Ich habe keine Lieblingsfarbe.
Bei mir funktionieren diese allseits beliebten Kennlernspiele, sowie wir sie in der O-Woche zu Genüge gespielt haben oft nicht, da ich solch so simpel scheinenden Smalltalk-Fragen einfach nicht beantworten kann.
Manche sagen vielleicht Blau oder Gelb. Andere werden schon spezifischer und wählen Flieder, Himmelblau oder Karminrot. Aber selbst in diesen Differenzierungen finde ich keine zufriedenstellende Antwort. Wer mich ein bisschen besser kennt weiß, wie begeisterungsfähig ich bin. Ich unterbreche ein Gespräch manchmal spontan, weil ich eine hübsche Pflanze oder einen coolen Sticker entdecke. Und so ist es eben auch bei Farben. Es gibt wenig, wofür ich mich nicht begeistere. Dabei ist es nicht so, dass ich alle Farben gleich gerne mag. Jagt-Grün ist zum Beispiel eine Farbe, mit der ich nicht sonderlich viel Anfangen kann. Dafür finde ich Immergrün-Blau („periwinkle“) unfassbar schön. Aber ich tue mich generell unfassbar schwer Hierarchien für Dinge, die ich gern habe aufzubauen. Ich habe zum Beispiel auch nicht den einen Lieblingssong, -film, -buch, etc. Ebenso wenig kann ich sagen, dass ich Karmin lieber mag als Flieder. Ich mag beide Farben sehr gerne, aber eben auf verschiedene Weisen.
Farben sind bei mir sehr eng mit Gefühlen verknüpft. Das ist auch ein Grund, warum ich mich so gerne mit Klamotten und gefärbten Haaren ausdrücke. Es macht mir Spaß Töne zu kombinieren, mich von Farbpaletten inspirieren zu lassen, mich an bestimmte Anlässe anzupassen, mich von meinen Stimmungen und Gefühlen leiten zu lassen. Die ganze Welt ist für mich eine riesige wundervolle Komposition, ein Zusammenspiel aus vielen verschiedenen aber grundsätzlich gleichwertigen Tönen. Ein C ist ja auch nicht besser oder schlechter als ein A. Es ist einfach nur anders. Die Bedeutung findet sich dann, wenn man die Töne im Kontext eines Gesamtwerkes betrachtet. Manchmal passt ein C einfach besser, manchmal braucht man ein A, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Wenn man nur eine bestimmte Komposition kennt oder einen bestimmten Stil hört, der immer den gleichen Mustern folgt, tendiert man leicht dazu einen Ton zu bevorzugen. Man lässt den Trugschluss zu, dass ein Ton einen eigenen Wert hat, unabhängig vom Kontext. Aber das finde ich nicht logisch. Jeder Ton, jede Farbe sollte (wenn überhaupt) in einem bestimmten Kontext betrachtet und bewertet werden. Meiner Meinung nach kann man aber auf die Bewertung einfach mal ganz verzichten. Ich weiß, dass wir Menschen es lieben, Dinge zu sortieren und in Kategorien einzuteilen. Aber manchmal tut es gut Dinge einfach nur zu betrachten. Seine Gedanken schweifen zu lassen, Assoziationen und Inspirationen zu finden oder einfach nur die Existenz wertzuschätzen. Ich habe darin große Freiheit gefunden Dinge einfach Dinge sein zu lassen. Unterschiede und Kategorien zwar anzuerkennen, aber von Unterschieden nicht auf Bewertungen zu schließen. Warum sollte etwas schlechter sein, nur weil es anders ist?
Und das trifft nicht nur auf Farben und Töne zu, sondern auch auf Menschen.
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