Beobachtungsprotokoll Café

Ich betrete ein Café in der Neustadt in Bremen. Es ist der 16.12.2021 um 15:00 Uhr. Direkt steigt mir ein süßlicher Geruch nach Gebäck und Kuchen in die Nase, genauso wie eine leichte Kaffee-Note. Außerdem fällt mir die stressige Atmosphäre auf. Ich stelle mich in die Schlange vor dem Tresen, um mir etwas zu bestellen. Vor mir stehen noch drei weitere Leute. Unmittelbar vor mir steht eine Frau, die sich unruhig umschaut und von einem Fuß auf den anderen tritt. Sie verlässt sogar kurz die Schlange und kommt dann zurück. Nach und nach bestellen die Leute vor mir. „Einen Mokka-Latte, bitte.“ Die Frau vor mir stürmt direkt aus dem Café, nachdem sie ihr Getränk erhalten hat. Ich bestelle einen Café Latte mit Hafermilch. Die Bedienung fragt mich, wo ich sitzen möchte. Ich entscheide mich für einen Tisch zwischen einem Mann, der einen Laptop vor sich stehen hat, und einer Frau, die auf ihr Handy schaut. „Wir bringen dir dein Getränk dann zum Tisch“. Ich setze mich und schaue mich um. Der Mann rechts neben mir scheint an etwas zu arbeiten und die Frau links von mir schaut sich ein Video mit Amy Winehouse auf ihrem Handy an. Am Tresen unterhält sich ein Mann in roter Regenjacke, grauem Fahrradhelm und Rucksack mit einer Café-Mitarbeiterin. Allerdings ist es recht laut in dem Café, weshalb ich dem Gespräch nicht folgen kann. Die Lautstärke kommt unter anderem durch die Musik, die an eine Strandbar erinnert. An den anderen Tischen sitzen mehrere Personen mit Laptops und scheinen zu arbeiten. Darunter auch eine 3er-Gruppe. Sie wirken so, als wären sie in einer hitzigen Diskussion. Die Schlange am Tresen ist immer noch lang, wodurch die Atmosphäre weiterhin leicht unruhig bleibt. Außerdem sitzen zwei ältere Frauen gemeinsam an einem Tisch. Eine der Café-Mitarbeiterinnen bringt ihnen gerade zwei Getränke. Sie scheinen einen kurzen Smalltalk zu führen und ich höre die Bedienung sagen: „Wir lassen uns hier nicht stressen“. Kurz darauf begibt sie sich wieder zum Tresen. Ich höre jemanden mit sehr hoher Stimme laut „Tschüss“ rufen. Ich schaue in die Richtung, aus der der Ruf zu kommen scheint und sehe eine junge Frau wild winken. Hinter dem Tresen antworten alle vergnügt. In der Zwischenzeit haben sich ein Mann und eine Frau an den Tisch vor mir gesetzt. Die Frau bekommt gerade ihren Kaffee, zeigt mit freudig aufgerissenen Augen darauf und schaut dann den Mann ihr gegenüber an. Kurz darauf wird ihnen noch Kuchen gebraucht und wieder strahlt die Frau. Als die Frau jedoch das Getränk genauer anguckt sagt sie verwundert: „Das ist doch falsch“. Worauf der Mann etwas Unverständliches erwidert. Die Frau entscheidet sich aber trotzdem, den Kaffee zu trinken. Der Mann mit der roten Regenjacke ist inzwischen gegangen und auch die Schlange vor dem Tresen existiert nicht mehr. Die Atmosphäre ist direkt entspannter, da nun alle sitzen, abgesehen von den Mitarbeitern. Ich probiere meinen Kaffee, den mir ein junger Mitarbeiter gebracht hat. Mir fällt auf, dass er anders schmeckt als ich es von Kaffee gewohnt bin, was mir nochmal vor Augen führt, dass ich mich in einer neuen Umgebung befinde. Ich höre wie eine Café-Mitarbeiterin einem Kollegen von einem Adventskalender erzählt, in dem ein Sirup war, den sie „ok“ findet. Der Kollege bringt kurz den Kaffee, den er währenddessen zubereitet hat zu einem Tisch. Als er zurückkommt redet die Mitarbeiterin sofort weiter: „Wenn du den von hier kennst, wirst du keinen anderen mehr mögen“. Das Stimmengewirr im Café wird lauter, also kann ich dem Gespräch nicht weiter folgen. Eine junge Frau betritt den Laden und geht zu der Frau, die am Tisch links von mir das Amy Winehouse Video anschaut. Sie fangen an, sich auf einer Sprache zu unterhalten, die ich nicht verstehe. Die junge Frau setzt sich kurz, steht jedoch schnell wieder auf und verlässt das Café wieder. Die Frau, die neben mir saß, zieht sich noch ihre Jacke an und geht zum Tresen, um zu bezahlen. Dann verlässt auch sie das Café. 

 

Aus dem Wechsel der Atmosphäre im Café, lässt sich schließen, dass sich schon durch nervöses Verhalten einzelner Personen, die ganze Atmosphäre in einem Raum ändern kann. Durch das Anstehen vieler Personen in der Tresen-Schlange wurde es direkt unruhiger, was unter anderem damit zusammenhängen kann, dass der Raum so gefüllter wirkt. Dass die Atmosphäre ruhiger wurde als niemand mehr in der Schlange stand, wurde nochmal unterstützt durch die vielen arbeitenden Personen. Außerdem lassen sich durch Kleinigkeiten wie ein „Tschüss“ in die Runde, Dinge erschließen, wie in diesem Fall, dass eine Mitarbeiterin ihre Schicht beendet hat und sich nun auf den Weg macht. Genauso wie, dass eine freundschaftliche Atmosphäre zwischen den Mitarbeitern herrscht. Die freundschaftliche Atmosphäre kann man auch an Gesprächsfetzen erkennen. Zudem kann man schnell darauf schließen, dass bestimmte Mitarbeiter sehr überzeugt von den angebotenen Produkten sind, wie hier die Frau, die von dem Sirup erzählt hat. Auch kann man oft Vermutungen anstellen in welcher Beziehung Personen zueinander stehen. Die Frau, die sich so über ihren Kaffee und den Kuchen gefreut hat, könnte zum Beispiel auf einem Date mit dem ihr gegenüber sitzenden Mann gewesen sein.

 

Alles in allem kann man sagen, dass man bereits kleine Ereignisse automatisch interpretiert, ohne die tatsächliche Wahrheit zu kennen. Dabei spielen alle Sinne eine Rolle. Man sieht etwas, bekommt eventuell Gesprächsfetzen mit und vielleicht liegt ein intensiver Geruch in der Luft. All diese Dinge, die man mithilfe der Sinne wahrnimmt, sind letztlich für die Gesamtatmosphäre verantwortlich. Wir sind dauerhaft irgendwelchen Reizen ausgesetzt, nehmen sie dadurch aber nicht mehr so bewusst wahr, sondern interpretieren sie unbewusst. Schon 15 Minuten bewusste Beobachtung haben mir das deutlich gemacht. In Zukunft versuche ich wieder bewusster Dinge wahrzunehmen und im Hinterkopf zu behalten, dass nicht alles so ist, wie es vielleicht im ersten Moment scheint.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert