Von Bernard Robben
Projektstudium – ist das eine adäquate Form des Studierens für eine Exzellenz-Universität? In den Studiengängen Informatik und Digitale Medien der Universität Bremen gibt es dazu einen breiten Konsens der Befürwortung. Das Projektstudium hat dort eine lange Tradition (Robben 2013). Aber nicht nur die Entwicklung in Folge des Bologna Prozesses macht es notwendig, die Frage nach dem Projektstudium wieder neu zu stellen und seine konkrete Ausgestaltung den heutigen Gegebenheiten anzupassen. Deshalb wurde eine Befragung aller Studierenden in Projekten durchgeführt, mit dem Ziel, die Zufriedenheit und die Kritik der Studierenden gegenüber dieser Studienform zu erheben. Die Ergebnisse wurden am Tag der Lehre breit unter Studierenden und Lehrenden diskutiert. Dieser Artikel versucht eine Zwischenbilanz zu ziehen.
Zur Entwicklung des Projektstudiums in der Informatik
Im Beschluss 151 des Gründungssenats der Universität Bremen vom 21.12.1971 wurde das Projektstudium als „ein Strukturmerkmal der Universität“ beschlossen. „Projekte sollen an der Lösung praktischer Probleme, an der künftigen Berufspraxis orientiert (sein), allerdings nicht in einem die bestehende Berufspraxis bewahrenden, sondern in einem ‚verbessernden’, (demokratisierenden, d.h. revolutionierenden) Sinn“ (Bundesassistentenkonferenz (BAK) 1973, S. 72). In Bremen sollten die Studierenden nicht mehr den vorlesenden Professoren horchen und gehorchen, sondern in Projekten selbständig forschend lernen. Um die inhaltliche Ausgestaltung des Projektstudiums wurde in heftigen Diskussionen und mit langen Konzeptpapieren gerungen.
Als allgemeine Kriterien wurden definiert:
- „Die Fragestellungen der Projekte müssen bezogen sein auf die zukünftige Berufspraxis der Studenten.“
- „Die Projekte müssen problembezogen sein oder genauer: sie müssen von einer relevanten gesellschaftlichen Problemstellung ausgehen und sich vor diesem Kriterium legitimieren.“
- „Die Projekte sollen fächerübergreifend und methodenpluralistisch angelegt sein.“
(zitiert nach Berndt, E.-B. u. a. 1972, S. 185f).
Den Geist dieser Zeit formuliert prägnant der kürzlich verstorbene Bremer Pädagogik-Hochschullehrer der ersten Stunde Johannes Beck:
„Nach 20 Jahren Schul- und Lehrerbildungspraxis muß ich sagen, daß mir meine weitgehend selbstorganisierte Schreinerlehre mindestens genauso viel für die Lehrerpraxis gebracht hat wie die ganze Lehrerausbildung, an der ich teilgenommen habe.“ (Beck 1982, S. 266). Er hebt die Bedeutung von Projekten hervor, die nicht im universitären Raum verbleiben, sondern den Studierenden zum Mittelpunkt des Lebens werden. Und er schwärmt von den Studierenden eines damaligen Projekts:
„Eigene gemeinsame Entdeckungen in Praxis und Theorie der gesellschaftlichen Realität schienen ihnen eine bessere und wirksamere Bildung ihres Wissen und ihrer Fähigkeiten auch für die Lehrerarbeit zu ermöglichen, als das Absolvieren irgendeines vorgeplanten Curriculums. Das dazu ‚notwendige Seminar‘ brachte ca. 25 Teilnehmer für rund zwei Jahre als Gruppe zusammen. Bei der Planung und Durchführung einer Reise in selbst ausgebauten Autobussen in Randgebiete Europas, den Herkunftsländern von Gastarbeitern, lernten sie, miteinander zu wohnen und zu wirtschaften, die Hände und den Kopf beim Haus- und Busausbau zu gebrauchen. Und sie lernten auch, daß Männer und Frauen das alles lernen können, wenn sie es wollen und brauchen, Handwerk, Politik, Sprachen, Selbstvertrauen, Reden. Sie lernten theoretische und praktische Untersuchungen durchzuführen, sie der Öffentlichkeit vorzustellen und sich der Kritik zu stellen.“ (Beck 1982, S. 280)
Das erste Projekt mit vorwiegend informatischen Inhalten hieß UTE (Unterrichtstechnologien) und begann 1972 – also in der Bremer Aufbruchs- und Gründungsphase. Fünf Lehrende und ca. 15 Studierende traten an mit dem Ziel, ein Informationssystem zu erarbeiten, das für die Struktur der geplanten durchgehend projektartigen Organisation des gesamten Studiums an der Reformuniversität Bremen dienlich zu sein hatte. Über die zu Grunde liegenden Konzepte kam es im Projekt UTE bald zum Streit zwischen den beteiligten Hochschullehrern. Von Auseinandersetzungen geprägt war auch die Einrichtung des Studiengangs Informatik. Dafür gründeten sich mehrere Planungskommissionen: zunächst eine Unterkommission Informatik (UKI) der Planungskommission Naturwissenschaften und 1973 die vom Akademischen Senat eingesetzte eigene Planungskommission Informatik (PKI). In diesen Kommissionen wurde um das besondere Bremer Konzept des Informatikstudiums gerungen.
Das erste Konzeptpapier der UKI (Quelle Bremer Universitätsarchiv) geht von der Prämisse aus: „Bei einer Wissenschaft wie der Informatik, die getragen wird von der derzeit höchsten Entwicklungsstufe der Technologie, ist die Gefahr besonders groß, in Faszination vor der Maschinerie erstarrend stromlinienförmig technokratische Studiengänge zu konzipieren. Das kann nicht Absicht eines Studiengangs an der Universität Bremen sein.“ Daraus wird die Forderung abgeleitet: „Da Computer jene Produktionsmittel sind, die im Kapitalismus zur Mechanisierung von Teilen der Kopfarbeit eingesetzt werden, muß im StG I (Studiengang Informatik, Anm. d. Verf.) insbesondere die theoretische Durchdringung der geschichtlichen Ursachen für die Trennung von Kopf- und Handarbeit und die Entstehung der sog. ‚Intelligenzverstärker‘ im Zusammenhang mit Kapitalverflechtung und Monopolkapitalismus, sowie der geschichtlichen Notwendigkeit des Aufkommens der Computer auf einem bestimmten Niveau der Produktivkräfte und die Notwendigkeit ihres Einsatzes für die bewußte Planung der Gesellschaft geleistet werden.“
Erst 1978 wurde an der Universität Bremen der Studiengang Informatik offiziell eingeführt. Da waren die „wilden“ Anfangsjahre der Universität Bremen schon vorbei. Die neu berufenen Informatiker/innen begannen mit einer völligen Neukonzeption von Studien- und Prüfungsordnung. Der Leitgedanke war, eine Verschmelzung von ‚richtiger Informatik’ mit ursprünglich Bremer Intentionen zu erreichen. Das Produkt war – von Details abgesehen – ein Diplom-Studiengang Informatik mit anwendungs- und gesellschaftsbezogenen Komponenten sowie einem Projekt im Hauptstudium, das dort etwa ein Drittel des Stundenumfangs umfasst. Die ideologischen Formulierungen der Gründungsphase wurden nach und nach ersetzt durch pragmatische Forderungen. Der revolutionäre Gestus der Gründungsphase war völlig verschwunden. In der als Wissenschaftsdisziplin neu gegründeten Informatik setzten sich die fachlichen Anforderungen als die dominanten für die Gestaltung der Struktur des Studiums durch. Aber selbst in den Formulierungen der heutigen Studienordnung erkennt man noch Grundelemente des Konzepts des forschenden Lernens aus der Anfangsphase. Und das Projektstudium setzte sich in der Informatik unumstritten als ein konstitutives Element des Informatik-Studiums in Bremen durch.
Projektartige Lehre wurde auch in einzelne Lehrveranstaltungen eingebunden, insbesondere in den Anwendungsfächern und im obligatorischen Software-Praktikum, bzw. Software-Projekt des Grundstudiums, in dem das „Erlernen aller praktischen Aspekte der Softwaretechnik sowie von Datenbankgrundlagen anhand der Entwicklung eines größeren Softwarepakets im Team“ (Studienordnung 2005) das Ziel ist.
Themen und genaue Umsetzung dieser Veranstaltungsform variierten beträchtlich. Je nach der Auffassung der Lehrenden war der Gegenstand des Projekts fester oder offener vordefiniert, wurde die Selbständigkeit und Freiheit der Studierenden weiter oder enger ausgelegt. Aber es gab eine große Übereinstimmung in Grundfragen: Im Gesamtprojekt soll es höchstens 20 Studierende geben. Das eigentliche Projektstudium kann erst im Hauptstudium erfolgen, nachdem im Grundstudium nach fachsystematischen Gesichtspunkten aufgebaute Veranstaltungen dafür die inhaltliche Grundlage gelegt haben. Im Projekt bearbeiten die Studierenden ein umfangreiches Thema über vier Semester lang selbständig in kleinen Gruppen. Einzelergebnisse werden im regelmäßigen, wöchentlich stattfindenden Plenum ausgetauscht. Studierende organisieren ihr Projekt selbst und lernen dabei neben Informatik auch etwas über Projektmanagement und Teamarbeit, was ihnen wichtige Qualifikationen für die spätere Berufspraxis vermittelt. Die Ergebnisse des Projekts werden am Ende im Projektbericht dokumentiert und öffentlich am sogenannten Projekttag vorgestellt.
Die eingeführten Bachelor- und Masterstudiengänge und die Abschaffung des Diplomstudienganges stellen jetzt neue Herausforderungen. Die Unterscheidung zwischen Grund- und Hauptstudium ist obsolet geworden. Zurzeit experimentiert die Informatik damit, die zweijährigen Projekte im Prinzip dadurch beizubehalten, dass Projektthemen und Teilnehmer/innen eines Bachelor-Projekts weitgehend im folgenden Master-Projekt gleich bleiben. Der Studiengang Digitale Medien wurde von Anfang an als Bachelor- und Master-Studiengang aufgebaut, in denen jeweils eigene, kürzere Projekte vorgesehen sind. Die Anpassungen des Projektkonzepts an die Studienbedingungen der kürzeren Bachelor- und Masterstudiengänge anstatt des Diplomstudiengangs sind also noch nicht abgeschlossen, auch wenn der Diplomstudiengang selbst inzwischen ausgelaufen ist.
Debatte über Projektziele
Unter den Lehrenden in den Projekten hat es über die weitere Gestaltung von Projekten eine ausführliche Debatte in mehreren Diskussionsrunden gegeben. Im Zentrum standen hierbei Fragen nach den besonderen Lernzielen in Projekten, die über das jeweilige fachliche Lernziel hinausgehen. Dabei wurden sogenannte Metaziele in drei Bereichen ausgemacht:
- Qualität professioneller Systementwicklung
- „Soft Skills“
- Forschungspraxis und Wissenschaftskultur
Diese wurden jeweils wieder in eine Reihe von Einzelzielen untergliedert, diskutiert und in die Modulbeschreibung des Studienganges eingearbeitet. Inhaltlich wurden Beschreibungen von Kompetenzen generiert, die im Projekt erworben werden sollen. Diese reichen von der Fähigkeit, geeignete Methoden für Aufgabenanalyse, Spezifikation und Systementwicklung im Kontext eines größeren Projekts anwenden zu können, über die Kenntnis fachlicher Netzwerke und Wissenschaftsorganisationen bis hin zu interkultureller Kompetenz in der Projektpraxis. Die Themen der Projekte sind sehr vielfältig und das Herangehen variiert beträchtlich. Dementsprechend werden sie auch unterschiedliche Schwerpunkte setzen, welche von den formulierten Metazielen sie jeweils umsetzen.
Befragung der Studierenden
Parallel zu dieser Diskussion unter den Lehrenden suchten die Verantwortlichen nicht nur individuell die Diskussion mit den Studierenden, sondern beschlossen, eine systematische Studierendenbefragung durchzuführen. Für eine möglichst repräsentative Befragung sollten möglichst alle aktuell in Projekten Studierenden erreicht werden. Da erfahrungsgemäß der Rücklauf in online-Befragungen beschränkt ist, entschied man sich für die Papierform. Im Januar 2013 wurden die Studierenden aller laufenden Projekte der Studiengänge Informatik und Digitale Medien gebeten, an der Evaluation teilzunehmen. Die Fragebögen wurden in den Projektplena verteilt und dort wieder eingesammelt. Insgesamt gaben 187 Studierende einen Fragebogen ab. Das sind fast 100 % der bei den Projekttreffen Anwesenden.
Mit dieser Erhebung sollte eine Grundlage gelegt werden, um in Zukunft regelmäßig Evaluationen des Projektstudiums durchzuführen. Ziel war es deshalb, den Ist-Zustand in den Projekten abzubilden und mögliche Diskussionspunkte für Wünsche nach Veränderungen seitens der Studierenden herauszukristallisieren. Schritte für nötige Anpassungen des Projektkonzepts der Informatik an die Veränderung des Übergangs zu Bachelor- und Masterstudiengängen abzuleiten, war aber nicht Gegenstand dieser ersten Erhebung.
Im Einzelnen gab es im Fragebogen geschlossene Fragen zu drei Themenkomplexen:
- Projektorganisation
- Klima im Projekt
- Bewertung und Benotung
An den Anfang wurde eine Reihe von offenen Fragen gestellt:
- Was hat dich bewogen, dein Projekt unter den vielen Angeboten auszuwählen?
- Was hast du im Projekt gelernt?
- Was war gut im Projekt?
- Was war schlecht im Projekt?
- Welche Änderungsvorschläge hast du?
- Welche Vorschläge hast du, um die Bewertung transparenter zu gestalten?
Ergebnisse der Befragung
Mit dem Themenkomplex „Projektorganisation“ sollte erhoben werden, wie selbständig die Studierenden arbeiten und wie weit sie mehr oder minder festen Vorgaben der Lehrenden folgen. Schon die erste Frage nach den Vorgaben der Themenstellung ergab, dass über 80 % der Studierenden in den Projekten diese als offen und nicht als eng empfinden. Ein weiterer Gradmesser für die Freiheit und Eigenverantwortung der Studierenden war in der Vergangenheit oft, ob das Projekt sich als Ziel setzt, ein lauffähiges informatisches System umzusetzen, oder ob die Erfahrung im Projekt wichtiger ist als ein vorzeigbares Endergebnis. Teilweise wurde darum in der Vergangenheit ein ideologischer Streit um die richtige Projektorganisation ausgetragen. Gegenüber dieser polarisierten Sicht ist das Ergebnis der Umfrage überraschend:
Die überwiegende Mehrzahl der Studierenden (76,8 %) geben an, dass ein lauffähiges System für sie eine verpflichtende Vorgabe für das Ergebnis des Projektes ist; exakt genauso viele bejahen die Aussage, dass der Weg wichtiger ist als das Endprodukt. Ganz offensichtlich werden die beiden Aussagen nicht mehr als Alternativen gesehen, die sich diametral gegenüber stehen. Inhaltlich bedeutet das, dass die Projekte in ihrer übergroßen Mehrheit ein lauffähiges System anstreben. Aber der Erfolg des Projekts wird nicht allein daran gemessen, ob dieses Ziel erreicht wird, sondern eher noch stärker an den auf dem Weg gemachten neuen Erfahrungen.
Das Klima in den Projekten wird als positiv und offen empfunden. Fast alle Studierenden (87,0 %) bejahen strikt, dass im Projekt offen miteinander umgegangen wird. Nur 2,6 % sagen, dass das (eher) nicht zutrifft. 81,5 %, sagen, dass sich das Projekt als Einheit empfindet und alle an einem Strang ziehen. Nur 5,9 % finden, dass das (gar) nicht zutrifft. Auch individuell fühlen sich die Studierenden fast alle (94,6%) wohl im Projekt. Dass das vereinzelt auch anders ist, darf nicht verwundern. Wo Menschen zusammentreffen, gibt es auch Missstimmungen. In den Projekten der Informatik und der Digitalen Medien scheint das nur in sehr geringem Ausmaß der Fall zu sein.
Ganz überwiegend scheint es also zu gelingen, dass ein gemeinsames produktives Arbeitsklima geschaffen wird, das als offen und anregend empfunden wird. 94,1 % der Studierenden gibt an, sich mit den Projektzielen zu identifizieren. Nur eine verschwindende Minderheit tut das nicht (1 % (gar) nicht, 4,8 % eher nicht). Natürlich tauchen im Projekt auch Konflikte auf. Nur etwa ein Drittel (37,4 %) negiert (strikt), das es im Projekt unterschwellige Spannungen gibt, während 14,7 % sich da (ganz) sicher sind. Fast die Hälfte findet etwas unentschieden, dass das eher zutrifft (16,3 %) oder eher nicht (30,5 %) zutrifft. Aber fast alle (95,7 %) geben an, dass dann nach einer gemeinsamen Lösung gesucht wird. Nur 4,3 % sehen das anders.
Nicht ganz so eindeutig ist die Zufriedenheit der Studierenden mit den Betreuenden. Gefragt wurde danach, ob die Studierenden mit der Betreuung insgesamt zufrieden sind und ob die Betreuenden genügend Feedback geben. Insgesamt sind die Studierenden mit der Betreuung der Lehrenden zwar durchaus zufrieden. Rechnet man noch mit ein, dass sich die negativen Antworten nicht gleich auf alle Projekte verteilen, so ergibt sich hier insgesamt ein sehr positives Bild. Aber bei der mehr inhaltlichen Frage nach dem Feedback ergibt sich eine differenziertere Sicht. Hier gibt die Hälfte der Antworten (53,5 %) an, das es (völlig) zutrifft, dass die Lehrenden genügend Feedback geben. Nur ein kleiner Prozentsatz verneint das (entschieden) (7,1 %). Aber ein erklecklicher Prozentsatz sagt, dass das nur eher zutrifft oder eher nicht zutrifft, nämlich 39,5 %. Es scheint also so zu sein, dass ein beträchtlicher Anteil der Studierenden nicht wirklich mit dem Feedback der Lehrenden zufrieden ist.
Bei der Transparenz der Bewertung und Benotung ist die Einschätzung der Studierenden ähnlich. Es überwiegt die positive Bewertung. Aber es schwingt doch eine Menge an Unzufriedenheit im Einzelnen mit. Die Antworten sind nicht gleichverteilt nach Projekten. 44.8 % stimmen (völlig) zu, dass die Bewertung nach transparenten Kriterien erfolgt. Aber immerhin 7 % (weit mehr als bei anderen Fragen) machen hier gar keine Angaben. 13,2 % stimmen (gar) nicht zu, dass die Bewertung transparent ist. 42 % sind etwas unschlüssig, finden, dass es nur eher oder eher nicht zutrifft, dass die Bewertung nach transparenten Kriterien erfolgt.
Zum Abschluss wurde noch einmal allgemeiner gefragt, was gut und schlecht im Projekt war und was man im Projekt gelernt hat. Hier seien die Antworten im Einzelnen dokumentiert. Dabei ist zu beachten, dass es sich um Einzelstimmen handelt. Nicht alle Studierenden machten hier Angaben.
Motiv der Projektwahl
An erster Stelle wird genannt, dass das Thema interessant sein muss. Die Aufzählung gibt die derzeit von Studierenden favorisierten Themen an. Aber es geht nicht nur um ein einzelnes Thema, sondern auch um Praxisorientierung und spannende aktuelle Forschungsthemen. Einen besonderen Reiz haben „echte“ Probleme, insbesondere wenn sie auch dazu führen, dass im Projekt „wirkliche“ nützliche Produkte erstellt werden können. Eine Rolle spielt das Ansehen der Projektbetreuer, die man vielleicht schon kennt, und ob Kommiliton/innen das gleiche Projekt wählen. Manchmal ist es aber auch nur der Zufall.
Was hast du im Projekt gelernt?
Besonders werden inhaltliche Themengebiete der Informatik genannt sowie die Arbeit an großen Software-Systemen, aber auch allgemeinere Kompetenzen wie Teamarbeit, Arbeit in großen Gruppen, selbständiges Arbeiten und Führungsfähigkeit. Oft werden verblüffend einfache selbstreflexive Einsichten über die Niederungen der Projektarbeiten genannt, wie die Notwendigkeit von Geduld, dass oft mal etwas schiefgeht, dass Organisation schwierig ist.
Was war gut im Projekt?
An erster Stelle wird genannt, dass man selbständig und frei an offenen Themenstellungen arbeiten kann. Die Zusammenarbeit mit anderen im Team an einem konkreten Ziel wird hoch bewertet. Außerdem gibt es konkrete einzelne Dinge, wie ein Projektwochenende, Projekttage, sowie Aktivitäten, die über das Projekt hinausgehen, wie Teilnahme an Wettbewerben, Einreichungen in wissenschaftliche Konferenzen, etc.
Was war schlecht im Projekt?
Hier gibt es einen großen Katalog unterschiedlicher Dinge: Ganz oben steht die Kritik an Mitstudierenden, die sich nicht mit dem Projekt identifizieren bzw. nicht kompetent mitarbeiten. Außerdem werden die zähe Themenfindung und der Mangel von klaren Richtlinien durch die Betreuer/innen genannt. Zum Teil wird die mangelnde finanzielle und mangelnde Ausstattung beklagt, insbesondere von den Studierenden der Digitalen Medien. Aber es gibt auch Stimmen, die nichts schlecht finden.
Änderungsvorschläge
In erster Linie werden klarere Vorgaben gefordert. Gleichzeitig sprechen sich viele für mehr Kontrolle durch die Lehrenden aus. Außerdem werden eine bessere materielle Projektausstattung, mehr Projektangebote sowie Angebote für Projekt- und Konfliktmanagementseminare gefordert. Einige fordern längere Projekte, und im Gegensatz ist sogar jemand für die Abschaffung aller Projekte. Mehrmals wird die stärkere Individualisierung und Objektivierung der Bewertung gefordert, und zwar in einer Reihe von Varianten wie Einzelberichte, Code-Reviews und mehr individuelle Feedback-Gespräche. Aber es gibt auch die Forderung, statt der fachlichen mehr die sozialen Kompetenzen im Projekt zu bewerten sowie den Stoßseufzer, dass völlig transparente Bewertung nur durch übertriebene Kontrolle möglich ist.
Fazit
Vorstellungen und Wünsche der Studierenden zu den Projekten sind so vielfältig wie die Projekte in der Informatik. Wie eigentlich zu erwarten, haben die Studierenden unterschiedliche Meinungen, Vorlieben und Wünsche, die in den (zwar oft nur knapp beantworteten) offenen Fragen sehr deutlich werden. Insgesamt ergibt sich eine überaus positive Bewertung des Projektstudiums. Das wird als offen und produktiv bewertet. Auftretende Konflikte versuchen die Projektmitglieder gemeinsam zu lösen. Besonders positiv wird bewertet, dass in den Projekten selbständiges Arbeiten an offenen Themenstellungen stattfinden kann. Bei den vorgeschlagenen Maßnahmen werden von denen, die überhaupt Angaben machen, am häufigsten Maßnahmen genannt, die von den Betreuer/innen mehr Klarheit, mehr Führung und mehr Vorgaben verlangen. Von ihnen scheint die Projektfindungsphase als zu lange und als aufreibend empfunden zu werden.
Damit kristallisiert sich ein Problemfeld heraus, das einer verstärkten Diskussion bedarf: Die Studierenden loben die Offenheit und Freiheit des Studierens im Projekt und fordern gleichzeitig mehr Vorgaben und Anleitung. Dieser Widerspruch betrifft den Kern, was in der Informatik und Digitalen Medien unter den Bedingungen von Bachelor- und Master-Studiengängen in Zukunft als Projekt verstanden wird. Er muss auf dem Hintergrund der Heterogenität der Projekte betrachtet werden, die zum Beispiel die unterschiedliche Leistungsstärke der Studierenden und ihren unterschiedlichen sozialen und kulturellen Background betrifft. Wie soll in Zukunft mit diesen Widersprüchen umgegangen werden? Für wen sind offenere, für wen freiere Projekte geeignet? Wie kann man die Unterschiedlichkeit der Studierenden berücksichtigen? Gibt es andere Vorschläge mit diesem Widerspruch zwischen offener und enger Themenstellung umzugehen?
Über den Autor:
Bernard Robben ist Wissenschaflicher Mitarbeiter in der Informatik AG „Digitale Medien in der Bildung“ und ist insbesondere in der Betreuung von studentischen Projekten engagiert..
Literatur:
Beck, Johannes (1982): Eine not-wendige Lehrerbildung – Erfahrungen und Hoffnungen 1981, in: Diskurs: Bremer Beiträge zu Wissenschaft und Gesellschaft: Zehn Jahre Universität Bremen – Keine Festschrift. Bremen.
Berndt, Elin-Birgit u. a. (1972): Erziehung der Erzieher: Das Bremer Reformmodell – Ein Lehrstück zur Bildungspolitik. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg.
Bundesassistentenkonferenz (BAK) (1970): Forschendes Lernen – Wissenschaftliches Prüfen. Bonn.
Robben, Bernard (2013): Projektstudium in Bremen – (K)Eine Entwicklungsgeschichte, in: Ludwig Huber, Margot Kröger, Heidi Schelhowe (Hrsg.): Forschendes Lernen als Profilmerkmal einer Universität. Beispiele aus der Universität Bremen. Universitätsverlag Webler, Bielefeld.
Bildnachweis:
- Autorfoto: Bernard Robben (privat)
- Abb. 1: Bernard Robben