Lehr- & Lerntheoretische Didaktik
Das Berliner Modell
Historischer Kontext
Das Berliner Modell wurde Anfang der 1960er Jahre von Paul Heinmann entwickelt. Dieser arbeitete nach dem Krieg an der pädagogischen Hochschule Westberlins, was dem Modell seinen Namen gab. Maßgeblich mitbeteiligt waren Gunter Otto und Wolfgang Schulz. Letzterer entwickelte in den 1980ern das Modell zum Hamburger Modell weiter.
Das Berliner Modell entstand in Abgrenzung zu der damals vorherrschenden bildungstheoretischen Didaktik. Im Mittelpunkt des Berliner Modells stand der Bergriff des Lernens im Gegensatz zu Klafkis Modell, in dem Bildung im Mittelpunkt stand. Heinmann kritisierte, dass Klafkis Didaktik ausschließlich inhaltliche Aspekte betrachtete. Klafkis Bildungsbegriff sei „bildungsphilosophisches Stratosphärendenken“, ideologisch geprägt und für die Unterrichtsplanung unbrauchbar.
Anlass für Heinmanns Modell war das damals neu beschlossene Berliner Lehrerbildungsgesetz welches unter anderem die Einführung eines Praxissemesters vorsah. Dieses Praxissemester, genannt Didaktikum, sollte eine Verbindung von Theorie und Praxis schaffen. Die theoretische Grundlage für das Didaktikum sollte Heinmanns Modell bilden.
Das Berliner Modell sollte ein praxisnahes Strukturmodell für unterrichtsbezogene Entscheidungen sein. Dieses soll erfahrungswissenschaftlich begründet sein und die didaktische Analyse und Planung von Unterricht ermöglichen.
Das Modell
Kern des Berliner Modells bildet die Strukturanalyse, welche die Grundlage für die Faktorenanalyse bildet. Bei der Strukturanalyse wird die Grundstruktur von Unterricht untersucht. Dabei wird unterschieden zwischen:
Entscheidungsfeldern: Intention, Inhalte, Methoden, Medien
Bedingungsfeldern: anthropologisch-psychologischen Vorraussetzungen & situativ-sozial-kulturellen Vorraussetzungen
Für mehr Informationen zu dem Modell drückt auf das i:
Abbildung 1: Modell der Berliner Didaktik
Quelle: Arnold 2016: 138
Faktorenanalyse:
Die Faktorenanalyse schließt bei der Strukturanalyse an und fungiert als Reflexionsebene. Es soll theoretisch begründet werden, warum bestimmte Entscheidungen in einem Unterricht getroffen wurden.
Es soll aber nicht nur reflektiert werden warum ein Unterricht so abgelaufen ist, wie er abgelaufen ist, sondern es sollen auch Möglichkeiten für die Planung von zukünftigen Unterricht betrachtet werden.
Es gibt drei Analysekategorien:
Normen:
Didaktische Entscheidungen werden oft durch Normen beeinflusst – der Lehrer soll diese hinterfragen.
Vorgaben und Forderungen (z.B. Schulgesetze, Richtlinien, Schulbücher) sollen kritisch hinterfragt werden.
Fakten:
Heinmann versteht darunter „objektive Tatbestände“. Darunter fallen beispielsweise Lernschwierigkeiten, Begabungsunterschiede aber auch personelle und instituionelle Rahmenbedingungen. Der Lehrer soll diese Fakten mit wissenschaftlichen Mitteln erfassen und in seine Entscheidungen miteinbeziehen.
Formen:
Es soll der Unterricht nach didaktischen Gesichtspunkten hinterfragt werden. Der Lehrer soll reflektieren wie effektiv die von ihm eingesetzten Methoden, Sozialformen usw waren. Was könnte er verbessern?
Historischer Kontext
Nach dem Tod Heinmanns begann Wolfgang Schulz bereits in den späten 1960ern Jahren das Berliner Modell weiterzuentwickeln. Schulz wechselte 1977 nach Hamburg, wo er das Modell in den 1980ern fertig stellte und es so zu seinem Namen kam.
Trotz seiner Fertigstellung in den 1980er Jahren wurde das Hamburger Modell stark durch die Studentenbewegung der 1968er und deren Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus geprägt. Es stellte sich die Frage wie es dazu kommen konnte, dass so viele Menschen an den Verbrechen teilnahmen und wie man so etwas in Zukunft verhindern könne. Zudem waren viele Nazis weiterhin in führenden Positionen.
Auch wurde die repressive gesellschaftliche Rolle der Schule durch die Studentenbewegung hervorgehoben.
Daraus folgend wurde das Postulat der Wertfreiheit des Berliner Modells stark kritisiert. Schulz, beeinflusst durch die kritische Theorie der Frankfurter Schule, ging auf die Kritik ein und gab den Ansatz eines wertfreien Analyse- und Planungsmodells auf. Stattdessen stand das Hamburger Modell unter der Norm von drei Lernzielen: Autonomie, Kompetenz, Solidarität.
Das Modell
Für mehr Informationen zu dem Modell drückt auf das i:
Abbildung 2: Modell der Hamburger Didaktik
Quelle: Arnold 2016: 141
Das Planungsmodell:
Das Berliner Modell nahm wenig konkreten Bezug auf die Unterrichtsplanung. Schulz führte im Hamburger Modell vier Planungsebenen ein, die der Lehrende nacheinander abarbeiten soll.
- Perspektivplanung: Langfristige Planung (bspw. Ein Semester, ein Schuljahr) in Auseinadersetzung mit den Rahmenplänen (z.B. das Curriculum). Es soll eine Orientierung geschaffen werden.
- Umrissplanung: Aufbauend auf die Perspektivplanung werden einzelne Unterrichtseinheiten vorbereitet. Dabei soll methodisch didaktisch vorgegangen werden.
- Prozessplanung: Konkrete Planung einzelner Stunden, zerlegen der Rahmenziele in kleinere Lernziele.
- Planungskorrektur: Möglichkeiten der Planungskorrektur – es können unvorhersehbare Faktoren bei der Umsetzung auftreten
Literatur
Arnold, K.-H., & Lindner-Müller, C. 2016. Die Lern- und die Lehrtheoretische Didaktik. In R. Porsch (Hrsg.), Einführung in die Allgemeine Didaktik (S. 133-155). Stuttgart: UTB.