Pressechronik
Viele Leute hatten viel über die Uni zu sagen. Eine linke Reformuni war ein gefundenes Fressen für die Presse – nicht nur, aber vor allem für die konservative. Das Presseteam der Uni hat über die Jahre alle Artikel über die Uni gesammelt, ausgeschnitten und eingeklebt und einen Pressespeigel erstellt, mit dem man Wochen verbringen könnte. Da ihr diese Zeit vermutlich nicht eingeplant habt, haben wir das für euch vorbereitet und hier die spannedsten, konsturktivsten, informativsten und absurdesten Artiekl beispielhaft zusammengestellt. Die Chronik eigenet sich sowohl dazu, Debatten und Entwicklungen ein Stück weit zu rekonstruieren, als auch Diskurse und ideologische Kämpfe zu erkennen.
Lasst uns gern wissen, was ihr von den Artikeln haltet!
Kleiner Tipp: nehmt euch nicht die ganze Chronik in chronologischer Reihenfolge auf einmal vor. Stöbert lieber mal durch und lest, was euch ins Auge springt,
Die 1960er
13.11.1965
Bremer Echo “Universität muss frei sein” (Autor*in: Wilhelm Schepers MdBB, CDU)
Die CDU zeigt sich besorgt um zu viel Einfluss der SPD an der geplanten Universität. Ziel sei eine „freie, sich selbst verwaltende, in das Gemeinwesen integrierte Universität“, die ein Modell für zukünftige Hochschulen werden solle. Dieser Vorbild-Anspruch wurde aus dem konservativen Lager später allerdings stark kritisiert, als sich das Bremer Modell als ein unbequemes, linkes Vorbild herausstellte.
31.12.1965
Christ und Welt “Betrübter Geist. Bremer Universität gefährdet“ (Autor*in unbekannt)
Der*Die Autor*in kritisiert, dass die SPD die Dienstherrenschaft über die Uni bei der Landesregierung lassen will. Dies sei rückschrittlich und zeige, dass eine „Rote Universität“ geschaffen werde.
24.02.1967
DIE ZEIT „Uni im Sarg: Das Projekt Bremen wird fürs erste begraben“ (Autor*in: Hilke Schlaeger, Link: https://www.zeit.de/1967/08/uni-im-sarg)
Es wird über starke Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Gründungsausschuss unter Leitung von Wolfgang Bargmann und dem Bremer Senat (insb. Bildungssenator Moritz Thape) anlässlich der Beschlussfassung über das Universitätsgesetz in der Bürgerschaft berichtet und dabei die parteipolitische Komponente hervorgehoben. Die Unnachgiebigkeit der SPD in Fragen der Personalhoheit und des Universitätskurators gefährde das Projekt der Bremer Uni und habe zum Rücktritt des Gründungssenats geführt. „Die Frage ist nur, ob nach diesem Debakel sich noch einmal ein Gremium finden wird, das bereit ist, sich die nächsten sieben Jahre mit einer Universität einzulassen, die – wie einmal Schneewittchen in seinem Glassarg – in der Schublade liegt und immer noch auf den Prinz wartet, der sie zum Leben erweckt.“
12.11.1968
Bremer Nachrichten “Studentenulk im Blockland: Grundstein für Uni gelegt. „Marx und Moritz“ Paten der Bremer Alma mater” (Autor*in unbekannt)
Einfach ein schöner Artikel! Über Studis, die die Grundsteinlegung endlich selbst in die Hand nehmen, die Latein schwafeln und den Universitätsdackel bejubeln, der den Grundstein mit erhobenem Hinterbein einweiht. Anlässlich des Karnevals zeigen sich also auch die Bremer Nachrichten gnädig. Nicht so die Polizei, die während der Feierlichkeiten fleißig Knöllchen an falschparkende Narren und Närrinnen verteilte.
12.12.1968
Vorwärts “Zwischen Blockland und Stadtwald – eine Universität in Bremen” (Autor*in unbekannt)
Inmitten kritischer und ungeduldiger Artikel ist dieser eine Insel: nach dem Motto: Läuft doch alles prima und man muss auch einfach mal anerkennen, was in den letzten 8 Jahren erreicht wurde, lobt der*die Autor*in die bisher gemachten Fortschritte, ohne sie daran zu messen, was unter anderen Umständen und auf konventionelle Weise hätte erreicht werden können. Anscheinend ist alles nur eine Frage der Perspektive. SPD-Nähe scheint da fraglos zu helfen, doch nimmt dieser Artikel auch Probleme in den Blick.
19.07.1969
Bayern-Kurier “Kurator Rothe Roten geopfert” (Autor*in: Gerhard Reddemann)
Der Autor bemängelt, seit 9 Jahres sei noch nichts passiert (was etwas übertrieben ist, aber vielleicht damit begründet werden kann, dass man in Bremen zögerte, Geld auszugeben, das noch nicht endgültig zugesichert war), aber schon plane ein ultralinker Gründungssenat eine „kritisch[e] Gegenuniversität“. Der Autor scheint sich zudem daran zu reiben, dass der 2. Gründungssenat nicht wie der erste fast ausschließlich aus „angesehenen Professoren“ bestand, sondern das verschiedene Statusgruppen vertreten waren. Die Vision von Rothes Elfenbeinturm, die die ersten Entwürfe der geplanten Universität geprägt hatte, fiel mit ihm. In der Entscheidung zwischen ihm und dem neuen Gründungsausschuss entschied sich der Senat für letzteren. „Die Roten werden kommen“, befürchtet Reddemann.
Die 1970er
01.01.1970
Der Spiegel „Welches Ende“ (Autor*in fehlt) Link: https://www.spiegel.de/politik/welches-ende-a-878966c7-0002-0001-0000-000045225312.
Walther Killy tritt als Vorsitzender des Gründungssenats zurück und verlängert die jahrelange Gründungskrise der Universität. Der Spiegel schreibt, dass andernorts zwischen Gründungsbeschluss und -vollzug nur wenige Jahre vergingen. „Die Hochschule in Bremen aber, die Hamburgs »Zeit« letzte Woche eine »Unglücksuniversität« nannte, geriet schon im Planungsstadium von einer Krise in die andere”. Die Kontroversen in den Gründungssenaten werden kurz rekapituliert. Schon hier geht es vor allem um die Frage der Mitsprache von Studierenden und Assistent*innen bei der Ausgestaltung der Studienordnungen. „So wird in Bremen der Streit um Paritäten schon ausgefochten, ehe der erste Dozent seine Vorlesung angekündigt und der erste Student den Hörsaal betreten hat. Daß die Universität gebaut wird, ist gewiß. Doch zu welchem Ende ist immer noch nicht entschieden.“
01.02.1970
Bremer Nachrichten “Empörung über alte Hüte” (Autor*in: Hans Wolfgang Engelmann)
Der Autor erinnert alle, die sich ob des Bekenntnisses der Student*innenvertreter im Gründungssenat zu ihrem VDS (Verband Deutscher Studentenschaften) Mandat nun schockiert zeigen und betrogen fühlen, dass dies nur die Linie fortführt, die bereits fast zwei Jahre zuvor von den damaligen Vertreter*innen eingeschlagen worden war. Den Vorwurf der „Doppelzüngigkeit“ nimmt er ihnen somit von den Schultern, doch zeigt er sich kritisch gegenüber den revolutionären Ansprüchen der Studierenden. Interessant ist dieser Artikel zudem insofern, als dass der Autor an anderer Stelle weniger besonnen und kritisch vorgegangen ist (s.FAZ vom 10.10.1970).
18.02.1970
FAZ “Bremer SPD setzt auf Studenten” (Autor*in unbekannt)
Der*Die Autor*in beschreibt die Auseinandersetzungen um Neubesetzungen im Gründungssenat der Universität. Zwei Student*innenvertreter und ein Assistent wurden bereits berufen. Für die Berufung von Professor*innen liege eine Liste bereit, die jedoch auch Namen enthalte, die von den Student*innen vorgeschlagen worden seien. Ob das ein Problem darstellt, wenn eine gerechte Prüfung aller Kandidat*innen durch den Senat gewährleistet ist, sei dahingestellt. Den*die Autor*in, wie auch die Bremer CDU und FDP Fraktionen scheint es zudem sehr zu beunruhigen, dass die gewählten Student*innenvertreter sich zu ihrem VDS Mandat bekennen und Vorschläge studentischer Kollektive, Basisgruppen und roter Zellen in ihre Arbeit einbeziehen wollen. Stören sie sich etwa daran, dass die Student*innenvertreter studentische Interessen vertreten werden?
06.03.1970
Deutsche Nachrichten “Bremen will keine ‘Lenin-Universität’“ (Autor*in unbekannt)
Etwas voreilig witzelt der Autor, man könne „nach zehnjährigen fruchtlosen Bemühungen in Bremen wohl nur noch von einer „Gespenster-Universität“ sprechen“. Anlass dazu ist der Rücktritt der Professoren aus dem Gründungssenat: man wolle keine „nach dem Rätesystem kontrollierte, ideologisch gefesselte Hochschule“, und man sehe „keinen Sinn darin, alte Herrschaftssysteme abzubauen, nur um sie durch neue zu ersetzen. Sachgerechte Entscheidungen setzen einen Demokratiebegriff voraus, der auch den Kompromiß kennt“, sagten sie. So weit so nachvollziehbar. Ob sie sich allerdings ein Feature in einer NPD-nahen Zeitung gewünscht hätten, ist zweifelhaft. Der Autor schreibt, man wolle keine „Lenin-Universität“, „[l]ieber keine Universität, als eine knallrote“. Man werde schon noch „auf den Widerstand der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung stoßen“. Sagen wir dazu einfach: 1971 öffnete die Universität ihre Türen, die SPD holte mit ihrer Uni die absolute Mehrheit und die NPD flog aus der Bürgerschaft.
10.04.1970
Frankfurter Rundschau “Bremen droht eine neue Blamage in der Hochschulfrage. Die FDP will die Berufung von Privatdozent Geiss und Professor Wiethölter verhindern” (Autor*in: Rainer Erd)
Der Autor rückt einige Missverständnisse der Vergangenheit zurecht und beschreibt den Lernprozess der Beteiligten an der Universitätsgründung: Nicht an linken Studis sei der erste Gründungssenat zerbrochen, sondern an Moritz Thape. Der wiederum habe daraus gelernt und dem 2. GS mehr Handlungsfreiheit zugesichert. Wo andere prophezeien, in einer Drittelparität unterjochten die linken Studis den Gründungssenat, zeigt der Autor entgegengesetzte Beispiele auf. Zudem rückt er die bei Weitem überzogenen Darstellungen in Bezug auf die Berufung zweier linker Dozenten zurecht. (Imanuel Geiss, der zu Anfang „links von den Linken“ verortet wurde, wurde später, als er Kritik an den Vorgängen an der Universität äußerte, von vielen als der Beweis inszeniert, dass alles an der Bremer Uni schlichtweg schrecklich liefe.) Keine vorzeitigen Abgesänge, keine überzogenen Weltuntergangsszenarien. Angenehm.
24.06.1970
FAZ „Fünf Sozialisten bewerben sich um das Amt des Bremer Gründungsrektors. Nicht Sachverstand, sondern linkes Bewusstsein gefragt“ (Autor*in: Peter Jochen Winters)
Als Sozialisten beschrieben sich wohl alle fünf Kandidaten, und dass das ein FAZ Autor skeptisch beäugt, liegt nahe. Zitiert wird allerdings auch Thomas von der Vring, der seinen Sozialismus positioniert: „Richtig formulierte sozialistische Politik, da kann niemand dagegen sein, der Demokrat ist.“ Alle Fünf erkennen dabei ihre gesellschaftstransformatorische Verantwortung an – es wäre allerdings auch naiv zu behaupten, eine Universität hätte eine solche nicht, ob sie nun reformiert, transformiert oder reproduziert. Tricky wird die Argumentation dann allerdings gegen Ende: als von der Vring sagt, Sachverstand sei nichts anderes, als die „Verschleierung von Interessen“, und die gedenke er im Rahmen der Demokratisierung „ans Licht zu heben“, schlussfolgert Winter daraus, Sachverstand sei überhaupt nicht, sondern bloß das richtige politische Interesse. Sehr geschickt wird damit eine Bekenntnis zur Transparenz verkehrt, und, da Sachverstand gemein hin wohl eher als „Kompetenz“ interpretiert werden wird, der Eindruck einer Unterqualifikation erzeugt.
07.08.1970
DIE ZEIT „Schon vorbei“ Link: https://www.zeit.de/1970/32/schonzeit-vorbei (Autor*in Lilo Weinsheimer)
Die Bestellung des Gründungsrektors von der Vring („Gesinnungsfarbe – rot, röter, ultrarot“) führt zu heftigen Spannungen zwischen SPD und FDP und gefährdet aus Sicht der Autorin die Zukunft der Bremer Uni. „Sollte die Bremer Universität eines Tages wirklich Wirklichkeit werden, so richtig mit Fenstern und Türen und Hörsälen, dann kann dies nach dem Stand der Dinge von Anfang August 1970 nur als ein glücklicher Zufall gelten. (…) Das Debakel um die Universität hat’s deutlich gemacht: Im Bremer Rathaus wird schwächlich regiert.“
10.10.1970
Bremer Nachrichten „Erpressung?“ (Autor*in: Hans Wolfgang Engelmann)
Als Rektor von der Vring den Senat zu einer Einigung in Bezug auf die Wahl des Gründungskanzlers und der Planer*innen drängt, da er sonst das Öffnungsziel zum Oktober 1971 gefährdet sehe, wird ihm Erpressung vorgeworfen, was Engelmann in seinem Artikel unterstützt. In Anbetracht all der Stimmen, die die vermeintlich langsamen Fortschritte in Bremen verspotten und die Bremer Uni und mit ihr das Bremer Modell totschreiben, kann man von der Vrings Unruhe allerdings verstehen.
01.11.1970
Spiegel „Platter Hau-Ruck“, Link:: https://www.spiegel.de/politik/platter-hau-ruck-a-781cfa0f-0002-0001-0000-000044303071 (Autor*in unbekannt)
„Beim 64er Chilewein Vina San Pedro und Vierländer Kapaunen in Estragonsauce vertraute Hamburgs Regierungschef Dr. Herbert Weichmann (SPD) seinem Bremer Kollegen Hans Koschnick (SPD) im Hamburger Baedeker-Hotel »Atlantic« an: »Du, Hans, eure Universitätsgründung macht mir große Sorgen.« Darauf Koschnick: »Was meinst du, wie mir zumute ist.«“ Koschnick sah sich in der Verantwortung, den wissenschaftlichen Pluralismus gegen „Leninisten, Stalinisten und Maoisten“ zu verteidigen und begründete damit die Ablehnungshaltung gegenüber wichtigen Besetzungsvorschlägen an der neuen Uni, wegen der der erst kürzlich gewählte Kanzler Rabels zurückgetreten war.
07.03.1971
Der Spiegel „Viel gerudert“, Link: https://www.spiegel.de/politik/viel-gerudert-a-fb64280e-0002-0001-0000-000043334923 (Autor*in unbekannt)
Der Spiegel berichtet über die ersten Berufungsverfahren der neuen Universität, „die – mal Wunsch, mal Alptraum -schon vorweg als »Brutstätte der Revolution« galt und nun, nach über zehn Jahren bürokratischen und ideologischen Gerangels, das Personal für den Lehrbetrieb sucht, der im Herbst beginnt“. Der Artikel betont dabei, dass viele Bewerber (es wird nur über Männer geschrieben) nicht nur skurril und oft ungeeignet, sondern vor allem marxistisch seien. Hier ist ein Konflikt mit dem Bremer Senat vorprogrammiert, der den Berufungen zustimmen muss. So wird auch Bürgermeister Koschnick mit dem Satz zitiert: „Oktroyieren kann man mir keinen Hochschullehrer.“
25.04.1971
Der Spiegel „Im Dunstkreis“, Link: https://www.spiegel.de/politik/im-dunstkreis-a-804f5c08-0002-0001-0000-000043257817 (Autor*in unbekannt)
Der Spiegel berichtet über Konflikte innerhalb der Bremischen SPD aufgrund der Berufungspolitik an der neuen Uni. „Erstmals stritten sich nun auch die Genossen untereinander, wie links die Reform-Universität eigentlich sein dürfe – die freilich sogleich bei der Berufung des Jungsozialisten Thomas von der Vring zum Gründungsrektor von Politikern und Publizisten als »rote Kaderschmiede« verschrien wurde.“ Die „progressiven“ Bürgerschaftsabgeordneten Franke und Czichon kritisieren die Entscheidung des Senats, ein Drittel der Berufungsvorschläge aus dem Uni-Gründungssenat abzulehnen. Unter den Abgelehnten waren u.a. der Soziologie Christian Sigrist und der Politologe Niels Kadritzke, die laut Rektor von der Vring als linksextrem verleumdet werden. Der Spiegel kommt zum Schluss: „Für Stimmung gegen die linke Liste sorgte die FDP – nicht zum ersten Mal in der wenig rühmlichen Bremer Universitätsgeschichte.“ Aber auch innerhalb der FDP gäbe es Auseinandersetzungen zwischen den tonangebenden Konservativen und einem eher progressiven Flügel
28.05.1971
DIE ZEIT „FDP löst Koalition“, Link: https://www.zeit.de/1971/22/fdp-loest-koalition (Autor*in unbekannt)
Kurzer Bericht über den Bruch der sozial-liberalen Senatskoalition aus Anlass des Streits um die Berufung von Wilfried Gottschalch. Die SPD hatte zuvor die Forderung der FDP nach Rücktritt des Bildungssenators und SPD-Landesvorsitzenden Moritz Thape wegen seiner Bemühungen um eine „rote Uni“ zurückgewiesen.
30.05.1971
Der Spiegel „Um 180 Grad“, Link: https://www.spiegel.de/politik/um-180-grad-a-e81296e5-0002-0001-0000-000043243139 (Autor*in unbekannt)
„Drohen, wie Bremer Freidemokraten fürchten, an der neuen hanseatischen Universität Zustände wie in der DDR? Sind die bislang berufenen Professoren links? Wie links?“. Der Artikel nimmt die „Klischees von der roten Kaderschmiede, von der Parteihochschule und von der Guerilla-Akademie“ in den Blick, die insbesondere von verschiedenen Vertretern (es wird nur über Männer geschrieben) der „von Profil-Neurose geplagte[n] [Bremer] Kaufmanns-FDP“ geschürt würden. „Freilich, sobald Namen fallen, verschwindet auch der rote Spuk von den Lenins, Stalins und Ulbrichts: 43 Wissenschaftler sind bisher berufen worden. Von ihnen stehen – nach Selbsteinschätzung oder im Urteil von Fachkollegen – zehn links von der Godesberger SPD; macht noch nicht ein Viertel.“ Der Artikel greift eine Anspielung des neuberufenen Professors Walter Jens auf das erste Grundsatzprogramm der CDU auf und schreibt: „Im Lichte dieses Ahlener Programms, das der Vergesellschaftung von Großkonzernen und Großbanken ebenso das Wort redete wie einer Bodenreform, nehmen sich selbst die Marxisten unter den Berufenen wie Etablierte aus.“
11.06.1971
DIE ZEIT „Nach der Krise“ Link: https://www.zeit.de/1971/24/nach-der-krise (Autor*in: Nina Grunenberg)
Die Universität soll, zum Erstaunen vieler, wie geplant und trotz der politischen Kontroversen um die ersten Berufungen, die zum Bruch der Bremer Senatskoalition geführt hatten, zum 15. Oktober den Studienbetrieb aufnehmen. „Auch diese Krise wäre fürs erste überstanden. Die wievielte es in der über zehnjährigen Bremer Gründungsqual war, läßt sich nicht nachrechnen. Und die nächste kommt bestimmt.“
08.10.1971
DIE ZEIT „Auf hohem Seil zwischen CDU und DKP“, Link: https://www.zeit.de/1971/41/auf-hohem-seil-zwischen-cdu-und-dkp/komplettansicht (Autor*in: Nina Grunenberg)
Der Artikel berichtet über den ersten Tag der offenen Tür an der Uni Bremen kurz vor Beginn des Studienbetriebs und der durch den Koalitionsbruch nötig gewordenen Neuwahl der Bremischen Bürgerschaft, die erhebliche Konsequenzen für die weitere Entwicklung der Uni haben könnte. Rektor von der Vring wirbt aktiv für die SPD, da Stimmen für CDU und DKP die Reformuni gefährden würden. Die Skepsis in der Bremer Bevölkerung gegenüber der Universität als vermeintlicher roten Kaderschmiede ist erheblich gesunken. „Auch das ist einmalig in der deutschen Universitätsgeschichte: Ein Rektor kämpft aktiv für eine Partei. Dafür nennen ihn die Sozialdemokraten „unseren Thomas“. Was da noch von der Universitätsautonomie übrigbleibt, fragt man lieber nicht.“
17.12.1972
Der Spiegel „Roter Kuchen“, Link: https://www.spiegel.de/politik/roter-kuchen-a-6b53486a-0002-0001-0000-000042787311, (Autor*in unbekannt)
Westdeutschlands einzige Links-Universität hat sich konsolidiert. Der Ex-Juso Thomas von der Vring wurde letzte Woche in Bremen wieder zum Rektor gewählt.“ Anlässlich der Wiederwahl von der Vrings, der sich auf eine breite Mehrheit innerhalb der Uni stützt (aus der lediglich der Kommunistische Studentenbund KSB ausschere), betont der Spiegel, wie erstaunlich ruhig sich die Bremer Uni im Vergleich zu vielen anderen Hochschule entwickele. Der Artikel fasst Kernelemente des Bremer Modells zusammen und lenkt die Aufmerksamkeit auf die stabilisierende Rolle der „Dienstleister“ in den Unigremien und die destabilisierenden Aktivitäten des KSB, dessen Flugblätter zitiert werden. „Was der Bremer Universität, wenn ihr Reformkonzept aufgehen soll, guttäte, wären — unter Studenten wie Lehrern — mehr ES-PE-DE-Leute.“
08.07.1973
Der Spiegel „Geh zur Uni“, Link: https://www.spiegel.de/politik/geh-zur-uni-a-f7827bdf-0002-0001-0000-000041972574 , (Autor*in unbeannt)
Schon mehrfach war die Bremer Uni wegen ihrer liberalen Praxis der Hochschulzulassung auch ohne Abitur kritisiert worden. Der Bremer Philologenverband findet die entsprechende Eingangsprüfung (NAP) nicht nur chaotisch, sondern befürchtet auch ein Absenken der Qualitätsstandards, das „Dünnbrettbohrern“ den Weg an die Hochschule ebne. Diesen Vorwurf will Senator Thape, damals auch KMK-Vorsitzender, nicht auf sich sitzen lassen. Er lässt in einigen Verdachtsfällen prüfen, ob Aufsatzthemen schon vorher bekannt waren. „Bremen gilt als sicherer Tip für Berufstätige, die ohne Kurse an Abendgymnasien oder andere zeitraubende Veranstaltungen ins akademische Leben überwechseln möchten – auf dem dritten Bildungsweg. Die Prüfung dafür könnten sie zwar auch in anderen Bundesländern ablegen, aber nirgendwo sind NAP-Klausuren so überlaufen wie an Bremens neuer Universität.“ Nur (und noch nicht mal alle) SPD-regierte Länder erkennen die Bremer Zulassungsprüfung an.
29.07.1973
Der Spiegel „Kleine Matrikel“, Link: https://www.spiegel.de/politik/kleine-matrikel-a-e7e42cae-0002-0001-0000-000041955162 (Autor*in unbeannt)
Der Artikel greift eine Karikatur aus den Bremer Nachrichten auf, die sich über die Zulassungspolitik der Bremer Uni lustig macht. Sie steht im Kontext der Auseinandersetzung zwischen Senat und Hochschulleitung über die Zulassung von 3 zuvor von einer Bremer Gesamtschule rausgeschmissenen Schülerinnen zum „Studium mit kleiner Matrikel“ an der Bremer Uni, dass in vier Semestern zur Hochschulreife führe. Bürgermeister Koschnick und seine Senatskollegen forderten Rektor von der Vring in einem ausführlichen Brief mit Verweis auf ihre Rechtsaufsicht dazu auf, die Zulassung zurückzuziehen. Eine juristische Auseinandersetzung in dieser Sache ist nicht auszuschließen.
28.10.1973
Der Spiegel „Wir sollen entmachtet werden“, Link: https://www.spiegel.de/politik/wir-sollen-entmachtet-werden-a-4cde6ba3-0002-0001-0000-000041898406 (Autor*in unbeannt).
Zu Beginn des Wintersemesters steckt die Uni in der Krise. Wegen verhärteter politischer Fronten in den Hochschulgremien können viele Stellenbesetzungen nicht abgeschlossen werden. Dadurch fallen nicht nur viele Lehrveranstaltungen aus, auch das Projektstudium kann nicht entsprechend den ursprünglichen Vorstellungen des Bremer Modells durchgeführt werden. Linke Hochschulgruppen machen dafür vor allem die Weigerung des Senats verantwortlich, Berufungsvorschläge zu akzeptieren. Diese Weigerung führte letztlich zu „bundesreaktionärem Durchschnitt“. Die Konfrontationen in den Gremien und zwischen Uni und Senat werden auch mit der Debatte um die Drittelparität nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes und die Ablehnung einer entsprechenden Experimentierklausel im Hochschulrahmengesetz durch den Bundesrat in Verbindung gebracht. Ohne eine solche Klausel „würden gerade diejenigen von der Mitbestimmung ausgeschlossen, die noch am ehesten politisches Augenmaß beweisen – die Dienstleister“. Auch um die Studien- und Prüfungsordnungen wird innerhalb der Universität und zwischen Hochschulleitung und Senat heftig gestritten.
11.11.1973
Der Spiegel „Nach Neuem müssen Sie lange suchen“, Link: https://www.spiegel.de/politik/nach-neuem-muessen-sie-lange-suchen-a-ab3671ea-0002-0001-0000-000041871267 (Autor*in unbeannt).
Durch die Debatten um Mitbestimmung an den westdeutschen Hochschulen gab es in den letzten Jahren wenig Aufmerksamkeit für die notwendigen curricularen und didaktischen Reformen des Studiums. Der Artikel thematisiert entsprechende Reformbemühungen, die vielerorts vernachlässigt würden. Bremen taucht hier als Positivbeispiel auf. „In Bremen, wo linke Akademiker dazu neigen, sich ins politische Abseits zu manövrieren, sucht Uni-Rektor Thomas von der Vring durch ein Bündnis mit den Gewerkschaften praktische Korrektive für die versponnene Revolutionseuphorie mancher Studenten zu schaffen. Er schloß ein Abkommen mit der Arbeitskammer. Seitdem werden Themen wie »Sicherheit am Arbeitsplatz und Unfallschutz« und »Die Lage der Hafenarbeiter in Bremen« in Hochschulseminaren behandelt. Dabei soll, gleichsam als Nebenprodukt auch ein neuer Wissenschaftlertyp herausmodelliert werden. Das Ziel: nicht »selbsternannte »Führungen der Arbeiterklasse«, sondern Fachleute, die die Arbeitnehmer sachkundig beraten«“. Der Artikel bezieht sich auf das Bremer Reformmodell im Jura-Studium.
23.12.1973
Der Spiegel „Lieber keine Revolution als so eine“, Link: https://www.spiegel.de/politik/lieber-keine-revolution-als-so-eine-a-abb39728-0002-0001-0000-000041810547 (Autor*in unbeannt).
Ein*e Bremer Professor:*n kritisiert linke Bremer Studierende und deren Dogmatismus scharf: „Wenn ich gewußt hätte, daß als einzig mögliche inhaltliche Ausfüllung des Bremer Modells nur der sogenannte wissenschaftliche Sozialismus marxistisch-leninistischer (heute würde ich hinzufügen, in Wahrheit stalinistischer) Observanz zugelassen wird, so hätte ich mich weder für diese Universität beworben noch mich an ihrer Gründung beteiligt. Allmählich komme ich mir mit meiner Beteiligung an der Gründung dieser Universität nur als »nützlicher Idiot« für politische Kräfte vor. von deren Existenz ich im Frühjahr 1970 noch nicht wußte und nach Lage der Dinge auch nicht wissen konnte. Bisher ist es mir noch gelungen, in meinen Arbeitsbereichen eine solche bestürzend dogmatische und intolerante Verengung des Wissenschaftsbetriebs an dieser Universität zurückzuweisen. (…) Allein die Tatsache, daß solche Tendenzen überhaupt so stark sind, daß man sich mit ihnen bis zur Erschöpfung herumschlagen muß, ist schon schlimm genug. (…) Ich kann es nicht als fortschrittlich betrachten, freiwillig, aber unter Druck von unten, z. B. von KSB/KSO, Lehrinhalte als die einzig verbindlichen einzuführen oder überhaupt als wissenschaftlich akzeptabel hinzunehmen, die letzten Endes auf einen kanonisierten Stalinismus zurückgehen, der seinerseits Marx, Engels, Lenin verkürzte, vergröberte und dogmatisierte.“
13.01.1974
Der Spiegel „Ungedeckter Wechsel“, Link: https://www.spiegel.de/politik/ungedeckter-wechsel-a-868bbb55-0002-0001-0000-000041840010 (Autor*in unbeannt).
Der Artikel beschäftigt sich mit dem Konflikt um eine Vorlage für neue Prüfungsordnungen an der Uni Bremen, die in der Senatsverwaltung auf Kritik stößt. „Mithin wird sich der Konflikt zwischen der linkslastigen Hochschule und der durch den Verbalradikalismus politischer Gruppen und die Berufungspolitik universitärer Gremien aufgeschreckten Bürokratie eher noch verschärfen. Gewiß ist, daß die zahlende Öffentlichkeit neue Merkmale für eine rote Kaderschmiede ausmacht.“ Der konservative „Bund Freiheit der Wissenschaft“ sieht eine „Koalition der Ideologen und Faulen“ am Werke und kritisiert einen „Verzicht auf jegliche Leistungsanforderung“. Der Artikel lobt hingegen viele progressive Elemente wie Praxisbezug und Gruppenarbeit, teilt aber unter anderem die Kritik an Prüfungen durch Tutoren („häufig die strammsten Ideologen“).
12.04.1974
DIE ZEIT „Der Pathos ist weg“, Link: https://www.zeit.de/1974/16/das-pathos-ist-weg (Autor*in Nina Grunenberg)
Anlässlich der Neubesetzung des Rektorats mit Hans-Josef Steinberg polemisiert die ZEIT gegen das Bremer Modell als ein undemokratisches Projekt: „Niemals ließen die, die seit der ersten Stunde hier gearbeitet haben, einen Fremden an ihr Modell. (…) So wird das Hohelied von der Drittelparität allenthalben angestimmt, doch reelle Chancen, das Schicksal der Bremer Universität mitzubestimmen und mitzulenken, hat nur, wer sich hochschulpolitisch zum inneren Kreis der Universität durchgekämpft hat und dazugehört. Wer den Stallgeruch nicht an sich hat, kann in der Bremer Uni so wenig Karriere machen wie in der SPD.“ Dem Germanisten und Sozialhistoriker Steinberg wird mit seiner vermeintlich sozialistischen Forschung und seiner politischen Vergangenheit bei den Jusos dieser Stallgeruch attestiert. Zugleich fordert die Autorin: „unter seiner Ägide wird irgendwann einmal auch für eine weitere Öffentlichkeit im Klartext gesagt werden müssen, was das Bremer Modell hergibt; wo der harte Reformkern zu fassen ist und wieviel Inkompetenz sich unter dem progressiven Anstrich verbirgt; wo sich Qualität versteckt und wo nur die alte bürgerliche Kultur der Muße gepflegt wird.“
11.07.1975
DIE ZEIT „Bremen als Modell“, Link: https://www.zeit.de/1975/29/bremen-als-modell (Autor*in Hans Josef Steinberg)
Die ZEIT druckt kurz nach dem Beschluss der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, eine Verfassungsbeschwerde gegen die Drittelparität einzulegen, eine Rezension des Bremer Uni Rektors Steinberg über das Buch seines Vorgängers zur Hochschulreform in Bremen ab, in der Steinberg die „galoppierende Restauration im Hochschulbereich“ beklagt. Er schreibt: „Die hochschulreformerischen Bestrebungen kulminierten zu Beginn der 70er Jahre im Bremer Modell, und das hat die junge Universität seitdem büßen müssen. In einer Kampagne, die ihresgleichen sucht, wurde sie als „rote Kaderschmiede“ verteufelt.“ Zugleich steht Steinberg dem Bremer Model insgesamt etwas selbstkritischer gegenüber als sein Amtsvorgänger: „Manches, was im Überschwang der Reformeuphorie geplant wurde, sehen wir heute mit mehr Realismus. Es gibt in dieser Universität Defizite – vor allem im Bereich der Forschung (…) und mit dem anspruchsvollen Begriff „Projekt“ wird oft genug Etikettenschwindel betrieben.“ Insgesamt lohne es sich aber, für die Verteidigung des Bremer Modells zu kämpfen.
04.05.1976
FAZ „Extremisten jagen einen „Landschaftsmaler“. Revolutionstheater an der Bremer Universität und im Amtsgericht“, (Autor*in: Kurt Reumann)
„So sieht es aus: das Berufsverbot von linksaußen“. Da er im Protokoll einer Studiengangskommission bei einer Abstimmung nach gewählten und nicht gewählten Stimmen unterschied, zog Hochschullehrer Gert Duwe (Teil der Arbeitsgruppe „Kunst/Visuelle Kommunikation“) den Unmut und den Hass zwar nicht so vieler aber vor allem lautstarker Student*innen auf sich. Zum Vorwurf der Fälschung kam der hinzu, seine Kunst sei reaktionär und werde ihrer gesellschaftstransformatorischen Rolle nicht gerecht. „Duwe nach Ostfriesland“ forderten sie, verteilten Flugblätter, störten Lehrveranstaltungen und mischten den Gerichtsprozess auf.
11.06.1976
DIE ZEIT „Aufbruch und Abbruch“, Link: https://www.zeit.de/1976/25/aufbruch-und-abbruch (Autor*in: Hans Menninger)
Das Bremer Modell und insbesondere die Drittelparität stehen mit dem neuen Hochschulrahmengesetz vor dem Aus, dabei war das Experiment in Bremen mit viel Elan gestartet: „Damals standen alle Signale auf Reform. Von aller Opposition fast unisono schnell als „rote Kaderschmiede“ verschrien, aber den Wind der großen Erneuerung aus Bonn im Rücken, so werkelten die Reformer vor sich hin. Bald schon wurden sie allein gelassen.“ Angesichts der vielversprechenden Bremer Reformansätze, gerade auch in Bezug auf das Projektstudium, bedauert der Artikel die schwindende politische, finanzielle und ideelle Unterstützung für das Bremer Modell innerhalb und außerhalb der Universität. Der Artikel stellt der Kritik an einseitigen Berufungen die Beobachtung entgegen, dass sich eben v.a. Linke auf Uni-Stellen mit weniger Reputation, Ausstattung und institutioneller Macht bewerben. Der Artikel weißt auf Widersprüche zwischen Anspruch und Wirklichkeit unter anderem bei Forschung im Interesse von Arbeiter*innen und in der akademischen Selbstverwaltung hin. „Wo Einigkeit not täte, sind Selbstzerfleischung oder Resignation in den Gremien an der Tagesordnung. Die Auseinandersetzung um das, was von dem einstigen Reformplan zu retten sein wird, hat gerade erst begonnen. (…) Besser vielleicht, es hätte dieses Modell nie gegeben – meinen einige. Der Abbruch des Experiments jetzt hat neue Wege in eine bessere Bildungszukunft eher verstellt – hört man.“
07.11.1976
Der Spiegel, „Handtuch geworfen“, Link: https://www.spiegel.de/politik/handtuch-geworfen-a-277ac955-0002-0001-0000-000041069364, (Autor*in unbekannt)
Der Spiegel berichtet über den Entwurf für ein neues Bremisches Hochschulgesetz, mit dem die Drittelparität endgültig abgeschafft wird. „Jetzt ist es auch mit der Mitbestimmung vorbei.“ Die Aufgabe [der Drittelparität] (…) markiert den bislang härtesten Eingriff staatlicher Gewalt beim bundesweit ehrgeizigsten und zugleich umstrittensten hochschulpolitischen Reformmodell – womöglich gar dessen Ende.“ Schon vorher sei aber das Bremer Modell durch eigenes Verschulden der Uni in Verruf geraten: „Da wurden Hochschullehrer berufen, die außer einem Bekenntnis zur Gesellschaftskritik kaum wissenschaftliche Reputation vorweisen konnten. Titel und Diplome wurden für fragwürdige Leistungen verliehen“. Auch die komplexe Gremienstruktur trug nicht wirklich zu den ursprünglichen Zielen Transparenz und demokratische Kontrolle bei. „Die Chance, sich ihre späte Einsicht von der verfehlten Gremienstruktur ohne Preisgabe des einmaligen Mitbestimmungsmodells nutzbar zu machen, verlor die Universität, als sich im Dezember des vergangenen Jahres die Bonner Parteien auf ein Hochschulrahmengesetz einigten, das mit der Drittelparität gleich ganz Schluß macht und die Privilegien der Professoren erneuert.“ Der Bremische Gesetzesentwurf wurde nun Anlass für den Rücktritt des Rektors Steinberg, mit dem der Spiegel für dieselbe Ausgabe ein Interview führte: (https://www.spiegel.de/politik/da-gibt-es-nichts-zu-beschoenigen-a-507df9c3-0002-0001-0000-000041069365).
23.10.1977
Der Spiegel, „Verdeckt unterlaufen“, Link: https://www.spiegel.de/politik/verdeckt-unterlaufen-a-fd72960c-0002-0001-0000-000040749093 (Autor*in unbekannt)
„Lehrer-Studenten erreichen an der Universität Bremen überwiegend Traumnoten – Nachweis besonders hoher Qualifikation oder Kumpanei von Lehrenden und Lernenden?“ Der Artikel berichtet über eine Studie, die der Uni eine Inflation guter und sehr guten Noten im Lehramtsstudium unterstellt. Bildungssenator Franke kritisiert die Studie und verteidigt die Uni, während sich die Bremer CDU in ihren Vorurteilen gegenüber der „roten Kaderschmiede“ bestätigt sieht.
14.12.1977
FAZ „Wer an der Bremer Uni sprechen darf, bestimmen die Linken. Keine Chance für den CDU-Generalsekretär“ (Autor*in: Jürgen Busche)
Über den Besuch von Heiner Geißler (CDU) und Karl-Heiz Roth (SDS). Busche beschreibt, wie linke Studis den Saal besetzen und die Bitte um Einhalt seitens des Kanzlers und des Rektors mit Eiern und Farbbeuteln beantworten, wie verschiedene Veranstaltungen parallel um die Aufmerksamkeit der Studierenden kämpfen, wie man sich gegenseitig mit Megafonen zu überdröhnen versucht. Besonders interessant ist dabei die Perspektive des Autors, der hautnah dabei gewesen zu sein scheint – im Publikum von Roth.
13.04.1978
FAZ „Aus Bremen flüchten die Abiturienten“ (Autor*in: Kurt Reumann)
Beschrieben wird, wie die Absolvent*innen der Uni bei Personalchefs „an letzter Stelle“ stünden und Bremer Abiturient*innen die Uni mieden. Es folgt eine ganze Seite lang ein anderes Thema, bevor am Ende des Artikels eingeräumt wird, dass zumindest die erste der beiden Studien (aus mehreren Gründen, s. hierzu Meier-Hüsing 2011:81) nicht repräsentativ ist. Aber diess sei „unerheblich“, da es dem allgemeinen Eindruck gerecht werde. Dass die Uni in bestimmten Kreisen ein Akzeptanzproblem hatte, muss wohl eingeräumt werden. Dass andere Studis allerdings auch gerade wegen des Bremer Modells die Uni Bremen wechselten, passte hier vermutlich einfach nicht ins Bild.
16.04.1978
Der Spiegel „Mit Füßen„, Link: https://www.spiegel.de/politik/mit-fuessen-a-5e7cd0d2-0002-0001-0000-000040615676 (Autor*in unbekannt)
„Die umstrittene Bremer Reform-Universität wird bei den Abiturienten der Hansestadt immer unbeliebter.“ Anders als in den Stadtstaaten Hamburg und Berlin, nehmen viele Bremer Abiturient*innen ihr Studium nicht an der heimischen Universität auf, das ergab eine Untersuchung mehrerer Professoren, die ihre Ergebnisse als „Ablehnung der örtlichen Universität“ interpretieren. Einige Abiturienten (nur Männer) kommen mit ihrer Verunsicherung über die Anerkennung eines Bremer Abschlusses zu Wort. „Derlei Verunsicherung unter den Abiturienten ist das Ergebnis andauernder, vorwiegend ideologisch gefärbter Auseinandersetzungen um die »besonders konsequente Reform-Universität« Bremen. Was im Oktober 1971 als Versuch begann, die alte Ordinarien-Universität durch ein Modell demokratischer Kontrolle, transparenter und praxisbezogener Wissenschaft und fächerübergreifender Zusammenarbeit zu ersetzen, wurde zum ständigen Zankapfel zwischen indoktrinierenden Politstrategen einerseits und kritischen Reformern wie auch um ihre Privilegien fürchtenden Professoren andererseits. (…) Inzwischen werden Bremer Universitätsabschlüsse, etwa angehender Juristen oder Lehrer, vielerorts nicht als gleichwertig anerkannt, oder sie sind zumindest nicht konkurrenzfähig – wie bundesdeutsche Personalchefs und Personalberater jetzt offen zugaben.“ Als Beleg dafür wird eine Studie des Manager Magazins angeführt, die jedoch nicht repräsentativ war (s. Meier-Hüsing 2011:81).
09.11.1978
Vorwärts „Mehr als nur Mindestanforderungen“, (Autor*in: Michael Scherer)
„Die Universität Bremen ist nach wie vor bemüht, selbst unter immer schlechteren Bedingungen noch an erreichten Positionen festzuhalten und progressive Ansätze zu entwickeln“. Beispielhaft am neuen Studiengang „Weiterbildung“, wird das Bremer Modell als positive Errungenschaft dargestellt, das trotz Diffamierungen an seinen progressiven Ansätzen festhält. Der neue Studiengang erfülle im Selbstverständnis der Bremer Uni die Aufgabe, die Wissenschaft auch für jene Kreise zu öffnen, welche üblicherweise den Hochschulen fernstehen.
15.12.1978
DIE ZEIT „Erstreikter Professor“, Link: https://www.zeit.de/1978/51/erstreikter-professor (Autor*in: Claus Voland)
In der Auseinandersetzung zwischen der Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft (GEW) und dem Senat um die Perspektive der befristeten Assistenzprofessor*innen konnte ein Beamtenstreik durch Verhandlungsbereitschaft abgewendet werden. Die Karrierepfade für den wissenschaftlichen Nachwuchs werden enger und ungewisser. Die ZEIT argumentiert (einigermaßen abenteuerlich) mit den Interessen der Arbeiter*innen gegen die geforderten Entfristungen: „Unabhängig von den rechtlichen Problemen eines Beamtenstreiks wäre sein Ziel, unbefristete Arbeitsverhältnisse oder gar eine Professur auf Lebenszeit zu erreichen, unsozial – gegenüber den vielen Arbeitnehmern, die von solchen Lebenszeit-Verträgen ihr Leben lang nur träumen können“.
Die 1980er
13.02.1980
TAZ „Bremer Modell“ der Unterdrückung?“ (Autor*in unbekannt)
Berichtet wird über die Verhinderung einer „therapeutischen Beratungsstelle für Behinderte“. Eine Initiative von Studierenden (mit und ohne Behinderung) verhinderte die Einrichtung im Akademischen Senat mit der Begründung, sie „setzt […] alte traditionelle Machtstrukturen fort“, in denen sich die Berater*innen in einem asymmetrischen Machverhältnis gegenüber den Behinderten befänden, in welchem jene die Unterlegenen sind. Der Duktus ist klar, (linke) Studierende wehren sich gegen die (konservative) Uni Leitung. Das Bremer Modell wird allerdings bloß als Schlagwort benutzt. Der Text vermittelt die Einsicht, dass Studentische Kämpfe zu diesem Zeitpunkt mittlerweile innerhalb der Uni gegen die Uni geführt werden, nicht mehr für das Bremer Modell gegen die Regierung.
29.08.1980
DIE ZEIT „Reformruine Bremen“, Link: https://www.zeit.de/1980/36/reformruine-bremen (Autor*in: Manfred Weber)
Anlässlich der Auseinandersetzungen zwischen Kanzler Maaß und Rektor Wittkowski rechnet die ZEIT mit der Uni ab, „die nach dem Willen ihrer Väter für die Hochschulreform einst Modell stehen sollte; die heute Modell steht für Krampf, Leere und Mittelmaß. (…) Ein Jahrzehnt nach der Gründung ist das „Bremer Modell“ nur noch eine Worthülse – abgetakelter Reformmythos für die einen, linkes Indoktrinationszentrum für die anderen, kurzum: ein akademischer Fehlschlag.“ Der Artikel hebt dabei zu einem großen Rundumschlag gegen Bremen und seine Universität an: „Rätedemokratische Arbeitertraditionen, pietistisch-schwärmerischer Protestantismus und ein kraftloser Konservatismus kaufmännischer Notabeln bestimmten damals wie heute ein geistiges Klima, das Modelle in allen Richtungen wachsen läßt. Bremen ist ein besonderes Pflaster.“ Die ZEIT berichtet über „bürgerliche Distanzgefühle“, „Professorenängste“, Umtriebe der DKP und ein „willkürlich-zufälliges Lehr- und Studienangebot“. Sie wirft Linken, die „anderswo kaum Chancen hatten“, Karrierismus vor und konstatiert: „Soziale und politische Motive spielten im Geistesleben der Uni stets eine größere Rolle als wissenschaftliche.“ Einige Praktiker*innen kommen im Artikel mit Kritik an der „klassenkämpferische Einseitigkeit der Prüfungsthemen“ in der Lehramtsausbildung zu Wort. Die Hinwendung zur gesellschaftlichen Relevanz wird mit „Denkverzicht“ und „Mittelmaß“ gleichgesetzt. Der Artikel beklagt zudem, dass der berüchtigte „Bremer Konsens“ vor allem durch die Apathie der Mehrheit der Hochschulmitglieder gegenüber einer aggressiven Minderheit stabilisiert würde und dass viele, die den teils harten Auseinandersetzungen nicht gewachsen sind, unter die Räder gerieten. In diesem Zusammenhang werden die Selbstmorde des Politik-Professors Rolf-Richard Grauhahn und des Pädagogik-Professor Jobst-Günter Klink thematisiert. Insgesamt erscheint die Bremer Uni in diesem Artikel als teure „Ruine bildungsreformerischen Hochmuts“. In den Folgeausgaben der ZEIT regiearten u.a. Bildungssenator Franke (24.10.1980 „Reform ist nur durch Qualität zu sichern“) und der Hamburger Politik-Professor Heretb (14.11.1980 „Anpassung ist tödlich“) auf den Artikel. Er dürfte auch an der Uni und in der Stadt eine Wirkung entfaltet haben.
20.11.1980
Vorwärts „Reform auf dem Opfertisch“ (Autor*in: Björn Engholm)
Es wird berichtet über den Verlust der finanziellen Mittel der Uni Bremen. „Es ist zu befürchten, daß die Bundesländer Hessen, Nordrhein-Westphalen und Hamburg […] ihr[e] Mitfinanzierung der Bremer Universität einstellen“. In den letzten Jahren sei zwar nicht alles gut gelaufen, doch der Universität die „Zerstörung unserer Gesellschaft und ihrer Ordnung“ zu unterstellen, gehe zu weit. Die Kürzung käme einer Opferung der Reformen gleich und würde die Region Bremen belasten und wichtige Projekte gefährden.
26.11.1980
SZ „Karlsruhe billigt Bremer Hochschulmodell“, (Autor*in: Rainer Klose)
In neutralem Ton, wird über eine Entscheidung aus Karlsruhe berichtet. Nachdem die Drittelparität bereits 1976/77 durch das Hochschulrahmengesetz und das Bremer Hochschulgesetz durch die maßgebliche Stärkung der Position der Professor*innen in den Gremien faktisch abgeschafft wurde, hatten nun nochmals 28 Hochschullehrer*innen gegen die immer noch vergleichsweise starken Mitbestimmungsrechte der Studierenden geklagt – und verloren. Die Drittelparität sei durch entsprechende Veränderungen am Abstimmungsverfahren verfassungskonform: “Der maßgebliche Einfluss der Hochschullehrer soll nicht dazu führen, daß sich die Mehrheitsmeinung dieser Gruppe stets durchsetzt”, wechselnde Mehrheiten seien einer demokratisch organisierten Universität „immanent“ , hieß es im Urteil. Die Argumente des Für und Wider kommen in dem Artikel zu Wort und die Entscheidungsfindung in Gremien an der Universität wird erläutert. Die Entscheidung wird nicht weiter normativ eingeordnet, aus dem angeschlagenen Ton heraus lässt sich interpretieren, dass die Entscheidung grundlegend als gut aufgefasst wird.
27.11.1980
Die Neue „Studenten sind keine Schüler oder gar bloße Objekte von Wissensvermittlung“ (Autor*in unbekannt)
Positiv wird das Urteil aus Karlsruhe aufgenommen, das die weitere Beschneidung studentischer Einflussnahme in Gremien verhindert und die seit 1976/77 geltenden Stimmenverhältnisse, die den Hochschullehrer*innen gewissen, aber nicht uneingeschränkten Vorrang geben, für rechtens erklärt. Es wird die besondere Selbstständigkeit der Studierenden hervorgehoben, diese*r sei „nicht bloßes Objekt der Wissenschaftsvermittlung“.
05.12.1980
Die Zeit: „Bitte nicht aussteigen“, (Autor*in: Michael Schwelin)
Der Artikel berichtet in einem wohlwollenden Ton von der Ablehnung der Verfassungsbeschwerde von 28 Bremer Professoren gegen das Bremer Abstimmungsverfahren durch das Verfassungsgericht. „Gleichwohl sieht sich die Universität vor neuen Schwierigkeiten“, denn die Hilfen von Hessen, Niedersachen und Hamburg laufen aus. Die Zeit fragt: „Wurde die Reformuniversität mehr diffamiert als analysiert?“.
05.12.1980
Die Zeit „Sie wollten keinen Elfenbeinturm“ (Autor*in: Dietrich Goldschmidt)
Der Artikel antwortet auf die „neuerlich entbrannten Diskussion um die Universität Bremen“, nach der Zulassung der Drittelparität, mit verändertem Abstimmungsverfahren, durch das Verfassungsgericht. Es ist ein äußerst ausführlicher Artikel über den Stand der Dinge in Bremen. Bremer Ideen wie das Projektstudium, die gesellschaftliche Verantwortung und besondere Aufmerksamkeit für Unterprivilegierte werden als etwas Positives bewertet. Erkennbar wird, wie die Uni Bremen sich in die gesamte Bildungslandschaft eingegliedert hat. „Wenn Bremer Hochschullehrer in der ZEIT Mittelmaß nachgesagt wurde, so liegt in diesem Ausdruck ein Sachverhalt, der definitionsgemäß wohl an allen bundesdeutschen Hochschulen an zutreffen sein dürfte.“, womit Die Zeit wohl ein düsteres Bild des deutschen Bildungsstandort 1980 zeichnet.
01.01.1981
Vorwärts „Roland und die rote Meute“, (Autor*in unbekannt)
Der Beitrag richtet sich gegen die Rote Angst der konservativen Blätter. Überspitzt wird ganz Bremen dem Ost-Block zu geschrieben und verwundert wandelt der Autor als konservatives lyrisches ich durch Bremen und entdeckt überall die Schrecken des Kommunismus. In der ironischen Verdrehung wird das Bremer Modell als positive Errungenschaft gewertet und die Stigmatisierung Bremens durch Konservative ins Lächerliche gezogen.
02.01.1981
SZ, „Bremer Universität auf dem trockenen“, (Autor*in unbekannt)
Äußert neutral wird berichtet, wie die Entscheidung, dass die Länder Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westphalen die Uni Bremen nicht mehr unterstützen, zu Stande kam. Auch wenn die Uni Bremen dadurch nicht am Ende ist, „sieht die Zukunft der Hochschule nicht rosig aus“.
22.05.1981
DIE ZEIT „Wird Bremen zur Provinzuni? Mehr Studienplätze für Ingenieure, weniger für Lehrer“, Link: https://www.zeit.de/1981/22/wird-bremen-zur-provinz-uni, (Autor*in unbekannt)
Der Artikel greift die Kontroverse zwischen Bildungssenator Franke und Rektor Wittkowsky über die Umstrukturierung der Universität auf Kosten der Lehramtsausbildung auf. „Der Vorwurf zahlreicher Franke-Kritiker lautet: der Senator benutze den Zwang zur Einsparung zur Abschaffung des Bremer Hochschulmodells; er stülpe der Universität und den Hochschulen einschneidende Veränderungen ohne Diskussion per Dekret auf (…). Falls diese Pläne realisiert würden – so befürchtet der Rektor – seien an der Universität Bremen Chaos oder totale Resignation die unvermeidliche Folge.“
02.04.1982
DIE ZEIT „Wie im Entwicklungsland. Trotz Kanzlerrücktritt und Gesetzesänderung: Bremen bleibt weiterhin eine Problem-Universität“, Link: https://www.zeit.de/1982/14/wie-im-entwicklungsland, (Autor*in: Michael Schwellen)
Rektor Wittkowsky tritt nach dem Beschluss des neuen Hochschulgesetzes zurück und erklärt das Bremer Modell für gescheitert. Der ZEIT gehen die Reformpläne des Bildungssenators aber noch nicht weit genug.
11.12.1982
FAZ „Die Bremer Festung öffnet sich. Universitätsreformer müssen umdenken“, (Autor*in: Kurt Reumann)
Kurz nach Ernennung Timms zum Rektor gelingt eine Diskussion zwischen Vertreter*innen der Universität, des konservativen Bundes Freiheit der Wissenschaft, der stets ein Gegner des nunmehr begrabenen Bremer Modells gewesen war, und dem Wissenschaftssenator. Nun wo der Schrecken vorbei ist, lässt der Autor sich noch einmal über die ursprünglichen Bestrebungen des Bremer Modells aus: eine Wissenschaft im Interesse der Arbeitnehmer*innen, anstelle des Kapitals. Veränderung, Kritik, Reform. Nein nein. Dieser „totalitäre, organisationsrevolutionäre Ansatz“ ist Geschichte, aber in Bremen sieht es nicht gut aus: in der Presse habe es geheißen, die Hälfte der Professor*innen sei unqualifiziert, „und das dürfte zutreffen“. Belegt wird diese Einschätzung allerdings nicht.
05.10.1984
DIE ZEIT „Wissenschaft an der Seite von Unterprivilegierten?“, Link: https://www.zeit.de/1984/41/wissenschaft-an-der-seite-von-unterprivilegierten, (Autor*in: Hans Dieter Müller).
Der Artikel schildert eine Besonderheit des Bremer Modells, die wissenschaftliche Kooperation mit der Arbeiterkammerkammer Bremen, die 1971 in einer Denkschrift die Erwartung an die neue Universität formuliert hatte, ihre Forschung und Lehre auf die Bedürfnisse der Gesamtbevölkerung auszurichten, von der sie schließlich auch getragen wird. Daraus entstand an der Uni der sogenannte „Arbeiterkammerbereich“, in dem unter anderem zu Arbeitsschutz, Arbeiter*innen-Bildung und Hafenarbeit im Wandel geforscht wurde. Diese sogenannte Handlungsforschung hatte in der Praxis aber mit allerlei Schwierigkeiten zu kämpfen (z.B. Verständigungsschwierigkeiten, Feldzugang, Interessensgegensätze). Der Artikel geht im Zusammenhang der Regionalisierung auch auf die Auseinandersetzungen und Verteilungskämpfe bei der Gründung der Hochschule Bremerhaven und die Neuausrichtung auf Meeresforschung und Produktionstechnik ein.
06.09.1987
Der Spiegel) „Wach auf“, Link: https://www.spiegel.de/politik/wach-auf-a-2ca5c404-0002-0001-0000-000013523529, (Autor*in unbekannt)
Der Artikel zeichnet ein düsteres Bild der ökonomischen und politischen Lage Bremens kurz vor der Bürgerschaftswahl, bei der die SPD unter Bürgermeister Klaus Wedemeier um ihre absolute Mehrheit bangen muss. Im Vordergrund des Artikels stehen innerparteiliche Auseinandersetzungen in der Bremer SPD und ihr Erfolgsrezept, linke und gemäßigte Positionen zu verbinden. „Auch die Reform-Universität, einst als »rote Kaderschmiede« verschrien, haben die Sozis umgesteuert. Abgebaut wurden die bislang dominierenden Geisteswissenschaften, neu eingerichtet Studiengänge für moderne Technik. Hochschullehrer und Unternehmer arbeiten Hand in Hand – »eine Politik«, so Christian Eick von der Bremer Wirtschaftsförderungsgesellschaft, »wie von Späth in Baden-Württemberg und Pieroth in Berlin«.“ Wirtschaft und Spiegel sind scheinbar zufrieden mit der neuausgerichteten Bremer Uni.
Seit den 1990ern
30.11.1999
Uni Spiegel „Steuer-Millionen für private Elite-Unis?“, Link: https://www.spiegel.de/start/steuer-millionen-fuer-private-elite-unis-a-d9e334e9-0002-0001-0000-000015610351, (Autor*in: Martin Doerry)
„Bei den einen galt sie als linkes Modell-Projekt, bei den anderen als Spielwiese für Kommunisten – nun bekommt die Uni Bremen Konkurrenz aus dem Kapitalismus.“ Anlässlich der Gründung der privaten „International University Bremen“ (IUB) in Bremen druckt der Uni-Spiegel ein Gespräch u.a. mit Bildungssenator Lemke, Universitäts-Rektor Timm und Wirtschafts-Professor Elsner ab. Darin wird auch der Zusammenhang zum Bremer Modell deutlich, z.B. wenn Lemke konstatiert: „Es ist viel leichter, relativ schnell eine neue International University Bremen zu gründen, als eine bestehende deutsche staatliche Hochschule von Grund auf zu reformieren.“
10.05.2001
DIE ZEIT „Keimzelle für Exzellenz“, Link: https://www.zeit.de/2001/20/Keimzelle_fuer_Exzellenz, (Autor*in: Sabine Etzold)
Die Gründung der privaten International University Bremen (IUB, später Jacobs University) nach US-amerikanischem Vorbild geht u.a. auch auf die Initiative des Uni-Rektors Jürgen Timm zurück. „Sogar der Universität Bremen, zumal ihrem reformfreudigen Rektor Jürgen Timm, ist das IUB-Projekt hochwillkommen. Um endlich von dem falschen Image „links und leistungsfeindlich“ herunterzukommen, setzte sie sich die Konkurrenz vor die eigene Nase und will davon auch noch profitieren. Timm hat das „internationale Defizit“ erkannt. Da er sich „nicht nur für die Uni, sondern für das Gesamtsystem der Wissenschaft um die Uni herum verantwortlich“ fühlt, gab er den Anstoß. (…) Da fehlt eigentlich nur noch eins: die Kunden.“
02.09.2003
Der Spiegel „Ohne Fleißpunkte wird das Studium teuer“, Link: https://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/uni-drueckt-aufs-tempo-ohne-fleisspunkte-wird-das-studium-teuer-a-263619.html, (Autor*in unbekannt)
Das Land Bremen führt erstmals Langzeitstudiengebühren ein, das als „Zuckerbrot-und-Peitschen-Modell“ vorgestellt wird. Das Bremer Studienkontenmodell bestraft bewusst eingeschriebene Studierende, die keine Leistungspunkte (Credits) erwerben. Mit dem Bremer Modell hat das nichts mehr zu tun, es wird im Artikel auch nicht erwähnt.
26.01.2006
DIE ZEIT „Der Staatsrat als Unikat. Rainer Köttgen hat die Bremer Universität vom Ruf der Kaderschmiede befreit“, Link: https://www.zeit.de/2006/05/Der_Staatsrat_als_Unikat, (Autor*in: Nina Grunenberg)
„Die staatliche Bremer Universität, vor dreißig Jahren als rote Kaderschmiede gestartet, ist dank einer klugen Berufungspolitik auf Kurs gebracht worden – und seit vergangener Woche Überraschungssieger der Exzellenzinitiative.“ Im Hintergrund wirkte 30 Jahre lang der ehemalige 68er Rainer Köttgen als zuständiger Staatsrat im Bremer Senat. Er gehörte neben dem Uni-Rektor Timm auch zu den Initiator*innen der Gründung einer Privatuniversität in Bremen-Nord.
26.11.2011
DIE ZEIT„Die wilden Jahre sind vorbei“, Link: https://www.zeit.de/studium/hochschule/2011-11/jubilaeum-bremen, (Autor*in: Eckhard Stengel)
Anlässlich des 40. Universitätsjubiläums wirft Die ZEIT einen Blick zurück in die Geschichte der einstigen Reformuni und die aus ihrer Sicht begrüßenswerte Abwicklung des Bremer Modells: „In der Tat wurde in den Anfangsjahren manchmal mehr über den wahren Weg zur Revolution debattiert als gründlich geforscht. (…) Aber bald kam die Wende. Auf Druck der SPD-Landesregierung wurden neue Professuren mit gemäßigteren Kandidaten besetzt. Die heiß umkämpfte Drittelparität (…) wurde nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts abgeschafft. Auf Betreiben des langjährigen Wissenschaftssenators Horst-Werner Franke (SPD) und des seit 1982 amtierenden Rektors Jürgen Timm, öffnete sich die Uni schließlich auch für die Belange der Wirtschaft. So mutierte der Stachel im Fleisch des Hochschulwesens allmählich zu einer halbwegs normalen Massenuniversität (…) Manchen Kritikern geht der Wandel allerdings zu weit. Sie beklagen eine Vernachlässigung der Geistes- und Sozialwissenschaften und einen Verrat an den Gründungsprinzipien, vor allem dem der „gesellschaftlichen Verantwortung“.“ Der Artikel berichtet auch über eine Demonstration unter dem Motto „Unter den Talaren: Muff von 40 Jahren!“, die sich gegen den Ausverkauf der Uni an die Wirtschaft richtet, mit dem sie „zu einem Spielball privater Interessen“ werde.
05.06.2012
Der Spiegel, „Uni kämpft mit ihrem friedlichen Anspruch“, Link: https://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/zivilklausel-uni-bremen-raeumt-weitere-militaerforschung-ein-a-837064.html, (Autor*in unbekannt)
„Möglicherweise hat die Universität Bremen öfter gegen ihren eigenen Grundsatz verstoßen, nicht zu militärischen Zwecken zu forschen, als bislang bekannt. Die Hochschule habe festgestellt, dass bei mehreren Projekten zwischen 2003 und 2011 der „militärische Charakter nicht auszuschließen“ sei, heißt es in einer Antwort des Bremer Senats auf eine Anfrage der Grünen.“ Der Streit um die Zivilklausel tobt in Bremer schon seit einiger Zeit, an der Uni selbst, wo im letzten Jahr OHB eine Stiftungsprofessur einrichten wollte, und in der rot-grünen Senatskoalition, die sich nicht über die Wirksamkeit einer solchen Klausel im Hochschulgesetz einig ist. „Die Wurzeln der Zivilklausel reichen bis in die achtziger Jahre: Damals fürchtete man die Aufrüstung des Weltraums – und die linke Reform-Uni Bremen entschied, dass „jede Beteiligung von Wissenschaft und Forschung mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung“ abzulehnen ist.“