Hafengovernance Modelle und die fortschreitende Devolution

Obwohl die Mehrheit der Häfen noch immer im Besitz der jeweils ansässigen Länder ist, spielt die Hafenprivatisierung eine immer größere Rolle, sodass die eigentliche Führung, Entwicklung sowie Performance der Häfen, immer mehr an Signifikanz gewinnt. Unter dem Begriff der Hafengovernance sind all diese Teilbereiche der Verwaltung, Führung und Ordnung eines Hafens vereint und werden auch für Staaten, Städte und Gemeinden immer wichtiger. Es stellt sich jedoch die Frage, wie diese Ordnung aufgebaut ist und welche Modelle auf nationaler sowie internationaler Ebene gegeben sind bzw. angewandt werden. Im Fokus dieses Beitrages steht die Devulotion sowie eine Untersuchung, die beschreibt wie die Hafengovernance in den Häfen in Europa aber auch Weltweit aufgebaut ist und welchen Mechanismen diese Modelle unterstehen.

 

Der Begriff der Hafengovernance und Devolution

Anfangs sollte der Begriff der Hafengovernance nochmals besonders betrachtet und definiert werden. Zunächst setzt sich dieser Begriff aus zwei Worten zusammen, nämlich dem Hafen und der Governance. Die Definition eines Hafens sollte in diesem Kontext klar sein, jedoch ist das Wort Governance nicht immer eindeutig definiert. So liegt der Ursprung des Wortes Governance in der Seefahrt oder genauer im griechischen Wort „kybernetes“ (etwas steuern) und beschreibt die Steuerung eines Bootes mittels Kommunikation und Kontrolle (Rosenau/ Durfee 1995: 14). Diese Metapher kann somit als Steuerungsgewalt gesehen und direkt auf die sozioökonomische Ebene übertragen werden. Die Steuerung von Gewalten bzw. Rechten auf einen Gegenstand, der von mehreren Akteuren benutzt bzw. beeinflusst wird und durch die globalisierte Struktur der Weltgesellschaft immer weiter an Einfluss gewinnt sowie besonders in den Internationalen Beziehungen gebrauch findet. Aus Sicht der Politikwissenschaft stellt sich nun die Frage, inwieweit sich der Begriff der Governance vom Begriff des Government unterscheidet. Dabei sind die beiden Begriffe nah miteinander verwandt, unterscheiden sich allerdings durch ihren Handlungsspielraum.

Der Begriff Government beschreibt eine Gruppe von Akteuren, die über die Verwaltung und Steuerung eines Staates bestimmen. Sie stellen in gewisser Weise den Körper der Repräsentanten eines Staates dar, die sich koordinieren und die Regeln in einem Staat damit steuern. Governance hingegen beschreibt die Handlung des Government bzw. das Herrschen über einen Staat in demokratischer oder nicht-demokratischer Form. Dabei trennt sich der Begriff in deutlichster Form vom Government, indem es nicht ausschließlich auf sich selbst bezogen ist bzw. eine lineare Struktur aufweist, sondern vielmehr eine pluralistische Struktur über Netzwerke vorzuweisen hat. Governance ist somit im öffentlichen Sektor aber eben auch besonders im privaten Sektor vorzufinden, was sich besonders im Begriff der Corporate Governance widerspiegelt. Die Steuerung eines übergreifenden Gegenstandes durch mehrere Ebenen und Netzwerke, sei es durch den öffentlichen, den privaten oder den dritten Sektor, umfasst der Begriff der Governance. Die Hafengovernance stellt nun die Steuerung der Verwaltung, Performance und Entwicklung von Häfen durch mehrere Ebenen aus verschiedenen Sektoren dar (Peters 2012: 18 ff.).

Die Devolution beschreibt in der Staatenlehre nun zusätzlich die Abgabe von Souveränitäten in Form der Governance von einer zentralen Regierungsebene, auf eine lokale Regierungsebene (Cambridge Dictionary 2020). Die Devolution stellt, im Zusammenhang mit der Hafengovernance, somit die Abgabe von Verwaltungs- und Entwicklungsrechten an andere Akteure, die sich in der Vergangenheit und Gegenwart besonders durch private Körperschaften darstellen dar. Beispiele für die Praxis sind bei den Deutschen Häfen die Auslagerung des Hafenmanagements von staatlicher bzw. Bundesebene an  Hafenmanagementgesellschaft, wie die Niedersachsen Ports, Hamburg Port Authority oder Bremenports, die zwar teilweise dem Land unterstehen aber überwiegend eigenständige Akteure darstellen.

Modelle der Hafengovernance

Um etwas steuern zu können, muss sich zunächst ein Modell entwickeln, dass die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten abbildet. Dies passiert im Government genauso wie in der Governance. Nach Geiger (2009) muss sich ein Governancemodell drei einfache zentrale Fragen stellen. Wer steuert, Was wird gesteuert und Wie wird etwas gesteuert. Die Antwort zum Wer lautet, die Governance-Struktur, zum Was, die Governancehandlungen und zum Wie, die Governenceelemente. Dabei bildet die Governancestruktur den institutionellen und regulatorischen Rahmen, die Governancehandlung die Mechanismen, die die Koordination betreffen und die Governanceelemente die Akteure, die für den reibungslosen logistischen Ablauf zuständig sind. Zusätzlich zu den drei W-Fragen, lässt sich noch eine vierte Frage stellen. Warum müssen bzw. sollten Häfen überhaupt durch eine oder mehrere Institutionen gesteuert werden? Sollten es nicht die Nutzer des Hafens selbst sein, die sich regulieren und verwalten? Die Antwort darauf ist dieselbe wie für Staaten. Durch die übergeordnete Koordination und Steuerung des Handelsbereiches ist es möglich, weitaus effizienter zu handeln und Verfahrensabläufe zu reduzieren. Die Absprachen und die Machtstrukturen werden auf verschiedenen Ebenen verteilt, sodass eine bessere Koordination und damit ökonomische Performance an den Häfen entsteht (Borges Vieira et. al. 2014: 2).  Durch die Benennung der drei Governancebestandteile entsteht ein neues konzeptuelles Modell, mit der in Abbildung 1 dargestellten Einflusskette.

Abbildung 1. Quelle: Borges Vieira et. al. 2014: 2

Dieses Modell (siehe Abbildung 1) zeigt die drei Typen der Hafengovernance auf und wie diese aufeinander einwirken und miteinander verkettet sind. Die Governance-Outcomes stellen den zentralen Sinn des Modells dar, da diese die Optimierung und Weiterentwicklung der Hafensteuerung darstellen. Diese Outcomes wirken auf die Governance-Handlungen (Actions) ein, indem sie Handlungs- und Steuerungsweisen einfordern. Diese Governancehandlungen sind wiederum auf den Governanceelementen aufgebaut und versuchen die Governance-Outcomes weiter zu verbessern. Besonders wichtig ist, dass alle Typen des Modells durch die Governancestruktur beeinflusst bzw. getrieben sind und dadurch von dieser, im gewissen Maße, abhängig sind. Die Dimensionen und Faktoren, die diese Typen beeinflussen bzw. optimieren sollen stellen sich in Abbildung 2 dar.

Abbildung 2

Abbildung 2. Quelle: Borges Vieira et. al. 2014: 3

 

Aus dieser konzeptualisierten Ansicht der Hafengovernance lässt sich ein weiteres Wirkungsdiagramm erstellen, dass sich mit der stetigen Anpassung und Weiterentwicklung der Governance befasst (siehe Abbildung 3.).

Abbildung 3. Quelle: González-Laxe et. al. 2016: 2

Dabei ist nochmals wichtig anzumerken, dass die Hafengovernance in seiner Geschichte stetig neuen Anpassungen unterlag und sich damit im ständigen Wandel befand. Zunächst waren diese Anpassungen durch die Ökonomie bzw. durch die Unternehmen und Marktveränderungen getrieben, jedoch änderte sich dies in den 90er Jahren durch eine vielzahl von Reformen auf internationaler, supranationaler und nationaler Ebene. Es sind nun nicht mehr vornämlich die wirtschatlichen Einflussfaktoren, sondern auch die governmentalen. Naturschutz, Regionalentwicklung, Internationale  Beziehungen, Machtstrukturen, Klimaschutz, Arbeitsschutz usw. sind zentrale außenstehende Einflussfaktoren, die auf die Hafengovernance einwirken. (González-Laxe et. al. 2016: 2).

All diese Einflussfaktoren wirken auch auf die Steuerung und Verwaltung der Welthäfen ein. Je nach Struktur des Staates oder der Unternehmensform, können sich die Zuständigkeiten für diese Faktoren unterscheiden. So kann beispielsweise eine Änderung der Naturschutzmaßnahmen in den Häfen, aus regionaler, nationaler, supranationaler oder internationaler Weisung beeinflusst werden. Die Nachfrage aus der Wissenschaft, nach einer neuen öffentlichen Hafenautorität, kam das erste Mal Anfang der 1990er Jahre durch Richard Goss zur sprache, der heute als einer der Pioniere der Hafenökonomik gesehen wird. Die Nachfrage war deshalb groß, weil die Globalisierung der 90er Jahre die Hafenautoritäten, durch den Einfluss von nationalpolitischen Fragen und Handlungen vor größere Probleme stellte. Der öffentliche Sektor musste verstärkt mit in die Hafengovernance aufgenommen werden, um die Effizienz der Häfen im globalen Markt zu steigern. Bei der Aufnahme von neuen Akteuren in ein bestehendes Machtverhältnis, muss zunächst festgesetzt werden, welche Rechte dem öffentlichen Sektor zugeschrieben werden sollten. Soll der öffentliche Sektor nur eine unterstützende Rolle einnehmen, soll er Teil der gesamten Hafengovernancestruktur werden oder soll eine Mischform stattfinden? Aus diesen Überlegungen entstand das Modell aus Abbildung 4, das eine Typologisierung der Hafenautoritäten und dessen Verbingung darstellt (Verhoeven 2010: 16 ff.).

Abbildung 4. Quelle: Verhoeven 2010: 16

 

Diese Hafenautoritäten können dann nochmals über ihre Funktion auf  eine private oder öffentliche Ebene aufgespalten werden. Aus dieser Aufspaltung ergibt sich eine Matrix (Brooks 2004: 172), die den Stand der Hafengovernance des jeweiligen Hafens widerspiegelt (siehe Abbildung 5.).

Abbildung 5. Quelle: Brooks 2004: 172

Es ensteht ein Bild über verschiedene Ebenen, dass sich aus dem Landlord, Operator und Regulator zusammensetzt. In Europa zeigt sich eine komplexe Zuteilung der jeweiligen Autoritäten. So sind beispielsweise die Häfen in Großbritanien überwiegend privatisiert, in Nordeuropa unterstehen sie, wie die Bremer Häfen auch, dem jeweiligen Bundesland bzw. der Region und in Südeuropa sind die Häfen beinahe ausschließlich in öffentlicher Hand. Eine Anpassung zu einem einheitlichen europäischen Standard wurde Anfang der 2000er Jahre zwar besprochen aber nie umgesetzt (Brooks / Pallis 2011: 500). Es stellt sich nun jedoch die Frage, wieso sich der immer stärke globale Trend der Privatisierung, bzw. der Devolution, in so wenigen europäischen Häfen durchsetzt. Diese Frage soll allerdings im Hinblick auf die Devulotion im nächsten Abschnitt genauer betrachtet werden.

Die Devulotion der Hafengovernance

„Der Staat ist ein lausiger Unternehmer“

-Peter Altmaier (Deutscher Bundesminister für Wirtschaft und Energie),

(Sauga / Traufetter 2018).

Wie Peter Altmaier 2018 bereits zu Verstaatlichungen der Kernindustrie sagte, ist der Staat nicht immer der beste Eigentümer, wenn es um wirtschaftliche Aktiva geht. Und dennoch befindet sich eine Vielzahl der europäischen Häfen in der Hand der Staaten. So kamen Brooks und Pallis in ihrer Studie „Port Governance“ (2011) zu dem Ergebnis, dass sich die Mehrheit der Häfen immer noch in staatlicher Hand befinden, die Devolution aber immer mehr an Bedeutung gewinnt (Brooks / Pallis 2011: 511 ff.). Ein Grund dafür, dass die Privatisierung auch hier keinen Siegeszug erreicht, zeigt sich an den Häfen in Großbritannien. Diese haben sich bereits Ende der 1980er Jahre für eine Vollprivatisierung und dem damit einhergehenden Kontrollverlust über die Hafengovernance entschieden. Großbritannien erhoffte sich von der Privatisierung eine bessere Aufstellung der Häfen sowie eine bessere allgemeine Performance und vor allem eine bessere Finanzierung bzw. Finanzstruktur. Jedoch ähnelte die Umstellung der Häfen eher einem Ausverkauf als einer Übergabe in den privaten Sektor. Spätestens seit der Finanzkrise 2008 gilt die vollständige Privatisierung der Häfen als gescheitert, weshalb auch beinahe kein Hafen der Welt den Weg von Großbritannien eingeschlagen hat (ebd.: 493 ff.).

Allein die Machtstrukturen auf internationaler Ebene, die ein Staat durch das Halten eines Hafens besitzt, ist immens. Das Vertrauen der Sicherstellung einer geeigneten Kerninfrastruktur in eine private Hand sowie die Schaffung von Abhängigkeiten in diese Akteure sollte für einen Staat nicht die beste Lösung darstellen. Es zeigt sich allerdings, dass die Abgabe von einzelnen Bereichen der Hafengovernance in Gesellschaften des Staates in Europa durchaus Sinnvoll sein können. So zeigt Abbildung 6 aus dem Jahre 2011 dieses weltweite Verhältnis besonders auf (ebd.: 497).

Abbildung 6. Quelle: Brooks / Pallis 2011: 497

Dabei sollte jedoch angemerkt werden, dass die Devolution nicht für jeden Hafen die beste Lösung darstellt. So argumentieren Brooks und Pallis (2011) weiter, dass die häufige Annahme der Devolution als Lösung aller Probleme, nicht richtig ist. Es wird dabei immer davon ausgegangen, dass der private Sektor das richtige allumfassende Governancemodell erstellt, da dieser durch den globalisierten Markt die beste Möglichkeit hat diese Struktur zu erstellen. Jedoch ist diese Annahme für die einzelnen Häfen nicht von Vorteil, da es keine universale Lösung geben kann. Die allgemeinen Governancestrukturen hängen zu sehr an den jeweiligen Governmentstrukturen der Staaten, sodass eine allgemeine Lösung unmöglich ist. Die Globalisierung zwingt die Häfen und ihre Strukturen dazu sich anzugleichen, übersehen dabei aber oft, so wie an dem Beispiel der Häfen in Großbritannien zu sehen war, die Eigenheiten und Unterschiede der Häfen im eigenen Land. Letztlich wollen sich die Besitzer der Häfen die Kernzuständigkeiten im Bezug auf die Steuerung der Häfen nicht nehmen lassen. Zumal die Regionen starke Abhängigkeiten gegenüber den Häfen und dem Hinterland haben.

 

Literatur:

    • Brooks, Mary R. (2004): The Governance Structure of Ports, In: Review of Network Economics,De Gruyter, Band 3, Heft 2.
    • Brooks, Mary R. / Pallis, Athanasios A. (2011): Port Governance, In: Maritime Economics – A Blackwell Companion,Blackwell Publishing, S. 491–516.
    • Cambridge Dictionary (2020): Cambridge Advanced Learner’s Dictionary & Thesaurus, Cambridge University Press.
    • González-Laxe, Fernando / Sánchez, Ricardo J. / Garcia-Alonso, Lorena (2016): The adaptation process in port governance:the case of the Latin countries in SouthAmerica and Europe, In: Journal of Shipping and Trade,Springer Open, Ausgabe 1, Nummer 14.
    • Peters, B. Guy (2012): Governance As Political Theory, In: The Oxford Handbook of Governance, Oxford University Press, Auflage 1.
    • Rosenau, James / Durfee, Mary (1995): Thinking Theory Thoroughly: Coherent Approaches To An Incoherent World, Avalon Publishing.
    • Sauga, Michael / Traufetter, Gerald (2018): SPIEGEL-Gespräch mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier, Spiegel Online [Online]: https://www.spiegel.de/politik/peter-altmaier-der-staat-ist-ein-lausiger-unternehmer-a-00000000-0002-0001-0000-000160085823 1.
    • Verhoeven, Patrick (2010): EUROPEAN PORT GOVERNANCE REPORT OF AN ENQUIRY INTO THE CURRENT GOVERNANCE OF EUROPE AN SEAPORTS, European Sea Ports Organisation (ESPO) [Online]: https://www.espo.be/media/espopublications/espofactfindingreport2010.pdf 1.
    • Vieira, Borges / da Silva Rafael Mozart /  Kliemann Neto, Francisco José / dos Santos Senna, Luiz Afonso / Monfort-Mulinas, Arturo (2014): Port Governance Model by Managers’ and Customers’ Point of View:A Study at Port of Valencia, Spain, In: International Business Research,Canadian Center of Science and Education, Ausgabe 7, Nummer 8.
  1. 06.2020
  2. 06.2020

Ein Gedanke zu „Hafengovernance Modelle und die fortschreitende Devolution

  1. Wird der Begriff der Devolution in der Hafengovernance-Literatur eigentlich synonym mit Hafenprivatisierung verwendet? Im allgemeinen & fachsprachlichen Gebrauch bezieht er ich ja eher auf die Abgabe von Kompetenzen von einer zentralen an eine lokale staatliche Ebene. In diesem Sinne würde er für die deutschen Häfen kaum zutreffen, die ja traditionell lokal bzw. regional gesteuert werden.

    Kann man wirklich eine Harmonisierung von Governanceformen im Hafen durch die Globalisierung beobachten oder bleiben institutionelle Unterschiede (wie etwa von der der vgl. Kapitalismusforschung konstatiert) eher stabil?

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