und der Umgang damit

Denkräume anregen

Doppelte Heterogenität 

spielt besonders im Kunstunterricht eine große Rolle. Um Werke richtig beobachten und analysieren zu können, muss man zunächst darüber sprechen. Darüber, welche Arten der Wahrnehmung möglich sind – wie kann ich Sinneseindrücke am besten sprachlich entäußern, sodass mich meine Klassenkameraden verstehen? Was verstehe ich unter dem Begriff Tiefe,  oder Stimmung ? Betrachtet man dann gemeinsam ein Bild eines bekannten Malers, werden nach stiller Beobachtung Eindrücke gesammelt: ein Schüler sagt womöglich, das Bild mache ihn nervös, da die Pinselführung unruhig und durcheinander aufgetragen worden sei. Darauf wird die Schülerin neben ihm vielleicht entgegnen, genau das verursache ihn ihr ein euphorisches Gefühl der Abenteuerlust, da die Striche sich wild und frei auf der Leinwand austoben. Im offenen Gespräch bekommt jeder im Raum die Chance, die eigenen individuellen Eindrücke zu vermitteln; wobei alle gleichermaßen von allen Eindrücken profitieren, denn sie eröffnen jedem im Raum neue Wege, an das Bild heranzutreten. Es gibt dabei kein richtig oder falsch, sondern viele nebeneinander existierenden, gleichwertigen Wahrnehmungsweisen, die miteinander fusioniert ein wunderbares, großes Ganzes bilden können. 

 

Im Unterricht habe ich die Aufgabe, ihre Vorstellungen zu erheben. Das kann man im Kunstunterricht durch kreative Praxisaufgaben erreichen, indem es als ersten Schritt keinen festen Arbeitsauftrag gibt, sondern sie zu einem Oberthema wie Farbe frei gestalten lässt. Es gibt keine Vorgabe, was die Realisierung betrifft. Wenn alle damit fertig sind, wird als zweiter Schritt ein Museumsrundgang gemacht, bei dem jeder die Chance bekommt, sich zu dem Werk zu äußern, das gerade betrachtet wird. Es dürfen Fragen gestellt werden, die der Schöpfer beantworten kann, der im Anschluss präsentiert, was er ausdrücken wollte. Auch hier gibt es kein richtig, oder falsch, sondern viele verschiedene Wahrnehmungsweisen. Der Künstler kann hierbei viel über sein eigenes Werk lernen und es mit anderen Augen betrachten. Wertschätzung spielt dabei eine große Rolle, damit die SuS im Klassenverband lernen, dass es schöner ist, gewürdigt zu werden, statt beleidigt. Wenn sich niemand über den nächsten lustig macht, traut sich auch jeder, selber etwas zu seiner Schöpfung zu sagen – man kann sich nicht blamieren. Als dritten Schritt kann ich, basierend auf den kreativen Ergebnissen, ähnliche Werke von berühmten Künstlern zeigen , die wir dann offen zusammen analysieren. Dabei finden sich oft enorme Ähnlichkeiten zwischen den Künstlerwerken und denen der SuS, was ein Gefühl von ich kann das auch vermittelt – Selbstvertrauen wird aufgebaut, man fühlt sich den berühmten Größen näher.

Besonders im Bezug auf Arbeitsaufträge, wird es interessant zu beobachten, wie die einzelnen SchülerInnen sie interpretieren. Ist die Aufgabe zum Beispiel beurteile die Wirkung der Tiefe in diesem Bild mit See kann es sein, dass einer sich zur womöglich Tiefe des Sees äußert. Der Nächste sagt etwas zur Perspektive, oder meint die tiefe Farbgebung zu erkennen. Jeder hat eine eigene Definition zu Begriffen, so auch bei Tiefe. Das muss mir klar sein, denn es ist mein Auftrag, es an die SuS weiterzugeben, damit das Lernen immer auch ein offener Austausch ist. 

1 Kommentar

  1. Alina

    Liebe Lucia,

    ich finde die von dir geschilderte Vorgehensweise, um die Vorkenntnisse und Meinungen der Schüler*innen in den Unterricht mit einzubeziehen sehr gut. Stärker noch als im Politik-, oder auch  Religionsunterricht, gibt es für den Kunstunterricht keine festen Rahmen, die vorgeben was gut oder schlecht, richtig oder falsch ist. Es geht sehr viel um eigenes Empfinden, gewohnte, oder auch ungewohnte Eindrücke, die einen positiv oder negativ beeinfluss(t)en. Dabei ist es sehr wichtig die Schüler*innen in ihren Meinungen zu unterstützen und gegenseitigen Respekt zu schaffen, sowie zu vermitteln, dass ihre eigene Meinung und ihre eigenen Ideen und Werke gewertschätzt werden und, dass eventuell an den eigenen Äußerungen angebrachte Kritik zur persönlichen Weiterentwicklung verhelfen kann.
    Da die Klassengruppen z.T. immer größer werden, fände ich es ebenfalls sehr interessant zu verstehen, inwiefern sich diese offenen Kommunikationsrunden zeitlich im Unterricht unterbringen lassen, aber auch die Frage wie mit Meinungen (oder im Fach Kunst mit Werken) umgegangen wird, die vielleicht weiter von der „allgemeinen Definition“, sprich den Ansprüchen oder Werten, die weithin als von der Gesellschaft und/oder dem sozialen Umfeld als ’status quo‘ angesehen werden.

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