Leistung und Teamgeist – welche Effekte hat die heterogene Zusammensetzung?

von Tobias Bernhardt

Foto des Autors

Klassische Untersuchungen, z. B. die von Cartwright (1968) gehen davon aus, dass ein hoher Gruppenzusammenhalt positive Effekte auf die Zufriedenheit der Gruppenmitglieder bewirkt. Außerdem kann unter bestimmten Voraussetzungen die Arbeitsleistung ansteigen. McGrath hat 1984 dazu festgestellt, dass ein gewisser Grad an Homogenität hinsichtlich sozialstruktureller Merkmale z. B. dem Alter, förderlich sei. Neuere Arbeiten gehen davon aus, dass sich Verschiedenartigkeit in Gruppen positiv auf die Gruppenleistung auswirkt (van Knippenberg & Schippers 2007). Allerdings zeigen sich auch andere Befunde: Nachteile von altersgemischten Teams (Wegge, Roth & Schmidt 2008) bis hin zur Diskriminierung (Huxhold & Wurm 2010).

Diese widersprüchlichen Ergebnisse brachten mich zu der Überlegung, welche der genannten Effekte in der universitären Lehre auftreten. Ich dachte im ersten Schritt darüber nach, welche weiteren Differenzierungsmerkmale Studierende aufweisen können. Im zweiten Schritt überlegte ich, wie diese Heterogenität als Potential in die Lehre mit einfließen kann. Was dabei herausgekommen ist, stelle ich im Folgenden dar.

Um mir ein Bild von den Studierenden meiner Seminare zu machen, führte ich eine „Bestandsaufnahme“ unter den Studierenden durch, wobei mich unter anderem interessiert hat, ob die Studierenden bereits eine Ausbildung absolviert bzw. Berufserfahrung gesammelt haben. Das Thema meiner Seminare ist betriebliches Gesundheitsmanagement, daher sind „Praktiker“ von besonderem Interesse.

Nach der Bestandsaufnahme wurden die Studierenden so in Gruppen eingeteilt, dass sie sich in ihrem Heterogenitätsgrad folgendermaßen unterschieden:

Tabelle 1: Heterogenität der Gruppen

Tab. 1: Heterogenität der Gruppen

Jede dieser Gruppen bestand aus sechs Mitgliedern. Ich war mir bewusst, dass eine Mitgliederzahl von sechs Personen die Gruppenprozesse ggf. hemmen kann. Allerdings gibt es durch diese Mitgliederzahl mehr Kombinationsmöglichkeiten in Hinblick auf den Arbeitsauftrag, als bei kleineren Gruppen (4 Möglichkeiten bei 6 Mitgliedern, 2 Möglichkeiten bei 4 bis 5 Mitgliedern).

Innerhalb dieser Gruppen ging es zuerst darum, ein gemeinsames Thema aus dem Seminar zu finden, das vertieft werden sollte.

Beispiele für Themen waren:

  • „Zunehmende Arbeitsverdichtung, Zeitdruck, neue Anforderungen und Stellenabbau“
  • „Work-Life-Balance“
  • „Soziale Konflikte im Arbeitsleben“

Danach sollten sich die Mitglieder innerhalb der Gruppen gegenseitig Forschungsfragen zu dem ausgewählten Thema stellen und diese an sie gestellten Fragen schriftlich ausarbeiten.

So wurden z. B. bei der Work-Life-Balance gefragt:

  • „Wo liegen die individuellen Probleme bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie?“
  • „Welche familienfreundlichen Maßnahmen bieten große Firmen/Konzerne an?“

Mich interessierte, wer wen als Fragenpartner auswählt, genauer: ob sich eher homogene oder heterogene Personenkonstellationen bilden.

Um nun die Leistung und das Potential der sozialen Beziehungen einer heterogenen Gruppenzusammensetzung bewerten zu können, habe ich Folgendes gemessen:

  • die Benotung,
  • den Teamgeist.

Außerdem interessierten mich noch:

  • die Konstellationen bei der gegenseitigen Fragenformulierung und
  • die Bereitschaft, in der bestehenden Gruppe weiterzuarbeiten.

Benotung

Jeder Studierende erhielt eine individuelle Benotung der schriftlichen Beantwortung der Frage. Um unbewusste Verzerrungen zu vermeiden, anonymisierte ich vor der Benotung die Fragen und die Antworten.

Die Durchschnittsnote ist bei Gruppe 1 am niedrigsten. Die beste und die schlechteste Note liegen lediglich um 0,6 Noten auseinander. Die größte Variation ist mit 1,3 Noten bei Gruppe 3 zu erkennen. Zudem findet sich hier die zweitbeste Durchschnittsnote. Die Mitglieder der Gruppe 2 erreichten etwas bessere Noten als die der Gruppe 4. Die schlechteste Note bewegt sich in diesen Gruppen um eine ganze Note über der Besten.

Teamgeist

„Teamgeist“ setzte sich aus acht Fragen zusammen, die ich im Rahmen einer Zwischenevaluation beantworten ließ. Die Fragen bezogen sich u. a. auf Forschungsergebnisse der Soziologie bzw. Sozialpsychologie. So ermittelte ich bspw. das „Wir-Gefühl“ (Gruppenkohäsion, vgl. Festinger 1950), oder die Veränderung der Leistungsfähigkeit aufgrund der Gruppenzugehörigkeit.

Das Evaluationstool war so angelegt, dass die Seminarteilnehmenden bei acht Fragen Werte zwischen 7 (= hoher Teamgeist) und 1 (=niedriger Teamgeist) vergeben konnten.

Gruppe 1 erreicht mit 6,8 den höchsten Teamgeist, gefolgt von Gruppe 2 mit 5,9. Gruppe 3 kommt auf 3,8 und Gruppe 4 auf 2,7.

Fragenentwicklung

Gruppe 1 hat sich, ebenso wie Gruppe 3 dafür entschieden, zwei Dreiergruppen zu bilden, die sich die Fragen stellten. Bei letztgenannter Gruppe kam es zu einer Separation: innerhalb der beiden Dreiergruppen unterschieden sich die Teilnehmenden relativ wenig, die beiden Gruppen voneinander jedoch schon. Bei Gruppe 2 bildeten sich drei Pärchen. Auch hier lässt sich eine homogene Formierung z. B. in Hinblick auf Alter und Berufsausbildung erkennen. Die Mitglieder der 4. Gruppe haben teilweise für sich selbst Fragen entwickelt, daher gibt es hierzu keine Ergebnisse.

Weitere Zusammenarbeit

Da ein weiterer Arbeitsauftrag folgte, mussten die Teilnehmenden als Gruppe entscheiden, ob sie in der bisherigen Konstellation den neuen Auftrag erfüllen möchten, oder sich lieber in neuen Teams zusammenfinden. Eine Besonderheit des zweiten Auftrages war, dass es, anders als beim ersten Arbeitsauftrag, eine Gruppennote gab. Lediglich die Gruppen 1 und 2 wollten im weiteren Seminarverlauf ihre Zusammenarbeit fortsetzen.

Fazit

Die Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass eine relativ hohe Homogenität, wie bei Gruppe 1, die Note sowie den Teamgeist positiv beeinflussen kann. In Gesprächen mit den Studierenden kam heraus, dass bei dieser Gruppe weitere Aspekte Einfluss genommen haben, die ich vorher nicht bedacht hatte: die Teilnehmenden kannten sich bereits und haben schon vorher als Gruppe zusammengearbeitet. Ein weiterer Aspekt ist, dass die Mitglieder fast alle dieselbe Fächerkombination studieren, wodurch es für die Bearbeitung des Arbeitsauftrages wenig Kollisionen mit anderen Seminaren gab. Dies war eins der Probleme bei den Gruppen 3 und 4. Hinzu kam hier, dass die Schere zwischen Personen mit wenig und viel Berufserfahrung weit auseinanderging. Vor allem die Älteren unter denjenigen mit viel Erfahrung hatten nicht selten zeitlich recht umfangreiche Jobs, was zusätzlich das Koordinieren von Gruppenarbeiten erschwerte. Zusammenfassend lässt sich sagen: vor allem Alter und Berufserfahrung scheinen die Leistung und das soziale Miteinander zu beeinflussen. Unterschiedliche Fächerkombinationen scheinen eher aus organisatorischen Gründen hemmend zu wirken und nicht, weil hier verschiedene Paradigmen aufeinandertreffen.

Auch wenn einige Personen einen Migrationshintergrund aufweisen, war mein Eindruck, dass dies keinen nachteiligen Effekt auf die Gruppe hatte – leider auch keinen offensichtlich Positiven, wie ich es mir erhofft habe. Hier möchte ich in Zukunft noch spezifischere Arbeitsaufträge entwickeln, um die Vorteile eines anderen kulturellen Hintergrundwissens für alle zu nutzen.

Insgesamt konnte ich feststellen, dass es eine Tendenz gibt, bei Wahlmöglichkeit eher homogene Gruppen hinsichtlich der untersuchten Dimensionen zu bilden. Hier gilt es meiner Meinung nach anzusetzen und kreative Ideen zu entwickeln, um das Thema Heterogenität als Potential in der Lehre weiter zu integrieren. So können Studierende und Lehrende nicht nur voneinander, sondern noch stärker miteinander lernen.

Über den Autor:

Tobias Bernhardt ist wissen­schaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Sozialpolitik.

Literatur:

Cartwright, D. (1968). The nature of group cohesiveness. In: Cartwright, D. & Zander, A. (Eds.). Group Dynamics: Research and Theory, 3rd ed., New York: Harper & Row, 91-109

Festinger, L. (1950). Informal social communication. Psychological Review, 57, 271-282

Huxhold, O. & Wurm, S. (2010). Altersdiskriminierung. In A. Motel-Klingebiel, S. Wurm & C. Tesch-Römer (Hrsg.). Altern im Wandel. Befunde des deutschen Alterssurveys (DEAS), 234-245. Stuttgart: Kohlhammer

Mc Grath, J. E. (1984). Groups: Interaction and Performance. Inglewood, N. J.: Prentice Hall, Inc.

van Knippenberg, D. & Schippers, M. C. (2007). Work group diversity. Annual Review of Psychology, 58, 515-541

Wegge, J., Roth, C. & Schmidt, K.-H. (2008a). Eine aktuelle Bilanz der Vor- und Nachteile altersgemischter Teamarbeit. Wirtschaftspsychologie, 3, 30-43

 

 

Bildnachweis:

  • Autorfoto:Tobias Bernhardt (privat)
  • Tab. 1: Tobias Bernhardt (privat)

2 Gedanken zu „Leistung und Teamgeist – welche Effekte hat die heterogene Zusammensetzung?

  1. Lieber Tobias, Dein Beitrag hat mir sehr gefallen, da ich als Sozial- und Arbeitspsychologin die Gruppendynamik in meiner Lehre ebenfalls sehr bedenke. Wie Du ein kleines Untersuchungssetting geschaffen hast, fand ich wirklich kreativ. Und mit Deinem Beitrag Kolleg_innen anderer Fachrichtungen zu erläutern, dass die Dynamik von Gruppen nicht gänzlich in der Hand der Studis ist, sondern auch Mustern folgt, die diese nicht komplett beherrschen, macht Kolleg_innen womöglich etwas nachdenklicher, sich mit diesem Aspekt ihrer Lehre zu befassen und ihre Aufgabenzuschnitte entsprechend zu reflektieren. Dafür ist auch die Literaturliste ja eine Anregung. 🙂 Vielen Dank für Deine Einblicke! Mit besten Grüßen, Sylke Meyerhuber (als artec-Forscherin & FB8 Soziologie-Lehrende)

Schreibe einen Kommentar zu Schockela Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert