und der Umgang damit

Sprachliche Heterogenität im Deutschunterricht

Diesmal fielen viele Begriffe, die man aus dem aktuellen schon zu kennen glaubte: MigrationshintergrundSeiteneinsteiger, DaZ – Deutsch als Zweitsprache.  Aber aufgepasst! Sieht man genauer hin, bemerkt man, dass es wahnsinnig viele verschiedene Definitionen dieser Begriffe gibt, die meist in unterschiedlich variierenden Kontexten gebraucht werden. Wer glaubt, die jeweilige Begriffsdefinition zu kennen, sollte dennoch konkret nachhaken, in welchem Kontext der bekannte Begriff gerade gebraucht wird. Ich nehme mich selber als Beispiel; naiv ging ich ins Seminar und dachte, einen Migrationshintergrund haben alle, die eingewandert sind. Tatsächlich ist die amtliche Definition jedoch viel weiter gefasst: einen Migrationshintergrund habe ich, wenn ich selber, oder einer meiner Elternteile, die deutsche Staatsangehörigkeit nicht von Geburt an besessen habe.  Okay, gut zu wissen – mit meinem Spaniervater habe ich nämlich auch selber einen Migrationshintergrund.

Seiteneinsteiger hingegen, sind neu zugewanderte Kinder und Jugendliche, die ihre Schullaufbahn nicht in Deutschland begonnen haben (meiner früheren dümmlichen Definition des Migrationshintergrunds entsprechend). Sie sind schwer zu labeln, das heißt, es ist fast unmöglich sie zu kategorisieren. Nehmen wir beispielsweise eine Gruppe neu zugewanderter Kinder im gleichen Alter: Kind A hat in der Heimat eine wunderbare Bildung genossen und es nicht ganz so schwer, ins deutsche Schulsystem einzutauchen. Kind B hingegen hat niemals eine Schule gesehen, geschweige denn einen Text gelesen. Wenn man kein Naturtalent vor sich hat, wird Kind B es wirklich schwer haben, mit Kind A und allen anderen SuS der Klasse, in die es später eingegliedert werden soll, mitzuhalten.  Da durch Kriege und Wirtschaft die Zuwanderung in den nächsten Jahren nicht aufhören wird, stehen all diese Kinder im (bildungs-) politischen Fokus, denn es muss möglich gemacht werden, das Schulsystem so anzupassen, dass alle mit den gleichen Chancen für die Zukunft aus der Schule entlassen werden. Die Vorkurse in Bremen waren zunächst ein Gemisch aus Klassen, in denen alle Altersstufen vertreten waren. Das war nicht besonders förderlich für die einzelnen Jahrgänge und wurde schnell geändert, jetzt gibt es für alle Klassenstufen einzelne Vorkurse, die sich mit der Alphabetisierung auseinandersetzen und versuchen, die Kinder mit möglichst wenig Zeitverlust in die Regelklassen einzugliedern. 

Da ich selber keine Erfahrungen im Praxisbereich besitze, habe ich meine Mutter interviewt, die Lehrerin einer Grundschule ist.

Sie hat erzählt. dass sich die Kinder an ihrer Schule, die keinen Vorkurs besucht haben, meist im Mittelfeld bewegen: sie haben zwar keine spezielle Förderung genossen, sind dafür aber oft sehr fleißig und ambitioniert. Azra und Yalda heißen die zwei Mädchen in ihrer Klasse, beide haben zwei Jahre gebraucht, um die deutsche Sprache zu lernen. Zwei Jahre, in denen sich das ganze Kollegium die Haare raufte, wie sollte es zu schaffen sein, den beiden etwas beizubringen? Wie, wenn sie so gut wie nichts verstehen, was man sagt? Im dritten Jahr kam dann jedoch die Wende, beide holten schnell auf, still und leise hatten sie alles Wissen aufgesaugt und waren jetzt in der Lage, alles Gelernte anzuwenden. „Quasi über Nacht, so war das Gefühl bei uns.“ Yalda gewann sogar einen Wettbewerb, an dem auch deutsche Kinder teilnahmen, weil sie einfach die Beste war.

Die in Deutschland aufgewachsenen Kinder, die aus schwierigen Verhältnissen kommen, waren im dritten Jahr einfach überholt worden. Um jedoch mit denen mitzuhalten, die hier in liebevollen Familien aufgewachsen sind, alle Mittel und Fördermethoden genießen, die man geboten bekommen kann und Deutsch als Erstsprache sprechen, bedarf es allerdings erstens der Vorkurse und im weiteren mehr Förderzeit. Was die LehrerInnen der Schule aber sehr fasziniert, ist die Tatsache, dass zugewanderte Kinder oft in einem ungewohnt hohen Maß für die Schule brennen und dass das Feuer nicht nachlässt, sondern eher angefacht wird, je mehr sie lernen können.

Allerdings hat es ihrer Meinung nach immer auch damit zu tun, in welchem Umfeld sich die SuS außerhalb der Schule bewegen, ob die Familien mit zugewandert sind, welche Sprache zuhause gesprochen wird und ob jemand ein Auge auf sie hat.

2 Kommentare

  1. Ilka-Christiane

    Dieser Beitrag zeigt sehr viel wichtige Aspekte der sprachlichen Heterogenität in der Schule auf. Die Verfasserin des Beitrags erzählt, dass die Unterscheidung der verschiedenen Begriffe, die damit zusammenhängen, für sie anfangs schwierig war bzw. sie diese nicht auseinanderhalten oder erklären konnte. Auch ich hätte vor der Vorlesung die einzelnen Begriffe nicht voneinander abgrenzen können. Dies hat mich überrascht, da ich durch die Fachdidaktiken, die ich in meinen beiden sprachlichen Fächern belege, der Meinung war, mich schon recht gut auszukennen mit diesen Begriffen. Somit bin ich froh, dass ich dies dazu gelernt habe.
    Wie auch die Verfasserin des Beitrags, habe auch ich über Bekannte erfahren, wie wichtig der Wissensdurst und die Motivation dafür ist, eine Sprache zu lernen und wie erstaunlich schnell einige SuS die deutsche Sprache erlernen können, da sie neugierig und wissbegierig sind.
    Spannend finde ich auch, dass ein entscheidender Faktor dafür, wie schnell und gut Kinder eine neue Sprache erlernen, ist, wie viel in der jeweiligen Familie gelesen wurde und wird, ob die SuS also aus einem schriftnahen oder schriftfernen Haushalt kommen.
    Auch die Verfasserin geht darauf ein, wie groß der Einfluss der Familien der SuS darauf ist, wie sie sich die deutsche Sprache aneignen. Dieser Faktor des familiären Umfelds sowie auch die Motivation und Wissbegierde der SuS ist meiner Meinung nach von großer Wichtigkeit für das Erlernen einer neuen Sprache.

  2. Lucas

    Zunächst möchte ich mich für deinen ausführlichen Beitrag bedanken. Du bist zu Beginn auf die verschiedenen Definitionen der Begrifflichkeiten: Migrationshintergrund, Seiteneinsteiger, DaZ – Deutsch als Zweitsprache eingegangen, was ich sehr gut fand. Durch die Erklärung hast du eine gute Einleitung in das Thema geschaffen und die Unterschiede zwischen den Begrifflichkeiten deutlich gemacht. Die Definition für „Migrationshintergrund“ ist relativ statisch und wurde von dir korrekt wieder gegeben. In Bezug auf die Seiteneinsteiger*innen ist dies schwieriger, was du aber durch ein Beispiel gut gelöst hast. Das von deiner Mutter dargelegte Beispiel macht wieder deutlich, dass heterogene Klassengemeinschaften förderlich für „lernschwache“ SuS sind und dass auch SuS die als Quereinsteiger in das deutsche Schulsystem integriert werden von Heterogenität profitieren. Genau wie deine Mutter im Interview darstellt, kommt es, in Bezug auf die Schnelligkeit der Integration, auch meiner Meinung nach darauf an, in welchen Lebensumständen die SuS sozialisiert werden.

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