiesbaden, S. 7-26.

Makowski, Julia/ Böhme, Gesa-Marie (2014): Bremens neues Repair Café startet. Online: http://krosse.info/?p=5086, zuletzt abgerufen am 1.9.2014.

Maxwell, Richard/Miller, Toby (2012): Greening the Media. Oxford u.a.

Robinson, B. H. (2009): E-waste: An Assessment of Global Production and Environmental Impacts. In: Science of the Total Environment, 408/2009, S. 183-191.

Schnackenburg, Alexander (2014): Reparatur schlägt Kauf. In: Delmenhorster Kreisblatt vom 19. Juni 2014, S. 18.

Statistisches Bundesamt (2013): Wirtschaftsrechnungen. Einkommens- und Verbrauchsstichprobe Ausstattung privater Haushalte mit ausgewählten Gebrauchsgütern. Fachserie 15, Heft 1, Wiesbaden.

 

 

Bildnachweis:

  • Autorinnenfoto: Sigrid Kannengiesser (privat)
  • Abb. 1: Clara Greta Tischer

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