Beitrag 5 zu RV11 Mehrsprachigkeit als Ausgangspunkt und Ziel schulischer Bildung in der Gymnasialen Oberstufe

1. An Ihrem Gymnasium gibt es eine – wie üblich sehr heterogen besetzte – Vorklasse, in welcher sogenannte Seiteneinsteiger*innen Deutsch lernen und auf die Teilnahme am Regelunterricht vorbereitet werden. Für einige wird nun der Übergang diskutiert. Ein Großteil der Lehrkräfte plädiert – mit Verweis auf die noch nicht vollständig ausreichenden (bildungssprachlichen) Deutschkenntnisse – sie an eine Oberschule zu überweisen, obwohl die Schüler*innen hinsichtlich ihrer Lernfähigkeit und ihrer Vorbildung eigentlich die Voraussetzungen für das Gymnasium mitbringen und gerne an der Schule bleiben würden. Nehmen Sie auf Basis der Vorlesung Stellung dazu.
2. Welche Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit – in der hier verstandenen breiten Sicht – in Schule und Unterricht (selbst als Schüler*in und/oder Praxiserfahrungen) haben Sie bislang gemacht? Diskutieren Sie die Erfahrungen vor dem Hintergrund dieser Vorlesung
3. Was möchten Sie nach dem Besuch dieser Vorlesung bei Ihrer zukünftigen Unterrichtsgestaltung beachten? Welches Wissen und welche Fähigkeiten fehlen Ihnen dafür noch?
4. Wie muss Schule unserer mehrsprachigen Gesellschaft gestaltet sein? Welche Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, damit Sie die Mehrsprachigkeit ihrer Schüler*innen einbeziehen und einen registersensiblen Fachunterricht gestalten können?

 

1. Meiner Meinung nach ist dieser Ansatz völlig falsch. Den Seiteneinsteiger*innen den Übergang zum Gymnasium aufgrund ihrer fehlenden, unzureichenden Deutschkenntnisse zu verweigern wäre eine ungerechte Entscheidung. Das Erlernen einer fremden Sprache ist ein Prozess, welcher sehr zeitaufwendig ist und viel Geduld sowie Mühe erfordert. Deshalb sollte man als Lehrkraft den SuS, welche gerade dabei sind die deutsche Sprache zu lernen, genügend Zeit lassen sich Stück für Stück der fremden Sprache anzunähern und ihnen diesen Weg ermöglichen, sie also bestmöglich dabei unterstützen. Nur auf diese Weise können Lernerfolge erzielt werden und den SuS geholfen werden.

Vor allem wäre diese Entscheidung gerade deshalb unfair, da sie die sonstigen Voraussetzungen für ein Gymnasium erfüllen würden. Diese Kriterien würden schlichtweg außer Acht gelassen werden und den SuS würde die Chance auf eine für sie angemessene Schule hinsichtlich ihrer Lernfähigkeit und ihrer Vorbildung genommen werden. Dies wäre mehr als ungerecht und man würde ihnen somit beim Lernprozess nur im Wege stehen.

 

2. Während meines Praktikums an der Grundschule in der 10. Klasse durfte ich mit Mehrsprachigkeit Praxiserfahrungen machen. Diese haben mir einen Einblick in das Leben vieler Grundschüler*innen gegeben, welche einen ausländischen Hintergrund haben und die deutsche Sprache im Kindergarten erlernt haben.

Viele dieser Kinder beherrschten die deutsche Sprache gut, da sich herausgestellt hat, dass sie zu Hause mit mehreren Sprachen aufgewachsen sind und ihre Eltern sie zusätzlich dabei unterstützt haben die deutsche Sprache zu erlernen. Meist konnten die Eltern selbst die deutsche Sprache aufgrund langjähriger Erfahrungen gut sprechen oder hatten einen zum Teil deutschen Hintergrund, wodurch es sich für sie als einfacher erwies ihren Kindern von klein auf beim Erlernen zu helfen. Die meisten der Kinder sind bilingual, also zweisprachig aufgewachsen.

Jedoch gab es auch andere Fälle, in denen die Kinder große Schwierigkeiten damit hatten die deutsche Sprache zu erlernen, da sie zu Hause von klein auf nur die primäre Sprache der Eltern, also beispielsweise nur polnisch, gesprochen haben und so die deutsche Sprache in den Hintergrund gerückt ist. Hierbei gab es sowohl die Situation, dass die Eltern die deutsche Sprache selbst nicht gut beherrschten oder nur sehr schlecht.

Diese Schwierigkeit ist mir gerade dann bewusst geworden, als ich von den damals zuständigen Lehrkräften dazu beauftragt wurde, diesen Kindern beim Erlernen der deutschen Grammatik zu helfen. Ich musste während meines Praktikums quasi sehr häufig den zu helfenden Kindern „Einzelunterricht“ geben und ihnen bei den in der Vorlesung angesprochenen sprachlichen Fertigkeiten hören, sprechen, lesen und schreiben helfen und sie aktiv unterstützen. Es war je nach Einzelfall unterschiedlich einfach/schwierig den Kindern die deutsche Sprache so gut es ging näher beizubringen. Dabei ist mir vor allem aufgefallen wie unterschiedlich der Lernprozess bei jedem/jeder Einzelnen war und dass vor allem auch der eigene Charakter und die eigene Motivation eine große Rolle spielten. Das Erlernen einer Sprache ist also immer als etwas Individuelles anzusehen, welches von vielen Faktoren abhängig ist und immer im Einzelfall betrachtet werden sollte.

Die Erfahrungen, die ich in meinem Praktikum mit Mehrsprachigkeit sammeln konnte, haben mir gezeigt, dass es vor allem als Lehrkraft sehr wichtig ist die SuS bestmöglich auf dem Weg zur neuen Sprache zu begleiten und mit ihnen sehr geduldig umzugehen, da das Lernen einer Sprache immer ein Prozess ist und nur mit sehr viel Zeit und Mühe gelingen kann. Für die SuS ist dieser Weg nicht immer ein leichter, es kommt auch immer auf die individuelle Situation des/der Einzelnen an, also auf den persönlichen Hintergrund der SuS, welcher dringend berücksichtigt werden sollte. Auch wenn es einige Schüler*innen gibt, welche mehr Schwierigkeiten haben, sollten ihnen ihre noch fehlenden Sprachkenntnisse keineswegs zum Nachteil im schulischen Leben werden.

 

3. Ich persönlich möchte als zukünftige Lehrerin unbedingt darauf achten, dass ich den Unterricht für alle SuS möglichst gerecht gestalte und niemanden bezüglich der Sprachkenntnisse beurteile. Häufig zeigt sich, dass die (unzureichenden) Sprachkenntnisse als vordergründig angesehen werden und somit den SuS viele Möglichkeiten entzogen werden, wenn es zum Beispiel um die Wahl der weiterführenden Schule geht. Ich sehe Mehrsprachigkeit als etwas sehr Positives an und bin optimistisch, dass diese den Schüler*innen zugutekommt, auch wenn sie aufgrund verschiedener Ursachen nicht von allen gleichermaßen genutzt werden kann. Man muss jeden SuS die Möglichkeit geben sich zu verbessern und sie motivieren.

Was mir persönlich jedoch noch fehlt, ist das Wissen um einen korrekten Umgang mit Schüler*innen, welche Probleme mit dem Erlernen einer neuen, in dem Fall der deutschen Sprache, aufweisen. Natürlich habe ich durch mein Praktikum bereits viele Erfahrungen sammeln können, jedoch war ich was dies anging auf mich allein gestellt und wurde nicht wirklich in diesem Bereich belehrt. Ich würde mir wünschen, dass im Unterricht mehr auf diese Thematik eingegangen werden würde und die Mehrsprachigkeit eventuell im Unterricht als einzelner Aspekt aufgegriffen werden würde.

 

4. Wie bereits erwähnt, sollte die Mehrsprachigkeit auf jeden Fall in der Schule mehr thematisiert und aktiv in den Unterricht mit einbezogen werden. In unserer heutigen Gesellschaft ist die Mehrsprachigkeit ein weitverbreitetes Thema und eine Voraussetzung für die Vielfalt der Kulturen. Dies sollte den SuS vermittelt werden und ihnen gezeigt werden, dass Mehrsprachigkeit keineswegs als etwas Negatives zu betrachten ist und nicht wie in Aufgabe 1 zum Nachteil werden sollte. Es ist klar, dass der Lernprozess nicht bei allen SuS derselbe sein kann und unterschiedlich schnell/gut läuft. Gerade deshalb sollte auf alle SuS einzeln geachtet werden und je nach Stärke/Schwäche individuell gehandelt werden. In jedem Falle sollte den SuS die Motivation gegeben werden weiterzumachen und ihnen bewusst gemacht werden, dass sie auch in schwierigen Situationen niemals die Hoffnung aufgeben sollten. Schließlich hängt der Schlüssel zum Erfolg immer von einem selbst ab, auch wenn es um das Erlernen einer Sprache geht. Als Lehrkraft sollte man die SuS näher an dieses Ziel bringen und ihnen ein Vorbild sein.