Das Tutorenprogramm am FZHB: Individuelles Sprachenlernen mit Beratung

von Astrid Buschmann-Göbels

Foto Buschmann-Göbels

Einleitung

Das Fremdsprachenzentrum der Hochschulen im Land Bremen (FZHB) bietet als gemeinsame Einrichtung der vier öffentlichen bremischen Hochschulen neben der Abnahme von Sprachprüfungen und der Entwicklung von Sprachencurricula vor allem die fachlich integrierte wie die fachübergreifende Sprachausbildung an. Die Förderung der Mehrsprachigkeit ist hier ein integraler Bestandteil. Neben dem breiten Angebot an Sprachkursen in über 20 Sprachen sind das individuelle Coaching und die individuelle Sprachlernberatung zentrale Säulen des Angebots am FZHB.

Immer häufiger treten Studierende z.B. im Rahmen von Lernberatung mit Fragestellungen und Lernproblematiken an Lehrende in ihren Kursen heran, die nur vordergründig fachlich einzuordnen sind und von denen die Studierenden glauben, dass sie nicht beeinflussbar seien. Fehlendes Zeitmanagement und unzureichende Lernstrategien stehen hiermit oftmals im Zusammenhang. Eine konstruktive Lernberatung kann helfen, individuelle Lösungsansätze zu erarbeiten. Genau hier setzt das Tutorenprogramm des FZHB an.

Ziel des Tutorenprogramms

Seit dem Wintersemester 2007/08 (Pilotphase) bietet das Fremdsprachenzentrum für Studierende der Uni Bremen sprachübergreifend das Programm „Selbstlernen mit Beratung“ an. Die Teilnehmer lernen eigenverantwortlich und selbstorganisiert eine Sprache, können sämtliche Materialien des Selbstlernzentrums für über 40 Sprachen nutzen und einmal wöchentlich eine individuelle Lernberatung von studentischen Tutoren wahrnehmen, die vom pädagogischen Team des FZHB für ihre Beraterrolle professionell geschult werden. Je nach geleistetem Workload können bis zu 3 ECTS für die aktive Teilnahme am Programm erworben werden. Mit dem Start des Programms wurde u.a. das Ziel verfolgt, mit einer Pädagogik unter Gleichen (Kühn 2008) die Lernprozesse der Teilnehmer zu begleiten; mehr noch, die Teilnehmer zum autonomen Lernen zu ermutigen, zu unterstützen und letztlich zu befähigen.

FZHB-Logo

Abbildung 1: Logo des Fremdsprachenzentrums

Ziele des Programms sind:

  • eine Verbesserung der sprachlichen Studienvoraussetzungen durch persönliche Lernberatung und tutorielle Begleitung beim eigenständigen Sprachenlernen,
  • die Individualisierung des sprachlichen Lernangebots und damit die bessere Anpassung an heterogene Studienanforderungen und unterschiedliche Stundenpläne,
  • eine Verbesserung der Nachhaltigkeit des Sprachenlernens durch die Fokussierung auf Autonomieförderung, Handlungsorientierung und Kompetenzorientierung

Aufgabe der TutorInnen ist es vorrangig, sprachübergreifend Hilfestellungen zum Selbstlernen zu geben. Dies bedeutet konkret, dass die TutorInnen den Studierenden bei der Lernwegplanung und Materialbeschaffung helfen. Dazu gehört das Erstellen eines individuellen Lernplans, Hilfe beim Zeitmanagement, kontinuierliche Lernberatung, Durchsicht und Kommentierung erstellter Lernprotokolle im am FZHB entwickelten ePortfolio EPOS und die Hilfestellung bei der Projektarbeit. Diese Projektarbeit erfolgt kontinuierlich, ist an formulierte Lernziele gekoppelt und wird zum Ende des Durchgangs auf einer großen Präsentationsmesse im Selbstlernzentrum des FZHB präsentiert. Die Projekte werden dann von Lehrkräften evaluiert.

Augenblicklich arbeitet das FZHB mit 16 TutorInnen. Kriterien für die Auswahl geeigneter BewerberInnen waren z.B. die Fähigkeit zur Teamarbeit, die Bereitschaft, Lerner sprachübergreifend zu beraten, Interesse an und Kenntnisse in der Arbeit mit multimedialen Lernressourcen sowie gute Fremdsprachenkenntnisse, d.h. Englisch plus mindestens eine weitere Fremdsprache. Vor Beginn des Programms wurden die TutorInnen in einem mehrtägigen Workshop intensiv geschult und auch während des Tutorenprogramms wurden und werden die TutorInnen in wöchentlichen Treffen für ihr Aufgabenfeld ausgebildet.

Geleitet werden diese Ausbildungsmaßnahmen von Dr. Astrid Buschmann-Göbels (Englisch und Projektkoordination), Dr. Bärbel Kühn/FZHB (Lernpsychologie und Autonomes Lernen und Gesamtleitung), Christine Rodewald/FZHB (Deutsch als Fremdsprache / Lernberatung) und Rüdiger Fehse/FZHB (Mediendidaktik und Sprachenportfolio).

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Abbildung 2: Teilnehmerzahlen nach Fachbereichen im Studienjahr 2012/13

Inhaltliche Ausgestaltung

Der Terminus „Autonomes Sprachenlernen“ wird derzeit fast schon inflationär verwendet und man muss sich die Frage stellen, wie autonomes Sprachenlernen definiert ist. Das Konzept der Lernerautonomie erscheint in unterschiedlichen didaktischen Kontexten (z.B. situativ, entwicklungspsychologisch, strategisch-technisch, konstruktivistisch, handlungstheoretisch). Wird autonomes Lernen nicht nur als bloße Form der individuellen Wissensaneignung verstanden, stellt die stetige Reflexion über das eigene Sprachenlernen wünschenswerterweise einen integralen Bestandteil dar. Sprachbewusstheit bzw. Sprachlernbewusstheit führt zu einem besseren Verständnis des eigenen Lernprozesses. Beratung beim Selbstlernen sollte Reflexion über das eigene Lernen anregen und unterstützen.

Es ist zu beobachten, dass es nicht mehr nur den Lernort „Universität“ oder „Zuhause“ gibt. Die Lernorte sind vielfältiger Natur und dem trägt das Tutorenprogramm mit seiner Flexibilität von Beginn an Rechnung. Nachhaltiges Lernen und eine tragfähige Kompetenzentwicklung können sich dann entwickeln, wenn Lernende den Rahmen und didaktischen Raum erhalten, sich autonom, produktiv und aktiv in sozialem Austausch und selbsttätig mit der Sprache auseinanderzusetzen. Man lernt nur zu den eigenen Bedingungen wirklich nachhaltig. Das macht Lernberatung umso wichtiger.

Lernerautonomie ist hier nicht nur eine pädagogische Vision, sondern eine lernpsychologische Notwendigkeit. Die Wichtigkeit des Einsatzes von Sprachlernberatern beim ‚Lernen zu lernen‘ betont auch Little (2008: 53): „From an early stage it was
necessary to provide self-access learners with advisors who could help them identify learning goals, set learning agendas, select learning materials and activities, and evaluate learning outcomes.“ In dem Maß, in dem Lerner eine Situation reflektieren können, können sie Prognosen stellen und Verantwortung für ihr Handeln ableiten. Die Lernberatung nimmt hier eine zentrale Position ein: Durch Reflexion des Lernprozesses auf einer Metaebene wird nicht nur die Lernkompetenz der Lernenden mit all ihren Facetten, sondern auch die diagnostische Kompetenz der LernberaterInnen weiterentwickelt. Eine Stärkung der Kompetenzen zur Selbstevaluation fördert nicht nur die Lernmotivation, sondern auch die Chance auf Erfolg.

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Abbildung 3: Entwicklung der Teilnehmerzahlen seit 2007

Seit der Einführung des Tutorenprogramms im WS 2007/08 haben insgesamt 1960 Lernende in 33 Sprachen (von Afrikaans bis Ungarisch) am Programm teilgenommen. Das FZHB bietet das Tutorenprogramm semesterbegleitend sowie in der vorlesungsfreien Zeit an. Weitere Infos unter: www.fremdsprachenzentrum-bremen.de/tutorenprogramm.

 

Dr. Astrid Buschmann-Göbels ist die Projektkoordinatorin des Tutorenprogramms und im Bereich Englisch Dozentin für Wissenschaftlerkurse und Coaching.

 

Literaturverzeichnis

Buschmann-Göbels, Astrid/Rodewald, Christine/Heyse, Lisa :  „Selbstlernen mit Beratung – Die Gestaltung einer motivierenden Lernumgebung“, in: Arntz, R./Krings, H.P./Kühn, B. (Hrsg): Autonomie und Motivation. Erträge des 2. Bremer Symposions zum autonomen Fremdsprachenlernen. Bochum 2011(AKS), 114-126.
Buschmann-Göbels, Astrid/Kamitz, Anette:“Autonom und ganz präsent – Förderung und Qualitätssicherung autonomen Fremdsprachenlernens an der Hochschule“, in: Reich, A. / Spänkuch, E. (Hrsg.): Exzellent und initiativ. Qualitätsentwicklung und –sicherung in der der Sprachausbildung an Hochschulen. Bochum 2012 (AKS), 119-126.
Buschmann-Göbels, A./Rodewald, Ch. „Zum Mehrwehrt von Sprachreflexion mit dem elektronischen Portfolio EPOS 2“, in: Krings, H.P./Kühn, B. (Hrsg.): Fremdsprachliche Lernprozesse. Beobachten – Initiieren – Steuern – Begleiten. Bochum, im Erscheinen (AKS)
Holec, Henri: L’autnomie de l’apprenant en langues vivantes. Recherche et dévelopment. Straßburg (Europarat) 1998.
Kühn, Bärbel: „Vom ELP zu EPOS. Das Portfolio der Sprachen in Europa und am Fremdsprachenzentrum der Hochschulen in Bremen“, in: Krings, H. P./Mayer, Felix (Hrsg): Fachkommunikation, Übersetzung und Fremdsprachenunterricht. Forum für Fachsprachen-Forschung. Tübingen 2008 (Narr), 481-496.
Kühn, Bärbel: Eine Pädagogik zur Begleitung von Selbstlernprozessen: Paradoxon oder Herausforderung? In: Elsner, Daniela / Wildemann, Anja (Hg./eds). Sprachen lernen – Sprachen lehren – Language Teaching. Perspektiven für die Lehrerbildung in Europa. Prospects for Teacher Education across Europe. Frankfurt/Main 2011 (Peter Lang)
Kühn, Bärbel/Buschmann-Göbels, Astrid: “EPOS – an e-portfolio for three sectors of education”, in: Mackiewicz, Wolfgang (ed.): MOLAN Handbook on good practice that serves to motivate language learners. 2011 http://www.molan-network.org/
Little, David: “Learner Autonomy in Practice: a Challenge for University Language Teaching”, in: Arntz, Rainer/Kühn Bärbel: Autonomes Fremdsprachenlernen in Hochschule und Erwachsenenbildung. Bochum (AKS) 2008, 47-63.
Schmenk, Barbara: Lernerautonomie. Karriere und Sloganisierung des Autonomiebegriffs. Tübingen 2008 (Narr)
Tassinari, Maria Giovanna: Autonomes Fremdsprachenlernen: Komponenten, Kompetenzen, Strategien. Bochum 2010 (Peter Lang)

Bildnachweise:
Autorinnenfoto: Astrid Buschmann-Goebels (privat)
Abb. 1: Fremdsprachenzentrum der Hochschulen im Land Bremen
Abb. 2: Astrid Buschmann-Goebels

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