Warum Drittelparität?

von | Jun 7, 2021

Argument und Thesen der KSB-Asta Fraktion (1972)

Schon in den ersten Jahren der Universität Bremen wurde über Sinn und Zweck der Drittelparität in den Gremien diskutiert. Im Jahr 1969 war dem Bund die Freiheit übertragen worden, Rahmenbedingungen für Hochschulen zu erlassen und somit ein mehr oder weniger einheitliches Hochschulsystem hervorzubringen. 1976 wurde dann, der Vorgabe durch das Hochschulrahmengesetz folgend, das Bremer Hochschulgesetz beschlossen, welches unter Anderem auch die Abschaffung der Drittelparität zur Folge hatte (Gräfing 2012: 112).

Die KSB-Fraktion, die 1972 einen Teil des AStA stellte, lieferte in diesem Rahmen ein Argument für die Beibehaltung der Drittelparität. Bei dem folgenden Artikel handelt es sich um ein Exzerpt des Artikels “Thesen aus der Studentenschaft zum Kampf um die Drittelparität”, der in der ersten Ausgabe der Zeitschrift “Bremer Modell” vom April 1972 (S. 6) veröffentlicht wurde.

 

Der Kampf um die Drittelparität darf nicht nur mit Blick auf die Interessen der Studierenden nach Selbstbestimmung bewertet und verstanden werden. Tatsächlich muss dieser in einen größeren Kontext, nämlich den der demokratischen Ausrichtung und Selbstbestimmung der Universität selbst, eingebettet werden. Wenn die Universität Bremen als eine Universität verstanden werden soll, an der Forschung und Wissenschaft im Dienst und zum Guten der allgemeinen Bevölkerung bzw. insbesondere der von sozialer Ungleichheit betroffenen am schlechtesten Gestellten betrieben wird, dann müssen die demokratischen Elemente (wie die Drittelparität) an der Universität beibehalten werden. Dies hat mehrere Gründe.

1) Wissenschaft und Forschung im Dienst der Gesellschaft setzen voraus, dass die Gesellschaft auch selbst darüber entscheidet, welche Erkenntnisse und Qualifikationen überhaupt wertvoll sind. Dies ist nur an einer Universität möglich, an der die Gesellschaft möglichst breit vertreten ist und die darüber hinaus in ihrem Wirken bzw. in ihrer Forschung wirklich frei ist. Während dieses Ziel zwar utopisch anmutet, wird es an der Universität Bremen mindestens von der Studierendenschaft angestrebt.

2) Dem steht als Gegensatz ein klassisches, bürgerliches Universitätsmodell entgegen, in welchem die Mitglieder der Universität zwar teilweise Möglichkeiten haben, den Prozess der Wissensgenese mitzubestimmen. Nichtsdestotrotz bestimmt an diesen Universitäten der Staat und somit das Kapital weitestgehend über die Produktion und Verwertung der Ergebnisse, da der Staat als Werkzeug in den Händen der herrschenden Klasse (in diesem Fall der Bourgeoisie) angesehen werden kann.

3) Indem das kommende Hochschulrahmengesetz die Kompetenzen der Universitäten bestimmt und beschränkt, so bestimmt es auch die Verwertungsbedingungen der Forschung, bestärkt Forschung im Dienst des Kapitals und verhindert Forschung im Dienst der Gesellschaft.

4) Während der Kampf um die Drittelparität an der Universität Bremen also als Teil eines Kampfes um die Erhaltung von Selbstbestimmung angesehen werden kann, muss dieser Kampf anderseits als Kampf gegen die bürgerliche Wissenschaft per se verstanden werden. Außerdem muss der Kampf über die bloße Universität hinauswachsen und in einem Bündnis der Arbeiterschaft mit den Studierenden zu einem Kampf für den Sozialismus werden. Nur in diesem wird die Forschung wirklich frei sein und sich dementsprechend in den Dienst der Bevölkerung stellen können.

Literatur:

Gräfing, Birte (2012): Tradition Reform. Die Universität Bremen 1971-2001. Bremen: Donat.