Blogbeitrag Nr. 17: Politik und Weltanschauungen in der Schule-Eltern-Kommunikation – welche Positionen sind erlaubt und geboten?

  • Ein Schüler äußert vor der Klasse Stolz auf die nationalsozialistische Vergangenheit seines Großvaters – die Lehrkraft kommentiert das nicht.
  • Corona leugnende Eltern weigern sich in der Corona-Zeit, mit Maske zum Elternabend zu kommen. Sie dürfen das Gebäude ohne Maske nicht betreten und bezichtigen die Schule eines undemokratischen Vorgehens.
  • Eine arabisch-muslimische Schülerin äußert sich kritisch über die israelische Siedlungspolitik. Deshalb wird sie von einer Lehrkraft vor der Klasse als Antisemitin bezeichnet. Ihre Eltern beschweren sich über dieses Vorgehen.

Dies sind drei sehr unterschiedliche Beispiele aus Gesprächen, die wir im Projekt isekim mit Elternvertretungen und Schulleitungen geführt haben. Sie weisen auf die besonderen Herausforderungen im Umgang mit weltanschaulicher Pluralität in der Schulgemeinschaft hin. Es stellt sich ihnen die Frage: Sollte die Verherrlichung des Nationalsozialismus unkommentiert bleiben? Darf die Schule mit Verweis auf „Demokratie“ und im Sinne der Kooperation mit Eltern die Corona-Verordnung außer acht lassen? Ist das Vorgehen der Lehrkraft legitim, die Kritik der Schülerin am staatlichen Vorgehen Israels mit Antisemitismus gleichzusetzen?

In der Schule der Migrationsgesellschaft treffen eine Vielfalt von Lebenserfahrungen und -orientierungen, Perspektiven und Positionen u.a. mit Bezügen zu unterschiedlichen Weltregionen aufeinander. Vielfach sind Lehrkräfte unsicher, wie sie sich dazu verhalten sollen bzw. dürfen, weil sie meinen, ein bestimmtes Verständnis von „Neutralität“ vertreten zu müssen. Sie meinen, sie müssten sich gegenüber jeglichen weltanschaulichen und politischen Positionen, die in Schule geäußert werden unparteiisch verhalten. Dieses Verständnis von „Neutralität“ ist rechtlich und pädagogisch jedoch nicht haltbar, wie z.B. in einem Artikel für die Bundeszentrale für politische Bildung ausgeführt wird. Es gehört zum staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag, aktiv für demokratische Werte und Grundrechte einzutreten. Denn Schule ist ein zentraler gesellschaftlicher Ort, an dem gelernt wird, zwischen persönlichen Meinungen, politischen Äußerungen und sachlichen Argumenten zu unterscheiden, und zwar in allen Fächern. Dafür müssen diese benannt und ein Umgang mit ihnen praktiziert werden.

Für den Umgang mit einem Aufeinandertreffen widersprüchlicher Positionen in der Schule bietet der Beutelsbacher Konsens, auf den sich Akteur*innen der politischen Bildung 1977 geeinigt haben, eine fächerübergreifende Orientierung. Grundlegend für weltanschaulich-politische Äußerungen in Schule ist die demokratische Verfassung Deutschlands. In der konkreten pädagogischen Arbeit sind dabei folgende drei Prinzipien zu berücksichtigen:

  1. Das Prinzip des „Überwältigungsverbots„: Das bedeutet eine Zurückweisung jeglicher Form des Versuchs einer Indoktrination durch Lehrkräfte.
  2. Das Prinzip des „Kontroversitätsgebots“. Damit ist gemeint, dass das, was in Wissenschaft und Politik kontrovers diskutiert wird, auch im Unterricht kontrovers behandelt werden muss. Und als Schlussfolgerung aus den beiden anderen Prinzipien
  3. Das Prinzip der „Urteilsbefähigung“. Es bedeutet, dass Schüler*innen in die Lage versetzt werden müssen, eine politische Situation, ihre eigene Interessenlage sowie die der Lehrkräfte und Eltern einzuordnen und zu analysieren.

Wenn dies auf die oben aufgeführten Beispiele angewandt wird, bedeutet das:

  • Die demokratische Verfassung der Bundesrepublik verhält sich eindeutig zu den Verbrechen des Nationalsozialismus, dessen Verherrlichung eine Straftat bedeutet. Die Lehrkraft muss sich dazu unmissverständlich positionieren.
  • Die Corona-Verordnung kann kritisiert werden als staatliche Maßnahme, zu der kontroverse Positionen in Schule thematisiert werden sollten. Aber als staatliche Institution ist die Schule verpflichtet sie umzusetzen, auch gegen Protest der Eltern.
  • Kritik an der Siedlungspolitik der israelischen Regierung an sich ist kein Antisemitismus, aber es gibt kontroverse Positionen in Politik und Wissenschaft, wo die Kritik endet und wo israelbezogener Antisemitismus beginnt. Die Äußerung der Schülerin müsste in pädagogisch angemessener Form zum Anlass genommen werden, auf die Problematik hinzuweisen und das Thema im Unterricht differenziert zu vermitteln.

Yasemin Karakaşoğlu

Zum Weiterlesen:

https://www.bpb.de/themen/bildung/dossier-bildung/292674/was-man-sagen-darf-mythos-neutralitaet-in-schule-und-unterricht/ (mit weiteren Beispielen aus der Schulpraxis)

Blogbeitrag Nr. 16: Vom (richtigen) Umgang mit Beschwerden als Chance der Schulkulturentwicklung

„Die Eltern wollen manchmal Probleme gleich gelöst bekommen und wollen sofort die Lehrkräfte gleich fragen: „Hey, das ist mit meinem Kind passiert, ich finde es rassistisch, wieso ist es passiert und alles?“ Und manchmal wird es dann banalisiert oder nicht als sehr wichtig wahrgenommen seitens der Lehrkräfte. Aber für die Eltern ist das ja erst der Grund, weshalb die Kontakt aufnehmen mit den Lehrkräften.“

In diesem Interviewausschnitt mit einem Mitglied des Bundeselternnetzwerkes der Migrantenorganisationen für Bildung und Teilhabe (bbt) wird deutlich, wie wichtig ein unmittelbarer und vertrauensvoller Austausch zwischen Eltern und Schule ist, der sich insbesondere dann beweisen muss, wenn es um so ernste Probleme geht, wie berichtete Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen. Er zeigt, dass ein Kleinreden der Erfahrung, vielleicht gedacht als Beruhigung der Eltern oder aber auch als Schutz der eigenen Institution vor als falsch angenommenen Verdächtigungen dieses Vertrauensverhältnis massiv stören kann. Eine solche Reaktion vermittelt den Eltern, dass ihre bzw. die Schilderung des Kindes nicht ernst genommen wird, sie daher auch keine Aussicht auf Klärung des Falles und Schutz ihres Kindes in der Schule haben. Zugleich verstellen sich Lehrkräfte mit einer abwiegelnden Reaktion die Möglichkeit zu einer echten Klärung des Vorfalls.

Wenn Schulen hingegen einen offenen und konstruktiven Umgang mit Beschwerden pflegen, wenn sie geäußerte Beschwerden als Handlungsaufforderung verstehen, sich in den alltäglichen Routinen zu hinterfragen und dabei Eltern als Korrektiv von Fehlentwicklungen in der Schulkultur schätzen lernen, können sie damit das Vertrauen der Eltern in die Institution stärken und dazu beitragen, Schule zu einem sichereren und damit besseren, diversitätssensiblen wie diskriminierungskritischen Ort zu machen – in jeder Hinsicht und für alle.

Einen konstruktiven Umgang mit Elternsorgen habe ich kennengelernt bei Schulbesuchen in Kanada. Auf der Webseite des Schuldistrikts „River East Transcona School Division“  in Winnipeg/Kanada ist deutlich sichtbar für alle ein Button anzuklicken, der mit dem Hinweis „Concern Protocoll“ (Beschwerdeweg) zu einer leicht verständlichen und mit Illustrationen einladend gestalteten Übersicht führt (siehe Abbildung). Hier wird der Weg einer Beschwerde (in Englisch mit „Concern“ etwas ´weicher´ zu übersetzen als „Sorge“/„Bedenken“) von ihrer Äußerung gegenüber einer Lehrkraft bis zur Schulaufsicht abgebildet – alles selbstverständlich diversitätssensibel ausgeführt und formuliert in klaren Sprach-Botschaften.

Yasemin Karakaşoğlu

 

Concern Protocol: https://www.retsd.mb.ca/_ci/p/16944

 

Hilfreiche Tipps zur Einrichtung eines schulinternen Beschwerde-managements finden sich hier: 

https://www.vielfalt-entfalten.de/themen/personal-und-organisationsentwicklung/beschwerdemanagement-an-schulen/

Blogbeitrag Nr. 15: Warum eine eingestürzte Brücke in Dresden Bildung gefährdet

In Dresden kooperiert das Projekt isekim mit der 101. Oberschule „Johannes Gutenberg“, die Dresdner Kinder und Jugendliche mit Wurzeln in Deutschland und vielen anderen Ländern auf den ersten und mittleren Schulabschluss vorbereitet. Im Projekt isekim konnten wir diese als eine Schule kennenlernen, die sich in vorbildlicher Weise um Bildungschancen für alle Schüler und Schülerinnen bemüht – auch für diejenigen, deren Eltern sie wenig unterstützen können, z.B. weil sie erst seit kurzer Zeit in Deutschland leben.

Mit großer Begeisterung wurden uns auch die Planungen für einen Schulneubau gezeigt, in dem das Konzept der Schule noch bessere räumliche Rahmenbedingungen finden sollte. Für diesen Neubau sind nun im Haushaltsplanentwurf keine Mittel mehr vorhanden, wie die Schule in einem Video aufzeigt. Zugleich wird im derzeitigen Gebäude ein Gymnasium aufgebaut, das mit jedem neuen Jahrgang mehr Klassenräume benötigt. Es wird schlechter statt besser.

Hintergrund ist der Einsturz einer Dresdner Elbbrücke, deren Wiederaufbau viel Geld kosten wird. Sicher sind Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur wichtig – am Besten kontinuierlich, bevor eine Brücke einstürzt. Aber auch kontinuierliche und verlässliche Investitionen in die Bildungsinfrastruktur sind wichtig. Denn ohne Bildung fehlen in der Zukunft die Menschen, die zum Beispiel stabile Brücken bauen und erhalten können.

Yasemin Karakaşoğlu und Dita Vogel

Mehr dazu in einer e-petition

 

Blogbeitrag Nr. 14: Logbücher und Schulplaner – viele Zwecke auf einen Schlag erreichen?

Wie werden eigentlich Schulplaner und Logbücher, wie sie uns die isekim-Kooperationsschulen zur Verfügung gestellt haben, in der Schule-Eltern-Kommunikation genutzt? Beispiele finden Sie hier. Unser Eindruck: Die gebundenen Hefte oder Ringbücher wollen ganz schön viel erreichen.

Nachrichtenkanal: Es gibt Felder, in denen sich Eltern und Lehrkräfte gegenseitig Nachrichten zukommen lassen.

Orientierung über schulisches Lernen: Eltern können im Logbuch einen Eindruck bekommen, worum es gerade in der Schule geht, besonders wenn die Logbücher auch für Lerndokumentationen oder als Hausaufgabenhefte genutzt werden.

Informationshandbuch: Außerdem sind je nach Schule eine Vielzahl von Informationen abgedruckt wie z.B. schulische Kontaktadressen, Schulordnungen, Elternrechte und -pflichten.  Wir fragen uns, ob ein Heft auf Papier, dass die Kinder zwischen Schule und Elternhaus hin und her tragen, dafür das richtige Medium ist. Sind Flyer oder Hefte zum Schulbeginn dafür geeigneter? Oder werden Logbücher auf Papier bald komplett von Eintragungen in internen Lernplattformen abgelöst?

Dita Vogel und Pia Grimpo

 

Blogbeitrag Nr. 13: Elterncafé – von Eltern, für Eltern, nur für bestimmte Gruppen?

                                                                        Bild: Elterncafé an der Offenen Schule Köln

Elterncafés werden oft als Maßnahme empfohlen, damit Eltern Erfahrungen miteinander austauschen und mit der Schule in Kontakt treten können, z.B. von der Kultusministerkonferenz. Aber was bedeutet das konkret, und warum sollten sich Eltern ein solches Angebot wünschen? In der pädagogischen Literatur und auch in einigen Interviews im isekim-Projekt tauchen  „Elterncafé“ und „Elternstammtisch“ als informelles Angebot von Eltern für Eltern auf, das je nach Zusammensetzung der Elternschaft in der Schule auftauchen und wieder verschwinden kann.

Elterncafés werden aber auch von Schulen initiiert und durch pädagogische Fachkräfte und Honorarkräfte aus der Elternschaft unterstützt, wenn sich Schulen dadurch bessere Kontakte vor allem mit zugewanderten Eltern erhoffen. So äußert eine schulische Beschäftigte der Duisburger Kooperationsschule im isekim-Interview, dass ein Elternfrühstück oder Elterncafé als eine Möglichkeit gesehen wird, eine zentrale Frage zu lösen: „Wie kriegen wir unsere Eltern hier eingebunden?“ Dabei scheinen regelmäßige, anlasslose Termine nur kleine Teile der Elternschaft anzusprechen, während ein Muttertagsfrühstück mit kleinen Geschenken durch die Kinder die Mensa der Schule gefüllt hat.

Angeregt durch das Duisburger Beispiel soll in der Oberschule Johannes Gutenberg in Dresden eine andere Variante eines Elterncafés getestet werden. Elterngespräche könnten sich künftig auf einen Tag im Monat konzentrieren, an dem die Schüler*innenfirma ein Café-Angebot bereitstellt. Es geht also darum, dass Eltern sich in der Schule willkommen fühlen sollen und nicht auf dem Flur warten oder gleich nach einem Gespräch wieder gehen müssen.

Ein „thematisches Elterncafé“ wird in einer Projektbroschüre aus Brandenburg beschrieben: Eine Schule hat regelmäßig Vorträge zu erziehungsrelevanten Themen in türkischer Sprache angeboten, über die im Anschluss bei Tee und Gebäck gesprochen werden konnte. Dies habe auch Lehrkräfte dazu bewogen, Elternabende umzugestalten und die Elternpartizipation von „türkeistämmigen“ Eltern gestärkt. Dass das immer so ist, bezweifelt die Erziehungswissenschaftlerin Ellen Kollender, die viel zur Elternpartizipation geforscht hat. Sie sieht die Gefahr, dass die Tendenz zur Zweiteilung der Elternschaft verstärkt wird: „– im (zugespitzten) Sinne von: Die ›migrantischen Eltern‹ spielen im Elterncafé Bingo, während die ›deutschen Eltern‹ über die programmatische Entwicklung der Schule mitbestimmen.“

Die zentrale Frage dürfte sein: Schätzt die Schule die Wünsche und Bedarfe von Müttern, Vätern und anderen häuslichen Kontaktpersonen der Schule richtig ein?

Dita Vogel

 

Kollender, Ellen (2023): Eltern in der Schule der Migrationsgesellschaft – eine rassismuskritische Perspektive. In: Georgi, Viola B./Karakasoglu, Yasemin (Hrsg.): Allgemeinbildende Schulen in der Migrationsgesellschaft. Diversitätssensible Ansätze und Perspektiven. 1. Auflage. Stuttgart: Kohlhammer. S. 98–113, S. 106

Blogbeitrag Nr. 12: Schulwebsites in der Schule-Eltern-Kommunikation – wer spricht hier wen an?

Schulwebsites sind ein Schaufenster von Schulen, das auch Überzeugungen, Absichten und Rollenverständnisse transportieren kann. Ich bin Studentin der Erziehungs- und Bildungswissenschaften an der Universität Bremen und habe im Rahmen eines forschungsbezogenen Studienseminars die Websites der isekim-Kooperationsschulen analysiert (Link zum Projektposter). Ein Schwerpunkt der Analyse lag darin, zu verstehen, wie Schulen ihre Elternschaft ansprechen – und wer hier überhaupt wen anspricht. Dabei ist Folgendes herausgekommen:

Schulwebsites richten sich nicht nur an Schüler*innen und Eltern der Schule, sondern meist auch an die Öffentlichkeit im Allgemeinen, darunter Eltern, die sich die Website ansehen, um sich ein Bild von einer möglichen zukünftigen Schule für ihre Kinder zu machen. Viele Websites liefern vor allem einen raschen und verständlichen Zugang zu schulischen Informationen, was primär für Eltern aktueller Schüler*innen im Vordergrund stehen könnte. Es lässt sich vermuten, dass interessierte Eltern zukünftiger Schüler*innen stärker auf andere Aspekte achten, z.B. eine wertschätzenden Haltung, die Beachtung eigener Bedarfe oder eine hohe Sichtbarkeit von Personen auf der Website, mit denen sie sich identifizieren.

Beispiele dafür, dass Schulen auch bewusst mehrsprachige Eltern ansprechen, sind z.B. die Übersetzungsangebote auf den Websites von Schulen mit mehrsprachigen Profilen, wie am Augustum-Annen-Gymnasium in Görlitz und an der Europäischen Schule Karlsruhe, oder das Beispiel der Herbert-Grillo-Gesamtschule Duisburg, die auf ihrer Website auf mehrsprachige Angebote für Eltern aufmerksam macht.

Websites können auch Hinweise liefern, wie Eltern sich einbringen können. Werden Erziehungsberechtigte als Partner*innen und Teile der Schulgemeinschaft angesprochen, oder befindet sich der Elternbereich unter „Service“? Ein Signal für eine offene Kooperation kann auch dadurch gesendet werden, dass die Elternvertretung eine eigene Seite selbst gestaltet, wie z.B. beim Ratsgymnasium Minden, oder indem Erfahrungsberichte von Eltern auf der Startseite erscheinen, wie bei der Offenen Schule Köln (siehe Abbildungen unten).

Mein Fazit: Schulen können sich in der Reflexion ihrer Ansprache von Eltern über die Website folgende Fragen stellen.

  • Finden Eltern aktueller Schüler*innen nützliche Informationen?
  • Welches Bild erhalten Eltern von einer möglichen zukünftigen Schule für ihr Kind?
  • Können sich auch mehrsprachige Eltern angesprochen fühlen?
  • Werden Eltern als aktiver Teil der Schulgemeinschaft angesprochen?

Pia Grimpo

 

Abbildung 1: Die Elternvetretung des Ratsgymnasium Minden stellt sich auf der Schulhomepage vor (Quelle)

Abbildung 2: Die Offene Schule Köln veröffentlicht Erfahrungsberichte von Eltern auf der Startseite ihrer Website (Quelle)

Veröffentlicht unter isekim

Blogbeitrag Nr. 11: Hauptschulabschluss, oder was? Eine Übersetzungshilfe für Schulabschlüsse und Schulformen

Wie funktioniert das deutsche Bildungssystem – oder sollte eher von 16 Bildungssystemen in 16 Bundesländern gesprochen werden? Es gibt eine Reihe echter Unterschiede, aber manchmal heißt auch das Gleiche in jedem Bundesland anders. So wird der erste Schulabschluss in Sachsen „Hauptschulabschluss“ genannt, obwohl es dort keine Hauptschulen gibt. In Sachsen gibt es Oberschulen – wie auch in Bremen, aber Oberschulen in Bremen sind nicht dasselbe wie Oberschulen in Sachsen. Auch diese unübersichtliche und unlogische Begriffswahl, die durch die historischen Entwicklungen in den Bundesländern entstanden ist, trägt dazu bei, dass Informationen und Orientierungen zum Bildungssystem in den isekim-Interviews als eines der wichtigsten Themen genannt wurden.

Deshalb haben wir als ersten Schritt zwei Tabellen zusammengestellt, aus denen hervorgeht, wie Schulabschlüsse und Schulformen in den einzelnen Bundesländern benannt werden. Dazu nutzen wir Übersichten in einem Abkommen der Kultusministerkonferenz. In der Kultusministerkonferenz stimmen sich die Bildungsminister*innen der Bundesländer über wichtige Aspekte des Bildungssystems ab. Selbst die zuständigen Fachminister*innen brauchen eine solche „Übersetzungshilfe“, wenn sie sich über das Schulsystem verständigen!

Dita Vogel

 

Schulabschlüsse

 

Schularten der Bundesländer
Veröffentlicht unter isekim

Blogbeitrag Nr. 10: Orientierung im Dschungel des Bildungssystems – Angebote von Migrantenelternnetzwerken

Interviewte aus migrantischen Elternnetzwerken betonen im Rahmen des Projekts isekim immer wieder, wie wichtig Informationen zum Bildungssystem für Zugewanderte sind. Deshalb beteiligen sich Elternnetzwerke auch an der Entwicklung von Informationen. Dabei geht es nicht allein um Übersetzungen in die Sprachen der Zugewanderten, sondern auch um die Berücksichtigung von Erwartungen, die durch das Aufwachsen in einem anderen Land beeinflusst sind. Gut zu informieren ist schwierig, denn vor allem das Schulsystem ist nicht nur kompliziert, sondern auch noch in jedem Bundesland unterschiedlich.

Drei Erklärungsansätze, die wir in der Kooperation mit dem bbt identifiziert haben, können sich idealerweise ergänzen.

  • Erklärungen in einfacher Sprache.

In einer Broschüre des Landesnetzwerks der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt wird das gesamte Bildungssystem des Bundeslandes von den Angeboten für Kleinkinder bis zum Ende der Schulzeit knapp dargestellt und dabei erklärt, was Eltern in unterschiedlichen Situationen erwarten können (z.B. Klassenfahrt) und was von ihnen erwartet wird. Es gibt geprüfte Übersetzungen in neun Sprachen und weiterführende Hinweise.

  • Visualisierung von Komplexität.

Visualisierung ist ein Mittel, um dabei die Verständlichkeit zu erhöhen. Zum Beispiel haben Migrantenelternorganisationen in Niedersachsen an einer Visualisierung in einem öffentlich geförderten Projekt mitgewirkt. Die interaktive Graphik, die an den Straßenplan eines Großstadtgebiets erinnert, veranschaulicht Wege in den Beruf nach dem Schulabschluss in allen ihren Facetten. Während sie ohne Vorkenntnisse kaum lesbar ist, kann sie gut die Beratung über mögliche Wege in spezifischen Situationen unterstützen.

  • Individuelle Beratung.

Individuelle Beratung wird in Schulen und auch in Elternorganisationen geleistet. Einen besonderen Ansatz hat das bbt-Projekt KEBiK – „Kompetente Eltern für die Bildung ihrer Kinder“. Dort können Eltern in einem Online-Chat und telefonisch individuelle Fragen zum Bildungssystem stellen. Die Beratung wird hierbei nicht nur auf Deutsch angeboten – Olga berät auch auf Russisch und Ukrainisch, Filiz auf Türkisch und Jaschar Mai auf Englisch und Persisch.

Dita Vogel und Rosa Aziz

Veröffentlicht unter isekim

Blogbeitrag Nr. 9: Wer ist hier „bunt“? Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht

In einem Interview mit einer Elternvertreterin und -beraterin aus dem Kreis der bbt-Mitglieder betont diese, dass sie einen offensichtlich positiv gemeinten Hinweis einer Lehrkraft auf eine „bunte Schüler*innenschaft“ als unangemessen empfand und sich keinesfalls als Partnerin auf Augenhöhe in der Erziehung und Bildung ihrer Kinder anerkannt fühlte. Sie sagt „Das wird nicht erreicht, wenn Lehrkräfte bestimmte Wörter verwenden mit den Eltern, denn das macht sofort die Eltern klein (…) Ist es auf Augenhöhe, wenn ich anfange zu sagen „Ja, wir sind eine bunte Klasse“? Also wirklich, wenn man das sagt und mein Kind ist das einzige Schwarze Kind oder „bunte“ Kind.“

Was hier passiert, wird in der Literatur als „Tokenism“ bezeichnet. Das bedeutet, dass ein herausgehobenes Merkmal, dass die damit bezeichnete Person in besonderer Weise als markiert – hier die Hautfarbe –  als Alibi für Vielfalt herangezogen wird, die ansonsten keinesfalls in allen Bereichen der Institution repräsentiert ist und in der z.B. der institutionelle Rassismus gegenüber denjenigen, die da als „bunt“ bezeichnet werden, nicht reflektiert wird – im Gegenteil, durch den Verweis auf die Anwesenheit der angeblich „bunten“ Person gibt man sich den Anschein, nicht im Verdacht zu stehen, Schwarze Menschen zu diskriminieren.

Bei „Bunt“ – wie auch bei anderen Verweisen auf Vielfalt – ist ratsam den eigenen Sprachgebrauch daraufhin zu reflektieren, ob nur unterschiedlich aussehende Menschen als Hinweis auf Vielfalt vorgeführt werden.

Mehr zu „Tokenism“ in der Vielfalt-Mediathek des Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V. (IDA).

Yasemin Karakaşoğlu

Veröffentlicht unter isekim

Blogbeitrag Nr. 8: Verbinden und Verbünden – Networking für ein verbessertes Schule-Eltern-Verhältnis

Am 1. und 2. März 2024 war es endlich soweit – nachdem das Projektteam im vergangenen Jahr bei neun Kooperationsschulen und dem Bundeselternnetzwerk der Migrantenorganisationen für Bildung & Teilhabe (bbt) Gruppengespräche durchgeführt hatte, nutzten die Projektpartner*innen die Gelegenheit, bei einem isekim-Workshop in Bremen zum Thema Schule-Eltern-Kommunikation in der Migrationsgesellschaft miteinander in den direkten Austausch zu kommen und dabei die jeweiligen Herangehensweisen und Erfahrungen kennenzulernen. Im äußerst lebendigen Austausch wurden viele vorbereitete Praxisanregungen und Impulse für Perspektivwechsel diskutiert, etwa zur Nutzung von Piktogrammen in Elternbriefen oder zum Stellenwert eines schulischen Beschwerdemanagements bei Diskriminierungen für das Vertrauen von Eltern gegenüber der Schule.

In der anschließenden Evaluation der Veranstaltung betonten Schulleitungen, Lehrkräfte, Sozialarbeitende und Eltern aus den beteiligten Schulen, dass über die Inputs hinaus besonders das Networking als inspirierend empfunden wurde. Dass das bbt bereits zahlreiche Informationsmaterialien und -konzepte entwickelt hat, auf die Schulen zurückgreifen können, war vielen nicht bewusst, und die Vertreter*innen des bbt wiederum schätzten die Möglichkeit, bei einem einzigen Termin in Kontakt mit engagierten Schulen aus unterschiedlichen Bundesländern zu kommen. Der isekim-Workshop wurde als Initialzündung für die Vernetzung zwischen den Schulen und bbt empfunden, bei dem Telefonnummern und E-Mail-Adressen zur Vertiefung der Kontakte ausgetauscht und erste Treffen vereinbart wurden.

Als „Interessenvertretung und Sprachrohr der Eltern mit Einwanderungsgeschichte auf Bundesebene“ versteht sich das bbt – organisiert über Verbünde in Nord, Süd, West, Ost – als ein wichtiger Kontakt und Diskurspartner bezogen auf Themen rund um das Schule-Eltern-Verhältnis.

Yasemin Karakaşoğlu und Rosa Aziz

Veröffentlicht unter isekim