und der Umgang damit

Soziokulturelle Heterogenität – Erziehungswissenschaftliche Perspektiven

Im Laufe unserer Geschichte kam es durch unterschiedliche Faktoren wie Kriege, Arbeitermangel, Armut, etc. immer wieder zu Migrationsprozessen.  Als das Ganze anfing, war die Begeisterung bei uns in Deutschland eher mäßig – im Heidelberger Manifest 1981, sprach man sogar von der „Angst um die Unterwanderung des deutschen Volkes“, „Überfremdung unserer Kultur, Sprache und unseres Volkstums“ und davon, dass alle Völker sich durch individuelle Traditionen und auch genetisch voneinander unterscheiden; Integration beeinträchtige diese Diversität zwischen den Völkern, was als negativ angesehen wurde.

Auch heute stößt Zuwanderung nicht überall auf jubelnde Zurufe und freundliche Gesichter, dabei ist offensichtlich, dass ohne Migranten, die Zahl der in Deutschland Lebenden, drastisch gering wäre. Es wird außerdem außer Acht gelassen, dass in Bezug auf Schulen erhebliche, revolutionierende. finanzielle Investitionen für Projekte wie Sprachförderung, Hausaufgabenhilfe und Integrationsmaßnahmen, mit Erfolg durchgeführt wurden.

Ich selbst habe an meiner eigenen Schule Erfahrungen mit der Thematik sammeln können. Kurz bevor ich eingeschult wurde, zog ins Nachbarhaus eine iranische Flüchtlingsfamilie mit sechs Kindern. Die Meisten fand ich ehrlich gesagt ziemlich blöd (ich fand generell alle anderen Kinder blöd), aber eins der Mädchen, Ide, wurde meine Freundin und Spielgefährtin; wir waren gleich groß, im gleichen Alter und verstanden uns trotz Sprachbarriere blendend – damit hatte es sich schnell erledigt, sie lernte die Sprache unglaublich schnell. Ich erinnere mich gut daran, dass ihr Vater vor der Einschulung oft bei uns Zuhause war, um Informationen zum Ablauf zu erfragen. Es war nicht so, dass er nicht bereits bei jeder Anlaufstelle um Hilfe gebeten hatte, sondern so, dass meine und Ides zukünftige Schule ihm keine Auskunft geben wollte. Und obwohl sie in weniger als einem Jahr Deutsch gelernt hatte, wurde sie nach wenigen Wochen Erstklässlerunterricht auf meiner hübschen Vorort Grundschule auf eine Förderschule geschickt. Ich habe sie dort einmal besucht und nie wieder, das war ein prägendes Ereignis.

Meine Grundschule war meiner Meinung nach ausländerpädagogisch ausgerichtet, da niemand die Absicht hatte, Ide (oder andere Migrationskinder) dauerhaft in den Schulablauf zu integrieren. Darum gaben sich die LehrerInnen bei Hilfestellungen für diese Kinder weniger Mühe, sie würden schließlich sowieso nicht bleiben und uns ohnehin kaum verstehen. Die Kinder wurden als temporärer „Ballast“ betrachtet und auch von uns einheimischen Kindern mit Argwohn betrachtet – nicht jeder hatte, so wie ich schon vor der Schulzeit interkulturelle Kontakte knüpfen können, da die Meisten der Vorort Schule aus eben diesem Vorort stammten, wo Migranten einfach nicht vertreten waren. Das Verhalten der LehrerInnen beeinflusste uns SuS negativ im Bezug auf Freundschaften, die man lieber mit Lena aus Deutschland als mit Zümre von wo Anders knüpfte.

Ein Lichtblick war meine Mittelstufe, ein bunter Mix aus Kindern verschiedener Länder. Dort wurde viel wert auf Anti-Diskriminierungs Veranstaltungen gelegt, in denen gepredigt wurde, wie schlecht Diskriminierung ist und in welchem Maß sie uns schadet. Um zu demonstrieren, wie enorm wir voneinander profitieren können, wurden gemeinsame Essen veranstaltet, bei denen jeder etwas mitbringen durfte, was zuhause gekocht wurde. Es gab dann zum Beispiel Frühlingsrollen, Nudelsalat, enorm viele türkische super leckere Teigwaren und und und – mit Essen konnte man bei uns Schülern sowieso immer punkten. Eine super Sache, wir hatten feste Klassengemeinschaften und Diskriminierung kam „nur“ im Rahmen von geschmacklosen, scherzhaften Anspielungen vor („Du Jude“ für jemanden, der geizig Strichlisten von geliehenem Brötchengeld führte, „Du Kartoffel“ für einen klischeehaften Deutschen, etc.). Ein heikles Thema, doch dadurch, dass jede einzelne Kultur gleichermaßen auf diese Art durch den Kakao gezogen wurde, war es auf eine seltsame Art einvernehmlicher Humor. Das ordne ich klar ins antirassistische Konzept ein, da der Abbau von Diskriminierung groß geschrieben wurde und über das Schulsystem hinaus auch die Eltern der SuS sensibilisierte und durch die Veranstaltungen in Kontakt mit verschiedenen Kulturen brachte. Für uns neue Lehrer Generation, die wir als Schüler solche Prozesse durchlaufen konnten, ist Diskriminierung in Bezug auf „Ausländer“ kein Thema mehr – denn Ausländer als Solche, gibt es für uns nicht. Irgendwo kommt jeder her, von wo, spielt keine Rolle, außer natürlich, es geht ums Essen (her mit den Baklava!).

 

Für mein kommendes Praktikum wird interessant zu beobachten, wie Lehrkörper heutzutage mit gemischten Klassen umgehen, wie gemischt das Kollegium selber mittlerweile ist und wie die LehrerInnen den SuS richtiges Verhalten im Umgang mit Heterogenität vorleben.

Durch das richtige Vorleben, wie es an meiner Schule der Fall war, wird man frei von diskriminierendem Ballast, der einem die Sicht vernebelt. Veranstaltungen, wie das gemeinsame Essen mit Familien, könnte man auch Freunde und Bekannte hinzuziehen. Das würde eine Möglichkeit bieten, jedem die Vorzüge interkultureller Gruppen zu demonstrieren, nicht nur denjenigen, die es in der Schule lernen.

 

2 Kommentare

  1. Sümeyye Nur

    Hallo Lucia!

    Da ich selbst keine Erfahrung mit “Ausländern” bzw. Schülern in meiner Klasse/Schule gemacht habe, die kein Deutsch verstehen konnten, höre ich zum ersten Mal von solch einer Geschichte aus der Vergangenheit. Dass dem Vater bewusst nicht geholfen wurde finde ich erschreckend und einfach nicht verständlich, vor allem weil unsere Schulzeit nicht so weit in der Zeit zurückliegt.
    Du berichtest außerdem davon, sie in der Förderschule besucht zu haben. War das, was du dort beobachten konntest (vll. respektloser Umgang mit den Kindern, Betrachtung der Kinder als „Ballast“?) der Grund für die Entscheidung nie wieder hinzugehen? Du hast nämlich erwähnt, dass dich dieser Besuch geprägt hat, aber nicht in welchem Sinne es dies getan hat.
    Als du das Beispiel mit dem gemeinsamen Essen erwähnt hast, ist mir direkt dieses Werbevideo von Edeka in den Sinn gekommen: https://www.youtube.com/watch?v=-fHOIZKSUCc (Ja, man kann sich natürlich darüber streiten, dass die Förderung von regional hergestellten Lebensmitteln außer Acht gelassen wird, das tut jetzt jedoch im Zusammenhang zu unserer Ringvorlesung nicht zur Sache und ist sowieso nicht die Message hinter diesem Video).
    Deine Erklärung zu den vermeintlichen „Beleidigungen“ finde ich auch sehr interessant. Von älteren Generationen wird man beim Fall solcher Ausdrücke meist ermahnt. Obwohl ich kein sehr großer Fan davon bin, ist mir trotzdem bewusst, dass es vielmehr – so wie du bereits erklärt hast – um das spielerische Aufziehen geht. Wir Jüngeren gehen scheinbar viel gutgesinnter damit um.

    • Lucia

      Geprägt hat mich der Ausflug in verschiedener Hinsicht; zum einen war diese Schule im Vergleich zu meiner eigenen erschreckend brutal im gemeinsamen Umgang (es wurde beleidigt, sich geprügelt, etc.) und zum Anderen war der Einfluss der Schule bei Ide deutlich spürbar. Ich war noch zu klein, um zu das so zu erkennen, aber die schulische „Degradierung“ hat sie in ihrer Entwicklung wirklich beeinträchtigt. Ich hoffe, das hilft etwas besser beim Verstehen, liebe Grüße 🙂 Lucia

Schreibe einen Kommentar