Science Fiction – Als Spiegel der Gesellschaft

Science-Fiction – Der Spiegel der heutigen Gesellschaft?

Die Darstellung von Dis/Ability im zeitgenössischen amerikanischen Science-Fiction Film – Am Beispiel der X-Men Serie.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Darstellung von Dis/Ability im zeitgenössischen amerikanischen Science-Fiction Film auf Basis seiner Produktionsgegenwart zu untersuchen. Als Beispiel dienen hier die Filme der X-Men Serie aus dem ersten Jahrzehnt der 2000er Jahre, in denen Dis/Abilitys in Form von Mutationen dargestellt werden. Bei den X-Men Filmen handelt es sich um Werke, die dem gesellschaftskritischen Genre des Science-Fiction Films zuzuordnen sind. Die Analyse erfolgt mit dem Fokus auf einzelne Individuen, betroffene Familien sowie im vergleichendem Kontext der Gesellschaft. (Adressat: Interessierte für Dis/Ability, Medien und Mediengeschichte)

Dis/ability als Ability

Übersetzt bedeutet das Wort disability vor allem eines: Behinderung. Das Wort Behinderung hat in der Moderne eine negative Konnotation auf der gesellschaftlichen Ebene erhalten. Waldschmidt/Bösl begründen dies im Besonderen mit der Sichtweise auf Behinderung, da sich diese, in gesellschaftlicher Hinsicht durch eine Kategorisierung begründet, die sich auf verkörperte Unterschiede spezifiziert. Zu diesen gehören vor allem die Bereiche Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Funktionalität, die vor allem durch psychische und physische Barrieren manifestiert und aus diesem Grund Menschen mit einer Dis/Ability zu einer diskriminierten Minderheit reduzieren würde.

Die Schreibweise Dis/ability mit einem kleinen „a“ und Schrägstrich ist durch eben diese Annahme von Waldschmidt/Bösl begründet, „dass ability und disability gemeinsam und in ihrem wechselseitigen Verhältnis zu untersuchen sind.“ (Waldschmidt/Bösl,2017, S.41).

Daraus ergibt sich eine relative Diskrepanz zwischen der gesellschaftlichen und der wissenschaftlichen Sichtweise, welche sich dadurch begründe, dass der wissenschaftliche Bereich Dis/Ability als gesellschaftliches Konstrukt ansieht und sich so mit diesem Thema auseinandersetzt. Wohingegen die Gesellschaft körperliche oder geistige Andersartigkeit durch die hauptsächlich negative Konnotation erst entstehen lässt. Jenes wird vor allem durch die Kritik der Menschen mit einer Dis/Ability ausgedrückt, welche die Vorstellung eines Diskurses über sie, aber ohne sie, nicht nachvollziehen können und für sich Mitsprache fordern.

Die Ansicht, von Dis/Ability, die diesem Diskurs zu Grunde liegt wurde durch die österreichische Organisation myAbility protegiert. Die Schreibweise von Dis/Ability mit einem großen „A“ wird hier eine besondere Relevanz zugeschrieben. Das Ziel der Organisation ist es Studierende und Menschen mit einer Behinderung zu helfen, wichtige Posten in österreichischen Unternehmen zu besetzten. Aus diesem Grund sehen die Gründer und Leiter der Organisation in der Dis/Ability eine Ability und nutzen deswegen die Schreibweise mit einem großen „A“. (http://www.myability.org/, 20.02.2018)

Für die hier angewandte Definition ist das Leitbild der myAbility Organisation vor allem relevant, da sich das Themenfeld um die X-Men-Filme mit genau dieser Idee auseinandersetzt. Jeder Mutant hat durch psychische oder physische Veranlagungen Fähigkeiten, die in der Gesellschaft negativ konnotiert sind und somit einer Dis/Ability, zumindest aus gesellschaftlicher Betrachtung, gleichstehen. Für einen großen Teil der Mutanten ist diese genetische Veränderung hingegen eine Ability mit einer dementsprechenden positiven Konnotation. Hier wird die Ability der X-Men gesellschaftlich als Dis/Ability konstruiert ohne zu hinterfragen oder zu reflektieren, wie diese genutzt werden kann. Auf Basis dieses Konfliktes ergibt sich die Schreibweise, die im folgendem Verwendung findet: Dis/Ability.

  • Waldschmidt, Anne / Bösl, Elsbeth: Nacheinander/Miteinander. Disability Studies und Disability History. In: Nolte, Cordula / Frohne, Bianca / Halle, Uta / Kerth, Sonja (Hrsg.): Dis/ability History der Vormoderne. Ein Handbuch/ Premodern Dis/ability History. A Companion. Affalterbach, 2017, S. 40-49.
  • http://www.myability.org/, 20.02.2018

Alles nur Fiktion? – Science Fiction als Spiegel der Gesellschaft:

Die Filmwissenschaft einigte sich im Laufe der anhaltenden Diskussionen um die Definition des Filmgenres Science-Fiktion auf sogenannte „Nova“ – wunderbare Elemente –, welche den Science-Fiktion Film bestimmen sollten. Die Prämisse, die diese Nova erfüllen müssen, ist, dass sie prinzipiell nicht unmöglich sein dürfen. Während Märchen- und Fantasy Filme in ihren eigenen verschiedenen Welten spielen, plädiert Science-Fiction darauf, dass es zwischen der fiktionalen Welt und der empirischen eine Kontinuität gebe. Das Novum ist demnach kein Phantasiegebilde aus einer fiktiven Märchenwelt, sondern basiert auf den Naturgesetzten der „realen“ Welt und ist demnach scheinbar realitätskompatibel. Spiegel spricht in dem Rahmen von einer Naturalisierung. Das Ziel sei es, eine Atmosphäre der Wissenschaftlichkeit und technischen Plausibilität zu erzeugen, so dass sie den Anschein wissenschaftlich-technischer Machbarkeit aufweist. Science-Fiction orientiert sich in der Bild- und Wortsprache an aktuellen Vorstellungen von Wissenschaft und Technik, um diese in einen weiter fortgeschrittenen, zukünftigen Zustand zu projizieren.


In der Filmwissenschaft spricht man von Science-Fiction seit den 1950er Jahren.  Seitdem hat sich ein Genrebewusstsein entwickelt und Filme wurden bewusst unter dem Label Science-Fiction vermarktet. Genres waren damals noch nicht konkret definiert worden, da die Theoriebildung erst in den 1960er/1970er Jahren einsetzte. Man sprach in diesem Zusammenhang von Filmen, die auf spezifischen Ebenen Gemeinsamkeiten aufweisen. Hatte ein entsprechendes Filmwerk größeren Erfolg, entwarf man Repliken, die auf ähnliche inhaltliche und Formale Merkmale zurückgriffen. Wie bereits erwähnt, thematisieren diese Filme den naturwissenschaftlichen und technischen Fortschritt, jedoch nicht explizit die Hoffnungen, die damit verbunden sind, sondern unteranderem auch die Ängste, die mit solchen Spekulationen verknüpft sind. Fortschritt lässt sich in dem Zusammenhang nicht prinzipiell als positiv konnotieren, weshalb Science-Fiction auch als Spiegel der Gesellschaft und deren Ängsten in Bezug auf die Zukunft verstanden werden kann. Die Thematiken, mit denen sich in Science-Fiktion Filmen auseinandergesetzt wird, sind z.B. die Angst vor dem Bevorstehenden, die Bedrohung der Menschheit, die Hoffnung auf eine bessere Welt, die Rettung aus der Gefahr und die Darstellung einer möglichen Zukunft. Science-Fiction wird unter anderem als ein Element der Warnung von den Filmemachern verwendet. Sie nutzen die Abstraktheit und die implizite Ebene des Films, um den Rezipienten auf mögliche Entwicklung der Gegenwart hinzuweisen.

 

Der Science-Fiction Theoretiker Darko Suvin beschreibt in diesem Zusammenhang das Element der kognitiven Verfremdung. Das Ziel, welches der Science-Fiktion Film durch die abstrakten Elemente und den utopischen Anschein erreichen will, ist laut Suvin eine kritische Distanz zwischen den Zuschauer und der Darstellung im Film zu bringen. Die Aufmerksamkeit der Zuschauer soll vom Ablauf des Geschehens, auf die Sinngebung des Geschehens, also die implizite Ebene hinter der Darstellung, gelenkt werden. Das wichtigste formelle Element für die Verfremdung ist dabei ein imaginäres Rahmenkonzept, wie es in vielen Science-Fiction Filmen zu finden ist. Nach Survin findet dementsprechend auch immer eine kritische Betrachtung der gesellschaftlichen Umstände in Science-Fiction statt. Mithilfe der Verfremdung von alltäglichen Gegebenheiten erlangt der Zuschauer Abstand zu seinem gewohnten Bezugsrahmen, ist gezwungen, diesen zu hinterfragen und erlaubt dadurch deren kritische Beleuchtung. Bei der Rezeption von Science-Fiktion Filmen ist daher zu bedenken, dass man den Film auf zwei Ebenen verstehen kann. Man unterscheidet hierbei zwischen der expliziten, also dem, was man in der Szene sieht und was gesagt wird, und der impliziten Ebene, also der Bedeutung des Gesagten und Gezeigten.

Literatur

  • Freedman, Carl: Critical Theory and Science Fiction. Hannover, 2000.
  • Hickethier, Knut: Genretheorie und Genreanalyse. In: Jürgen, Felix: Moderne Film Theorie. Mainz, 2007, S. 65-?
  • Jung, Ferdinand/ Seeßeln, Georg: Science Fiction. Grundlagen des populären Films. Marburg, 2003.
  • Schweinitz, Jörg: Genre und lebendiges Genrebewusstsein. Geschichte eines Begriffs und Probleme Konzeptualisierung in der Filmwissenschaft. In: montage/ av. 1994, 3.2, S. 99 – 118.
  • Spiegel, Simon: Die Konstitution des Wunderbaren. Zu einer Poetik des Science-Fiktion-Films. Marburg, 2007.
  • Wolf, Christof: Zwischen Illusion und Wirklichkeit. Wachowskis Martrix als filmische Auseinandersetzung mit der digitalen Welt. Münster, 2002.

Stan Lee

„Ich versuchte, die Charaktere dahingehend zu entwickeln, dass sie echte Gefühle und Probleme hatten – und es kam an!“

Stan Lee, geboren 1922 in New York als Stanley Martin Lieber, war ein US-Amerikanischer Comicautor. Zusammen mit anderen Zeichnern schuf er die Marvel Comics, eine Reihe von Superheldenerzählungen, die heute in zahlreichen Verfilmungen adaptiert werden.

Nach dem erfolgreichen Start der Fantastic Four Comicreihe in den 60er Jahren schuf Lee zusammen mit anderen Zeichnern unter anderem die X-Men, sowie Hulk, Iron Man, Daredevil oder Spider-Man. Diese Charaktere halfen das Superheldengenre neu zu erfinden. Lee schrieb Charaktere, mit denen sich der Leser neu identifizieren konnte, statt der unfehlbaren Idole, die Superhelden bis dahin immer waren. Lees Comicfiguren hatten Fehler und Probleme. Sie litten unter Wutausbrüchen, waren Außenseiter, eitel oder gierig; sie konnten die Miete nicht zahlen oder litten unter gesundheitlichen Problemen. „Ich versuchte, die Charaktere dahingehend zu entwickeln, dass sie echte Gefühle und Probleme hatten. Und es kam an“, sagte Lee später. Die menschliche Seite der Helden wurde zum Markenzeichen von Marvel. Trotz ihrer Superkräfte stehen die Helden in Lees Comics immer einem Superschurken gegenüber, der mächtiger ist, und die Helden müssen herausfinden, wie sie über das Böse triumphieren können.

„It is the idea of a person with lesser strength overcoming, no matter what they are faced with […]“, sagte Lee.

(http://www.aboutkidshealth.ca/En/News/Video/Pages/Video-Reframing-disability-Comics-legend-Stan-Lee-speaks-with-AboutKidsHealth.aspx, Stand: 05.02.2018)

Auf eine ähnliche Weise, so Lee, können Kinder mit ADHS oder Lernschwierigkeiten lernen, ihre Behinderung als „Macht“ zu sehen. Wie die X-Men können sie stolz auf das sein, was sie anders macht, sich auf das Positive konzentrieren und es zu ihrem Vorteil nutzen. Und sie können erkennen, dass einige Menschen scheinbar ein perfektes Leben haben, aber alle stehen vor Herausforderungen.

Lee und seine Mitarbeiter waren die Ersten, die komplexe Charaktere und ein durchdachtes gemeinsames Universum in die Welt der Superheldencomics brachten. Er machte aus dem kleinen Verlag Marvel Comics ein großes Medienunternehmen. Als ausführender Produzent hat Stan Lee zahlreiche Cameo-Auftritte in Marvel Filmprojekten. Bei der X-Men Reihe erschien er unter anderem als Hot-Dog Verkäufer (X-Men) und Gärtner (X-Men: Der letzte Widerstand).

Literatur

Dis/Ability in der Traumfabrik: Hollywood (k)ein Inklusives-System?


Inklusion ist ein Prozess – Inklusion ist ein Prozess, der von einem System ausgeht – Ein System muss inklusiv werden, um jedem Individuum die Möglichkeit zur Partizipation zu geben. (Boban/Hinz, 2017; S.38)

Ein Land, welches diesen Gedanken bereits sehr intensiv verinnerlich hat, sind die USA. Es gibt kaum Länder, in welche Menschen mit einer Behinderung so unbeschwert reisen können, wie in die USA. Seit Juli 1990 existiert dort der Americans with Disabilities Act (ADA) ein Behindertengleichstellungsgesetz welches Menschen mit einer Behinderung Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt, ein barrierefreies Leben und die Möglichkeit zur Partizipation verspricht.

„That historic, bipartisan legislation has played a huge role in making our country more accessible and inclusive. It guarantees our citizens with disabilities equal employment opportunity. It makes our buildings more accessible. And it requires the availability of communication aids that have enabled Americans with disabilities to participate more fully in society.“

(Secretary of State John Kerry – 22.Juli 2015)

25 Jahre nach Erlass des Gesetztes, verweist der ehemalige US-Außenminister John Kerry im Juli 2015 darauf, dass das Bild der Inklusion in Amerika jedoch nicht der globalen Wirklichkeit entspricht. Er bezog sich in diesem Zusammenhang (zu Recht) auf den Umgang mit Menschen mit einer Behinderung im internationalen Kontext und der Rückständigkeit anderer Länder in Bezug auf die Gleichberechtigung und ein barrierefreies Leben. Kerry hätte in diesem Moment jedoch gar nicht so weit über die Landesgrenzen hinausschauen müssen, schließlich hat sich direkt vor seine Nase, im weltberühmten Los Angeles, eine Gesellschaft entwickelt, die bis heute an der Umsetzung der inklusiven Standards scheitert. Die Rede ist hier von der „Traumfabrik“ Hollywood.

Hollywood verpasst es leider regelmäßig seine Plattform und seine mediale Präsenz für gesellschaftlich relevante Aufklärungszwecke zu verwenden. In der jüngsten Vergangenheit standen die Verantwortlichen der großen Institutionen in Hollywood wiederkehrend in der Kritik. Es geht um die Gleichberechtigung von Frauen und Männer, die Unterpräsentation von Frauen in bestimmten männerdominierten Bereichen (Regie) und die mangelnde Wertschätzung von afroamerikanischen Schauspielern und Schauspielerinnen (Oscars so white 2016).  

In Bezug auf die Thematik der Dis/Abilitiy lässt sich zumindest sagen, dass sie mittlerweile in den verschiedenen Unterhaltungsformaten Einklang gefunden hat. Eine Vielzahl von Spielfilmen oder erfolgreichen Fernsehserien bedient sich heutzutage noch an der Darstellung oder Thematisierung von Dis/Ability. Da wir jedoch von der Unterhaltungsindustrie sprechen, gilt es zu beleuchten, unter welchem Blinkwinkel diese Thematik in die verschiedenen Formate integriert wird. Durch die Jahre hinweg haben sich verschiedene Intentionen herausarbeiten lassen, die der Integration von Charakteren mit Dis/Abilitys zu Grunde liegen. Beispielsweise waren Rollen mit Beeinträchtigung ein probates Mittel, um bei den Zuschauern ein Gefühl der Angst zu produzieren. Verstümmelungen und Narben im Gesicht oder ein hinkender Gang werden seitjeher mit der Monster-Thematik in Verbindung gebracht. Darüber hinaus wurde in Hollywood frühzeitig erkannt, dass eine Person mit einer Dis/Ability, eingebunden in eine wundervolle Liebesgeschichte, in der die gesellschaftlichen Grenzen und Barrieren aufgebrochen werden ein absoluter Publikumsmagnet ist. In filmischen Darstellungen treffen also die Möglichen Ängste, die Faszination und auch der Unterhaltungswert von Dis/Ability aufeinander, jedoch nur für den Teil der Bevölkerung, der nicht von einer Dis/Ability betroffen ist.

Zwischen der Darstellung von Dis/Ability im Film und der Dis/Ability im realen Kontext befindet sich noch immer eine kilometerweite Kluft. Beziehen wir uns zunächst alleine auf die Präsenz von Behinderung im Film und der Präsenz von Behinderungen in der Realität so wird deutlich, dass Hollywood es nicht schafft, seinem realitätsnahen Anspruch gerecht zu werden. Aus einer Studie der MDSC Initiative von Dr. Stacy L. Smith geht hervor, dass in 900 untersuchten Filmen zwischen den Jahren 2007 und 2016 nur 2,7% aller Charaktere als Menschen mit Dis/Ability dargestellt wurden, während 18,7% aller Amerikaner eine Dis/Ability aufweisen (Stand 2017). Als eine weitere Folge der Diskrepanz zwischen der Realität und dem Umgang mit Dis/Ability in Hollywood lässt sich hier auch die Verharmlosung von Behinderung im Film nennen. Beispielsweise werden die Fortschritte im Umgang mit Dis/Ability, die erweiterten Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung und auch die zeitgenössischen Themen in Bezug auf Behinderung die durch die Gesetzte wie den ADA, dessen Erweiterung von 2008 ADAAA oder auch die UN-Behindertenkonvention (UN-BRK 2008) in die Wege geleitet wurden, nicht selten in Hinblick auf den emotionalen Effekt der jeweiligen Rolle, ignoriert.

Der Fokus liegt daher hauptsächlich auf der medialen Inszenierbarkeit des Themas und der damit einhergehenden stereotypisierenden und stigmatisierenden Darstellung von Behinderung. Neben den Geschichten in denen ein Mensch mit Beeinträchtigung die gesellschaftlichen Grenzen überwindet und seine große Liebe findet, werden Persönlichkeiten mit psychischen Erkrankungen beispielsweise oftmals mit gewalttätigen Eigenschaften untermauert oder als Person charakterisiert, die sich zwischen Genie und Wahnsinn bewegt.

In dem Aufsatz Fables wurden bereits 1995 eine Reihe von Forderungen an die Filmemacher Hollywoods in Bezug auf den Umgang mit Dis/Ability in ihren Filmen laut. Er fordert sie beispielsweise auf, auf die Darstellung von Freaksshows zu verzichten und eher auf einen dokumentarischen Stil auszuweichen. Darüber hinaus verweist er auf den unmenschlichen Umgang mit Dis/Ability seitens der Gesellschaft und erwartet von den Filmemachern, dass sie ihren Fokus auf die Ungerechtigkeiten und die ungerechten Menschen/Systeme legen und nicht auf die Rolle von Behinderten als Opfer des Systems. Als absolut notwendig formulierte er seinen Appell an die Filmemacher, dass sie ihre Plattform und Möglichkeiten zur Bildung der Gesellschaft nutzen sollen. Für viele Menschen wird das Thema Behinderung noch von sehr viel Unwissenheit oder gefährlichem Halbwissen begleitet. Hier sollte die Filmindustrie ansetzen und ihren Teil zu Aufklärung der Gesellschaft beitragen, schließlich besteht hier ein großes Potential, was Filme und Fernsehserien im Hinblick auf die Förderung des Bewusstseins über Dis/Ability in der Gesellschaft haben können und die positive Wirkung, die ein zeitgenössisches Bild von Behinderung für die Gesellschaft haben kann.

Doch nicht nur die Forderung auf Dis/Ability und ein reflektierter und aufgeklärter Umgang dieser in Filmen und Serien steht im Raum. Auch die Anerkennung von Schauspielern und Schauspielerinnen mit einer Dis/Ability sind eine wesentliche Quintessenz des Diskurses und geht einher mit der Entwicklung vom Arbeitsplatz Hollywood und seiner „Öffnung“ für Menschen mit Behinderungen. Denn auch wenn die Thematik der Dis/Ability in Hollywood bereits früh auf verschiedenen Wegen integriert wurde, kann man jedoch noch nicht von einer Inklusion von Schauspielern mit Behinderung sprechen. Erst 1980 ergatterte die erste US-Amerikanische Schauspielerin mit einer offensichtlichen Dis/Ability Geri Jewell (Cerebralparese, durch das Nervensystem bedingte Bewegungsstörung) eine wiederkehrende Rolle in der Fernsehserie THE FACTS OF LIFE (1980-1984). Als gegenwärtiges Beispiel lässt sich an dieser Stelle der amerikanische Schauspieler Peter Dinklage (Achondroplasie – eine Form des Kleinwuchses) nennen, der bereits seit 2011 eine tragende Rolle in der hochumjubelten und viel prämierten TV Adaption der Fantasy-Saga von Georg R. R. Martin – GAME OF THRONES innehat. Für seine Rolle des Lord Tyrion Lennister erhielt Dinklage 2011 und 2015 den Emmy Award – und 2012 den Golden Globe als bester Nebendarsteller.

Hierbei handelt es sich jedoch nicht um den Regelfall.

Es gibt eine Vielzahl von viel prämierten Filmproduktionen wie Beispielsweise RAIN MAN (1988, Vier Oscars), A BEAUTIFUL MIND (2001, vier Osacrs) THE KING’S SPEECH (2010, Vier Oscars) in denen die Hauptdarsteller besondere Anerkennung für ihre Darstellung von Menschen mit Behinderung verliehen bekommen haben, obwohl sie selbst keine Beeinträchtigung aufweisen. Gleiches lässt sich über die Branche der TV-Serien sagen, in der die Schauspielerin Laura Innes beispielsweise für ihre Rolle der Gehbehinderten und Homosexuellen Oberärztin in der Serie EMERGENCY ROOM zwischen den Jahren 1995 und 2009 eine Vielzahl Preisen verliehen bekam.

Man kann durchaus davon sprechen, dass die Verkörperung von Menschen mit Beeinträchtigung in Hollywood mittlerweile als ein Garant für Oscar und Golden Globe Nominierungen gehandelt wird, was durch die Auszeichnung des Briten Eddi Redmayne im Jahre 2014 für seine Darstellung des kürzlich verstorbenen Stephan Hawking (08.01.1942 – 14.03.2018) in DIE ENTDECKUNG DER UNENDLICHKEIT (2014) noch einmal jüngst bestätigt wurde.

Literatur

  • Anders, Petra-Andelka: Behinderung und psychische Krankheit im zeitgenössischen deutschen Spielfilm. Eine vergleichende Filmanalyse. Würzburg, 2014.
  • Anders, Petra-Andelka: Lachnummern, Monster oder was? Über (un-)mögliche behinderte Charaktere im Spielfilm. In: Neue Gesellschaft/- Frankfurter Hefte. 7/8/2015.
  • Boban, Ines; Hinz, Andreas: Das Inklusionsverständnis und seine Bedeutung für die Entwicklung von Bildungsprozessen. In: Boban, Ines; Hinz, Andreas (Hrsg): Inklusive Bildungsprozesse gestalten, Nachdenken über Horizonte, Spannungsfelder und Schritte. Seelze, 2017.
  • o.V.: Fables. Forrest Gump and the „New Disability”. In: National Council in Intellectual Disability. Rehabilitation International, 9/2/1995.
  • Jewell, Gari: I´m walking as straight as I can. Toronto, 2011
  • Jung, Ferdinand/ Seeßeln, Georg: Science Fiction. Grundlagen des populären Films. Marburg, 2003.
  • Smith, Stacy L./ Choueiti, Marc/ Pieper, Katherine: Inequality in 900 Popular Films. Examining Portraiyals of Gender, Race/Ethnicity, LGBT, and Disability from 2007 – 2016. Annenberg, 2017.
  • https://www.theguardian.com/commentisfree/2015/jul/22/americans-with-disabilities-act-25-global-equality-john-kerry, 10.03.2018.

Die X-Men – Alles nur Fiktion? – Nicht wenn wir über Dis/Ability sprechen!

Zusammenfassend lässt sich sagen…

Science-Fiction Filme zeigen uns durch ihr Medium und Genre auf, dass sie sich mit gesellschaftlicher Kritik auseinandersetzen und dies durch den Inhalt transportieren. Das literarische und filmische Prinzip der gesellschaftlichen Außenseiter (die X-Men) ist ein immer wiederkehrendes Motiv in der Filmgeschichte. Dennoch erhalten die Akteure hier durch eine besondere Gabe: Die Macht, mehr zu sein. Jenes schaffen die X-Men Filme durch die psychischen und physischen Dis/Abilitys die ihre Protagonisten und auch einige Antagonisten aufweisen. Die Mutanten der X-Men kämpfen gegen die negativen Konnotationen, welche ihrer Abilitys von Seiten der Gesellschaft zugesprochen werden. Sie zeigen unter Anderem auf, dass eine Meldepflicht, die unweigerlich auch eine Assoziation an das Vorgehen der Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs aufruft, nicht rechtens ist. Ebenfalls wissenschaftlicher und medizinischer Fortschritt als Legitimation für die Missachtung der Würde des Menschen,  lassen sich in den Filmen der X-Men Reihe wiederfinden. Der Drang nach Normalität seitens des Bevölkerungsanteils ohne Dis/Ability ist ein immer wiederkehrendes Motiv, um dem Wunsch nach Homogenität nachzukommen. Auch Warren Worthington II entwirft das „Heilmittel“ mit der Intention der Lösung des „Problems“, anstatt sich mit der Dis/Ability seines Sohns aktiv auseinanderzusetzen und dessen Prozess der Selbstakzeptanz zu unterstützen. Warren Worthington II ist jedoch Mitglied einer Gesellschaft, in der die Unwissenheit einen bestimmenden Anteil am Handeln der Bevölkerung einnimmt. Die Institutionen, welche Einfluss auf die Gesellschaft nehmen (Regierung, Medien, Wissenschaft), haben es versäumt, auf den Prozess der Aufklärung in Bezug auf Dis/Ablity einzuwirken.

In Bezug auf den faktischen Zusammenhang zählen wir auch Hollywood zu diesen Institutionen, da es das Bild von Dis/Ability, welches in Filmproduktionen vermittelt wird, nicht wirklichkeitsgetreu abbildet, die Gesellschaft fehlinformiert und der Fortschritt des Bevölkerungsanteils mit Dis/Ability unterschlägt. Hollywood vermittelt noch immer das Bild, der eingeschränkten Person, die als Opfer ihrer Dis/Ability gesehen werden soll und durch ihre Hilflosigkeit charakterisiert wird, anstatt die rückständige Gesellschaft anzuprangern.  Ruderman, Begründer der Ruderman White Paper on the Employment of Actors with Disabilities in Television Organisation, prognostiziert darüber hinaus:

„It takes a while to change attitudes. … In 10 years, you’re going to see an able-bodied actor or actress playing a disability, and think, ‚That doesn’t seem right.‘ But we’re not there yet as a society.“

(https://www.usatoday.com/story/life/movies/2017/10/22/hollywood-is-talking-inclusion-more-than-ever-but-not-disabled-actors/771814001/, Stand: 01.03.2018)

Auch die Studien von Stacy L. Smith zeigen auf, dass ein Ungleichgewicht zwischen den Menschen mit und ohne eine Dis/Ability, welche Filmrollen von Menschen mit einer Dis/Ability spielen, vorhanden ist. Es ist daher notwendig für jeden die Möglichkeit zur Partizipation zu schaffen, um jedem eine Verantwortung in einem inklusiven System übertragen zu können. Bettet man statt der Mutation die  Dis/Ability in den Kontext ein, so zeigen die drei Filme hintereinander weg nicht nur eine inklusive Entwicklungstendenz, sondern zeigen gleichzeitig Probleme und Lösungen auf, die zu dem Weg der Selbstakzeptanz führen und auch zu der gesellschaftlichen Anerkennung, die durch diese positive Annahme des eigenen Ichs gesteuert wird.

Das Genre des Science-Fiction Films eignet sich demnach, durch seine erschaffene fiktive Parallelwelt, die als Spiegel der faktischen Gesellschaft fungiert, im besonderen Maße, um auf der gesellschaftlichen Ebene Kritik zu äußern und zum Nachdenken und Hinterfragen anzuregen. Hoffentlich genauso, wie wir es mit unserem Blog tun konnten.

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Autorinnen: Frederike Fürst, Nane Kleymann und Katharina Körner