Rv09: Prof. Dr. Lydia Murmann- „Welche Heterogenitätsdimensionen spielen im naturwissenschaftlich-technischen Unterricht eine besondere Rolle?“

Rv09: 17.06.19 – Prof. Dr. Lydia Murmann – „Welche Heterogenitätsdimensionen spielen im naturwissenschaftlich-technischen Unterricht eine besondere Rolle?“

 

  1. Das Fallbeispiel verdeutlicht meiner Meinung nach ganz gut, dass sich das Mädchen nicht interessengeleitet für eine der Aufgaben entscheidet, sondern vor dem Hintergrund der „sozialen Eingebundenheit“ (psychologisches Bedürfnis nach Deci und Rayan, 1993). Das Mädchen entscheidet sich gegen ihre eigentlichen Interessen, weil sie anscheinend die Gruppenzugehörigkeit wichtiger einstuft. Es kann aber auch sein, dass das Mädchen ein verzehrtes Selbstkonzept mit der Zeit entwickelt hat, weil ihr als Mädchen vorgelebt wird/wurde, das handwerkliche Sachen, Männer und Jungen Sache und nichts für Mädchen ist.
  1. Die didaktische Entscheidung der Lehrkraft, zwei verschiedene Aufgaben zur Wahl zu stellen, ist vom Ansatz her ein guter Gedanke, aber dadurch „Jungen- und Mädchengerechte Aufgaben“ zu differenzieren, nicht. Was sind schon „Jungen- und Mädchengerechte Aufgaben“? Dies ist eine sehr stereotypisierte Denkweise, die vermieden werden sollte.
  1. Mit dem Ziel des Kompetenzausgleiches impliziert die Lehrkraft durch die „gleichgerechte Genderaufteilung“ (Junge/Mädchen), eine bestimmte Zuschreibung. Die Lehrkraft hat dadurch ein bestimmtes Bild von den Fähigkeiten der Jungen und ein bestimmtes Bild von den Fähigkeiten der Mädchen. Die Schülerinnen und Schüler können dadurch in dem Glauben gehalten werden, nur weil sie ein Junge/ ein Mädchen sind, bestimmte Kompetenzen automatisch zu besitzen, was falsch ist. Es gibt Jungen, die nicht technikbegabt sind, genauso gibt es Mädchen, die technikbegabt sind. Wenn die Lehrkraft also davon ausgeht, dass Mädchen, weil sie Mädchen sind, nicht technikbegabt sind, und Jungen es sind, weil sie Jungen sind, dann wird das Selbstkonzept der Kinder (v.a. der Mädchen) nicht positiv beeinflusst, da die Mädchen eine Art dieser Zuschreibung unbewusst annehmen, es sei denn sie reflektieren und widersprechen das Vorhaben/die Begründung des Kompetenzausgleiches der Lehrkraft.
  1. Mögliche Forschungsfrage: Was sind die Themen im Sachunterricht, die Jungen und Mädchen interessieren? Gibt es häufige Unterschiede und Gemeinsamkeiten? Eine Befragung der Schülerschaft und der Lehrkraft kann Sinn machen, um herauszufinden, ob gendersensibel unterrichtet wird und ob/wie die Kinder dies wahrnehmen.