#Duweisstwarum

von | Jun 6, 2021

Im Sommersemester 2020 wurde durch die Marketingabteilung der Universität Bremen eine Kampagne unter dem Titel #Duweisstwarum gestartet. Das Ziel der Kampagne war, potentielle Studierende zu informieren und zum Studium an der Universität zu bewegen. Etwa zur gleichen Zeit, im Sommer 2020, informierte die Marketingabteilung der Universität Bremen die Mitglieder der Universität darüber, dass an der Universität ein Corporate-Identity Prozess durchgeführt werden würde. Das Ergebnis dieser Kampagne, die im Januar 2021 endete, war ein neues Corporate Design, welches (so zumindest die Aussage der Abteilung für Marketing) der Universität ein neues Erscheinungsbild geben sollte. Beide Ereignisse weckten in mir Verwunderung darüber, was es eigentlich heißt, an der Universität Bremen zu studieren bzw. mit Rückgriff auf welche Sachverhalte die Universität als guter Studienort angepriesen wird. In diesem vollkommen subjektiven Text werde ich dieser Frage anhand der #Duweisstwarum-Kampagne nachgehen und dabei versuchen, kritisch alternative Antworten auf die oben genannten Fragen zu geben.

Auf der Suche nach Antworten schaue ich mir die Seite der Kampagne #duweisstwarum an. Auf der Landingpage finden sich einige Videos im Stil von Festival-Werbung (schneller Schnitt, Sonne und unterlegte House-Musik), in denen die Universität angepriesen wird. Menschen erzählen, warum sie gerne an der Universität studieren und zum Schluss: „Uni Bremen? Ich glaube, #duweisstwarum“ (o.Ä.). Was aber sind ihre Gründe? Im Aufhängervideo werden verschiedene Punkte aufgezählt: Einerseits die Größe der Universität und die Breite Studiengangsauswahl. Der Großteil der Punkte verwundert mich allerdings: warum genau ist es für die Universitätswahl relevant, dass es in Bremen Schwarzlichtvölkerball oder Alpakas gibt, man sich mit „Moin“ begrüßt oder es eine zugegebenermaßen recht große Kirmes gibt? – dass die Alpakas erwähnt werden, verwundert übrigens umso mehr, als dass dieser Sachverhalt in der Kampagne immer wieder vorgebracht wird.

An dieser Stelle sollte ich der Fairness halber der Kampagne gegenüber eingestehen, dass sie auf die potentiellen Studierenden der Universität natürlich lustig wirken soll bzw. gerade auf diese Gruppe zugeschnitten ist. Aber dennoch: sagt das nicht auch etwas über die Frage aus, was „studieren“ bzw. insbesondere an der Universität Bremen studieren bedeutet? Der interessante Punkt liegt hier wie auch im Folgenden in dem, was nicht gesagt wird. Natürlich ist es schön, um einen weiteren Punkt aus dem Video aufzugreifen, dass es in der Mensa auch veganes Essen gibt, aber warum ist das für das Studium relevanter als z.B. die Möglichkeit der Partizipation, die Möglichkeit, Teile der Universität zu gestalten, die Möglichkeit, die Welt kritisch zu hinterfragen?

Als nächstes schaue ich mir, ebenfalls auf der Landingpage, den Beitrag eines Kommilitonen an: er erklärt, was er an der Universität mag und gibt eine Antwort auf die Frage, warum Menschen an der Universität Bremen studieren sollten (#Duweisstwarum). Warum also? Weil die Universität eine Campusuniversität ist und die Wege nicht zu lang sind, weil man am Fremdsprachzentrum gute Sprachkurse belegen kann und weil es in der Cafeteria im GW2 (durchaus leckere!) Franzbrötchen zu kaufen gibt. Auch hier wieder die Frage: Was wird erwähnt – und was eben nicht? Was scheint den Menschen wichtig zu sein, die bereits an der Universität studieren und was glauben diese, ist den potentiellen Studierenden wichtig? Welche Inhalte würde der*die Leser*in in den Videos vielleicht stattdessen anpreisen? Lustigerweise findet sich in dem zweiten Video auch eine unbewusste Referenz auf die Anfangszeit der Universität. Die beiden Radfahrer und Trainer, deren Skulpturen sich neben der Keksdose (auch Hörsaalgebäude genannt) auf dem Boulevard befinden, werden kommentiert: „Wenn ihr mich fragt, was das Seltsamste an der Universität ist… die hier. […] was die bedeuten und warum die hier sind, das weiß glaube ich keiner“. Die beiden 1978 aufgestellten Radfahrer und Trainer sollen künstlerisch Leistungs- und Konkurrenzdruck im Sport und unter den Studierenden kritisieren.

Doch zurück zu der Ausgangsfrage: Warum in Bremen studieren? Auf der entsprechenden Seite finden sich viele Antworten, die in eine ähnliche Richtung gehen wie die vorher gegebenen: Unisee nah am Campus, Semesterticket, Fahrradwerkstatt etc. Die Möglichkeit der Partizipation wird ebenfalls beworben „Mach mit! Du hast Lust dich einzubringen? Da gibt es superviele Möglichkeiten. Ob in einer Theatergruppe oder im Orchester, als Studienlots:in, im AStA oder den Stugen oder den vielen studentischen Initiativen – du hast die Wahl!“. An anderer Stelle wird der Beobachtung „Dönerbuden soweit das Auge reicht“ ähnlich viel Platz gegeben.

Schließlich würde ich die Werbung der Kampagne in etwa so zusammenfassen: Die Universität Bremen wird beworben, indem ein Lebensgefühl beworben wird. Dabei stehen vor allem Aspekte im Vordergrund, die ein generell angenehmes oder „cooles“ Leben ermöglichen: Auf dem Boulevard mit Kaffee und Franzbrötchen sitzen, Menschen auf dem Campus treffen, Zeit am See verbringen o.Ä. Wozu? Das wird hier leider nicht beantwortet. Gleichzeitig soll gezeigt werden, dass alle Menschen ihr Leben eben genau so leben können, wie sie wollen: sie können sich an der Universität einbringen oder  auch nicht (gemäß dem Motto nichts muss, alles kann). Interessant ist hier nun, dass einerseits gar nicht über die Inhalte des Studiums gesprochen wird und andererseits die Universität in keiner Weise als gestaltbarer Raum präsentiert wird – dies scheint sowohl den Werbenden als auch den Umworbenen nicht wichtig zu sein. Die Universität wird wohl eher als eine Schule, eine Ausbildungsstätte begriffen und eben nicht als ein Raum, in dem kritisch hinterfragende Gedanken gebildet und geteilt werden. So wird z.B. auf die Frage, ob es regelmäßig stattfindende interessante Veranstaltung gibt, auf die Breminale, Veranstaltungen zur Unternehmensgründung und Kneipenevents verweisen; politische Vorträge und Workshops zu gesamtgesellschaftlich relevanten Themen (Soziale Ungerechtigkeit, Rassismus o.Ä.), welche sehr oft organisiert werden, nicht erwähnt.

Dieser Text sollte nicht als generelle Kritik an der Verantwortlichen der Kampagne bzw. an den Kommiliton*Innen aufgefasst werden. Auch bei meiner Studien- bzw. Universitätswahl stand nicht die Frage, inwiefern ich mich an der Universität einbringen und mitgestalten kann, an erster (wenn überhaupt an irgendeiner) Stelle. Vielleicht gibt dies Aufschluss darüber, wie Universität heute nun mal gedacht wird – die relevanten Fragen sind nicht (mehr?) die der kollektiven Universitätsgestaltung (Identitäts(er)findung durch Marketingabteilungen), sondern solche der Freizeitgestaltung und schulischen Ausbildung. Gleichwohl möchte ich hier aufzeigen, dass wir dies auch anders denken können; unsere Universitätskonzeption und die Gedanken dahinter sind nicht vom Himmel gefallen, sondern veränderbar.

 

Im Folgenden zitiere ich Hans Koschnick, Bremer Bürgermeister zwischen 1967 und 1985, vom 02.09.1970:

Das Universitätserrichtungsgesetz mit dem in §2 Abs.2 verankerten Bremer Modell ist ein Versuch, die universitären Spannungen schon in der Gründungsphase der Universität demokratisch auszutragen; es wird dazu beitragen, neue Ansätze einer Universitätskonzeption für die Industriegesellschaft zu verwirklichen. Die Fraktionen von SPD, CDU und FDP waren sich in diesem Hohen Hause einig, daß die mit dem Bremer Modell verbundene abgestufte Parität auf allen Ebenen geeignet sein könnte, eine Basis dafür abzugeben, die universitären Gruppenkonflikte in demokratischen Prozessen auszugleichen. Demokratische Prozesse insoweit, als keine Gruppe für sich dabei die ausschlaggebende Position für die Entwicklung der Universität haben wird, gleichgültig, ob es sich dabei um eine Gründung oder um die weitere Entwicklung der Universität, ob es sich um Forschung oder Lehre handelt.

Das Bremer Modell, getragen auch von der übereinstimmenden Willenserklärung von SPD, CDU und FDP in der Bremischen Bürgerschaft, hat das Ziel:

  • die Kooperation aller Gruppen bis zu einem Optimum
  • die Verwirklichung notwendiger inhaltlicher Ansprüche an die neue Universität wie die rationale, effektive und sich ihrer gesellschaftlichen Funktion bewußten Organisation von Forschung und Lehre, die Sicherung einer gesellschaftswissenschaftlichen Fundierung einer gesellschaftskritischen Orientierung von Forschung und Lehre, die Modernisierung des Studiums und des Prüfungswesens
  • die Transparenz des Universitätslebens für alle Beteiligten und für die Öffentlichkeit
  • die Stellung der Universität in der Gesellschaft als Stätte kritischer Bewusstseinsbildung gegenüber gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Prozessen, als Stätte wechselseitiger Beeinflussung aller gesellschaftlichen Gruppen, als Zentrum geistiger Ausstrahlung für alle Bildungsbemühungen. Eine in diesem Sinne verstandene Demokratisierung der Universität wird vermeiden, dass die Universität eine von der übrigen Gesellschaft abgekapselte, eine vom Staat losgelöste Institution, ein Staat im Staate, wird.

Und ich glaube, #duweisstjetztwarum“.

(Hans Koschnick zitiert nach Meier-Hüsing 2011: 25).

 

 

Quelle:

Meier-Hüsing, Peter. 2011. Universität Bremen: 40 Jahre in Bewegung. Bremen: Edition Temmen.