Beschreibung der Methode
Das Positionenspiel ist eine aktivierende Methode, um rhetorische Fertigkeiten wie das Argumentieren zu trainieren, Meinungsbildung zu fördern sowie die Überzeugungskraft von Argumenten zu testen. Hierfür vertreten zwei Personen, unabhängig von ihrer Meinung, gegensätzliche Positionen zu einem bestimmten Thema. Ziel ist es, die restlichen Schüler*innen argumentativ vom zu vertretenden Standpunkt zu überzeugen. Die Lernenden beziehen durch die Veränderung der eigenen Position im Raum Stellung zu den vorgebrachten Argumenten. Dies bringt Bewegung in den Lernprozess und regt die Lernenden an, den Argumenten beider Seiten aufmerksam zuzuhören. Durch die Bewegung der Zuhörer*innen wird außerdem die Wirkung der Argumente sichtbar und erlebbar gemacht.
Ablauf der Methode
- Vorbereitung der Argumente
Die Lernenden bereiten 15 Minuten oder länger in Kleingruppen Argumente vor. - Positionierung im Raum
Es erklären sich zwei Schüler*innen dazu bereit die Rolle des Redners bzw. der Rednerin zu übernehmen. Es vertritt jeweils einer die Pro- und einer die Kontra-Seite. Hierfür stellen sich die Redner*innen an den gegenüberliegenden Seiten des Raumes. Die restliche Gruppe positioniert sich auf einer Linie in der Mitte des Raumes. - Argumentationsphase
Die Pro- und Kontra-Redner*innen tragen abwechselnd je ein Argument vor. Hier ist zu beachten, dass sie nicht die persönliche Meinung vertreten, sondern einen zugewiesenen Standpunkt. Diese Neutralität hilft, um auf einer sachlichen Ebene zu diskutieren.
Die Zuhörer*innen reagieren unmittelbar auf jedes Argument, indem sie sich bei einer Zustimmung auf den jeweilige*n Redner*in zubewegen und umgekehrt sich von dem jeweiligen Redner*in wegbewegen, wenn sie das Argument ablehnen. - Spielende
Nach etwa 15-20 Minuten bzw. nach Austausch von 10-15 Argumenten endet das Spiel. Die Verteilung der Gruppe im Raum zeigt, welche Seite die überzeugenderen Argumente geliefert hat. Da die Schüler*innen auf die eigene Interpretation des Gesagten reagieren, ist eine abschließende Diskussion und Reflexion sinnvoll.
Benötigte Medien und Materialien
Für die Vorbereitung auf das Positionenspiel eignen sich Texte zu dem entsprechenden Thema. Wichtig ist es, Texte auszuwählen, welche das Thema durch viele unterschiedliche Perspektiven betrachten, so dass möglichst viele Argumente für beide Seiten gesammelt werden können. Die in den Kleingruppen erarbeiteten Argumente können in einem digitalen Tool geteilt werden, so dass alle Schüler*innen darauf zugreifen und voneinander profitieren können. Zudem ist es hilfreich die Mittellinie mithilfe eines Klebebandes zu markieren, um während des Spiels einen besseren Überblick zu erhalten.
Variation der Methode
Wenn die Gruppe groß genug ist, können auch 2–3 Personen die Rolle der Pro- bzw. Kontra-Redner*innen übernehmen. Dies könnte vor allem sinnvoll sein, wenn sich die Lernenden noch nicht so gut kennen und sie Hemmungen haben vor einer größeren Gruppe zu sprechen. Eine Gruppenkonstellation könnte ihnen Sicherheit geben und sie könnten ihre Argumente selbstsicher vortragen, indem sie sich jeweils mit dem Reden abwechseln. Alternativ zum digitalen Tool können die herausgearbeiteten Argumente auch gemeinsam nach dem Positionenspiel an der Tafel gesammelt werden.
Praxisbeispiel und Rückmeldung zur Methode
Das Positionenspiel eignet sich insbesondere für fächerübergreifende Themen des aktuellen oder historischen Diskurses sowie die Behandlung ethischer Fragestellungen. In unserem Praxisbeispiel wurde das Positionenspiel anhand der Fragestellung „Soll KI im Unterricht eingesetzt werden?“ angewendet. Durch die Textarbeit mithilfe der Group-Square-Share-Methode wurde sichergestellt, dass alle Teilnehmenden gut vorbereitet sind und vielfältige Argumente erarbeitet haben. Die Regeln des Spiels wurden zuvor im Plenum besprochen. Es haben sich schnell zwei Teilnehmer*innen als Redner*innen bereiterklärt, die Argumente vorzutragen. Dabei kam es häufig vor, dass mehr als ein Argument vorgetragen wurde, jedoch war die Redezeit bei beiden in etwa gleich und sie konnten so besser argumentativ auf den Standpunkt des jeweils anderen eingehen. Die Zuhörer*innen mussten stetig den Argumenten beider Seiten aufmerksam folgen und Stellung dazu nehmen. Dies lässt sich durchaus positiv bewerten, da in herkömmlichen Debatten die Teilnehmer oftmals auf ihre eigenen Argumenten fokussiert sind und hier neben der Argumentation der Schwerpunkt auf das Zuhören sowie der Reflexion des Gesagten liegt. Jedoch ließ sich nach einer gewissen Zeit eine Ermüdung feststellen, da die Zuhörer*innen weniger zum sprechen kommen und die Argumente zunehmend in eine bestimmte Richtung gingen. Hier wäre eine Pro- und Kontra-Gruppenkonstellation von Vorteil gewesen, da sich die Sprecher*innen gegenseitig ablösen könnten und neuen Schwung in die Diskussion bringen würden. Ein Verbesserungsvorschlag war, das Positionenspiel durch eine Moderator*in-Rolle zu ergänzen. Der Moderator oder die Moderatorin könnte Fragen zu unterschiedlichen Aspekten stellen und somit eine neue Dynamik mit einbringen. Des Weiteren ist es wichtig, aus den Positionen keine Rückschlüsse auf das Meinungsbild der Schüler*innen zu ziehen, da hier mehrere Aspekte eine Rolle spielen, wie z.B. die Argumentationsfähigkeit und -möglichkeit der Redner*innen, sowie die individuelle Interpretation des Gesagten. Es ist außerdem sinnvoll in einer abschließenden Diskussion die Zuhörer*innen miteinzubeziehen und zur Reflektion anzuregen, damit auch sie zur Sprache kommen. An dieser Stelle können sich außerdem die Redner*innen von den Positionen abgrenzen, die sie stellvertretend übernommen haben.
Zuordnung zur AVIVA-Phase
Das Positionenspiel eignet sich insbesondere für die Verarbeitungsphase des AVIVA-Modells von Christoph Städelin, da es den Schüler*innen ermöglicht, ihre zuvor erarbeiteten Argumente aktiv zu diskutieren und zu reflektieren. Die aktive Auseinandersetzung mit den Argumenten fördert die kritische Reflexion und stärkt die Fähigkeit, komplexe Themen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. In gekürzter Form eignet sich diese Methode außerdem, um Meinungen oder Einstellungen der Schüler*innen sichtbar zu machen.
Literatur
Gugel, Günther. (2011). 2000 Methoden für Schule und Lehrerbildung : das große Methoden-Manual für aktivierenden Unterricht.
Städeli, Christoph. „Die fünf Säulen der guten Unterrichtsvorbereitung: das AVIVA-Modell für den kompetenzorientierten Unterricht: Christoph Städeli.“ Folio: die Zeitschrift des BCH| FPS für Lehrkräfte in der Berufsbildung 6 (2010): S.20.