von Vera Hagemann, Michael Völkerink und Mark Rosemann
Wir entwickeln eine digitalisierte Online-Lehrveranstaltung in Form eines Inverted-Classroom Konzepts, um orts- und zeitunabhängiges Lernen und Lehren sowie eine Partizipation der Studierenden zu ermöglichen. Für die bisherige Vorlesung „Einführung in die Psychologie für die Wirtschaftswissenschaften“ im Bereich der General Studies werden selbst verfasste Texte, Auszüge aus eigenen Vorlesungen auf Video (Vorlesungsmitschnitte), selbst erstelle (Erklär-)Videos und Reflexionsfragen entwickelt und in mehreren aufeinander abgestimmten Arbeitspaketen über einen Onlinekursraum in Stud.IP zur Verfügung gestellt. Die praktischen Erfahrungen zeigen, dass ein solch modernes Lehrkonzept intensive Vorbereitungszeit bedarf und von einer großen Mehrheit der Studierenden sehr positiv bewertet wird.
Worum es geht – Intro
Raus aus den Hörsälen, rein in die digitale Welt des Lernens – so oder so ähnlich könnte die Message des Inverted-Classroom-Konzeptes lauten, welches den Studierenden einen vollkommen neuen Zugang zur akademischen Lehre ermöglichen und aufzeigen soll. Was sich hinter dem modernen Lehr-/Lernkonzept verbirgt und inwieweit die akademische Lehre davon profitieren kann, soll anhand des folgenden Projekts zur Konvertierung einer konventionellen Lehrveranstaltung in ein Inverted-Classroom-Konzept am Fachgebiet für Personalwesen des Fachbereichs 7 verdeutlicht werden.
Mithilfe der ForstA digital-Förderung hatten wir die Möglichkeit, im Januar 2019 mit der Umsetzung unseres Vorhabens, der Umwandlung einer klassischen Vorlesung in ein digitales Lehrformat, zu starten. Technische Unterstützung erhielten wir vom ZMML. Darüber hinaus konnten wir Mark Rosemann für unser Team für die Projektlaufzeit gewinnen. Der Start der neuen Lehrveranstaltung war im WS 19/20. Was zu Beginn in weiter Ferne erschien, entwickelte sich trotz detailreicher und gewissenhafter Planung und Umsetzung des Lehrprojektes im Laufe des Jahres als sportliches Ziel, welches wir im Team jedoch erfolgreich meistern konnten.
Was bedeutet Inverted Classroom?
Inverted Classroom – das bedeutet eine räumliche und zeitliche Verlagerung von Lehr-/Lernprozessen in einer anwendungsorientierten Lehre, vom Seminarraum bzw. Hörsaal in die eigenverantwortlich selbstgestaltete Lernwelt der Lernenden sowie die Verwendung der konventionellen Lernorte zur kollektiven und kollaborativen Anwendung, Diskussion und Reflexion des vorher in Eigenregie erworbenen Wissens. So zielt dieses Format nicht nur auf eine reine Wissensvermittlung ab, sondern ist vielmehr eine effektive Lernumgebung, in der problembasiert gelernt und Vorwissen aktiviert wird, in der anhand passender Beispiele, Inhalte demonstriert werden und das Wissen auf Fälle angewandt und neue Informationen in den bisherigen Wissensstand der Studierenden integriert werden (Merrill, 2002). Das Inverted Classroom Konzept zielt darauf ab, reine Input-Lernphasen, resp. die reine Wissensvermittlung, welche in der akademischen Lehre konventionell über Vorlesungen oder Seminare erfolgt, auszulagern und auf das eigenverantwortliche Lernmanagement der Studierenden zu übertragen. Die freigewordenen Kapazitäten können genutzt werden, um die vormals i.d.R. allein in Eigenverantwortung der Studierenden durchgeführten Anwendungs-, Übungs- sowie Reflexionsprozesse des erworbenen Wissens in den Seminarraum bzw. Hörsaal zu transferieren, und so durch kooperative und kollaborative Diskussion und Reflexion ein gemeinsames sowie vertieftes Verständnis für die erworbenen Inhalte zu gewinnen. Dies lässt sich anhand des vorliegenden Lehrprojektes demonstrieren.
Im Rahmen des General-Studies-Moduls „Einführung in die Psychologie für die Wirtschaftswissenschaften“ wurde das Inverted-Classroom-Konzept genutzt, um mit Hilfe des vom BMBF geförderten Digitalisierungsprojektes ForstA digital, aus der konventionellen, d.h. aus einer aus wöchentlichen Präsenzvorlesungen bestehenden Lehrveranstaltung, eine Blended-Learning-Lehrveranstaltung mit überwiegend digitalen Lernmaterialien zu konzipieren.
Die neu entwickelte Blended-Learning-Lehrveranstaltung sollte so konzipiert werden, dass sie zwar überwiegend in der Gestalt einer Online-Lehrveranstaltung aufgeboten wird, darüber hinaus jedoch auch die für das Inverted-Classroom-Konzept wichtigen Präsenzphasen zur gemeinsamen Anwendung, Vertiefung und Reflexion der eigenverantwortlich erworbenen Wissensinhalte enthält. Aus diesem Grund erfolgte eine Aufteilung der Lehrveranstaltung in insgesamt drei Präsenzveranstaltungen, einen Kick-Off zu Beginn, einen Midterm und eine Abschlussveranstaltung. Ergänzt wurden diese Veranstaltungstermine durch zehn Online-Lernphasen, welche jeweils didaktische bzw. thematische Lerneinheiten darstellen und den Studierenden als Arbeitspakete (AP) dienen (vgl. Abb. 1). Die Arbeitspakete wurden auf Basis des Lernmanagementmoduls EduWorkBuilder konstruiert und den Studierenden im Rahmen der internetbasierten Arbeitsumgebung zur Unterstützung von Lehrveranstaltungen an Bildungseinrichtungen (Stud.IP) für ihre eigenverantwortlichen Lernsessions zur Verfügung gestellt.
Die Anzahl der Präsenzveranstaltungen richtet sich nach dem, den zu erwerbenden ECTS entsprechendem Gesamtworkload der Lehrveranstaltung, welcher bei der vorliegenden GS-Lehrveranstaltung mit drei ECTS und somit 90 SWS festgesetzt ist. Bei umfangreicheren Modulen mit bspw. 6 ECTS ließe sich im Sinne der didaktischen Intention des Inverted-Classroom-Konzeptes somit überlegen, die Anzahl der Präsenzveranstaltungen dem Verhältnis entsprechend zu erhöhen.
Die Online-Lehre: Aufbau und Gestaltung der Arbeitspakete
Die zehn Arbeitspakete umfassen den Lernstoff, der früheren Studierenden zuvor im Rahmen der konventionellen Lehrveranstaltung in den Vorlesungen vermittelt wurde und den Studierenden nun über den studienbegleitenden Internetsupport von Präsenzlehre (Stud.IP) durch die Funktion EduWork zur Verfügung gestellt wird. Die Arbeitspakete geben einen Überblick über die wichtigsten Themen der Psychologie wie Forschungsmethoden in der Psychologie, biologische und neuronale Grundlagen der Psychologie, Wahrnehmung, Bewusstsein und Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Informationsverarbeitung, Lernen und Intelligenz, Entwicklungspsychologie, Persönlichkeits- und differentielle Psychologie, Arbeits- und Organisationspsychologie, Personalpsychologie sowie Sozialpsychologie.
Der Aufbau der Arbeitspakete ist für eine gute Orientierung der Studierenden immer identisch: Zunächst erhalten die Studierenden allgemeine Informationen zum Arbeitspaket, wie z.B. das übergeordnete Themengebiet inkl. einer Übersicht der behandelten Inhalte, eine Auflistung der Lernziele, die mit dem jeweiligen Arbeitspaket verfolgt werden, sowie den Bearbeitungszeitraum für das Arbeitspaket. Anschließend werden die Studierenden gebeten, sich unterschiedliche, kleine, thematische Lerneinheiten zum Arbeitspaket in einer vorgegebenen Reihenfolge anzusehen. Die Lerneinheiten bestehen dabei jeweils aus unterschiedlichen Lernmaterialien, die bewusst verschiedene Wahrnehmungskanäle bzw. Zugänge der Studierenden ansprechen sollen. Das Arbeitspaket schließt mit einem Set an Reflexionsaufgaben, in dem die Studierenden ihr in den Lerneinheiten erworbenes Wissen testen bzw. überprüfen und zugleich Bonuspunkte für die Abschlussprüfungsleistung erwerben können (s. Reflexionsaufgaben).
Die Lernmaterialien setzen sich dabei wie folgt zusammen:
Vorlesungsmitschnitte
Einen Teil des Lernstoffes bekommen die Studierenden im Vorlesungsformat vermittelt, welcher zu kleinen thematischen Einheiten als Videosequenzen (vgl. Abb. 2) mit einer Länge von 8 bis maximal 25 Minuten, quasi als kleine „Lernhäppchen“ aufbereitet wurden. Pro Arbeitspaket werden maximal zwei Videos dieser Art bereitgestellt. Da die Videosequenzen auf eine annehmbare Dauer begrenzt sind, erleichtert dies die konzentrierte und bewusste Aufnahme der hierdurch vermittelten Inhalte. Zudem haben die Studierenden bei diesem Format den Vorteil, Videosequenzen anzuhalten oder sich wiederholt ansehen zu können. Die Mitschnitte entstammen aus der Vorlesung im Wintersemester 2018/19, in welcher sie mit Hilfe des ZMML aufgezeichnet sowie anschließend in die angesprochenen Sequenzen weiterverarbeitet wurden.
Textdokumente
Ein weiterer Teil der Lerninhalte wird den Studierenden in Textform (vgl. Abb. 3) bereitgestellt. Hierzu wurden vom Fachgebiet eigens Texte auf der Grundlage von in die psychologischen Themengebiete einführender Fachliteratur verfasst, die ausgewählte Lerninhalte in einer verständlichen Sprache wiedergeben sowie mit praxisnahen Beispielen und unterstützenden Abbildungen veranschaulichen. Pro Arbeitspaket werden durchschnittlich zwei Dokumente dieser Art eingestellt.
Animierte Erklärvideos
Als dritte Lernressource werden den Studierenden im Rahmen der Online-Arbeitspakete ebenfalls vom Fachgebiet selbst erstellte, animierte Erklärvideos im Vyond-Format (vgl. Abb. 4) zur Verfügung gestellt. Pro Arbeitspaket sehen die Studierenden zwei bis drei dieser Videos. Mit Hilfe der animierten Erklärvideos sollen teilweise komplexe oder abstrakte theoretische Konzepte als kurze Comicgeschichten in lebensnahen und verständlichen sowie prägnanten Beispielen abstrahiert und dargestellt werden. Hierdurch soll die tiefere Bedeutung eines abstrakten theoretischen Konzepts verdeutlicht, lebensnah erfahrbar und somit für die Studierenden an deren Erfahrungswelt adaptierbar gemacht werden.
Reflexionsaufgaben
Jedes Arbeitspaket schließt mit einem Set von Reflexionsaufgaben zur Überprüfung des Lernfortschritts der Studierenden ab. Das Aufgabenset besteht hierbei in der Regel aus bis zu acht Aufgaben, welche sich aus Single-Choice-, Multiple-Choice- und Lückentextaufgaben zusammensetzen. Der Vorteil dieser Aufgabentypen liegt für die Lehrenden vor allem in der automatischen Auswertbarkeit durch das System, was insbesondere bei größeren Lerngruppen für eine enorme Arbeitsentlastung der Lernenden sorgt. Die vorliegende Veranstaltung ist für eine Gruppengröße von über 100 Studierenden konzipiert worden.
Da die kontinuierliche und regelmäßige Anwendung und Reflexion erlernter Wissensinhalte maßgeblich zu einer nachhaltigen Speicherung des Wissens sowie zur Kompetenzentwicklung beiträgt (Klauer & Leutner, 2012), ist es im Interesse der Lehrenden, dass sich die Studierenden auch tatsächlich motiviert mit den Reflexionsaufgaben befassen. Aus diesem Grund wurde noch ein kleiner Anreizfaktor eingebaut, der die Studierenden zu einem kontinuierlichen Lernen anregen soll. Hierbei erhalten die Studierenden pro Arbeitspaket einen Bonuspunkt, der auf die Klausur anrechenbar ist, sofern sie im jeweiligen Aufgabenset jeweils mindestens 90 Prozent der maximal erreichbaren Punktzahl erzielen. Auf diese Weise können die Studierenden bereits im Semester durch kontinuierliches Lernen maximal 10 Bonuspunkte erhalten, d.h. zehn Prozent der Prüfungsleistung erbringen. Die Reflexionsaufgaben sind so gestaltet, dass sie zur erfolgreichen Lösung die Auseinandersetzung mit den in den Arbeitspaketen bereitgestellten Lernmaterialien bedürfen.
Anders als die in den jeweiligen Arbeitspaketen aufbereiteten Lerninhalte, sind die Reflexionsaufgaben immer nur für den Zeitraum einer Woche, d.h. bis zur Eröffnung des nachfolgenden Arbeitspaketes, für die Studierenden zur Bearbeitung freigeschaltet. Die Studierenden erhalten unmittelbar nachdem eine Bearbeitung der Fragen nicht mehr möglich ist, eine vom System generierte Rückmeldung in Form einer zuvor eingepflegten Aufgabenlösung. Darüber hinaus erhalten die Studierenden am Ende aller Arbeitspakete eine Mitteilung über die insgesamt über den Verlauf der Veranstaltung erzielten Bonuspunkt, die auf die Klausur anrechenbar sind.
Forum
Ergänzt werden die Arbeitspakete im EduWorkBuilder noch um die, in der Stud.IP-Veranstaltung angebotene Forumsfunktion, die den Studierenden eine Plattform bietet, inhaltliche Fragen zu stellen und diese auch im Plenum zu diskutieren sowie organisatorische bzw. technische Fragen zu klären. Damit das Forum effizient genutzt werden kann, ist es themenspezifisch vorstrukturiert (bspw. gibt es Unterordner für organisatorische, technische, prüfungsrelevante sowie je Arbeitspaket inhaltliche Fragen) und wird durchgehend durch die Lehrenden betreut. Für die Lehrenden bringt das Forum den zusätzlichen Vorteil, dass Fragen, bei entsprechender Nutzung des Forums durch die Studierenden, zentral und einmalig beantwortet werden können.
Die Präsenzveranstaltungen
Wie eingangs skizziert und in Abbildung 1 visualisiert, wird die Onlinelernphase der zehn Arbeitspakete von Präsenzveranstaltungen ergänzt, die eine praxisbezogene Anwendung, Vertiefung und Reflexion der, in den Arbeitspaketen erworbenen, Wissenseinheiten ermöglichen und fördern sollen. Hierzu werden die Kick-Off-, die Midterm- sowie die Abschlussveranstaltung als Präsenzveranstaltungen angeboten.
Kick-Off-Veranstaltung
Ziel der Kick-Off-Veranstaltung ist die Abholung der Studierenden an ihrem jeweiligen Wissenstand bzw. die Herstellung einer gemeinsamen Wissensbasis sowie die Einführung in das Lehr-/Lernkonzept der Lehrveranstaltung. Hierbei werden den Studierenden die Idee des Lehr-/Lernkonzeptes vermittelt und die technischen Tools und Funktionen sowie der Ablauf des Moduls (vgl. Abb. 1) vorgestellt. Zugleich werden an dieser Stelle ebenfalls die Erwartungen der Studierenden sowie der Lehrenden an die Zusammenarbeit innerhalb des Moduls sowie an das Modul an sich abgeklärt. Um die Studierenden auf die Veranstaltung einzustimmen und die gemeinsame Wissensbasis zu schaffen, wird ihnen darüber hinaus ein Einblick in die Geschichte der Psychologie gegeben.
Midterm-Veranstaltung
Die Midterm-Veranstaltung zielt explizit darauf ab, das in den ersten fünf Arbeitspaketen erworbene Wissen in einem praktischen Anwendungskontext zu stellen, um es auf diese Weise zu kontextualisieren sowie zu reflektieren und so an die jeweils individuelle Erfahrungswelt der Studierenden zu adaptieren und nachhaltig zu vertiefen. Aus diesem Grund ist die Präsenzveranstaltung überwiegend interaktiv gestaltet. Hierzu werden die Studierenden gebeten, vorgestellte Anwendungsfälle (Casestudies) aus ihrer alltäglichen Lebenswelt (bspw. ein Einkauf im Supermarkt) zu bearbeiten und das vorher theoretisch erworbene Wissen darauf anzuwenden. Die Arbeit findet in kleineren Gruppen statt und die Lösungen werden anschließend im Plenum präsentiert und diskutiert.
Als weiteres interaktives Element ist ein kleines Quiz auf Basis der Poll Everywhere-App eingebaut. Hierbei werden nacheinander Fragen gestellt, die die Studierenden auf der Basis von vier Antwortkategorien beantworten können. Zur Beantwortung können sie ihr Handy verwenden und sich die kostenlose Poll Everywhere-App herunterladen. Die App wertet die Antworten der Studierenden in Echtzeit aus und entwirft einen Chart mit dem Antwortverhalten. Anschließend gibt es die Möglichkeit, die Antwortkategorien im Plenum zu diskutieren.
Zudem erhalten die Studierenden noch die Möglichkeit, weitere Verständnisfragen und Anregungen zu bisherigen Inhalten zu stellen.
Abschlussveranstaltung
In der Abschlussveranstaltung werden, analog der Midterm-Veranstaltung, kleine Cases von den Studierenden bearbeitet, die sich jetzt allerdings auf die Arbeitspakete sechs bis zehn beziehen. Darüber hinaus wird den Studierenden ein kleiner Rückblick auf das Modul, durch die Zusammenfassung ausgewählter Inhalte sowie zentraler Lernziele als Lessons Learned, gegeben. Abschließend wird den Studierenden ausführlich das Prüfungsverfahren (E-Klausur) erklärt sowie Raum für Fragen der Studierenden gelassen.
Vorzüge des Inverted-Classroom-Konzeptes und Reaktionen der Studierenden
Das Inverted-Classroom-Konzept zeichnet sich durch eine Vielzahl lehr-/lerntheoretischer Vorzüge, wie bspw. die Förderung selbstorganisierter Lernprozesse durch die Möglichkeit des orts- und zeitunabhängigen Lernens einerseits sowie durch die Einforderung eines eigenverantwortlich organisierten, kontinuierlichen Lernens andererseits aus, womit eine zentrale, im Studium zu entwickelnde Kompetenz gefördert wird. Darüber hinaus trägt die Förderung interaktiver Lernprozesse in den hierzu verwendeten Präsenzveranstaltungen zu einem nachhaltigen Wissensaufbau und zur Kompetenzentwicklung der Studierenden bei. Nicht zuletzt können durch ein diversifiziertes Lernangebot aus verschiedenen Lernmaterialien sowie einem Mix aus, auf Selbstlernprozesse basierenden Online-Lernphasen und aus anwendungsbezogenen, interaktiven Lernprozessen, unterschiedliche Lerntypen angesprochen und Lernprozesse auf unterschiedlichen Ebenen forciert werden.
Diese Vorteile finden sich auch in den Reaktionen der Studierenden wieder, welche einer Lehrveranstaltungsevaluation aus dem Dezember 2019 zu entnehmen sind. So fanden 97% das Format sehr gut bzw. gut. Ein Zitat war „Ich finde es gut, dass man sich das Lernen flexibel über die Woche einteilen kann. Außerdem finde ich gut, dass man erklärte Inhalte (z.B. aus den Vorlesungsvideos) mehrmals anschauen kann. In regulären Vorlesungen ist es ja selten möglich, alle zusätzlich genannten Informationen aufzunehmen und zu notieren.“. Alle Studierenden gaben an, dass sie durch das Format flexibel sind und 93% fühlten sich in der Veranstaltung motiviert. Auch die bereitgestellten Materialien waren für alle ausreichend. Lediglich 3% der Studierenden fanden den Aufwand zur Bearbeitung der Materialien zu hoch. Eine persönliche Rückmeldung in der Midterm-Veranstaltung war darüber hinaus, dass es anscheinend dienstagabends technisch schwierig war, auf den Kurs zuzugreifen. Dies scheint nach Diskussion der Thematik ggf. daran gelegen zu haben, dass sehr viele der gut 120 Studierenden die Inhalte und Fragen bearbeiten wollten, bevor die Fragen mittwochmorgens deaktiviert wurden. Jeden Mittwoch ist ein neues Arbeitspaket freigeschaltet worden.
Was es zu beachten gibt
- Eine Aufteilung des Lehrmaterials, vormals als klassische Vorlesung, und eine Erstellung dieses nun in einzelne Vorlesungsausschnitte, in selbst entwickelte Erklärvideos, in selbst verfasste Textdokumente und in Lernfragen braucht ausreichend Vorbereitungszeit.
- Keine Vorlesung läuft fehlerfrei und wie geplant ab. Das Sichten der Vorlesungsmitschnitte und das Erstellen eines Schnittmusters zur Entfernung von Störsequenzen ist sehr aufwendig.
- Nicht jeder Inhalt ist für jede Darstellungsart geeignet. Manche Sachverhalte lassen sich nur sehr schlecht in Erklärvideos einarbeiten. Andere Einheiten empfehlen sich für Erklärvideos sehr, da sie als Textdokument den Studierenden sehr langatmig vorkommen könnten. Wieder andere Inhalte werden mündlich in der Vorlesung so gut erklärt, dass eine Übertragung in ein Textdokument oder ein Erklärvideo nicht ohne Informationsverlust einhergehen würde. Für die Betreuung des Forums im digitalen Kursraum braucht man ausreichend personelle Ressourcen und man muss der Erwartungshaltung der Studierenden entgegentreten, welche zum Ausdruck bringen, dass sie erwarten, dass Fragen innerhalb von ein, zwei Stunden beantwortet werden. Diese Erwartungshaltung mag aus Community-Foren im Internet und Chat-Foren mit Dienstleistungsfirmen resultieren, ist jedoch fern jeglicher Möglichkeiten der Lehre an einer Universität.
- Man sollte darauf gefasst sein, dass, wenn man denkt, dass nun wirklich alles technisch gut läuft, doch ein unerwartetes Problem auftritt, welches Zeit braucht, gelöst zu werden.
- Allgemein sollte immer ein zeitlicher Puffer für unerwartete Verzögerungen und nicht vorhersehbare Probleme miteinberechnet werden.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Inverted-Classroom-Ansatz Universitäten auf Grundlage digitaler Lernwelten vollkommen neue Wege der akademischen Lehre ermöglicht und die Anforderungen der Zeit erfüllt. Auch die Studierenden partizipieren durch vollkommen neue Lernmöglichkeiten und Zugänge zur akademischen Lehre von dem Konzept des Inverted-Classroom-Ansatzes. So ermöglicht dieses innovative Lehr-/Lernformat den Studierenden, die reine Vermittlung, resp. Aufnahme fachwissenschaftlichen Wissens, orts- und zeitunabhängig in Eigenverantwortung zu planen und durchzuführen. Somit kann die nach wie vor wertvolle Präsenzzeit mit den Lehrenden dazu genutzt werden, das erworbene Fachwissen in Fallstudien anzuwenden, kritisch zu reflektieren und gezielte Fragen zu stellen.
Literatur:
- Klauer, K.J. & Leutner, D. (2012). Lehren und Lernen. Einführung in die Instruktionspsychologie. Weinheim, Basel: Beltz Verlag.
- Merrill, M.D. (2002). First Principles of Instruction, Educational Technology Research and Development, 50(3), 43-59.
Über die Autor*innen:
Prof. Dr. Vera Hagemann, Leiterin des Fachgebiets Personalwesen, Schwerpunkte Personal- und Wirtschaftspsychologie
Michael Völkerink, M.Ed., wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Personalwesen
Mark Rosemann, B.Sc., studentische Hilfskraft im Fachgebiet Personalwesen für das ForstA digital-Projekt
Bildnachweise:
Autor*innenfoto und Abbildung 1 bis 6: Vera Hagemann, Michael Völkerink und Mark Rosemann; Universität Bremen