Die Mediendidaktik im schulischen Kontext aktiv zu nutzen, um den Schüler*innen auf der visuellen Ebene etwas beizubringen ist die eine Seite. Die andere Seite ist, ihnen zu vermitteln, wie sie sich innerhalb der Medien, und im speziellen der sozialen Medien, sicher bewegen. Die Thematik der Reflexion von sozialen Medien spielt sich sehr nah an der Realität der Schüler*innen ab. Die allermeisten der Kinder und Jugendlichen verbringen einen Großteil ihrer Freizeit im Internet und den vielfältigen sozialen Medien. Diese sozialen Medien können hierbei als didaktisches Instrument oder eben als Reflexionsgegenstand dienen (Beißwenger/Knopp 2019).
Die Gründe für die Nutzung von sozialen Medien sind hierbei sehr vielfältig. Es geht auf der einen Seite um Selbstdarstellung, Vernetzung oder Beziehungspflege. Auf der anderen Seite bieten die Plattformen vielen Schüler*innen auch Platz für Partizipation oder politische Teilhabe (Raufelder 2009). Diese vielfältigen Gründe führen zu einer vermehrten Aktivität innerhalb der sozialen Medien und zu einer Seriosität und Abgrenzung gegenüber der Wirklichkeit. Vermehrt erleben Menschen durch die Nutzung von digitalen Netzwerken psychische Beeinträchtigungen, die nun ganz und gar nicht mehr unwirklich wirken. Es kommt an Schulen häufig zu Mobbing, welches sich aus dem Cyper-Mobbing in die Wirklichkeit übertragen hat. Einen nicht unwesentlichen Anteil haben hieran die sogenannten Hasskommentare (Hate-Speech). „Hate-Speech wird […] als öffentliche Kommunikation bewusster und/oder intentionaler Botschaften mit diskriminierenden Inhalten verstanden. […] Im Kern handelt es sich bei Hate Speech um einer Form der kommunikativen Herstellung menschlicher Minderwertigkeit. Dabei werden bewusst und/oder intentional Antinomien aktiviert, in denen unterschiedliche Gruppen von Menschen als ungleichwertige und exklusive Gegensätze definiert werden“ (Sponholz 2018: 48). Diese Art der Kommentare verbreitet sich im Internet sehr schnell und führt bei den Betroffenen zu vielseitigen Schäden. Die Opfer erfahren durch Hate Speech Rassismus, Antisemitismus, Sexismus oder andere furchtbare Formen des Hasses. Viele Menschen nutzen dabei die Anonymität des Internets, um andere zu beleidigen oder sogar Straftaten zu planen und zu begehen.
Es ist durchaus denkbar, dass viele Kinder und Jugendliche, die das Internet nutzen, ähnliche Gedanken verspüren und die sozialen Medien als eine Art rechtsfreien Raum betrachten. Innerhalb dieser Thematik erfordert es viel Aufklärung und die Medienbildung, unter anderem in der Schule, kann dabei hilfreich sein.
Thematisch hat die Problematik sowohl eine große Relevanz für die Schüler*innen als auch für die Lehrkräfte. Die Schüler*innen befinden sich in einer Phase der Kommunikations- und Konfliktbearbeitung. Sie nutzen dabei vielfach das Internet und die sozialen Netzwerke als Weg der Kommunikation. Konflikte über und durch die sozialen Medien werden offen ausgetragen. Die Wahrnehmung von derartigen Hasskommentaren kann im realen Leben zu negativen Einstellungen und Vorurteilen führen. Bedeutsam ist die Problematik allerdings auch für die Lehrkräfte und die Institution Schule. Es ist in ihrem Interesse, dass die Diskriminierung aus dem Netz nicht den Weg auf den Schulhof findet. Zudem können bei der Thematisierung bestimmte demokratische Werte vermittelt und Konfliktlösungen sowie Streitkulturen etabliert werden. Mit Hilfe dieser Werte und Konzepte findet zeitgleich eine partizipative Schulkultur statt, die von möglichen externen Beratungsstellen unterstützt werden kann. Dies wird besonders wichtig, wenn tatsächlich offen rassistische oder andere stark verletzende Äußerungen getätigt werden.
Um das explizite Thema Hate Speech in den Unterricht zu integrieren, ist es durchaus sinnvoll, die Problematik in verschiedenen Fächern zu besprechen. Grundlegend sollte es darum gehen, eine Sensibilisierung für die Thematik stattfinden zu lassen und das eigene Verhalten im Internet kritisch zu beobachten und zu hinterfragen. Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet vielfach kostenloses Material zu u.a. diesem Thema an. Es können Unterrichtseinheiten gestalten werden, in denen Hasskommentare als solche erkannt und eingeordnet werden. Bedeutsam hierbei wäre zudem, dass die Schüler*innen ein Repertoire an Handlungsoptionen erarbeiten. Hierzu gehört z.B. die sogenannte Counter Speech. Dieser Beitrag als Antwort auf eine Hate Speech ist ein wichtiger Beitrag für die Demokratie und zeigt Solidarität mit den Opfern. Diese Kommentare richten sich zumeist nicht nur an die Diskriminierenden und die Opfer, sondern vor allem an die stillen Mitleser*innen, die sich im Netz nicht einbringen, sondern vor allem mitlesen (Baldauf et al. 2017). Diese und viele andere Möglichkeiten bietet eine präventive Arbeit, die dazu dient Hate Speech und ihre Folgen zu vermeiden. Die mögliche Umsetzung dieser Thematik kann vielseitig und durch externe Stellen unterstützt werden. Viel Material bieten hier u.a. die Bundeszentrale für politische Bildung oder die Amadeu-Antonio-Stiftung.
Dass eine Reflexion der sozialen Medien in der heutigen Zeit, besonders bei jungen Schüler*innen, sehr wichtig ist, wird durch die Betrachtung der Problematik Hate Speech, deutlich. Die Schule kann dabei als unterstützende Akteurin fungieren, um den Schüler*innen bestimmte Kompetenzen mit an die Hand zu geben. Diese können von bestimmten Fachkompetenzen aus den verschiedenen Fächern bis hin zu Sozialkompetenzen reichen. Zu den Fachkompetenzen können z.B. im Fach Deutsch die Analyse der Wortwahl und des sprachlichen Ausdrucks sowie die Sensibilität für Sprache genannt werden. Zu den methodologischen Kompetenzen können hierbei das bewusste Steuern und Reflektieren der eigenen Mediennutzung beachtet werden. Die wohl aussagekräftigsten Kompetenzen bilden allerdings die Sozialkompetenzen. Die Schüler*innen steigern ihre Empathiefähigkeit, sie bringen sich ein und formulieren eine Feedback- bzw. Konfliktkultur, sie stärken die Zivilcourage und bilden politische sowie demokratische Teilhabe aus.
Im Zusammenhang mit der Reflexion der sozialen Medien und ihrer Nutzung ist auch die Medienkritik nicht zu vernachlässigen. Informationen oder Quellen sollten immer kritisch betrachtet und die Vertrauenswürdigkeit hinterfragt werden. Diese Kompetenz sollte in der Schule erlernt und angeboten werden, da es den Schüler*innen nicht nur im Umgang mit Medien weiterhilft, sondern auch im späteren Studium oder Beruf von Vorteil sein wird. Die Kausalität zum Thema Hate Speech wird dann deutlich, wenn bedacht wird, dass solche Kommentare häufig von Falschinformationen gespickt sind, um die Adressat*innen gezielt zu verunsichern. Besonders gefährlich wird es, wenn sogenannte Trolle für die Verbreitung solcher Kommentare zuständig sind. Trolle sind Menschen, denen es nicht um Inhalte geht. Sie agieren häufig aus Geltungssucht, Freude an der Provokation oder Langeweile. Die eigentliche Kommunikation wird dabei gezielt zerstört und ein Fokus auf Unsachlichkeit gelegt. Dadurch entsteht kaum ein Raum für Argumentation. Immer häufiger kommt es im Internet auch zu gezieltem Trolling, bei dem Menschen dafür bezahlt werden, bestimmte Diskurse zu zerstören oder Inhalte zu verbreiten. Dieses gezielte Trolling findet auch immer häufiger in politischen Diskursen statt, und hat somit eine direkte Auswirkung auf die tatsächliche Politik (Hemmelmann 2015, Rieger/Dippold/Appel 2020).
Zu einem reflexiven Umgang mit sozialen Medien sollte auch die Auseinandersetzung mit solch Problematiken gehören. Es wäre durchaus denkbar, dass innerhalb des Unterrichtes, Raum geschaffen wird, um auf das Thema aufmerksam zu machen und mögliche Strategien zu entwickeln. Eventuell haben einige Schüler*innen noch keine Informationen über diese Art der Kommunikation im Internet und können somit nicht nachvollziehen, wann es sich um einen Troll handelt und wann nicht. Auch hierbei bieten einige Organisationen Möglichkeiten und Arbeitsmaterial an, die im Unterricht genutzt werden können.
Dass eine ausgiebige Reflexion der eigenen Nutzung von sozialen Medien unumgänglich ist, zeigt nicht nur diese kurze Ausführung. Verschiedene Untersuchungen und Studien zeigen, dass viele Kinder und Jugendliche, die tagtäglich das Angebot im Netz nutzen, sich häufig in der Beurteilung von ihren Medienkompetenzen falsch einschätzen (Harnischmacher et al. 2020).
Dabei kann eine wirksame Reflexion und Betrachtung der sozialen Medien dazu führen, dass Phänomene wie Hate Speech oder Trolle früh erkannt und darauf reagiert werde kann. Diese Kompetenzen sollten früh und intensiv in der Schule vermittelt werden.
Literatur
Baldauf, J. et al. (2017): Umgang mit Hate Speech und Kommentaren im Internet. In: Broschüre der Amadeus-Antonio-Stiftung.
Beißwenger, M./Knopp, M. (2019): Soziale Medien in Schule und Hochschule. Zur Einführung. In: Beißwenger, M./Knopp, M. (Hrsg.): Soziale Medien in Schule und Hochschule: Linguistische, sprach- und mediendidaktische Perspektiven. Forum angewandte Linguistik, Band 63. Berlin: Internationaler Verlag der Wissenschaft, S. 9-22.
Harnischmacher, M. et al. (2020): Fake News und Desinformationen. Herausforderungen für die vernetzte Gesellschaft und die empirische Forschung. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft.
Hemmelmann, P. (2015): Ironie statt Ignoranz. Immer mehr Medien wehren sich gegen Trolle im Internet. In: Communicatio Socialis. Zeitschrift für Medienethik und Kommunikation in Kirche und Gesellschaft. 48. J. 2015, Heft 2, S. 170-175.
Raufelder, D. et al. (2009): Reflexive Internetnutzung und mediale Kompetenzstrukturen im frühen Jugendalter: Wie reflektieren Jugendliche ihre Internetnutzung und welche Rolle spielen dabei Familie und Peers? In: Diskurs Kindheits- und Jugendforschung, 4(1), S. 41-55.
Rieger, D/Dippold, J/Appel M. (2020): Trolle gibt es nicht nur im Märchen- Das Phänomen Trolling im Internet. In: Appel, M. (Hrsg): Die Psychologie des Postfaktischen: Über Fake-News, „Lügenpresse“, Clickbait & Co. Wiesbaden: Springer-Verlag, S. 45-58.
Sponholz, L. (2018): Hate Speech in den Massenmedien. Theoretische Grundlagen und empirische Umsetzung. Wiesbaden: Springer-Verlag.
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