und der Umgang damit

Monat: Mai 2018

Auf dem Weg zu einer Schule

RV08: Professor Dr. Frank J. Müller: Auf dem Weg zu einer Schule

Reflektieren sie die Konsequenzen der Aussonderung von SchülerInnen mit Förderbedarf
Welche Informationen sind in der Diagnose „Förderschwerpunkt, Wahrnehmung & Entwicklung“ bzw. „Förderschwerpunkt Lernen“ enthalten?
Wie können Sie der Vielfalt der SuS gerecht werden und welche Verbündeten können Sie dazu gewinnen?

SchülerInnen mit Förderbedarf auszusondern, bringt einige Probleme mit sich. Das Wohl des Einzelnen wird hierbei gefährdet – spezielle Förderbedürfnisse der zu fördernden SchülerInnen werden übersehen, was im späteren Verlauf der Schullaufbahn problematisch werden kann. Dazu kommt die Tatsache, dass die Förderschüler meist alle zusammen in eine Klasse sortiert werden, in der allein der Lehrer Hilfestellung anbieten kann. Besser wäre es, wenn sie von SchülerInnen lernen könnten, die keine Förderung brauchen, ja vielleicht sogar gefordert werden müssen. Das gegenseitige voneinander Lernen und sich Unterstützen sind Prozesse, die immer wieder wichtig werden, ganz besonders im Schulalltag. Davon abgesehen sollte sich kein Kind fühlen, wie ein Sonderling, der sich auf eine negative Art von den Anderen Kindern einer Regelklasse unterscheidet.
Jedes Kind ist einzigartig, so auch die speziellen Förderschwerpunkte. In einer großen Gruppe Förderschüler, gilt es, zwischen Kindern mit Problemen in der Wahrnehmung und Entwicklung, und Kindern mit Problemen bei Lernprozessen, zu unterscheiden. Tut ein Kind sich schwer damit, zu lernen, ist der Förderbereich ein grundlegend Anderer, als der der Kinder mit Entwicklungs- und Wahrnehmungsstörungen. Die Zuordnen ist ein immens wichtiger Schritt, der von uns Lehrkörpern schwer zu gehen wird – dafür sollte man genau wissen, wen man vor sich hat, wo die individuellen Förderbedürfnisse liegen, welche Hintergründe mit zu berücksichtigen sind, etc. Der Austausch mit den Eltern der SchülerInnen ist dabei von entscheidendem Vorteil, denn niemand kennt sie so gut, wie die Personen, die tagtäglich mit ihnen unter einem Dach leben. Alles diesbezüglich Aufschlussreiche sollte mit in die Überlegungen einbezogen werden, so auch eventuell vorliegende Patientenakten, Berichte von Medizinern, oder Therapeuten.
Der Vielfalt der SchülerInnen gerecht zu werden, scheint mir eine nahezu unmögliche Aufgabe zu sein. Dennoch kann ich mich als Lehrerin bemühen, niemanden meiner Lerngruppe auszulassen, Themensprünge erst zu wagen, wenn wirklich alle das vorherige Thema verstanden haben und dafür zu sorgen, dass innerhalb meiner Klasse eine kreative Symbiose zwischen Förder- und Forderkindern herrscht. Die Kinder sollten sich auch untereinander helfen können, besonders, wenn ein spezielles Thema schwer zu erlernen ist und ich die Menge der Fragen nicht alleine bewältigen kann.
Zum Glück kann ich immer meine Kolleginnen und Kollegen konsultieren, die -hoffentlich- hilfsbereit versuchen, Lösungen mit mir auszutüfteln, oder zumindest wissen, an wen ich mich im Notfall noch wenden kann.

Interreligiöse Konflikte im Unterricht

Durch stetige Zuwanderung verschiedenster Kulturen, ist die religiöse Vielfalt deutscher Schulklassen in den letzten Jahren enorm erblüht. Das ist wunderbar, kann aber im Unterricht auch für Konflikte sorgen. Besonders im Religionsunterricht besteht ein Konfliktrisiko, da er, durch die christliche Prägung des Landes, hauptsächlich auf das Christentum eingeht. Die SuS sollen im besten Fall jedoch die vielfältigen Religionen kennen lernen, die diese Welt zu offerieren hat, sich gegenseitig achten und dafür sorgen, dass Attribute der jeweiligen Religionen nicht auf entsprechende SuS bezogen werden, oder andersherum. Eine einzige Person spiegelt keine ganze Glaubensgemeinschaft, dafür sind die individuellen Religionen viel zu vielfältig.

Um die kleinen Köpfe der SuS mit unvoreingenommenem Wissen über verschiedene Religionen zu füllen, ist es sinnvoll, Vertreter der Selben in die Klasse einzuladen. Diese können intensive Einführung betreiben, Interesse wecken und Antworten geben, die ich als Lehrerin wahrscheinlich nicht gegeben hätte. So haben alle die gleiche Basis, von der aus individuell entschieden werden kann, was einem persönlich gefällt und was nicht. Anstatt sich in glaubensabhängige Kleingruppen aufzuspalten, entsteht so die Möglichkeit, einen großen harmonierenden Klassenverband zu entwickeln. in dem gleichgestellt diskutiert und hinterfragt werden kann. Den subjektiven Blickwinkel zu erweitern und zu einer pluralisierten Wahrnehmung zu gelangen.

In meiner Schullaufbahn habe ich relativ oft die Schule gewechselt, hatte aber nur an einer davon Religionsunterricht. Meine Klassen waren immer kulturell durchmischt, dennoch war der Religionsunterricht der deutsche Standart. Konflikte gab es keine, das mag aber daran gelegen haben, dass die meisten mit Migrationshintergrund in Deutschland geboren worden waren und nebenbei bemerkt sowieso niemand in Religion aufgepasst hat. Darüber hinaus gab es verschiedene Aktionen, um uns SuS in neue Kulturen eintauchen zu lassen, unter Anderem Ausflüge in Kirchen und Moscheen. Gewiss war das mit dafür verantwortlich, dass ich allen Religionen möglichst unvoreingenommen begegnen kann – oder es liegt daran, dass ich nie getauft worden bin und in früheren Zeiten als gottlose Heidin bezeichnet worden wäre. Ich finde die Materie Religion extrem spannend und faszinierend, aber als Realistin glaube ich an die Wissenschaft und finde keine Antworten im Glauben. Diesbezügliche Diskussionen mit diversen Oberhäuptern der Glaubensgemeinschaften habe ich geliebt, zumal sie es -wenn sie wirklich gut waren und deep in ihrer Materie verankert- immer wieder geschafft haben, mich sprachlos und grübelnd zurückzulassen.  Jedoch waren die Diskussionen selten, der Standart war sehr sehr trockener vortragsähnlicher Unterricht. Ganz Anders als der Alternativkurs der anderen Schulen: die Philosophie. Ich könnte Bücher damit füllen, zu umschreiben, wie sehr ich dafür brenne – aber das ist eine andere Geschichte.

Für kommende Praktika würde ich gerne persönliche Statistiken erstellen und zählen, wie viele Konflikte es tatsächlich aufgrund verschiedener Religionen gibt und auf welche Art diese gelöst werden – wie tief wird dabei gegraben, um den Kernkonflikt herauszuheben ? Und inwieweit betrifft das Thema meine Fächer Germanistik und Kunst ? Gewiss gibt es Überschneidungen, die es herauszuarbeiten gilt.

Herausfordernd wird für mich, das Religionsthema ernst zu nehmen und zu verstehen, dass es Menschen gibt, die buchstäblich für ihren Glauben töten würden. Religionslos erzogen worden zu sein, ist für mich ein Segen und das darf ich nicht zu leichtfertig raushängen lassen, sondern muss es mit Bedacht einsetzen, um Alle an Alles heranzuführen.

Sprachliche Heterogenität im Deutschunterricht

Diesmal fielen viele Begriffe, die man aus dem aktuellen schon zu kennen glaubte: MigrationshintergrundSeiteneinsteiger, DaZ – Deutsch als Zweitsprache.  Aber aufgepasst! Sieht man genauer hin, bemerkt man, dass es wahnsinnig viele verschiedene Definitionen dieser Begriffe gibt, die meist in unterschiedlich variierenden Kontexten gebraucht werden. Wer glaubt, die jeweilige Begriffsdefinition zu kennen, sollte dennoch konkret nachhaken, in welchem Kontext der bekannte Begriff gerade gebraucht wird. Ich nehme mich selber als Beispiel; naiv ging ich ins Seminar und dachte, einen Migrationshintergrund haben alle, die eingewandert sind. Tatsächlich ist die amtliche Definition jedoch viel weiter gefasst: einen Migrationshintergrund habe ich, wenn ich selber, oder einer meiner Elternteile, die deutsche Staatsangehörigkeit nicht von Geburt an besessen habe.  Okay, gut zu wissen – mit meinem Spaniervater habe ich nämlich auch selber einen Migrationshintergrund.

Seiteneinsteiger hingegen, sind neu zugewanderte Kinder und Jugendliche, die ihre Schullaufbahn nicht in Deutschland begonnen haben (meiner früheren dümmlichen Definition des Migrationshintergrunds entsprechend). Sie sind schwer zu labeln, das heißt, es ist fast unmöglich sie zu kategorisieren. Nehmen wir beispielsweise eine Gruppe neu zugewanderter Kinder im gleichen Alter: Kind A hat in der Heimat eine wunderbare Bildung genossen und es nicht ganz so schwer, ins deutsche Schulsystem einzutauchen. Kind B hingegen hat niemals eine Schule gesehen, geschweige denn einen Text gelesen. Wenn man kein Naturtalent vor sich hat, wird Kind B es wirklich schwer haben, mit Kind A und allen anderen SuS der Klasse, in die es später eingegliedert werden soll, mitzuhalten.  Da durch Kriege und Wirtschaft die Zuwanderung in den nächsten Jahren nicht aufhören wird, stehen all diese Kinder im (bildungs-) politischen Fokus, denn es muss möglich gemacht werden, das Schulsystem so anzupassen, dass alle mit den gleichen Chancen für die Zukunft aus der Schule entlassen werden. Die Vorkurse in Bremen waren zunächst ein Gemisch aus Klassen, in denen alle Altersstufen vertreten waren. Das war nicht besonders förderlich für die einzelnen Jahrgänge und wurde schnell geändert, jetzt gibt es für alle Klassenstufen einzelne Vorkurse, die sich mit der Alphabetisierung auseinandersetzen und versuchen, die Kinder mit möglichst wenig Zeitverlust in die Regelklassen einzugliedern. 

Da ich selber keine Erfahrungen im Praxisbereich besitze, habe ich meine Mutter interviewt, die Lehrerin einer Grundschule ist.

Sie hat erzählt. dass sich die Kinder an ihrer Schule, die keinen Vorkurs besucht haben, meist im Mittelfeld bewegen: sie haben zwar keine spezielle Förderung genossen, sind dafür aber oft sehr fleißig und ambitioniert. Azra und Yalda heißen die zwei Mädchen in ihrer Klasse, beide haben zwei Jahre gebraucht, um die deutsche Sprache zu lernen. Zwei Jahre, in denen sich das ganze Kollegium die Haare raufte, wie sollte es zu schaffen sein, den beiden etwas beizubringen? Wie, wenn sie so gut wie nichts verstehen, was man sagt? Im dritten Jahr kam dann jedoch die Wende, beide holten schnell auf, still und leise hatten sie alles Wissen aufgesaugt und waren jetzt in der Lage, alles Gelernte anzuwenden. „Quasi über Nacht, so war das Gefühl bei uns.“ Yalda gewann sogar einen Wettbewerb, an dem auch deutsche Kinder teilnahmen, weil sie einfach die Beste war.

Die in Deutschland aufgewachsenen Kinder, die aus schwierigen Verhältnissen kommen, waren im dritten Jahr einfach überholt worden. Um jedoch mit denen mitzuhalten, die hier in liebevollen Familien aufgewachsen sind, alle Mittel und Fördermethoden genießen, die man geboten bekommen kann und Deutsch als Erstsprache sprechen, bedarf es allerdings erstens der Vorkurse und im weiteren mehr Förderzeit. Was die LehrerInnen der Schule aber sehr fasziniert, ist die Tatsache, dass zugewanderte Kinder oft in einem ungewohnt hohen Maß für die Schule brennen und dass das Feuer nicht nachlässt, sondern eher angefacht wird, je mehr sie lernen können.

Allerdings hat es ihrer Meinung nach immer auch damit zu tun, in welchem Umfeld sich die SuS außerhalb der Schule bewegen, ob die Familien mit zugewandert sind, welche Sprache zuhause gesprochen wird und ob jemand ein Auge auf sie hat.