Abschlussreflexion: Ringvorlesung „Umgang mit Heterogenität in der Schule“

 

1.

Wenn ich die gesamte Ringvorlesung Revue passieren lasse, fällt mir auf, dass bereits in der zweiten Sitzung mein Bild von einem personenbezogenen (an die Lehrkraft gekoppelten) Umgang mit Heterogenität maßgeblich verändert worden ist. Das Problem liegt bereits tiefer in der Struktur des Bildungssystems, welches durch die nationale Orientierung die deutsche Kultur als Grundlage eines jeden Unterrichts vorsieht und somit von Grund auf ein eher homogenes Raster festlegt. Diese Basis führt zu einer schnellen Verknüpfung zwischen Migrationshintergrund und einem geringen Bildungsstatus, die wiederum erneut durch eine Kategorisierung des Lernniveaus („äußerer Differenzierung“, „innere Differenzierung“) verstärkt wird. Eine Art Teufelskreis auf einem schmalen Grat zwischen Integration, Inklusion und Exklusion entsteht, bei dem oftmals in Vergessenheit gerät, dass Bildung ein Menschenrecht ist. Administrative Vereinbarungen legen anhand acht Förderschwerpunkte den sonderpädagogischen Förderbedarf von Kindern und Jugendlichen fest, was dem allgemeinen Ziel der outcome-Orientierung (Kompetenzen, die erreicht werden müssen) entspricht. Solche Standardisierungen erschweren die Flexibilität des Schulsystems in Anbetracht der vielen unterschiedlichen Begabungen und Voraussetzungen der Schüler*innen, deren Sprach-, Lern-, emotionale-soziale und motorische Entwicklung erst durch und mit Vielfalt gefördert werden kann. Hierbei ist es wichtig, ihre lebensweltlichen Assoziationen durch einen fachlichen, multiperspektivischen Kontext zu erweitern, was insbesondere bei dem Phänomen der (inneren) Mehrsprachigkeit deutlich wird. Für alle Schüler*innen wird mit dem Eintritt in die Schule eine andersartige Sprache eingeführt – die Bildungssprache. Dieses formelle Register unterscheidet sich in der Regel von ihrem alltäglichen Sprachgebrauch und ist entscheidend für den Erwerb fachbezogener Kompetenzen. Um nun konkreter auf die Didaktiken der eigenen beiden Fächer (Deutsch und Kunst) einzugehen, wird es für meine zukünftige Unterrichtsgestaltung besonders wichtig sein, den Eigenwert eines jeden Sprachgebrauchs wertzuschätzen und als Lerngegenstand und Lernmedium zu behandeln. Vielsprachigkeit möchte ich folglich keinesfalls als Defizit sondern als Ressource wahrnehmen, um den Zusammenhang zwischen Sprache und Kultur, die Normalität von Sprachvielfalt, innere Mehrsprachigkeit und Mehrdimensionalität von Sprache zu verdeutlichen und grundlegend Sprachförderung zu betätigen. Darüber hinaus möchte ich für beide Fächer eine gendersensible Perspektive bewahren, da sowohl bei der Auswahl von Literatur, als auch bei der Auswahl von Kunstwerken mit den dazu gehörigen Aufgabenstellungen schnell Geschlechterstereotypen reproduziert werden können. Für die Motivation ist es wichtig, dass für alle Schüler*innen ein Identifikationsangebot ermöglicht wird und vermehrt Handlungs-produktionsorientierte Ansätze angewendet werden, bei denen die Kreativität und Eigentätigkeit der Klasse im Fokus steht.

 

3.

Zwei erziehungswissenschafliche Fragen sind mir besonders im Hinterkopf geblieben: „Meint Inklusion wirklich alle? – Aktuelle Diskussionslinien und praktische Umsetzung“ (RV06) und „Auf dem Weg zu einer Schule für alle – gemeinsames Lernen am gemeinsamen Gegenstand oder gemeinsame Lernsituationen?“ (RV07). Beide Themenbereiche haben bei mir vorab positive Assoziationsketten hervorgerufen, nun habe ich jedoch ein deutlich differenzierteres und kritischeres Meinungsbild entwickelt. Dass die Interaktion (Sonderbehandlung) und Organisation im Allgemeinen (Sonderschulen) kontraproduktiv wirken und zu einer Exklusion führen kann, war mir in dem Maße noch nicht bewusst. Daher würde ich mich gerne weiterhin mit der Frage befassen, inwiefern die Einstufung sonderpädagogischen Förderbedarfs von Schüler*innen anhand der acht Förderschwerpunkte gerechtfertigt ist und welches homogenes Raster durch solche standardisierten Verfahren festgelegt wird. Anknüpfend an diesen Aspekt würde ich gerne mehr empirische Studien über die Wirkung von inklusiven Klassen (Sensibilisierung von Vorurteilen und Berührungsängsten) behandeln und erfahren, wie ein solches Unterrichtsformat von den beteiligten Schüler*innen wahrgenommen wird. Darüber hinaus möchte ich lernen, wie ich wichtige Informationen über das soziale Umfeld und das Verhalten des Kindes/ der Jugendlichen in seiner Lebenswirklichkeit sammeln und ohne Vorurteile auswerten kann, um (individuell) präferierten Lernmethoden für die Unterrichtsgestaltung zu entwickeln.

 

 

4.

Eine persönliche Herausforderung wird in jedem Fall der Druck als Lehrkraft jeder Schülerin und jedem Schüler in jeder Situation gerecht werden zu wollen. In der vierten Vorlesungssitzung wird ein Fallbeispiel von einer Lehrerin, einem Schüler namens Tarkan und einer Schülerin mit dem Namen Nele geschildert. Bereits beim ersten Lesen wusste ich, dass mir in naher Zukunft ähnliche Situationen blühen werden, deren Wirkung als interne Person nicht einfach zu erschließen sind. Vermutlich ohne eine böse Absicht wird der Schüler durch das Eins-zu-eins-Gespräch mit der Lehrkraft räumlich von seinen Mitschüler*innen getrennt, um eine Aufgabe zu lösen. Dadurch erfährt er eine Sonderbehandlung, die zusätzlich durch eine vereinfachte Aufgabenstellung (die anderen Schüler*innen lösen alleine anspruchsvollere Aufgaben) verstärkt wird. Dieses Empfinden wird insbesondere in der Situation mit Nele deutlich, die Tarkan in einem kurzen Dialog mit der Lehrerin als kreative Schülerin gegenüber steht. Das Auswählen und Bereitstellen individuell passender Lernangebote auf Basis einer zuvor erfolgten Erfassung der Lernvoraussetzungen der Schüler*innen klingt nach einem harmonischen Konzept, welches sich auf die Logik der Heterogenisierung bezieht, jedoch erscheint das Konzept in diesem Kontext als ambivalente kompensatorische Hilfe und interne Ausgrenzung. Die Herausforderung besteht also darin, dass durch die Steigerung der Komplexität im Unterricht auch die Anforderungen an die Lehrkraft sich vervielfältigen, die ihre analytischen Fähigkeiten anwenden muss, um über den individuellen Förderbedarf von Schüler*innen zu entscheiden. Kategorisierung und Dekategorisierung sind bei diesem Prozess eine große Problematik, insbesondere vor dem Hintergrund, ob die individuelle Förderung aller oder die abhelfende Förderung der Leistungsschwachen geleistet werden soll. Für mich wird es daher wichtig sein, immer wieder das Gespräch mit den Schüler*innen, sowie mit ehemaligen Lehrer*innen und Sonderpädagogen*innen aufzusuchen, um unterschiedliche Meinungen, Perspektiven, Anregungen und Ideen zu sammeln und vielfältige didaktische Methoden zu ermitteln. Wichtig ist, dass ich präventiv gegen zu hohen Selbstanspruch und Druck vorgehe und im Hinterkopf behalte, dass es keinen perfekten Lernweg gibt, was sowieso nicht dem Konzept der Heterogenität entsprechen würde.

 

 

RV10 – Prof. Dr. Andrea Daase – Mehrsprachigkeit als Ausgangspunkt und Ziel schulischer Bildung in Gymnasium und Oberschule

1.

Mit Verweis auf die noch nicht vollständig ausreichenden (bildungssprachlichen) Deutschkenntnisse, werden sogenannte Seiteneinsteiger*innen, die in Vorklassen Deutsch lernen, an Realschulen verwiesen – obwohl sie die Voraussetzungen für das Gymnasium mitbringen (Lernfähigkeit und Vorbildung) und gerne an der Schule bleiben würden. Inwiefern ist das gerechtfertigt?

Der Einfluss des Migrationshintergrundes auf den Bildungserfolg
widerspricht dem Ideal der Bildungsgerechtigkeit, was bedeutet, dass diese Realschulzuweisung nicht legitim ist, da die alleinige Fokussierung auf die Sprache Deutsch die Schüler*innen als Individuen mit unterschiedlichen Erfahrungen missachtet. Die Gefahr einer Stigmatisierung mehrsprachiger Kinder und Jugendlicher entsteht: Sprache wird mit Herkunft gleichgesetzt, diese wiederum mit einem niedrigeren Lernniveau und einer niedrigeren sozialen Stellung. Dabei wird vergessen, dass ALLE Schüler*innen über Erfahrungen bezüglich des Phänomens der Mehrsprachigkeit verfügen – bewusst oder unbewusst. Zu Hause, beim Einkaufen oder beim Telefonieren mit der besten Freundin wird ein anderer ‚Code‘ gesprochen als im Unterricht. Die Schule als Bildungsinstitution spielt hierbei eine entscheidende Rolle: Eine für Kinder und Jugendliche andersartige Sprache wird eingeführt – die Bildungssprache. Alle Schüler*innen müssen dieses formelle Register erlernen; komplexere Sprachstrukturen, Fachausdrücke usw., die im Regelfall vorher nicht im alltäglichen Sprachgebrauch aufgetaucht sind. Ein sprachsensibler Fachunterricht muss her, da die bildungssprachliche Kompetenz essentiell für den Erwerb fachbezogener Kompetenzen ist. Fachliche Register sollten somit ebenfalls Lerngegenstand des Unterrichts sein in gleichzeitiger Anerkennung des Eigenwertes der verschiedenen Sprachgebräuche. Innerhalb der Klasse wird diese neu angeeignete Bildungssprache geübt und voneinander abgeguckt; ein Prozess, der meiner Meinung nach sehr wichtig für die fachliche und soziale Entwicklung ist. Ein Ausschluss von Seiteneinsteiger*innen würde maßgeblich die vorhandene Lernmotivation einschränken, sowie soziale Segregation und Vorurteile fördern.

2.

Meine Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit schöpfe ich vor allem aus meinem Nachhilfe Job, den ich bereits zweimal in den Semesterferien vollzogen habe. Über einige Wochen durfte ich Schüler*innen, die erst einige Jahre Deutschland leben, begleiten, um ihre Deutschkenntnisse zu verbessern. Die meisten mussten aus ihrer Heimat Syrien flüchten und sprachen somit vornehmlich syrisch und ein paar Wörter Englisch, bevor sie in eine deutsche Schule gekommen sind. Dort wurden sie zumindest in den weiterführenden Schulen in sogenannte „internationale Klassen” eingeteilt, um die Sprache Deutsch intensiv zu lernen und mit schulischen Inhalten zu verknüpfen. Problematisch wurde es insbesondere in den naturwissenschaftlichen Fächern wie z.B. Mathe, Physik und Biologie, da dass Fachvokabular besonders schwer zu erklären ist. Auch ich war teilweise überfordert, als ich einem 16-Jährigen Syrern in Integralrechnung Nachhilfe geben musste und ich bemerkte, dass bereits simple, alltägliche deutsche Wörter nicht verstanden wurden. Irgendwie, irgendwann haben wir es jedoch als Team geschafft uns den mathematischen Vorgang zu erarbeiten, sodass er in der nächsten Klassenarbeit eine gute Note geschrieben hat. Vor dem Hintergrund der Vorlesung wird mir deutlich, dass ALLE Schüler*innen Probleme bei dem Verstehen von Fachvokabular haben, das thematisieren der formellen Sprache als solche somit enorm wichtig für das Verständnis des Lerninhaltes und der Bildung von fachlichen Kompetenzen ist. Dass dieser Prozess bei Nichtmuttersprachler*innnen eventuell mehr Zeit in Anspruch nimmt, ist absolut nachvollziehbar und sollte nicht als Last abgestempelt werden. Meiner Erfahrung nach ist die Motivation und die Lernbereitschaft, bzw. Lernfähigkeit sehr hoch und sollte in jedem Fall unterstützt werden, vor allem, da es eine Bereicherung ist, über die vielen unterschiedlichen Spracherfahrungen zu sprechen und somit einen toleranten, offenen Umgang zu fördern.

3.

Bei meiner zukünftigen Unterrichtsgestaltung möchte ich beachten, dass ich den Eigenwert eines jeden Sprachgebrauchs wertschätze ohne, dass ich Sprache automatisch mit Herkunft gleichsetzte. Vorurteile und Stigmatisierungen bilden eine Gefahr, die mir in jedem Fall bewusst sein sollte, um im Gegenzug ein tolerantes Klassenklima zu schaffen. Die unterschiedlichen Spracherfahrungen der Kinder und Jugendlichen sollen in diesem Kontext thematisiert werden, mit dem Ziel, über das formelle Register der Schule reflektieren zu können. Nicht nur Lerninhalte, sondern auch das Fachvokabular als solches sollte seinen Platz im Unterricht finden für einen bewusste Umgang mit Sprache beim Lehren und Lernen. Denn Sprache bildet die Grundvoraussetzung für das
Verstehen und Kommunizieren von Fachinhalten und ist somit elementar für jede Unterrichtsvorbereitung. In diesem Zusammenhang würde ich gerne Übungsaufgaben, Handreichungen bzw. Leitfäden zur Orientierung erwerben, wie die Bildungssprache als Thema in den Unterricht (spielerisch) eingebaut werden kann.

4.

Die Schule muss in unserer mehrsprachigen Gesellschaft als ein Ort von Mehrsprachigkeit gestaltet sein. Es müssen Rahmenbedingungen gelten, die die Mehrsprachigkeit von Schüler*innen einbeziehen und einen registersensiblen Fachunterricht gestalten. Das bedeutet, dass als Grundvoraussetzung allen mehrsprachigen Ausdrucksformen, unabhängig von ihrem sozialen Status,  ein Wert an sich zu zusprechen ist. Sprache sollte nicht automatisch mit Herkunft verknüpft werden und Vorurteilen ihren freien Lauf lassen. ALLE Kinder und Jugendliche bringen unterschiedliche Spracherfahrungen mit, die in der Regel gemeinsam haben, dass sie in die andersartige Bildungssprache noch eingeführt werden müssen. Diese Aufgabe ist der Schule zu zuschreiben, da die bildungssprachliche Kompetenz konstitutiv für den Erwerb fachbezogener Kompetenzen ist. Die Aneignung von komplexen sprachlichen Mitteln funktioniert nur im Kontext der Bearbeitung fachlicher Gegenstände und sollte im Austausch innerhalb der Klasse gefestigt werden. Wichtig ist also, außerschulisch erworbene Ausdrucksformen der Schüler*innen anzuerkennen, sie zu bestärken und bezogen auf soziale Gebrauchskontexte (fachliches Register in Schule) zu erweitern. Lehrpersonen sollte sich demnach kritisch mit Sprache auseinander zu setzten (Mittel zur Selektion und Exklusion), sich ihrer Zuständigkeit und Verantwortung für Sprachbildung bewusst sein und als einer der wichtigsten Aspekte; einen nichtdiskriminierenden Zugang zu fachlicher Bildung ermöglichen. Diese Grundlage verdeutlicht erneut die Problematik der in Aufgabe 1 geschilderten Situation, dass Schüler*innen mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen an Haupt- oder Realschulen verwiesen werden.

 

 

 

 

 

 

RV08 – Prof. Dr. Andreas Klee – Vorstellungen und politisches Bewusstsein als Ausgangspunkt sozialwissenschaftlichen Lernens

1.

Neben der Heterogenität der Schüler*innen, beispielsweise bezogen auf ihre Religion, Herkunft und Geschlecht, begegnet uns im Unterricht noch ein weiterer Aspekt: Es handelt sich dabei um die kulturell geprägten Weltblicke mit ihren vielen resultierenden Vorstellungen, die im Unterricht von allen Seiten zum Ausdruck kommen. Als Lehrkraft ist es in diesem Kontext wichtig, auf die verschiedenen Visionen der Schüler*innen konkret einzugehen und mit ihnen zu arbeiten, um die lebensweltlichen Assoziationen durch einen fachlichen, multiperspektivischen Kontext zu erweitern. Dies äußert sich insbesondere in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern wie Politik und Geschichte, da diese mit einer Vielzahl von unstrukturierten Begriffen umgehen müssen (Gerechtigkeit, Freiheit etc.). Aber auch in meinem Studiengang (Germanistik) geht es um das Anknüpfen und die Erweiterung des Vorwissen der Lernenden, beispielsweise bezogen auf den Alltagsbegriff der Kommunikation. Da wir alle bereits als Kind mit diesem Phänomen konfrontiert werden, bildet sich bereits früh eine Vorstellung/Haltung/Meinung, die es nun aufzuarbeiten gilt. Ein möglicher Ansatz könnte sein, Schüler*innen aufzufordern eine Mind-Map in Gruppenarbeit zu erstellen, in der sie alles was ihnen zu diesem Term einfällt graphisch darstellen. Die Vielfalt an Vorstellungen ist absolut erwünscht und sollte auch im weiteren Verlauf des Unterrichts immer wieder thematisiert werden, um den Unterschied zwischen dem alltäglichen Verständnis von Kommunikation und dem fachlich, wissenschaftlichen zu erläutern. Anknüpfend könnte eine konkrete Definition aus dem ,Duden‘ behandelt werden und die unterschiedlichen Kommunikationsmodelle (Vier-Seiten-Modell, Eisbergmodell, Sender-Empfänger-Modell usw.). Auch in diesem Fall würde es sich eignen, pro Theoretiker jeweils ein Spezialistenteam zu bilden, sodass zum Ende der Unterrichtsstunde jedes Modell im Plenum vorgestellt werden kann.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass durch das Einbinden lebensnaher Assoziationen die Motivation seitens der Lernenden erheblich gesteigert wird und die Lehrkraft darüber hinaus vermittelt, dass Meinungsverschiedenheit kein unerwünschtes Phänomen ist.

2.

Als konkreten Unterrichtsinhalt habe ich bereits das Thema Kommunikation auserwählt, da in diesem Fall immer eine vorschulische/außerschulische Vision und Erwartungshaltung existiert. Im folgenden sollen drei methodische Varianten zur unterrichtspraktischen „Erhebung“ von Schüler*innen Vorstellungen dargestellt werden:

Zum einen wäre es möglich, eine individuelle Reflexion über die Methode des ‚Brainstormings’ zu fördern. Jedes Kind soll also ein paar Minuten für sich selbst überlegen, was es sich unter diesem Term vorstellt, welche Erfahrungen es bereits gemacht und welche Erwartungen er oder sie an den Unterricht hat. Anschließend könnte eine Gruppenarbeit folgen, um einen diskursiven und ergebnisoffenen Austausch zu ermöglichen. Hierbei könnten innerhalb der Kleingruppe Plakate mit Mind-Maps oder ähnliche Schaubildern entstehen, die letztendlich der gesamten Klasse in einem Rundgang oder durch einen spontanen Vortrag präsentiert werden. Diese Ansätze beinhalten die selbstreflektierende und die kommunikative Begegnung.

Zum anderen würde die Auseinandersetzung mit professionellen Urteilen, beispielsweise mittels eines Sachtextes über das Erlernen der Sprache oder das Lesen einer Kurzgeschichte (Peter Bichsel: San Salvador) anbieten, um ebenfalls die möglichen Probleme von Kommunikation zu behandeln und eine differenzierende Begegnung zu fördern.

3.

Eine Beobachtungsaufgabe in Bezug auf die unterschiedlichen Sprachwirklichkeiten von Schüler*innen und Lehrkräfte könnte sein, ob beide „Parteien” auf die Vorstellungen des jeweils anderen eingehen und zusammen versuchen ein Bewusstsein für Lernvoraussetzungen zu entwickeln, diese wiederum im Austausch thematisieren und reflektieren, inwiefern das eigene Gesellschaftsbild als „subjektive Auswahl aus einem kulturellen Fundus” (Petrik 2013, 219) anzusehen ist.

 

RV07 – Prof. Dr. Frank J. Müller – Auf dem Weg zu einer Schule für alle

1.

Die Konsequenzen der Aussonderung von Schüler*innen mit Förderbedarf beginnen bereits mit der Betitelung „Aussonderung”, die den Anschein erweckt, es handel sich um ein eine Art menschliche Traubenlese. Es entstehen „Restklassen”, welche dieses metaphorische Bild umso mehr verstärken und darüber hinaus viele negative Auswirkungen auf alle beteiligten Schüler*innen mit sich bringen. Kinder und Jugendliche benötigen Vorbilder für die
Sprachentwicklung, die motorische Entwicklung, die Lernentwicklung und
die emotionale-soziale Entwicklung – eine Vielfalt, die nur durch heterogene Klassen bedient werden kann. Die Orientierung von Schüler*innen mit Förderbedarf an „leistungsstarken” Mitschüler*innen spielt bei diesem Prozess eine besondere Rolle und würde durch die Separation in „Restklassen” kontraproduktiv wirken. Würden beispielsweise Kinder mit Autismus in einem Kollektiv unter sich bleiben, könnt es dazu führen, dass sie gegenseitig ihre Verhaltensweisen kopieren und das Bedürfnis nach einer ruhigen Lernumgebung somit verfehlt wird.

Insgesamt sollte nicht vergessen werden, dass inklusive Klassen viel zur Sensibilisierung von Vorurteilen und Berührungsängsten beitragen und somit ein wichtiger Bestandteil für ein respektvolles Miteinander darstellen.

2.

Wichtige Voraussetzungen für einen funktionierenden Unterricht sind zum einen die Beziehungsarbeit und Zeit, die Zugänglichkeit von Lehrinhalten und  zum anderen die Diagnostik von Lernvoraussetzungen und Interessen. In der Diagnose „Förderschwerpunkt Wahrnehmung & Entwicklung“ bzw. „Förderschwerpunkt Lernen“ sind verschiedenste Informationen enthalten, die es im Dialog mit  dem oder der betroffenen Schüler*in auszuwerten gilt, um den Unterricht als Lehrkraft anzupassen. Das bedeutet, dass die Kategorien der Förderschwerpunkte oftmals nur begrenzt aussagekräftig sind (kein Rezeptwissen) und zu Stigmatisierungen führen können, die wiederum Einfluss auf den zu erwerbenden Schulabschluss haben. Es handelt sich also vielmehr um eine Rechtfertigung für „schülergebundene“ Ressourcen und weniger um ein authentisches Konzept der Fürsorge. Die bereits genannte Diagnose könnte sich im Bereich des Kognitiven, des Arbeitsverhaltens oder der Kommunikation befinden – eine konkretere Vorstellung erfolgt jedoch nur über das Sprechen mit dem Kind,  Mitschüler*innen und den Eltern. Wichtige Informationen sind folglich das soziale Umfeld und das Verhalten des Kindes in seiner Lebenswirklichkeit (emotionale Reife, Lernstand etc.), sowie die individuell präferierten Lernmethoden für die Unterrichtsgestaltung.

3.

Die Vielfalt der Schüler*innen ist mir persönlich besonders wichtig, jedoch bringt diese Heterogenität auch einige Herausforderungen mit sich, sodass sich die Frage stellt, wie wir  als angehende Lehrkräfte dieser Situation gerecht werden können.

In diesem Kontext bietet es sich an, immer wieder das Gespräch mit den Schüler*innen und deren unmittelbaren Umfeld zu suchen, sowie mit ehemaligen Lehrer*innen und Sonderpädagogen*innen, um unterschiedliche Meinungen, Perspektiven, Anregungen und Ideen zu sammeln. Auf diesem Weg lassen sich unterschiedliche didaktische Methoden ermitteln, die  für jedes Kind einen potenziell richtigen Förderweg bieten. Wichtig ist, dass Lehrkräfte sich untereinander und mit anderen vernetzten, sodass Digitalisierung und Inklusion einen Mehrwert bilden, bei dem Materialien im Kollektiv weiter entwickelt und an die unterschiedlichen Lernniveaus angepasst werden.

4.

Die Entwicklung der Sonderschulen stellt historisch betrachtet einen Fortschritt dar, da es den ersten Versuch darstellte, Schüler*innen mit Förderbedarf  wahrzunehmen und ihnen einen Ort zur Weiterbildung unter besonderer Betreuung zu gewährleisten. Hierbei lag der Fokus auf den Verhaltensweisen, die als Diagnose im pathologischen Sinn sichtbar blieben. Auch heutzutage ist dies ein Problem auf dem Weg in Richtung „Regelschule”, die Separation von Schüler*innen mit Förderbedarf offenbart viele negative Auswirkungen, die insbesondere bezüglich eines sozialen Miteinanders dringend umgedacht werden sollten!

 

 

RV06 – Dr. Eileen Schwarzenberg – Meint Inklusion wirklich alle?

1.

Die für mich zentralen Aspekte aus der Vorlesung beginnen mit der semantischen Unterscheidung der Begriffe ‚Integration’ und ,Inklusion’. Für mich war bis zu diesem Zeitpunkt unklar, wie unterschiedlich die Bedeutung sein kann:  Während ersteres Kindern mit Behinderung sonderpäd. Unterstützung in Regelschulen bietet, gilt das Konzept der Inklusion als erweiterte Integration, da sie alle als gleichberechtigte Individuen, die von vornherein und unabhängig von persönlichen Merkmalen oder Voraussetzungen Teil des Ganzen sind, ansieht. Die Interaktion (Sonderbehandlung) und Organisation im Allgemeinen (Sonderschulen) kann folglich kontraproduktiv wirken und zu einer Exklusion führen. Spannend ist außerdem die Betrachtung der Einstufung sonderpäd. Förderbedarfs. Anhand acht Förderschwerpunkte (z.B. Lernen, Sehen, soziale Entwicklung) wird diagnostiziert, ob der oder die Schüler*in besondere Untersützung braucht. Dabei handelt es sich um eine administrative Vereinbarung die sowohl Berechtigungen im positiven als auch Entrechtungen im negativen Sinn auslösen können. Dieser Punkt ist äußerst kritisch zu beurteilen, da dieses standardisierte Verfahren in vielen Bundesländern den Besuch einer Sonderschule unvermeidbar machen. Als empirisches Ergebnis ist abschließend zu der ersten Aufgabe zu nennen, dass im Schuljahr 2016/17 bundesweit der sonderpädagogischem Förderbedarf  ,Lernen’ mit 36.5 %  am häufigsten diagnostiziert worden ist und die Frage nach einem gemeinsamen Schulbesuch weiterhin in den meisten Bundesländern umstritten bleibt.

2.

a)  Aus meiner Schulzeit kann ich berichten, dass es an unserem Gymnasium in Wuppertal eine jahrgangsübergreifende Klasse für Kinder/Jugendliche, die auf sonderpäd. Förderung (nach den acht Förderschwerpunkten) angewiesen waren, gab.  Diese Separation an einer Regelschule offenbart ein Verständnis von Integration, dass darauf beruht, die Gesellschaft bestehe aus einer relativ homogenen Mehrheitsgruppe und einer kleineren Außengruppe, die es in das bestehende System Schule einzugliedern gilt. Es handelt sich hierbei folglich nicht um die Position, es sei Aufgabe der Schule dafür zu sorgen, dass alle Schüler*innen mit ihren jeweiligen Fähigkeiten am Unterricht, in Verbindung mit der Flexibilisierung von Rahmenbedingungen, teilnehmen können. Die Vielfalt und Heterogenität der Gesellschaft wird nicht als grundlegend anerkannt, wie es im Sinne der Inklusion verlangt wird. Demzufolge würde ich dieses Konzept der sogenannten „Inkludierenden Exklusion“ zuordnen.

b)  Da ich noch keine Praxiserfahrungen an Schulen aus der Lehrerperspektive habe, kann ich auch diese Frage nur aus eigener Erfahrung als ehemalige Schülerin eines Gymnasiums beantworten. Wie bereits im Abschnitt 2. a) erläutert, gab es eine separate Klasse für Schüler*innen mit sonderpäd. Förderbedarf auf Grund von Einschränkungen im Bereich des Lernens, der emotionalen, geistigen und körperlichen Entwicklung. Insgesamt besuchten ca. 7 Kinder/Jugendliche diese jahrgangsübergreifende Klasse, die von zwei Sonderpädagoginnen geleitet worden ist. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass meine Mitschüler*innen teilweise neidisch waren, da sie mitbekommen hatten, dass in der Sonderklasse Kochkurse und ähnliches stattfanden, während wir Texte lesen und Analysen schreiben durften. Doch was wäre wenn wir alle in einer Klasse gewesen wären ? Viele Gegner eines inklusiven Konzeptes argumentieren, dass das Lerntempo gebremst und Mobbing ein größeres Thema werden würde. Außerdem sei die Ausstattung nicht geeignet, Leher*innen hätten bereits genug Stress und würden sowieso nicht über das Wissen von Sonderpädagogen verfügen, um mit der Situation angemessen umzugehen. Leistungsstarke Kinder bräuchten eine besondere Förderung, der in diesem Fall nicht gerecht werden könnte und wo sei der geschützte Raum für Kinder mit Behinderung?! All diese Einwände kann ich in gewisser Weise nachvollziehen und trotzdem ist es wichtig zu betonen, dass Bildung ein Menschenrecht ist und somit alle, wie es im Bremer Schulgesetz seit 2009 steht, „Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Staatsbürgerschaft, Religion oder einer Beeinträchtigung in das gesellschaftliche Leben und die schulische Gemeinschaft beförder[t]” (§ 3, Art. 4) werden sollten.

c) In dem vorherigen Abschnitt habe ich bereits mögliche Einwände gegen inklusiven Unterricht aufgeführt, die gleichzeitig als Herausforderung auf den vier unterschiedlichen Ebenen (Unterricht, Professionalität, Institution, Bildungspolitik)  fungieren. Daher werde ich mich im folgenden auf die Chancen konzentrieren. Meiner Meinung nach werden Kinder mit Behinderung durch das Konzept der Inklusion mehr auf ihre eigene Selbständigkeit vorbereitet, ein Prozess, an dem die gesamte Klasse teilnimmt. Außerdem wird ein toleranter, respektvoller Umgang gefördert, was wiederum zur Prävention von Vorurteilen und Berührungsängsten beiträgt. Teilnahme und Sichtbarkeit ist generell ein wichtiger Aspekt, viel zu lange wurde die Position einer Zwei-Gruppen-Theorie (Mehrheitsgruppe vs. Außengruppe) vertreten, welches den Mensch als gleichberechtigtes Individuum missachtet. Das  Schulsystem ist unflexibel in Anbetracht der unterschiedlichen Begabungen und Voraussetzungen der Kinder, hier gilt es die Rahmenbedingungen zu verändern um erneut darauf aufmerksam zu machen, dass es sich bei Inklusion nicht nur um eine Idee, sondern um ein Menschenrecht handelt.

3.

Ich würde es interessant finden, wie Schüler*innen das Konzept eines inklusiven Unterrichts empfinden, da oftmals nur aus der Perspektive von Lehrkräften, Eltern, Schulleitung, Politikern usw. argumentiert wird.

Wie schätzen sie als aktive Teilnehmer*innen die Chancen ein ? Sehen sie ebenfalls Herausforderungen? Welche Beiträge können sie leisten um die Lehrkraft zu unterstützen? Welche Vorurteile herrschen momentan? Wie können Berührungsängste überwunden werden? usw.

RV04 – Prof. Dr. Till Sebastian Idel – Individualisierung von Unterricht als schulpädagogische Antwort auf Leistungsheterogenität

1.

Die wichtigsten Einsichten, die mir der schul- und unterrichtstheoretischen Blick auf
individualisierenden Unterricht offenbart hat, sind an die möglichen Spannungsfelder gekoppelt. Wird von einer Individualisierung des Unterrichts gesprochen, entsteht zunächst eine positive Assoziationskette: Das Auswählen und Bereitstellen individuell passender Lernangebote auf Basis einer zuvor erfolgten Erfassung der Lernvoraussetzungen der Schüler*innen klingt nach einem harmonischen Konzept, welches sich auf die Logik der Heterogenisierung bezieht. Als Reformstrategie wird betont, Kinder und Jugendliche bei ihrer Potenzialentfaltung zu unterstützen, was wiederum Einfluss auf die Strukturierung anderer Ebenen, wie z.B. die Schul- und Unterrichtsebene nimmt. Das aufgeführte Fallbeispiel zeigt jedoch, dass individualisierender Unterricht nicht immer positiv zu bewerten ist – das Konzept erscheint als ambivalente kompensatorische Hilfe und interne Ausgrenzung. Der betroffene Schüler Tarkan wird räumlich von seinen Mitschüler*innen getrennt, während er mit der Lehrerkraft im Eins-zu-eins-Gespräch versucht, eine Aufgabe zu lösen. Er erfährt dadurch eine Sonderbehandlung und wird somit nicht nur räumlich, sondern ebenfalls bezogen auf die Komplexität der Aufgabe von den Anderen getrennt (Mitschüler*innen lösen alleine anspruchsvollere Aufgaben). Dieses Empfinden wird insbesondere in der Situation mit Nele deutlich, die Tarkan als kreative Schülerin gegenüber steht (soziale Differenz). Wissen gilt in diesem Sinne nicht mehr als elementar, sondern als Medium von Distinktion, was der pädagogischen Leitidee einer Talentförderung im Sinne von Chancengleichheit widerspricht.

 

2.

Aus meinem vorherigen Abschnitt über die wichtigsten Einsichten kann bereits entnommen werden, dass durchaus eine kritische Sichtweise auf die Individualisierung des Unterrichts besteht, die ihrerseits einen wichtigen Beitrag zur Reflexion des Umgangs mit Leistungs-Heterogenität im schulischen Kontext leistet. Die möglichen Herausforderungen können beinhalten, dass durch die Steigerung der Komplexität im Unterricht auch die Anforderungen an die Lehrkraft sich vervielfältigen. Hierbei bietet sich erneut an, das Fallbeispiel von Turkan einzubeziehen. Parallele Prozesse in der Klasse führen dazu, dass die Lehrkraft vermehrt ihre analytischen Fähigkeiten anwenden muss, um über den individuellen Förderbedarf von Schüler*innen zu entscheiden. Kategorisierung und Dekategorisierung sind bei diesem Prozess nicht auszuschließen, insbesondere vor dem Hintergrund, ob die individuelle Förderung aller oder die abhelfende Förderung der Leistungsschwachen geleistet werden soll in der Verbindung mit der Debatte um eine Defizitkompensation oder der Betonung von Stärken. Diese Probleme führen zu einer ausgiebigen Reflexion, die eine Sensibilisierung im Umgang mit Leistungs-Heterogenität im Unterricht fördert. Insbesondere in dem Widerspruch zwischen Förderung und Selektion, wie es auch im Fallbeispiel dargestellt wird, können die Konsequenzen Maßnahmen zur Professionalisierung hervorrufen. Anknüpfend an diesen Aspekt steht der Umgang mit Klassifikationswissen (Kategorisierung/Dekategorisierung) und die Frage nach der Gerechtigkeitsproblematik (individuelle oder kollektive Bezugsgrößen). Eine reflektierte Haltung gegenüber hierarchischer Strukturen ist ebenfalls von Wichtigkeit, die eine kritische Selbstreflexion bezüglich der eigenen Umgangsweisen mit Heterogenität voraussetzten.

3.

Die Perspektive eines schul- und unterrichtstheoretischen Blickes ermöglicht eine Vielzahl an Fragestellungen, die im Unterricht bei einem Praktikum beobachtet werden können:

Wie flexibel ist die Raum-Zeit Struktur?

Herrscht eine dezentralisierte Ordnung?

Gibt es verschiedene Aktivitätszentren?

Werden die Aufgabenstellungen ausdifferenziert und an wen sind sie adressiert (Einzelne/Teilgruppen)?

Wie ist die Kommunikation unter Anwesenden und wie wird mittels dessen Disziplin gesichert?

Wie geht die Lehrkraft mit parallelen Prozessen um?

usw.

 

 

 

 

 

RV03 – Dr. Christoph Kulgemeyer – Empirische Forschung zu Heterogenität im naturwissenschaftlichen Unterricht: Felder und Maßnahmen

1.

Zwei empirisch überprüfte Fakten zum Umgang mit Heterogenität, die der Diskussion im Kollegium wichtige Informationen erteilen könnten, sind zum einen unter dem Bereich der „äußeren Differenzierung“ und zum anderen unter der Kategorie der „inneren Differenzierung“ gefasst. Ersteres beinhaltet ein mehrgliedriges Schulsystem mit unterschiedlichen Niveaukursen. Die Auswirkung dieser Einteilung wurde 1992 von Hoffer (USA, Klasse 7-9) in den Fächern Mathematik und anderen Naturwissenschaften erforscht. Insgesamt hat sich ergeben, dass resultierend aus der Einstufung des Leistungsniveaus (niedrig, mittel, hoch) negative Effekte bezogen auf die fachliche Leistung entstehen. Dieses Phänomen wurde insbesondere bei leistungsschwächeren Schüler*innen beobachtet, während Leistungsstarke geringfügig von dieser äußeren Differenzierung profitieren. Die Binnendifferenzierung setzt hingegen auf Lernumgebungen, die auf unterschiedliche Leistungsniveaus angepasst werden, wie z.B. Zusatzaufgaben, individuell festgelegte Aufgabenschwierigkeiten, leistungsheterogene Gruppen mit festen Rollen usw. Auf letzteres bezieht sich eine Studie von Saleh aus dem Jahr 2015, die in fünf vierten Klassen durchgeführt worden ist. Diese wurden jeweils in Vierergruppen eingeteilt, die sowohl leistungshomogen, als auch leistungsheterogen sein konnten. Hierbei wurde der Fokus auf den Leistungszuwachs und die Motivation gelegt, was ergeben hat, dass Leistungsschwache von heterogenen Gruppen hinsichtlich beider Bereiche profitieren. Alle anderen Schüler*innen haben in den 16 Stunden Unterricht von eher homogenen Gruppen eine Steigerung an Leistung und Motivation erreicht. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass alle Schüler*innen tendenziell mehr Erfolg erzielen, wenn der Gesamtkurs leistungsstark ist und eine hohe Unterrichtsqualität gewährleistet ist.

2.

Aus meiner Erfahrung kann ich berichten, dass sich Ehrgeiz und Motivation auf dem Weg zu einer guten Leistung durch den Unterricht mit heterogenen Klassen gebildet haben. Das gegenseitige Zuhören von unterschiedlichen Meinungen und das anschließende Diskutieren, also ein Unterrichtsmuster, bei dem Schüler*innen aktiv zur Mitgestaltung (kognitive Aktivierung) aufgefordert werden, haben viel zu meiner schulischen Bildung beigetragen. In Gruppenarbeiten, wie z.B. die Vorbereitung eines Referats, kann sich diese Mischung von Leistungsniveaus jedoch auch negativ auf die Mitarbeit auswirken. Schüler*innen, die großes Interesse an einer guten Leistung haben, verhalten sich sehr dominant bei Entscheidungen bezüglich der Arbeitsteilung, des Zeitmanagements, der Gestaltung des Plakates usw. Dabei besteht die Gefahr, andere Gruppenmitglieder passive Rollen, also eine Art „Mitläufer“ Position zuzuteilen. Auffällig ist, dass diese Aufteilung auch in den weiteren Gruppenarbeiten größtenteils bestehen bleibt – eine Reproduktion von aktiver und passiver Mitarbeit in heterogenen Gruppen. In diesem Fall wäre es folglich sinnvoll, Gruppenarbeiten im homogenen Stil zu gestalten, sodass die Leistungsniveaus zumindest innerhalb eines Kollektivs ausgeglichen sind.

3.

Bei gestuften Lernhilfen handelt es sich um eine Maßnahme, bzw. eine Hilfestellung seitens der Lehrkraft, komplexe Aufgabenstellungen mittels einzelner Lösungsschritte zu bearbeiten. Diese Unterstützung ist sowohl auf die inhaltliche, als auch auf die lernstrategische Ebene bezogen. Ersteres bezieht sich auf konkretes und theoretisches Basiswissen, bei dem die Lehrkraft auf Vorwissen zurück greift und mögliche Wissenslücken schließt: Es findet ein Informationsinput statt. Die lernstrategische Ebene knüpft hingegen an die Anforderung an, Problemlösestrategien zu nutzen, um letztendlich, in diesem Fall ein naturwissenschaftliches Problem, zu lösen. Es handelt sich folglich um Herangehensweisen, die beispielsweise in Form einer Skizze die Bearbeitung der Aufgabe vereinfachen sollen.

Für mein Fach Deutsch würde eine gestufte Lernhilfe wie folgt aussehen:

Die Aufgabe ist es, einen Bericht über einen Praktikumstag zu schreiben. Da Schüler*innen oftmals Hemmungen haben eigenständig einen freien Text zu verfassen, würde ich damit anfangen ein Beispiel vorzulesen. Als nächstes wäre es sinnvoll, wichtige Informationen, die in einen solchen Bericht gehören, in einer Tabelle aufzuführen. Diese könnte bereits als fertiges Raster mit allen W-Fragen vorliegen, sodass die Klasse nur noch die eine Spalte ausfüllen muss. Anschließend findet eine Diskussion statt, bei der über das bisherige Ergebnis reflektiert wird und die Formalitäten eines Berichtes (Datum, Überschrift etc.) erarbeitet werden. Nun wird erneut eine Tabelle erstellt, in denen die Schüler*innen die Informationen über das eigenes Praktikum eintragen sollen. Wenn alle wichtigen W-Fragen beantwortet sind, ist der nächste Schritt das freie Schreiben. Die Endergebnisse können dann im Plenum vorgetragen werden, sodass sichtbar wird, ob der Bericht die aufgeführten Kriterien erfüllt uns somit die Lernhilfe umgesetzt worden ist.

4.

Die Aussage der Kollegin ist zu verallgemeinernd, da empirisch bewiesen worden ist, dass leistungsschwache Schüler*innen durchaus von leistungsheterogenen Gruppen profitieren, sowohl kognitiv als auch emotional. Für Leistungsstarke kann es dagegen ein Nachteil sein, da sie tendenziell aus eher homogenen Konstellationen ihren Nutzen ziehen. Insgesamt kann jedoch festgestellt werden, dass die Ergebnisse uneinheitlich sind und vielmehr auf die Unterrichtsqualität im Allgemeinen geachtet werden sollte. Natürlich können sehr offen gestellte Fragestellungen leistungsschwache Schüler*innen überfordern, was nicht bedeutet, dass diese Art von Aufgabenstellungen mit der Schulform des Gymnasiums gleichgesetzt werden können. Selbstgesteuertes Lernen kann nur effektiv sein, wenn Strategien erlernt werden und ein gewisses Vorwissen, sowie lernstrategische Kompetenzen bestehen, die von der Lehrkraft vermittelt werden. Strukturen müssen angeboten werden, sowohl fachliche als auch organisatorische, um eine gute Tiefenstruktur des Unterrichts zu gewährleisten, die allen Schüler*innen (unabhängig von der Schulform und dem Leistungsniveau) weiterhelfen.

 

RV02 – (Welt-) Gesellschaftliche Veränderungen und die Reaktion von Schule – ein Blick auf Strukturen und Konzepte

1.

Mit der „nationalen Orientierung des Bildungssystems“ ist gemeint, dass die Institution Schule die deutsche Kultur als Grundlage eines jeden Unterrichts vorsieht. Hierbei spielt insbesondere die Sprache eine wichtige Rolle, sowie fachspezifische Themen, die ebenfalls mehrheitlich an deutschen bzw. europäischen Ereignissen und Entwicklungen orientiert sind.

Ein konkretes Beispiel wäre neben dem Deutschunterricht, der die Sprache als solches und die dazu gehörige Literatur thematisiert, der Erdkunde-, oder Politikunterricht. In beiden wird gleichermaßen stark der Fokus auf die deutsche Historie (Nationalsozialismus als besonders wichtige Zeit) und die Entstehung deutscher Rechte, Gesetze, politischer Systeme usw. gelegt. Trans-, Multi-, und Interkulturalität haben somit einen sehr geringen Einfluss auf den Lehrplan, was dazu führt, dass die Zielgruppe bei mitteleuropäischen Schüler*innen mit langfristiger Bleibe liegt. Dass mit diesem ‚homogenen Raster‘ eine Ausgrenzung stattfindet ist kein Geheimnis, auch, dass in Schulbüchern eine internationale Ausrichtung, die einen differenzierten Umgang mit dem Thema Migration pflegen, eher weniger vorhanden ist.

 

2.

Erstmal muss gesagt werden, dass allein die Bezeichnung „Herausforderung“ sehr negativ behaftet ist und die vielen Möglichkeiten des kulturellen Austauschs verschleiert. Dieses Phänomen ist jedoch sehr häufig in der Schule vorzufinden: Lehrer*innen beschweren sich in der Öffentlichkeit über zu große Klassen, deren Schüler*innen unterschiedliche Migrationshintergründe mitbringen. Weitsichtigkeit als Wert wird in Folge dessen nicht gefördert, auch wenn mittlerweile 55% der neu eingeschulten Kinder in Bremen einen solchen Hintergrund vorweisen und, auch wenn Migrationsbewegungen im Allgemeinen (ebenfalls innerhalb Europas) kein jüngst eingetretenes Ereignis sind.

Erst 1996 gab es die Empfehlung für „Interkulturelle Bildung und Erziehung in der Schule“ – ein Paradigmenwechsel, der insbesondere 2002 durch den PISA Bericht an Aufmerksamkeit gewann. Seit 2016 existiert darüber hinaus das Recht geflüchteter Kinder und Jugendlicher auf schulische Bildung unabhängig von Aufenthaltsstatus und Bleibeperspektive – unvorstellbar, dass die Anpassungsanforderungen, die schon vor Jahren hätten eintreten müssen, nun langsam Schritt für Schritt ihren Weg in unseren Alltag, bzw. in den Schulkontext finden. Es Bedarf weiterhin an vielen Entwicklungen, zum einen auf struktureller Ebene und zum anderen bezogen auf die Ressourcen, um die Verknüpfung zwischen Migrationshintergrund und einem geringen Status (Bildung, Einkommen) aufzulösen.

 

3.

In dem Fallbeispiel wird deutlich, dass die Lehrerin kein reflektiertes und differenziertes Verhalten gegenüber ihrer Klasse darbietet und somit die Vorbildfunktion verfehlt. Durch das Unverständnis drückt die Lehrerin aus, dass sie nicht nur annimmt, Birgül vertrete türkisches Gedankengut, sondern impliziert ebenfalls eine weitere doppelte Verallgemeinerung. Erstens geht die Deutschlehrerin davon aus, in der gesamten Türkei würden Zwangsheiraten noch durchgeführt werden. Zweitens ordnet sie der Schülerin auf Grund von äußerlichen Merkmalen einen türkischen Migrationshintergrund zu (kulturelles/ethnisches Kollektivmerkmal).

Diese Annahmen verdeutlichen, dass die Lehrerin die „Prämisse eines naiven Kulturalismus“ nicht durchbricht – im Gegenteil, sie fördert stereotypisches Denken bei der gesamten Klasse. Vorurteile bleiben im Sinne eingeschriebener Bilder von den ‚Anderen‘ bestehen – eine Betonung des Konstruktionscharakters von Kultur fehlt, die eine reflexive Auffassung eben dieser beinhaltet und ihre Funktionen in den pädagogischen Kontext stellt. Aus diesem Grund stellt die Reaktion der Schülerin Birgül ein geeignetes Fallbeispiel dar, um die Verallgemeinerung seitens der Lehrerin zu kritisieren und für den eigenen Unterricht als ,Sensibilisierungsmaßnahme‘ zu verwenden.

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