Am Beispiel der documenta 12 zeigt und benennt Carmen Mörsch die vier verschiedenen Diskurse der aktuellen Kunstvermittlung in Deutschland auf, die sich gegenseitig bedingen, beeinflussen und gleichzeitig auch widersetzen und abstoßen. Sie beschreibt Diskurs als etwas, das der Kunstvermittlung eine Funktion zuschreibt. Es geht also um ein Sprechen über Kunstvermittlung und die damit verbunden Zuschreibungen von Handlungsmacht bzw. deren Begrenzung. Der affirmative Diskurs beschreibt eine Kunstvermittlung, die sich an ein Fachpublikum richtet und häufig aus Vorträgen, Expert*innenführungen oder Ausstellungskatalogen besteht. Der reproduktive Diskurs bezeichnet eine Kunstvermittlung, die sich zur Aufgabe gemacht hat, vor allem Kinder und Jugendliche, aber auch andere kunstferne Menschen an Kunst und Ausstellungen heranzuführen und zum zukünftigen Ausstellungspublikum zu erziehen. Im Rahmen dieses Diskurses wird Kunst als wertvolles Kulturgut entworfen und durch Workshops, Fortbildungen und Museumstage vermittelt. Der dekonstruktive Diskurs hinterfragt gemeinsam mit dem Publikum Kunstwerke, Ausstellungsinstitutionen und Kanonisierungen. Innerhalb dieses Diskurses kritisiert Kunstvermittlung vor allem auch gängige Ausstellungspraxen, während sie sich im transformativen Diskurs auf Vermittlungspraktiken bezieht, die Ausstellungen mitgestalten und Ausstellungsinstitutionen erweitern. Während u. a. im affirmativen Diskurs auf ein Publikum eingewirkt werden soll, um dies an das Museum heranzuführen, wird im transformativen Diskurs das Museum als veränderbarer Raum aufgefasst, der an das Publikum herangeführt und für dieses modifiziert werden kann und sollte.
Quellenverzeichnis
Mörsch, Carmen; Forschungsteam der documenta 12 Vermittlung (Hg.): Kunstvermittlung II. Zwischen kritischer Praxis und Dienstleistung auf der documenta 12. Ergebnisse eines Forschungsprojekts. Zürich; Berlin: diaphanes 2009. Darin:
Bild 1: Nölle, Kathrin: lesen und pflücken en passant, S. 185.
Bild 2: Dies., S. 34.
Mörsch, Carmen: Am Kreuzungspunkt von vier Diskursen: Die documenta 12 Vermittlung zwischen Affirmation, Reproduktion, Dekonstruktion und Transformation ⇒ Download
Mörsch stellt in ihrem Text (⇒ Download) kurz die Geschichte der vier Diskurse der Kunstvermittlung dar und beschreibt anschließend ihre eigene Beteiligung am Aufbau der Kunstvermittlung zur documenta 12 und ihre dort gemachten Erfahrungen und gewonnen Erkenntnisse.