Wissen oder Können? ePortfolios zur Stärkung des kompetenzorientierten Lernens im B.Sc. Biologie

Von Jennifer Uhlig, Elisabeth Hansen und Thomas S. Hoffmeister

popecol

Im B. Sc. Biologie arbeiten wir an der Implementierung eines studienbegleitenden ePortfolios. Neben den klassischen Funktionen, wie Anregung zur Selbstreflexion, Lernprozessbegleitung, Archivierung eigener Arbeiten bildet die Kompetenzmatrix das Kernstück dieses Tools. In dieser Matrix fixiert der Studiengang seine Ziele an die Studierenden und damit letztlich auch an sich selbst. Die Lernzieltransparenz soll den Studierenden ermöglichen, selbständig an dem Erreichen ihrer Kompetenzziele mitzuarbeiten, gleichzeitig macht sie aber auch die Qualität der Lehre in Bezug auf das learning outcome prüfbar. Defizite in der Kompetenzvermittlung werden dadurch deutlich und können gezielt behoben werden. Ein erster Durchlauf im vergangenen Wintersemester zeigte, dass ein klarer Veranstaltungsbezug und eine Verknüpfung von Präsenz- und Online-Arbeit gegeben sein müssen, um die Akzeptanz solcher Ansätze zu erhöhen. Basierend auf dieser Erfahrung werden konzeptionelle Änderungen und drei Anwendungsszenarien für das kommende Wintersemester skizziert.

Im Rahmen der MINT-Förderung zur Neugestaltung der Studieneingangsphase erproben wir den Einsatz von ePortfolios zur Orientierung und Unterstützung des selbständigen Lernens.

Ausgangspunkt für unser Projekt war eine wahrscheinlich in vielen Studiengängen ähnlich bekannte Kritik: „Alles was über reines Klausurwissen hinausgeht, habe ich im Prinzip nur in meiner Bachelorarbeit und in dem Fortgeschrittenenpraktikum xy gelernt“ (B.Sc. Absolventin). Diese Kritik ist ob der Struktur des B.Sc. Biologie überraschend, denn diese ist auch nach der Umstellung auf B.Sc. und M.Sc. stark praxisorientiert. In den ersten vier Semestern entfallen 49 von 129 CP auf praktische Veranstaltungsformen, wie Praktika, Übungen oder Exkursionen. Dort wird überwiegend handlungsorientiert gearbeitet. Theoretisches Wissen wird am praktischen Beispiel erfahren, grundlegende Techniken, Programme und Arbeiten an spezifischen Apparaten werden erlernt und sollen den Studierenden die Fähigkeiten vermitteln, ihre Projekt- und Abschlussarbeit möglichst selbständig zu verfassen. Neben diesen fachspezifischen Fertigkeiten sollten die Studierenden lernen, Gruppenprozesse und Zeitpläne zu organisieren, sie sollten ihre mündliche und schriftliche Präsentationsfähigkeit üben etc. Wie kommt es bei diesen Rahmenbedingungen zu der oben zitierten Wahrnehmung? Zwar kann es sein, dass Praktika und ähnlich Lernformen lediglich eine Hinführung zur Klausur sind, ohne den Lernenden wirklich Zeit und Raum zum Studieren (im eigentlichen Sinne also „ des sich wissenschaftlich Betätigens“) zu geben. Wie dies im Rahmen von „Kochbuchpraktika“ passieren kann, hat der Bremer Chemiedidaktiker Ingo Eilks (2009) treffend beschrieben. Wahrscheinlicher jedoch ist, dass diese Wahrnehmung zum großen Teil an der lenkenden Funktion der Modulprüfungen liegt, denn „Leistungsüberprüfungen enthalten immer Subbotschaften darüber, worauf es inhaltlich und formal tatsächlich ankommt“ (Häcker 2011). Wichtig ist, was prüfungsrelevant ist, der Rest ist Beiwerk, manchmal spannend, oft jedoch einfach als zeitraubend empfunden. Dass dieses „Beiwerk“ das Handwerkszeug des selbständigen wissenschaftlichen Arbeitens ist, wird gar nicht bewusst. Somit führt die zumeist verwendete Methode der Leistungsbewertung, die summative wissensorientierte Abschlussprüfung, unbewusst weg von einem der Hauptziele der Bologna-Reform – der kompetenzorientierten Lehre (z.B. BMBF 2012).

Selbstlernkompetenz stärken

In der Hochschuldidaktik werden ePortfolios als das Werkzeug schlechthin gepriesen, das bei entsprechender Umsetzung geeignet ist, die neben dem Fachwissen geforderten methodischen, sozialen und persönlichen Kompetenzen in das Blickfeld des Lehrenden und des Lernenden zu rücken (s. z.B. Meyer et al. (Hrsg) 2011). Entsprechend wird ihr Einsatz an einer Reihe von Hochschulen erprobt (s. z.B. Rechenbach et al 2011, Scholz et al. 2011, s. auch Meyer et al. (Hrsg.) 2011).

Unsere Umsetzung eines elektronischen Kompetenzportfolios soll, wie alle Portfolioansätze, das Selbstlernen stärken, indem es Lernende zu einer Reflexion über ihre eigenen Stärken und Schwächen anregt. Damit soll die Fremdbewertung durch Lehrende ein Stück weit in den Hintergrund treten und Lernen ein stärker selbstbestimmter und –verantworteter Prozess werden. Die Selbstlernkompetenz, die Fähigkeit seine eigene Entwicklung einzuschätzen und seinen Lernweg selber aktiv zu gestalten, gilt als eine der im Rahmen der Bologna-Reform geforderten Schlüsselkompetenzen (EHEA 2012) und ist u.E. der Schlüssel nicht nur zum Umgang mit individuellen Schwächen in einer heterogenen Studierendenkohorte sondern auch zum Nutzen der diversen Stärken, die Unterschiedlichkeit mit sich bringt. Daneben steht aber auch die Funktion als Orientierungshilfe für die Studierenden im Vordergrund. Dazu nutzen wir eine vom FZHB und TZI entwickelte Kompetenzmatrix, die die im Studium zu erlangenden Fähigkeiten und Fertigkeiten aufführt. Damit greift das Portfolio eine der Vorgaben des Qualifikationsrahmens für Deutsche Hochschulabschlüsse (HQR) (KMK 2005) auf, nach der diese outcomes transparent sein sollen. Diese Aufgabe haben zwar auch die Modulhandbücher, diese werden unserer Erfahrung nach jedoch von den Studierenden nicht entsprechend genutzt. Durch die Selbsteinschätzungsfunktion (gar nicht bis gut, s. Abb.2, 3) sind die Studierenden im Kompetenzportfolio stärker angeregt, sich mit ihren persönlichen Fähigkeiten in dem entsprechenden Bereich auseinanderzusetzen. Zudem verlangt die klare Struktur der Lernziele (Ich kann…) auch von Dozentenseite eine intensive Auseinandersetzung mit dem outcome. Damit wird erreicht, dass Lernziele insgesamt transparenter werden und einen deutlichen Selbstlerncharakter haben, während eine reine Wiederholung des Veranstaltungsinhaltes ohne Bezug auf den Kompetenzerwerb im Bereich der Lernziele nicht mehr möglich ist.

Abbildung 1: Auf welchem Niveau werden Kompetenzen  unterschiedlicher Bereiche vermittelt (links) auf welchem gelernt (rechts)? Dargestellt sind die Vorhersagewerte binomialer GLMM mit Dozent, Veranstaltung und Lernziel bzw. Absolvent als Random Factor, 1: Fachwissen, 2: Techniken und Methoden, 3: wissenschaftlicher Ansatz, 4: allgemeine akademisch und intellektuelle Fähigkeiten, 5: Kooperation und Kommunikation, 6: gesellschaftsrelevante Kompetenzen

Abbildung 1: Auf welchem Niveau werden Kompetenzen unterschiedlicher Bereiche vermittelt (links) auf welchem gelernt (rechts)? Dargestellt sind die Vorhersagewerte binomialer GLMM mit Dozent, Veranstaltung und Lernziel bzw. Absolvent als Random Factor, 1: Fachwissen, 2: Techniken und Methoden, 3: wissenschaftlicher Ansatz, 4: allgemeine akademisch und intellektuelle Fähigkeiten, 5: Kooperation und Kommunikation, 6: gesellschaftsrelevante Kompetenzen.

Das Kompetenzprofil

Voraussetzung für die Implementierung der Kompetenzmatrix ist detailliertes Wissen über die im Studiengang vermittelten Fähigkeiten auch über das Fachwissen und die fachspezifischen Methoden hinaus. Basierend auf einem standardisierten Fragebogen der TU Berlin (Raue et al. 2010) haben wir daher das Kompetenzprofil des Studienganges erhoben (s. Abb.1). Hauptunterschied zu der im Modulhandbuch verwendeten Methode war dabei, dass nicht gefragt wurde, „was ist ihr Lernziel?“, sondern „inwieweit trägt ihr Modul dazu bei, dass die Studierenden die Fähigkeit xy erlangen und wenn ja, auf welchem Niveau?“
Die Niveaustufen bewegten sich dabei zwischen 1: basales Können unter enger Anleitung, wenig selbständig. bis 4: Fähig, selbständig Problemkomplexe zu erarbeiten, komplexe Aufgaben ohne vorgegebene Lösungen zu bearbeiten etc. Im Mittelpunkt stand also der Kompetenzgewinn der Studierenden und nicht das Gelehrte. Der Fragebogen umfasste dabei, wenn auch in etwas detaillierterer Form, die im HQR geforderten Kompetenzen für das Bachelorniveau und orientierte sich an Vorschlägen für ein gemeinsames Curriculum mehrerer niederländischer Hochschulen (Mejers et al. 2005). Er beinhaltete in unserer Version 48 Lernziele in 6 verschiedenen Kompetenzbereichen (s. Abb. 1). Im Bereich der Arbeitstechniken und des Fachwissens war zudem Raum für Freitextantworten gegeben. Das so erhaltene Kompetenzprofil spiegelt die Ziele des Studienganges. Ob diese auch erreicht werden, können letztlich nur die Studierenden beurteilen. Einen ersten Einblick in die Validität der Dozentenangaben und eventuelle Diskrepanzen zwischen input und outcome liefert ein Abgleich des Profils mit dem subjektiven Kompetenzerwerb der Studierenden. 17 AbsolventInnen des B. Sc., die nun in verschiedenen Masterprogrammen der Uni Bremen studieren, wurden gefragt, ob und auf welchem Niveau sie die Lernziele im Rahmen ihres Bachelorstudiums erreicht haben.

Welche Kompetenzen werden vermittelt?

Ein Blick auf die Daten (s. Abb.1) zeigt, dass das Übergewicht des Klausurwissens eher eine Wahrnehmungssache zu sein scheint. Beide Seiten geben an, neben dem Fachwissen (1) auch Techniken (2) sowie persönliche(4) und soziale Kompetenzen (5) auf hohem Niveau zu vermitteln bzw. erlernt zu haben. Eine Ausnahme bildet beidseitig das Kompetenzfeld 3 wissenschaftliche Herangehensweise. Dieses Ergebnis zeigt, dass insgesamt vielleicht ein etwas stärkeres Augenmerk auf das Warum einer wissenschaftlichen Vorgehensweise gelegt werden könnte. Für das sechste Feld Gesellschaftsrelevante Kompetenzen wurde auf Dozentenseite sehr häufig angegeben, dass die hier verorteten Lernziele nicht Teil des Moduls seien. Noch seltener tauchen sie in Prüfungen auf. Inhalte aus diesem Feld werden durchschnittlich nur in jeder zehnten Prüfung abgefragt. Das spiegelt sich direkt in den Ergebnissen der Absolventenbefragung, die in diesem Bereich nur ein verhältnismäßig niedriges Niveau zu erreichen angeben. Allerdings ist anzumerken, dass es zu den hier verorteten Themen wechselnde Veranstaltungen im GS-Bereich gibt, die nicht mit erhoben wurden, deren Wert aber auch im Rahmen der Absolventenbefragung explizit hervorgehoben wurde. Dennoch sollte auch vor dem Hintergrund des eben verabschiedeten Fachkanon Biologie (KBF et al. 2013) kritisch überlegt werden, wie und wo im Rahmen der Lehre stärker auf politische, ethische und ökonomische Aspekte eingegangen werden kann.

Insgesamt zeigt sich jedoch, dass der B.Sc. Biologie ein breites Fundament an Kompetenzen legt und/oder vertieft. Dass auch die Studierenden bei einem kompetenzorientierten Frageansatz angeben, bedeutend mehr Fähigkeiten als nur das termingerechte „Ausspucken“ von Klausurwissen erlernt zu haben, unterstreicht den Gedanken eines Kompetenzportfolios als Mittel zur Orientierung und die Notwendigkeit einer stärkeren Reflexion der eigenen Fähigkeiten auch schon studienbegleitend, um der eingangs formulierten Wahrnehmung frühzeitig entgegen zu treten und darüber hinaus die Bedeutung der nicht klausur- aber wissenschaftsrelevanten Lernziele zu unterstreichen.

Kompetenzportfolio 1.0

„Wichtig ist, was jemand kann, und nicht, wo es gelernt wurde“ (Deutscher Qualitätsrahmen für lebenslanges Lernen 2011 S. 5). Dieses Prinzip stand hinter unserem ersten Kompetenzportfolio. Diesem Versuch haben wir die Antworten aus der Umfrage zum Kompetenzprofil zu Grunde gelegt und für die vier Niveaustufen in Form von Ich kann-Statements ausformuliert (s. Abb.2). Die Matrix war explizit nicht veranstaltungsgebunden. Dieser Ansatz sollte das Augenmerk vom Bestehen des Moduls weg hin zu den Zielen des Studienganges lenken. Damit sollte auch verdeutlicht werden, dass einige Anforderungen, die einem vielleicht nicht so liegen mögen, mit dem Absolvieren eines bestimmten Moduls nicht „abgehakt“ sind, sondern als relevantes Studiengangsziel über den Kurs und wahrscheinlich sogar über das Studium hinaus wichtig bleiben werden. Die Studierenden sollten dadurch angeregt werden, sich auch und gerade mit ihren Schwächen auseinanderzusetzen und gezielt an diesen zu arbeiten. Dabei sollten die Lernziele in ihrer aufeinander aufbauenden Form durch ihre Erreichbarkeit unter der Voraussetzung des persönlichen Einsatzes zum Selbstlernen motivieren. Das Kompetenzportfolio und die Funktionsweise des Programmes Epos wurden im Rahmen der Einführungswoche vorgestellt. Des Weiteren wurden die am Mentoring-Programm beteiligten DozentInnen auf das Tool hingewiesen. Damit sollte ein Veranstaltungsbezug hergestellt werden. Das Mentoring-Programm ist ein Pflichtmodul für alle Erstsemester und soll sie beim Studieneinstieg unterstützen. Ziele dieses Programms sind u.a. Lernstrategien und konkrete Vorstellungen über die Ziele der Ausbildung zu entwickeln, eigentlich ein geeigneter Rahmen, um das Portfolio einzuführen.

Abbildung 2: Die Selbsteinschätzung 1.0. Eine Umsetzung der Ergebnisse des Kompetenzprofils (veranstaltungsunabhängig). Niveau 4 entspricht dem B.Sc. Niveau. Durch Klicken auf die Kästchen öffnet sich ein Feld mit unterschiedlichen Lernzielen, die dem Kompetenzfeld und dem Niveau zugeordnet sind. Je besser ein Lernender sich einschätzt desto stärker füllt sich das Kästchen, das visualisiert den Lernprozess.

Abbildung 2: Die Selbsteinschätzung 1.0. Eine Umsetzung der Ergebnisse des Kompetenzprofils (veranstaltungsunabhängig). Niveau 4 entspricht dem B.Sc. Niveau. Durch Klicken auf die Kästchen öffnet sich ein Feld mit unterschiedlichen Lernzielen, die dem Kompetenzfeld und dem Niveau zugeordnet sind. Je besser ein Lernender sich einschätzt desto stärker füllt sich das Kästchen, das visualisiert den Lernprozess.

Leider hat sich dieser Ansatz nicht durchgesetzt. Über das Semester kristallisierten sich mehrere Probleme heraus. Zunächst gab es Seitens der DozentInnen im Mentorenprogramm kein besonderes Interesse an der Nutzung von Epos. Ein Grund war die relativ hohe Nutzungsschwelle, die dadurch zu Stande kam, dass Epos nicht an die übrigen e-Learning Angebote der Uni Bremen angebunden war und eine eigene Ameldung erforderte. Darüber hinaus ist das Tool nicht eben intuitiv und erfordert eine gewisse Auseinandersetzung bevor die gewünschten Funktionen ausgeführt werden können. Mit ähnlichen Problemen waren auch die Studierenden konfrontiert. Da zudem die Bezugnahme auf die Lernziele innerhalb der Veranstaltungen fehlte, haben dann auch diejenigen, die die erste Schwelle der Auseinandersetzung mit dem Tool erfolgreich gemeistert hatten, die Nutzung rasch wieder aufgegeben.

Erste Revision

Grundsätzlich zeigen sich also zwei Problemkomplexe. Zum einen muss der Weg zur eigentlichen Nutzung des Tools deutlich weniger kompliziert sein. Durch das SSO (single sign on) – Verfahren ist dieser schon deutlich kürzer. Jedes Mitglied der Universität kann sich nun mit seinen Uni-Daten einloggen und wird umgehend seinem Fachbereich zugeordnet. In Kürze soll Epos zudem direkt aus Stud.IP aufrufbar sein. Dadurch ist der Bezug zu den übrigen Multi-Media Tools der Universität auch visuell verdeutlicht.

Zweitens zeigt sich deutlich, dass schon allein aufgrund des kurzfristigen Nutzens seitens der Studierenden ein klarer Veranstaltungsbezug herzustellen sein muss. Zwar mag ein transparentes langfristiges Ziel theoretisch wünschenswert sein, das Bewältigen der kurzfristig anstehenden Aufgaben steht für die Studierenden aber im Vordergrund. Eine stärkere Verknüpfung ist aber auch aus anderen Gründen wünschenswert. So kann mit veranstaltungsspezifischen Lernzielen jeder Kurs individuell in Bezug auf das learning outcome evaluiert werden. Des Weiteren kann das Tool dann leichter genutzt werden, um miteinander schon während des Kurses in den Dialog und schon frühzeitig zu erkennen, wo andere Strategien der Lernzielvermittlung gebraucht werden. Schließlich können DozentInnen klar erkennen, welche Kompetenzen die Studierenden bereits in vorangegangenen Modulen erlernt haben sollten. Das eigene Modul kann dann entsprechend auf schon vorhandenen Fähigkeiten aufbauen, dadurch können Redundanzen verringert werden.

Kompetenzportfolio 2.0

Für den nun geplanten zweiten Durchlauf sind für alle Pflichtmodule eigene Lernziele erstellt worden (s. Abb.3). Diese sind in neun Kompetenzraster mit maximal vier Veranstaltungen eingegangen. Die oberste Ordnungsebene bilden dabei die Forschungsinstitute, die an der Lehre im B.Sc. Biologie beteiligt sind. Das bietet bereits eine erste Orientierung für die Studierenden in Bezug auf universitäre Strukturen und bei der Findung eigener thematischer Schwerpunkte. Für die beiden Institute, die besonders stark in die Lehre eingebunden sind, wurden die Veranstaltungen weitergehend thematisch unterteilt. Innerhalb eines Rasters sind die Veranstaltungen nach Semester im Regelstudienverlauf sortiert. Die Ergebnisse der Dozentenumfrage zu Grunde legend, sollte damit auch eine sukzessive Vertiefung der Fähigkeiten gewährleistet sein.

Abbildung 3: Die Selbsteinschätzung 2.0. Beispiel für die Umsetzung der Ergebnisse des Kompetenzprofils und der Angaben des Modulhandbuches (veranstaltungsbezogen). Niveau 4 entspricht dem B.Sc. Niveau. Durch Klicken auf die Kästchen öffnet sich ein Feld mit unterschiedlichen Lernzielen, die dem Kompetenzfeld und dem Niveau zugeordnet

Abbildung 3: Die Selbsteinschätzung 2.0. Beispiel für die Umsetzung der Ergebnisse des Kompetenzprofils und der Angaben des Modulhandbuches (veranstaltungsbezogen). Niveau 4 entspricht dem B.Sc. Niveau. Durch Klicken auf die Kästchen öffnet sich ein Feld mit unterschiedlichen Lernzielen, die dem Kompetenzfeld und dem Niveau zugeordnet.

Außerdem ist der Einsatz nun weniger global geplant. Anstatt das Tool veranstaltungsungebunden vorzustellen und auf eine intrinsische Nutzung seitens der Studierenden und der DozentInnen zu hoffen, sind in drei Veranstaltungen Anwendungsszenarien als Pilotprojekte geplant, in denen unterschiedliche Funktionen von Epos zum Einsatz kommen werden. Durch die konzeptionelle Verankerung in den ausgewählten Veranstaltungen wird zudem eine Verknüpfung von Präsenz- und Onlineanteilen gewährleistet.

Verankerung von EPOS in den Lehrveranstaltungen

Die drei Kurse umfassen ein breites Feld unterschiedlicher didaktischer Anforderungen. Im Erstsemesterkurs Struktur und Funktion wirbelloser Tiere steht die Orientierung im Studium, Verteilung der Workload und das Entwickeln von Selbstlernstrategien neben den fachlichen Inhalten im Vordergrund. Neben der Selbsteinschätzung sollen hier vor allem veranstaltungsbegleitende Lerntagebücher zum Einsatz kommen. Im Rahmen einer Reflexion sollen die Studierenden zu einer Auseinandersetzung mit ihren eigenen Beobachtungen im Praktikum und ihren Erwartungen an die jeweilige Tiergruppe aus der Vorlesung aktiviert werden und ihren eigenen Lernprozess beobachten lernen. Daneben sollen sie sich wöchentlich mit dem Spannungsfeld der stammesgeschichtlichen, physiologischen und ökologischen Zwänge, in dem sich alle Organismen bewegen, auseinandersetzen und so schließlich lernen, Anpassungen und Grenzen der Anpassungsfähigkeit zu analysieren und zu verallgemeinern.

Die Vorlesung Evolution soll nach Regelstudienverlauf im dritten Semester besucht werden, wird aber bereits für das erste Semester empfohlen. Diese Veranstaltung ist stark an theoretischen Konzepten ausgerichtet. Hier soll semesterbegleitend das Erreichen der Lernziele evaluiert werden, um zeitnah auf Verständnisschwierigkeiten reagieren zu können. Durch eine inhaltliche Verknüpfung der Selbsteinschätzung in Epos mit Life Voting Elementen in der Vorlesung sollen die Studierenden zudem aktiviert werden, sich selbständig mit den Vorlesungsinhalten auseinanderzusetzen. Damit soll der Gefahr des reinen Konsumierens der Vorlesung entgegen gewirkt werden und ein stärkerer Dialog zwischen Studierenden und Lehrendem gefördert werden.

Bei der dritten Veranstaltung handelt es sich um den Kurs Experimental Design and Data Analysis im Master of Ecology. Dieser fünfwöchige Kurs ist mit 12 CP bewertet, er geht daher mit einer steilen Lernkurve und einem hohen kursbegleitenden Arbeitsaufwand einher. Zudem findet er zu Beginn des ersten Master-Semesters statt, entsprechend heterogen und zunächst unbekannt sind die Vorkenntnisse der Teilnehmer im Bereich der Statistik. Besonders komplex wird der Kurs dadurch, dass die meisten Studierenden neben den statistischen Grundlagen der Datenauswertung auch lernen müssen, in der Programmierumgebung R kleine Skripte zu programmieren. Hier werden die Tagebücher vor allem zu aufgabenspezifischen Dokumentations- und Reflexionszwecken eingesetzt. Die fertigen Ergebnisse werden im Dossier abgelegt und mit den entsprechenden Lerntagebucheinträgen verknüpft. Die Betreuer können dadurch den Prozess der Ergebnisfindung besser nachvollziehen, was ein gemeinsames Besprechen der Lösungsansätze vereinfacht. Die Studierenden üben zudem, wiederkehrende Schritte der Datenanalyse und lernen ihre Methoden so zu dokumentieren, dass sie für sich selbst aber auch für andere nutzbar sind.

Fazit

Insgesamt zeigt sich, dass die e-Portfolioarbeit kein Selbstläufer ist. Diese Erfahrung haben auch andere Hochschulen bereits gemacht (z.B. Scholz et al. 2011). Technische Hürden mindern die Akzeptanz, entsprechend höher muss der zu erwartende Nutzen für die Studierenden sein. Insgesamt zeigt das Projekt, dass der seitens der Hochschuldidaktik geforderte Paradigmenwechsel vom teaching to learning (Berendt 2002) in den Köpfen einiger Lehrender noch längst nicht vollzogen ist.

Ansätze, wie unser ePortfolio, die eine Verknüpfung des outcome-Gedankens direkt mit einer Veranstaltung ermöglichen, bieten die Chance, dass die Festlegung von kompetenzorientierten Lernzielen kein „Papiertiger“ bleibt, sondern tatsächlich auch Eingang in die Lehre findet. Jenseits des Portfolios sind hier erste Erfolge zu vermelden. So sind weite Teile des Modulhandbuches nun neugestaltet (http://www.fb2.uni-bremen.de/images/stories/fb2/BPO-Bio-11-12-Modulbeschreibungen/vfbio0413.pdf). Die Kategorie Lernziele wurde neu betitelt mit „Die Studierenden sollen…“. Diese Struktur erzwingt eine studierendenzentrierte Auseinandersetzung mit den Zielen der Veranstaltung. Zur Unterstreichung des Orientierungscharakters der Lernziele wird zudem auf eine (selbst-)prüfbare Formulierung geachtet. Terme wie „kennenlernen“ sollen nach Möglichkeit vermieden werden, diese bieten den Studierenden keine Orientierung im Selbstlernen. Zwar mögen die Studierenden im Rahmen eines Praktikums die Methode x kennenlernen. Das entspricht aber lediglich dem Input. Ein (selbst-)überprüfbares Lernziel wäre dann bspw., dass er/sie die Methode x selbständig durchführen kann.

Häufig wird bemängelt, dass der Einsatz von Portfolios ad absurdum geführt wird, wenn am Ende noch die selektive Lernerfolgskontrolle (Reinmann und Sippel, 2011) steht. Diese Kritik ist sicherlich nicht unberechtigt, die Praxis zeigt aber, dass sie einen Schritt voraussetzt, der noch gar nicht gegangen worden ist. Vielmehr denken wir, dass der Einsatz einer Selbsteinschätzungsmatrix mehr noch auf Dozenten- als auf Studierendenseite zu einer Auseinandersetzung mit dem Kompetenzerwerb führt. Die Frage nach adäquaten Prüfungsformen für die Vielzahl der vermittelten Kompetenzen kann u.E. erst dann gestellt werden, wenn in dem Bereich der Lernziele auch jenseits des Fachwissens Klarheit herrscht. Diese Klarheit ermöglicht dann im nächsten Schritt den Einsatz alternativer Prüfungsformen wie beispielsweise auch Performanceprüfungen im Rahmen von Praktika (vgl. auch Huber 2008).

Schließlich erfordert der Einsatz von ePortfolios konzeptionelle Anpassungen in den Veranstaltungen und auch in der Gestaltung des Begleitmaterials. Das verlangt auf Seiten der Lehrenden Mut und Zeit. Wird der Kompetenzerwerb veranstaltungsbegleitend evaluiert, heißt das, spontan auf Schwierigkeiten in der Kompetenzvermittlung zu reagieren. Veranstaltungen sind damit u.U. weniger planbar und ergebnisoffener, was speziell in Bezug auf die Abschlussklausur mit Problemen verknüpft sein kann, gerade wenn große Kohorten mittels vorprogrammierter e-Klausuren abgeprüft werden. Mit der Verbreitung von Stud.IP in der Lehre hat zudem der Umfang an Lernbegleitmaterialien jenseits der Präsenzzeiten deutlich zugenommen. Ansprechende Filme und begleitende Online-Tests bescheren den Lehrenden meist gute Noten im Rahmen der Veranstaltungsevaluationen.

Vor dem Hintergrund des kompetenzorientieren Lernens stellt sich jedoch die Frage, inwieweit Begleittests z.B. als wissensorientierte Studienleistung diesem Anspruch gerecht werden oder doch eher die oben zitierte Wahrnehmung unterstützen. Sollen kompetenzorientierte Lernbegleitmittel implementiert werden, muss überlegt werden, ob und an welcher Stelle andere Tools reduziert werden, schon allein, um das Bewältigen der Veranstaltung im Rahmen der vorgesehenen Stunden zu gewährleisten. Für die Studierenden heißt das, dass sie weniger durch die Veranstaltung zur Klausur geleitet werden, sondern dass sie selbständig und aktiv ihren Zugang zum Thema finden müssen. Das ist anstrengender und birgt zudem das Risiko des Scheiterns. Für die Lehrenden heißt das eine Abgabe von Kontrolle. Wo weniger gelenkt wird sind Umwege, Schlenker, Pausen, letztlich aber auch neue und individuelle Wege möglich. Es stellt sich schließlich die Frage, ob dieses Risiko eingegangen werden soll. Vor der Maßgabe des kompetenzorientieren Lernens sollte sie mit Ja beantwortet werden. Denn Kompetenzen in Form von Problemlösungskompetenz und Handlungsfähigkeit zeigt sich letztlich nur dort, wo eigene Lösungen erarbeitet werden können.

 

Jennifer Uhlig ist Mitglied der Arbeitsgruppe Evolutions- und Populationsökologie am Fachbereich 02 der Universität Bremen.  

Elisabeth Hansen hat einen Abschluss im BA Biologie und studiert derzeit im Master of Education.

Prof. Dr. Thomas S. Hoffmeister ist Mitglied der Arbeitsgruppe Evolutions- und Populationsökologie und Dekan am Fachbereich 02 der Universität Bremen. 

Kontakt:

Arbeitsgruppe Evolutions- und Populationsökologie
Universität Bremen
Leobener Str.
Gebäude NW2
28359 Bremen
http://www.popecol.uni-bremen.de

Literatur

Arbeitskreis Deutscher Qualitätsrahmen (2011). Deutscher Qualitätsrahmen für lebenslanges Lernen (http://www.deutscherqualifikationsrahmen.de/) (29.5.13)

Berendt,Brigitte (2002): „The shift from teaching to learning“- Unterstützung durch hochschuldidaktische Weiterbildungsveranstaltungen auf institutioneller, nationaler und internationaler Ebene. In: Asdonk / Krüger (Hg.): Bildung im Medium der Wissenschaft. Beltz – Deutscher Studienverlag, Weinheim, Basel (S. 175-184)

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2012): Bericht über die Umsetzung des Bologna-Prozesses in Deutschland. (http://www.bmbf.de/pubRD/umsetzung_bologna_prozess_2012.pdf) (29.5.2013)

EHEA Ministerial Conference (2012): Making the Most of Our Potential: Consolidating the European Higher Education Area (Bucharest Communique). (http://www.ehea.info/Uploads/%281%29/Bucharest%20Communique%202012%282%29.pdf) (29.5.13)

Eilks, Ingo & Byers, Bill (2009): The need for innovative methods of teaching and learning chemistry in higher education – reflections from a project of the European Chemistry Thematic Networks. Chemistry Education Research and Practice DOI: 10.1039/CORP90004D

Häcker, Thomas (2011): Portfolio revisited – über Grenzen und Möglichkeiten eines viel versprechenden Konzepts. In: Meyer / Mayrberger / Münte-Goussar / Schwalbe (Hg.): Kontrolle und Selbstkontrolle – Zur Ambivalenz von E-Portfolios in Bildungsprozessen. Medienbildung und Gesellschaft Band 19, VS Verlag, Wiesbaden

Huber, Ludwig (2008): “Kompetenzen” prüfen? In Dany, Szczyrba, Wildt (Hg.): Prüfungen auf die Agenda! Hochschuldidaktische Perspektiven auf Reformen im Prüfungswesen. Blickpunkt Hochschuldidaktik 118

Kultusministerkonferenz (2012): Qualifikationsrahmen für Deutsche Hochschulabschlüsse. (http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2005/2005_04_21-Qualifikationsrahmen-HS-Abschluesse.pdf) (29.5.13)

Konferenz Biologischer Fachbereiche, Organ der Biologischen Fakultäten der deutschen Universitäten, Universitätenfpr Angewandte Wissenschaften, Studierendenvertretungen, VBIO et al. (2013): Fachkanon Biologie. Inhaltliche Empfehlungen für grundständige Studiengänge. (http://www.kbf.uni-halle.de/FKanonBio.htm) (5.6.2013)

Mejers, A.W.M., van Overveld, C.W.A.M., Perrenet, J.C. (2005). Criteria for Academic Bachelor`s and Master`s Curricula. TU Delft, TU Eindhoven, University of Twente, Niederlande

Raue, Cornelia, Hlawatsch, Anja, Bucholtz, Nina (2010). Analyse akademischer Kompetenzziele – Ergebnisbericht für die Fakultät II. (http://www.tu-berlin.de/fileadmin/fg14/QS2/Berichte/Bericht_NIDI_100325_final_cr.pdf) (29.5.2013)

Rechenbach, Simone, von der Heyden, Renate, Lettau, Wolf-Dieter, Nauerth, Annette, Walkenhorst, Ursula (2011): Implementierung eines Portfolios zur Begleitung von Lernprozessen in der Hochschule. ZFHE Jg. 6 /Nr.3 270:287.

Reinmann, Gabi, Sippel, Silvia (2011): Königsweg oder Sackgasse? E-Portfolios für das forschende Lernen. In: Meyer / Mayrberger / Münte-Goussar / Schwalbe (Hg.): Kontrolle und Selbstkontrolle – Zur Ambivalenz von E-Portfolios in Bildungsprozessen. Medienbildung und Gesellschaft Band 19, VS Verlag, Wiesbaden

Scholz, Nadine, Menhard, Ioanna, Bruder, Regina (2011): Studierendensicht zum digitalen Kompetenzportfolio an der TU Darmstadt. ZFHE Jg.6/Nr. 2 133:142

 

Bildnachweis:
AutorInnenfotos: Nils Linek (privat); Elisabeth Hansen (privat); Thomas S. Hoffmeister (privat)
Abb.1/2/3: Jennifer Uhlig

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