Text von Britta Petersen

„Ihre Aufgabe besteht darin, immer wieder den Wechsel von der Hochgeschwindigkeitswelt des Web auf die langsame Postkutschenwelt des gedruckten Textes zu schaffen. Sie müssen den Punkt finden, an dem Sie Ihr Notebook zuklappen und das Buch aufschlagen, um sich Satz für Satz durch eine wohl organisierte, verdichtete, gedankliche Welt hindurchzuarbeiten.“ [1]

Was der Schreibforscher Otto Kruse mit dieser Aufforderung beschreibt, ist in Zeiten vermehrt gelesener E-Books, nicht immer realistisch. Und auch Papier kann sprunghaft gelesen werden, die Ablenkungen sind allerdings nicht so verlockend. Im Kern vermittelt Kruse über das Medium Buch eine Haltung im Umgang mit wissenschaftlichen Texten: Sie benötigen Konzentration, Geduld, Zeit und eine „ernsthafte“ Arbeitsatmosphäre. Lesen im Studium ist Arbeit, für die Sie organisierte Zeiträume benötigen. Im Laufe Ihres Studiums werden Sie viel lesen. Dabei wird es „Leseerlebnisse“ geben, nach denen Sie sagen: „Ich habe nicht viel verstanden“! Wahrscheinlich werden Sie die Erfahrung machen, Gelesenes – selbst wenn Sie den Eindruck haben, es zu verstehen –  nicht in eigene Worte fassen zu können. [2] Da ist es gut zu wissen, dass Sie mit dieser Erfahrung nicht alleine sind!

Verstehen wird von diversen Faktoren beeinflusst. Einer ist Interesse am Gegenstand! Neugierde reicht allerdings nicht, die Leseforschung ist sich vielmehr einig, dass Lesen eine komplexe „Interaktion zwischen Textmerkmalen, Lesevoraussetzungen und Lesetätigkeit“ [3] darstellt. Eine aktive Auseinandersetzung erhöht das Verständnis und verschiebt die eigene Haltung. Joachim Stary folgend ist es die bewusste Handlung im Leseprozess, die das Verstehen begünstigt. Je mehr Aktivität Sie investieren, desto näher kommen Sie den oft sehr dichten und komplizierten wissenschaftlichen Texten. [4] Erst mit einer aktiven Lesehaltung gelingt es, sich zu positionieren und explizite Fragen zu stellen. Dabei ist der Umgang mit wissenschaftlichen Texten individuell. Es gibt keine „Garantie“ des Verstehens.

[1] Otto Kruse: Lesen und Schreiben. 2., überarbeitete Auflage. Konstanz 2015, S. 19.

[2] Vgl. Joachim Stary: Wissenschaftliche Literatur lesen und verstehen In: ders./ Norbert Franck: Die Technik des wissenschaftlichen Arbeitens. Paderborn 2013, S. S. 65-85. Hier S. 65-66.

[3] Ebd., S. 66.

[4] Ebd.

 

Aus der Lese- und Schreibforschung und dem Schreibcoaching gibt es Tipps zur Aktivierung Ihrer Leseprozesse:

> Tipps zum aktiven Lesen wissenschaftlicher Lektüre
(Urheberschaft: Britta Petersen)

> Text zur „Concept Mapping“-Methode
(Urheberschaft: Schreibzentrum der Goethe Universität Frankfurt a. M.)

> Beispiele zur „Concept Mapping“-Methode
(Urheberschaft: Studierwerkstatt Bremen)