Containerschiffe als Seenotretter

Wie wir im Hafenseminar an verschiedenen Stellen gesehen haben, sind Welthandel, Schifffahrt und Migration auf vielfältige miteinerander verwoben. Mit der zunehmenden Fluchtbewegung über das Mittermeer und die Einstellung der EU-Seenotrettungsmission Sofia werden Containerschiffe etwa immer häufiger zu Seenotrettern auf dem Mittelmeer, wie das ARD Magazin „Monitor“ kürzlich berichtete. Sie sind laut Seerecht zur Rettung Schiffbrüchiger verflichtet und werden regelmäßig von staatlichen Rettungsstellen dazu angewiesen. Vor der libyischen Küsten sind die Kapitäne dabei allerdings in einem rechtlichen Dilemma, wie jüngst der Fall des unter portugiesischer Flagge fahrenden Schiffs „Anna“ der deutschen Reederei Jens und Waller zeigt, über den die Journalistin Lucia Heisterkamp in der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ berichtet.

Nach einem Notruf von Flüchtenden auf einem kenternden Boot, der zunächst bei einer NGO einging, wies die maltenesische Rettungsstelle die „Anna“ am 25.05. an, die Menschen zu retten und zurück an die libysche Küste zu bringen, da sie sich noch im libyschen Hoheitsgewässer befanden. Der Kapitän der „Anna“ folgte dieser Anweisung. Die Spur der Geretteten verläuft sich aber schnell nach ihrere Ankunft in Misrata, wo sie offenbar zunächst in ein Internierungslager gebracht wurden. Laut Genfer Flüchtlingskonvention ist aber eine Zurückweisung in Länder, in denen Folter oder andere Menschenrechtsverletzungen drohen, völkerrechtswidrig (Refoulement Verbot). Laut Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und nach Auffassung der Europäischen Kommission gilt genau das für Libyen.

Hat die Schiffscrew  der „Anna“ also Völkerrecht gebrochen und wer wäre dafür verantwortlich, die Reederei oder der Flaggenstaat? Diese Fragen werden wohl demnächst juristisch ausgefochten, denn die portugiesiche NGO „Humans Before Borders“ will Jens und Waller verklagen. Es stellen sich aber neben der juristischen und moralischen Bewertung noch ganz andere Fragen: Wie kann es sein, dass Containerschiffe, die für diese Aufgabe gar nicht ausgestattet sind, immer häufiger in die Rolle der Seenotretter geraten? Wie kann es sein, dass Flüchtende wochenlang auf Handelsschiffen ausharren müssen, weil EU-Mitgliedstaaten die Aufnahem verweigern, wie jüngst im Falle der von der MAERSK Etienne geretteten Menschen? Warum werden die Flüchtenden und die Seeleute zum Spielball politischer Konflikte, wie es der Verband Deutscher Reeder formuliert? Steigen die ökonomische Anreize für Reedereien, Schiffbrüchige gar nicht erst zu retten? Warum toleriert die EU den Rückzug von Malta und Italien aus der Seenotrettung und ihre rechtlich fragwürdige Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache. Wie können das Ertinken von Flüchtenden und das Foltern von aus Seenot Geretteten endlich gestoppt werden? Wie können Fluchtursachen effektiv bekäpft werden und was haben Welthandel und Flucht miteinander zu tun?

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