konstruktiv: Für Lehrende mit Pioniergeist – und solche, die es werden wollen

von Petra Boxler, Maren Praß, Robert Porzel, Anneliese Nottebaum und Jörg Kastens

Grundfinanzierte Lehre und Weiterbildung – diese beiden Aspekte werden im Projekt konstruktiv zusammengebracht. Der innovative Ansatz ermöglicht es berufstätigen Menschen oder Menschen mit familiären Verpflichtungen, das Modulangebot der Universität Bremen für ihre Weiterbildung zu nutzen. Lehrende, die sich an konstruktiv beteiligen, tragen zum Ausbau der wissenschaftlichen Weiterbildung bei und bereichern zugleich ihre Lehre durch neue Perspektiven. Dabei können auch neue didaktische Konzepte entwickelt und eingebracht werden. Denn konstruktiv möchte eine raum-zeitlich flexiblere Lehre fördern und unterstützt Lehrende dabei, entsprechende Ideen umzusetzen.

Angesichts kurzer Innovationszyklen, rasanter Veränderungen in der Arbeitswelt und bunter Bildungsbiografien reicht auch ein Bachelor- oder Masterabschluss längst nicht mehr als Basis für ein ganzes Berufsleben aus. Lebenslanges Lernen ist heutzutage auch für akademisch Qualifizierte eine selbstverständliche Notwendigkeit. Mit ihrem Weiterbildungsangebot stellt sich die Universität Bremen dieser Verantwortung.

Module aus der grundfinanzierten Lehre als Weiterbildungsbausteine

Das Projekt konstruktiv (www.uni-bremen.de/konstruktiv) erprobt einen neuartigen Ansatz für die Entwicklung wissenschaftlicher Weiterbildungsangebote an der Universität Bremen. Bei konstruktiv rücken die grundfinanzierte Lehre und die Weiterbildung enger zusammen. Module aus bestehenden Master- und teilweise auch aus Bachelorstudiengängen erhalten bei konstruktiv eine neue Rolle und zugleich eine besondere Bedeutung: Sie sind die Bausteine, aus denen konstruktiv flexible Weiterbildungsangebote entwickelt. Diese werden unter der Marke LIFE gebündelt. LIFE steht dabei für „Lernen. Individuell. Flexibel. Erfolgreich“. Dieser Ansatz ist innovativ und wird daher vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms „Offene Hochschulen“ gefördert, aktuell bereits in einer zweiten Förderphase. konstruktiv wird von der Akademie für Weiterbildung der Universität Bremen koordiniert.

Abbildung 1: Das Projekt konstruktiv ist in der Akademie für Weiterbildung angesiedelt, die ihren Sitz im Zentralbereich hat.

konstruktiv aus der Perspektive von Lehrenden

Da konstruktiv Module aus der grundfinanzierten Lehre als Weiterbildungsbausteine nutzt, ist das Projekt gerade auch für Lehrende interessant, die sich bisher noch nicht näher mit dem Thema „wissenschaftliche Weiterbildung“ beschäftigt haben.

Lehrende investieren oft viel Zeit und Mühe in die Konzeption ihrer Module und in die Gestaltung guter Lehre. Bei konstruktiv wird diese Arbeit nach außen besser sichtbar: Für konstruktiv „geöffnete“ Module werden zu LIFE-Modulen und auf der LIFE-Homepage (www.uni-bremen.de/LIFE) beschrieben und veröffentlicht.

Die LIFE-Module können von Berufstätigen mit entsprechender Vorqualifikation als Weiterbildung studiert werden. Sind mehrere Modulprüfungen erfolgreich absolviert, können die Weiterbildungsstudierenden auf diesem Weg auch Zertifikatsabschlüsse erwerben. Die Curricula für die Zertifikate entwickelt konstruktiv gemeinsam mit den Lehrenden und Modulverantwortlichen. Diese leisten damit einen Beitrag für die wissenschaftliche Weiterbildung ihrer Studierenden, auch über den Bachelor- oder Masterabschluss hinaus.

konstruktiv konzentriert sich in der Projektlaufzeit (diese endet am 31. Juli 2020) schwerpunktmäßig auf die Fachbereiche 3, 4 und 11. LIFE-Modul- und -Zertifikatsstudienangebote gibt es daher zurzeit in den Themenbereichen „Informatik & Digitalisierung“, „Produktionstechnik“ sowie „Gesundheit & alternde Gesellschaft“.

Lehrende in LIFE-Modulen gewinnen motivierte und interessierte Studierende mit Berufserfahrung hinzu. Diese bringen Erfahrungen und manchmal auch Fragestellungen aus der beruflichen Praxis ein und können damit eine Lehrveranstaltung bereichern.

Die Weiterbildungsstudierenden sind berufstätig oder haben Familienpflichten (oder beides). Lehrveranstaltungen, die raum-zeitlich flexibel gestaltet sind, kommen ihnen deshalb besonders entgegen. Dies gilt allerdings auch für viele der formal Vollzeitstudierenden, von denen ein großer Teil in bisweilen erheblichem Umfang neben dem Studium arbeitet oder andere Verpflichtungen hat. Für die Lehrenden wächst damit die Heterogenität der Lerngruppe. Gemeinsam mit dem Zentrum für Multimedia in der Lehre (ZMML) und der Geschäftsstelle Hochschuldidaktik unterstützt konstruktiv Lehrende deshalb auf vielfältige Weise dabei, Lehre für heterogene Zielgruppen zu gestalten und raum-zeitlich zu flexibilisieren.

Lehrende, die sich an konstruktiv beteiligen, sind Pioniere:

  • Sie wirken an einem innovativen Experiment mit, wie wissenschaftliche Weiterbildung auf neuartige Weise entstehen kann.
  • Indem sie digitale Elemente in die Lehre einbauen oder innovative Lehrkonzepte ausprobieren, tragen sie zur Umsetzung der „Strategie 2018-2028“ der Universität Bremen mit den Zielen „Innovativ lernen und lehren“ (Ziel 4) und „Digitalisierung gestalten“ (Ziel 9) bei.
  • Sie fördern den Transfer aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse in die berufliche Praxis.
  • Und sie tragen dazu bei, das grundfinanzierte Studium und die Weiterbildung enger miteinander zu verzahnen und die Universität Bremen so zu einem Ort des lebenslangen Lernens zu machen.

Weitere Mitwirkende, die sich diesen lohnenden Aufgaben stellen wollen, sind herzlich willkommen!

Angesprochen sind alle Lehrenden (Hochschullehrende, WiMis, LektorInnen), die Interesse an innovativen Lehr-Lern-Formaten haben und neugierig auf (Weiterbildungs-)Studierende aus der Praxis sind, besonders aus den Fachbereichen 3, 4 und 11.

Welche Unterstützung bietet konstruktiv den Lehrenden?

Um den Aufwand für Lehrende möglichst gering zu halten, stellt konstruktiv Materialien rund um das Thema „flexible Lehre“ zur Verfügung. Diese entstehen in enger Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle Hochschuldidaktik und dem ZMML. In der in konstruktiv entwickelten Toolbox „Präsenzlehre flexibilisieren“ (www.uni-bremen.de/konstruktiv/toolbox/) werden Alternativen oder Erweiterungen zu klassischen Lehr-Lern-Szenarien (z. B. der Vorlesung oder dem Seminar) beschrieben. Außerdem unterstützt konstruktiv Lehrende individuell bei der Umsetzung ihrer Konzepte oder organisiert Gruppencoachings, bei denen Lehrende sich über ihre Ideen und Erfahrungen austauschen können. Die medientechnische Unterstützung und die Einbettung in das Lernmanagementsystem Stud.IP erfolgt in Zusammenarbeit mit dem ZMML (www.uni-bremen.de/zmml).

Es zeigt sich, dass es hilfreich ist, die Didaktik der Veranstaltung zu überdenken, bevor neue (digitale) Elemente oder Formate ein- bzw. umgesetzt werden können. Hierfür bietet die Geschäftsstelle Hochschuldidaktik der Universität Bremen hochschuldidaktische Kurse und Coachings an (www.uni-bremen.de/studium/lehre-studium/hochschuldidaktik). Bei konstruktiv ist darüber hinaus eine „Toolbox Hochschullehre“ in Arbeit, die über wichtige Themen der Hochschuldidaktik informiert und praxisnahe Beispiele für die Umsetzung liefert.

Wenn digitale Elemente in der Lehre eingesetzt werden, entstehen häufig auch Fragen zum Urheberrecht. Um Lehrenden die gezielte Recherche nach rechtssicheren Informationen zum Urheberrecht in Lehre und Forschung zu erleichtern, hat konstruktiv zusätzlich ausgewiesene ExpertInnen mit der Entwicklung einer „Entscheidungshilfe Urheberrecht“ beauftragt. Diese ist inzwischen online verfügbar und bietet einen umfassenden Überblick zu diesem wichtigen Thema (www.uni-bremen.de/urheberrecht/).

Abbildung 2: konstruktiv unterstützt die Gestaltung raum-zeitlich flexibler Lehre an der Universität Bremen.

Raum-zeitliche Flexibilisierung – Beispiele aus der bisherigen Arbeit

Im Rahmen der ersten Förderphase von konstruktiv wurden bereits einige Lehrveranstaltungen raum-zeitlich flexibler gestaltet. Die Möglichkeiten sind vielfältig und es wurden diverse Szenarien umgesetzt. Hier einige Beispiele:

Videoaufzeichnungen

Sehr beliebt ist die Videoaufzeichnung. Diese entsteht in Zusammenarbeit mit dem ZMML Mediaservice als Live-Mitschnitt (Mobile Lecture), also während des Präsenztermins, oder als Screencast in Eigenregie durch die Dozierenden (z. B. mit Techsmith Camtasia Studio). Die Videosequenzen können von den Studierenden zur Vor- oder Nachbereitung verwendet werden oder auch, um Präsenzzeiten ganz oder teilweise zu ersetzen. Der Vorteil von Videos ist, dass der Lernstoff mehrfach, zu beliebigen Zeiten und im eigenen Lerntempo angesehen werden kann.

Umsetzung innovativer Lehr-Lern-Formate: Flipped Classroom / Inverted-Classroom

Einige Lehrende haben mit Unterstützung durch konstruktiv ihre Lehrveranstaltung im Format des Inverted Classroom umgesetzt. Dabei werden Videoinhalte und/oder andere Materialien (z. B. Skripte oder Lehrbücher) im Vorfeld der Präsenz zur Verfügung gestellt und Studierende können diese bei freier Zeiteinteilung zu Hause bearbeiten. Die Vorbereitung wird durch begleitende Aufgaben unterstützt. Die (z. T. selteneren) Präsenzen können dann für den Austausch, Fragen und die Anwendung des Gelernten genutzt werden. Dies hat den Vorteil, dass die Inhalte raum-zeitlich flexibel bearbeitet werden können und es im gemeinsamen Termin die Möglichkeit gibt, das Gelernte anzuwenden und zu vertiefen.

Einsatz von Off-Campus-Lernräumen

Auch die Verlagerung der Präsenz in den virtuellen Raum konnte erprobt werden. Hierbei werden einzelne Teile der Präsenz aus dem Seminarraum ausgelagert, indem Online-Kommunikationsräume geschaffen werden. Mit der Lernplattform Stud.IP und den UniBremenlogs bietet das ZMML zwei Systeme zur Lehr-/Lern-Unterstützung an, die in vielfältiger Weise zur Lösung organisatorischer Herausforderungen und zur Erreichung didaktischer Ziele eingesetzt werden können.

Erfahrungen eines „konstruktiv-Pioniers“

Prof. Dr. Rainer Malaka, Fachbereich 3, zählt zu den Pionieren, die die konstruktiv-Idee mittragen. Im Folgenden werden seine Erfahrungen bei der raum-zeitlich flexiblen Gestaltung des Moduls „Mensch-Technik-Interaktion“ in Zusammenarbeit mit konstruktiv beschrieben.

Abbildung 3: Prof. Dr. Rainer Malaka, Fachbereich 3, zählt zu den Pionieren, die die konstruktiv-Idee mittragen.

Das Modul „Mensch-Technik-Interaktion“ wird regelmäßig im Wintersemester durch den Fachbereich 3 angeboten. Es beschäftigt sich mit der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine und der Usability. Ein wichtiges Ziel ist ein positives Benutzererlebnis im Umgang mit der Technik. Dabei werden die menschliche Wahrnehmung und Informationsverarbeitung in Zusammenhang mit methodischen Grundlagen, mentalen Modellen und Theorien der Interaktion gebracht. Die Veranstaltung ist für Bachelor-Studierende aus den Studiengängen Informatik und Digitale Medien konzipiert. Professor Malaka als Modulverantwortlicher hat dieses Modul für Weiterbildungsstudierende im LIFE-Modulstudium geöffnet.

Mehrere berufstätige LIFE-Studierende haben im WiSe 2017/18 diese Veranstaltung belegt und die Prüfung erfolgreich absolviert. Über die Erfahrungen mit diesen Studierenden sagt Prof. Rainer Malaka: „Die Studierenden von konstruktiv fallen durch ihre Praxiserfahrung positiv auf und bereichern die Lehrveranstaltung durch eine eigene Perspektive und Erfahrungsschatz.

Mit Unterstützung durch konstruktiv konnten die ohnehin schon flexiblen Eigenschaften der Veranstaltung (große Auswahl an möglichen Terminen für die Tutorien, Materialien auf Stud.IP) weiter ausgebaut werden. Folgende Ideen wurden von Prof. Malaka gemeinsam mit konstruktiv zur Umgestaltung der Veranstaltung entwickelt: „Zunächst wollten wir erreichen, dass die Vorlesung als zeitlich flexibel angesehen werden kann. Weiterführend sollen die Videos für kommende Semester als Materialgrundlage für die Umsetzung des Konzepts Inverted Classroom und als „Erklärungsvideos“ im Übungsbetrieb genutzt werden. Auf der Grundlage selektiver Sequenzen aus dem Videomaterial sollen sich die Studierenden zuhause inhaltlich für die jeweiligen Präsenztermine vorbereiten. In den Präsenzterminen kann dann weitestgehend auf den klassischen Vortrag verzichtet werden. Es entsteht Raum für weiterführende Diskussionen und gemeinsame praktische Übungen. Im Stud.IP- gestützten Übungsbetrieb können zu einzelnen Aufgabenstellungen die passenden Videoabschnitte aus der Vorlesung abgerufen werden. Flankierend stehen die Tutoren per Mail zur Verfügung und beraten zu den Übungen und geben Feedback. Präsenztermine für Tutorien können reduziert werden und müssen nur noch bedarfsorientiert stattfinden. Im WiSe 2017/18 habe ich die beschriebene Vorgehensweise an einigen Stellen in meiner Veranstaltung bereits erfolgreich ausprobiert.“

Bereits im WiSe 2016/17 war die Veranstaltung durch den Mediaservice des ZMML aufgezeichnet und als Mobile Lecture „Interaktionsdesign“ zur Verfügung gestellt worden (https://mlecture.uni-bremen.de). Prof. Rainer Malaka beschreibt die gemeinsame Vorgehensweise folgendermaßen: „Neben der Konzepterstellung für die raum-zeitliche Flexibilisierung der Vorlesung wurden sowohl die Erstellung der Video-Aufzeichnungen als auch deren Aufbereitung in enger Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen aus konstruktiv und dem ZMML durchgeführt.“

Im WiSe 2018/19 wird die Veranstaltung vom Lektor Dr. Robert Porzel durchgeführt. Dr. Porzel ist bereits seit einigen Jahren auch im Projekt konstruktiv aktiv und wird die Umgestaltung der Veranstaltung  Mensch-Technik-Interaktion in diesem Semester weiter vorantreiben.

Über die AutorInnen:

Die AutorInnen sind (v.l.n.r.) Dr. Petra Boxler, Akademie für Weiterbildung; Dr. Maren Praß, Akademie für Weiterbildung; Dr. Robert Porzel, Fachbereich 3; Anneliese Nottebaum, Referat Lehre und Studium, Jörg Kastens, Akademie für Weiterbildung (nicht im Bild).

Bildnachweise:

  • AutorInnenfoto: Akademie für Weiterbildung
  • Abbildung 1: Akademie für Weiterbildung
  • Abbildungen 2 und 3: Universität Bremen

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